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Besser aber später: Berufsausbildung und Familiengründung

Sonntag 16. November 2008 von Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e. V.


Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e. V.

Besser aber später: Berufsausbildung und Familiengründung

Die Höhe der Geburtenrate (Total Fertility Rate) wird nicht nur davon bestimmt, wie viele Kinder Frauen bekommen, sondern auch wann sie diese bekommen („Timing“). Wie stark „Timing-Effekte“ die Geburtenentwicklung beeinflussen können, zeigt beispielhaft der sogenannte „Pillen-Knick“ der 60er und 70er Jahre: Zwischen 1965 und 1975 ist die Zahl der Geburten in Deutschland um etwa die Hälfte gesunken. Dieser Geburtenrückgang war zum einen durch die abnehmende Häufigkeit dritter und weiterer Geburten bedingt, zum anderen aber auch darauf zurückzuführen, dass in dieser Zeit immer mehr Frauen die Geburt ihres (ersten) Kindes auf später verschoben haben. Der Rückgang dritter und weiterer Geburten und der Aufschub von Geburten erklären den Geburtenrückgang in den 60er und 70er Jahren je zur Hälfte. „Kinderlosigkeit“ spielt in diesem Zusammenhang keine nennenswerte Rolle (1). Seit den 80er Jahren sind das Heiratsalter von Frauen und das Alter (verheirateter) Mütter bei der ersten Geburt weiter deutlich angestiegen (2). Das biographische „Zeitfenster“ für die Familiengründung hat sich damit verengt und die endgültigen Kinderzahlen von Frauen sind weiter gesunken (3).

Dass Frauen immer später Mütter und Männer immer später Väter werden, ist nicht zuletzt auf die verlängerte Dauer der Ausbildung und der Arbeitssuche zurückzuführen. Sehr viel mehr junge Menschen als noch in den 60er Jahren erwerben heute höhere Bildungsabschlüsse und investieren hierfür viel Lebenszeit (4). Obwohl sie besser ausgebildet sind als früher, verfügen junge Menschen heute oft erst spät über ein selbstverdientes sicheres Einkommen. Dementsprechend lange sind viele von Ihnen auf die finanzielle Hilfe ihrer Eltern angewiesen. Wie das Deutsche Jugendinstitut analysiert, ist heute der „Wechsel aus einer vollkommenen finanziellen Abhängigkeit von den Eltern in die eigene ökonomische Unabhängigkeit ein langwieriger Prozeß“ (5). Ferner zeigen Untersuchungen desselben Instituts zu den Lebensverhältnissen von jungen Erwachsenen, dass dieser Prozess die Familiengründung behