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„Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ – Predigt zum Reformationstag über Gal. 5,1-6

Montag 31. Oktober 2022 von Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche


Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche

1          Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!

2          Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, so wird euch Christus   nichts nützen.

3          Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist.

4          Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen.

5          Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die man hoffen muss.

6          Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.

Lasst uns beten: Herr, segne dein Wort an uns. Gib uns deinen Geist, dass wir das Geschenk der Freiheit in Jesus Christus recht ermessen und damit als Christen leben.

Liebe Gemeinde,

als Luther am 31. Oktober 1517 die Reformation der Kirche einläutete, ging es ihm besonders um die Frage: ‚Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ Auf der Suche nach einer Antwort auf diese Frage stieß er auf die große Grunderkenntnis: „Ich bekomme ihn gar nicht, den gnädigen Gott, so sehr ich mich auch anstrenge. Er kommt aus freien Stücken zu mir in seinem Sohn Jesus Christus. Er schenkt mir seine Gnade, ohne dass ich sie mir verdienen könnte.“

Diese Grunderkenntnis Luthers schaffte ihm eine große Gelassenheit. Gottes Liebe und seine Gnade sind immer schon vorlaufend. Ich muss mich nicht abhetzen, als könnte ich etwas verpassen. Ich brauche mich nicht zu verzehren in dem Bemühen, ihm zu gefallen. Er hat mich schon lieb. Er ist mir schon nahe.

In der Weiterentwicklung dieser theologischen Erkenntnis wurde Luther der Apostel Paulus immer wichtiger. Unter seinen Briefen hatte es ihm besonders der Galaterbrief angetan, und gerade auch unser Abschnitt aus dem 5. Kapitel war sehr wichtig für ihn.

Die „evangelische Freiheit“ wird gern im Rückblick auf Luther ausgerufen, wenn Christen wegen ethisch fragwürdigen Verhaltens in die Kritik geraten. „Ein frommer Christ raucht nicht, oder er trinkt keinen Alkohol.“ Bei unseren Vorvätern hieß es: „Kartenspiel und Tanz sind vom Übel.“ Darauf wird heute gern mit dem Hinweis auf die Freiheit reagiert: „Als evangelischer Christ darf ich das tun in großer Freiheit. Ich stehe nicht mehr unter der Knute des Gesetzes.“

In der Tat ist die Betonung dieser Freiheit, zu der uns Christus (nicht Luther!) befreit hat, ein entscheidender Teil der frohen Botschaft der Bibel. Und sie gehört auch zu den Stücken der Theologie und des christlichen Glaubens, die durch die Reformation wieder neu zur Geltung gebracht wurden.

Dabei ist jedoch zu bedenken, dass das Wort Freiheit in unserer Gesellschaft einen Klang von Bindungslosigkeit und Beliebigkeit bekommen hat. Jeder tut, was er will. Und dann nennt er es Freiheit. Doch das ist bei Paulus nicht mit Freiheit gemeint. Für ihn ist der Begriff aufs Engste mit dem Namen Jesus Christus verbunden. ‚Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“

Bei Paulus werden verschiedene Mächte benannt, von denen wir durch Jesus Christus frei geworden sind. Wir sind befreit von der Knute des Gesetzes, von der Macht des Todes, aus dem Herrschaftsbereich des Teufels. Schließlich sind wir auch frei geworden von der Macht der Sünde. Keine Macht dieser Erde vermag es, uns von unserem Befreier und Retter zu trennen. Darum ist Freiheit gerade nicht Bindungslosigkeit. Sie besteht immer in der engen Anbindung an Christus!

Das mag uns ein Bild vom Drachen im Herbst veranschaulichen: Bunt fliegt er über den Himmel. Fast ist man erinnert an den alten Reinhard Mey-Schlager: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.“ Man schaut dem Drachen zu, der in großer Freiheit im Wind am Himmel hin und her fliegt. Freiheit heißt in diesem Fall jedoch: Angebunden sein an den Drachenlenker. Wollte er den Drachen loslassen, damit die Freiheit noch größer würde, wäre der Flug jäh zu Ende. Nur in der Anbindung an den Lenker kann der Drachen seine Freiheit entfalten. Ohne den Halt der Drachenschnur bekommt der Wind keine Kraft hinter den Drachen. Völlig ohne Führung ginge es also nicht in den Freiflug hinein. Der Absturz wäre vorgezeichnet.

Vielleicht mag uns dieses Bild helfen, die Freiheit, von der Paulus im Galaterbrief spricht, richtig zu verstehen. Es geht ihm gewiss nicht um Beliebigkeit oder Bindungslosigkeit. Er möchte den Menschen eine große Gelassenheit schenken. „Alles ist erlaubt“, kann er deshalb an anderer Stelle sagen, „aber es dient nicht alles dem Guten!“ (1.Korinther 6,12) Paulus möchte, dass seine Adressaten wissen, woran sie gebunden sind. Nicht in dem Sinne, dass nun wieder Druck und Abhängigkeit entstünden, aber doch so, dass die Verbindung an Jesus Christus niemals aus dem Blick gerät. Darum fährt er an dieser Stelle fort: „Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangen nehmen.“ Bindungslosigkeit beinhaltet für Paulus die Gefahr neuer Unfreiheit, neuer Abhängigkeit. Zur echten evangelischen und christlichen Freiheit sind wir durch unseren Halt und Lenker Jesus Christus befreit. So leben wir in unserer Freiheit wie der Drachen, der an der Schnur angebunden ist und gerade so seine Freiheit im Flug ausleben kann.

Paulus macht das deutlich am Beispiel der Beschneidung. Da gab es in der jungen Gemeinde unter den Judenchristen in Galatien Stimmen, die lautstark und im Gegensatz zu Paulus forderten, auch Christen müssten sich beschneiden lassen. Was für jeden frommen Juden, sowohl für Jesus selbst, als auch für den Apostel Paulus, ganz selbstverständlich war, weil es im Gesetz des Alten Testaments geordnet war, das machte der Apostel in seiner Verkündigung unter den Heidenchristen nicht zur Bedingung. Im Gegenteil. Er stellt fest: „Zu dieser Freiheit von der Beschneidung hat uns Christus befreit.“ Und da steht dann das ganze Evangelium auf dem Spiel, wenn Menschen wieder anfangen, die Beschneidung einzuführen.

„Wer damit wieder anfängt, verliert die ganze Freiheit“, sagt Paulus. „Dann müsste er das ganze Gesetz erfüllen, um seiner Rettung gewiss sein zu können.“ Leidenschaftlich spricht der Apostel. An dieser Stelle ist er mit ganz viel Herzblut engagiert. An dieser Stelle will er kein Stück weichen oder nachgeben. Dies ist das Zentrum des Evangeliums.

Martin Luther stand anderthalb Jahrtausende später wieder vor solcher Gefahr. Er hatte es am eigenen Leibe erlebt, wie die Kirche auch im Mittelalter wieder drauf und dran war, die Freiheit des Evangeliums preiszugeben. Da wurden Menschen mit vielen Regeln gedrückt und bedrängt, so zu leben und zu handeln, dass Gott mit ihnen zufrieden sein konnte. Augenfällig wurde das für Luther im Ablass-Wesen der damaligen Zeit. Menschen konnten mit Geldzahlungen an die Kirche dazu beitragen, dass die Folge von Verfehlungen und Schuld vor Gott abgemildert wurde. „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele vom Fegefeuer in den Himmel springt.“ So soll der Dominikanermönch Johann Tetzel Werbung für den Ablasshandel gemacht haben. Gerade dagegen wandte sich Luther leidenschaftlich in seinen 95 Thesen, die er in Wittenberg an der Schlosskirche zur Diskussion stellte.

Wir mögen uns darüber amüsieren, mit welch einfachen Mitteln damals Menschen unter Druck gesetzt und der Freiheit beraubt wurden. Aber es besteht auch heute die Gefahr, dass wir die Freiheit, zu der uns Christus befreit hat, verlieren. Unser missverständlicher Gebrauch des Wortes Freiheit macht das deutlich. Wie schon erwähnt, hat sich ein Verständnis durchgesetzt, nach dem Freiheit mit Bindungslosigkeit gleichgesetzt wird. „Freiheit ist, was mir Spaß macht. Ich lasse mir von niemandem verbieten, wozu ich gerade Lust habe. So frei bin ich.“

Paulus beschreibt gerade im Schlusssatz des heutigen Textes Freiheit anders: ‚Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.“

Im Glauben lassen Christen sich anbinden an Christus und erleben in solcher Anbindung christliche Freiheit, die sich tätig darin äußert, dass der Nächste im Blick bleibt. Also nicht, was mir Spaß macht oder wozu ich Lust habe, bestimmt meine Freiheit, sondern ich behalte den Nächsten im Blick und frage, was ihm guttut.

Martin Luther hat 1520 die Denkschrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ veröffentlicht. Darin nimmt er gerade diese Definition von Freiheit wieder auf und sagt sinngemäß: ‚Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan nach dem Evangelium. Und: ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan nach der Liebe.‘ Dabei wird die Liebe nicht zu einem neuen Gesetz. Sie ist gleichsam die Drachenschnur, die mich hält, dass ich in großer Freiheit über den Himmel fliegen kann. Paulus sagt: Die Freiheit besteht im Glauben, ‚der durch die Liebe tätig ist.“

Solche Freiheit ist uns geschenkt. Geb‘s Gott, dass wir sie uns von nichts und niemandem nehmen lassen. Amen.

Lasst uns beten: Erhalt uns in der Wahrheit, gib ewigliche Freiheit zu preisen deinen Namen durch Jesus Christus. Amen.

Quelle: www.selk.de
Pastor Peter Rehr, Soltau

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 31. Oktober 2022 um 9:00 und abgelegt unter Predigten / Andachten.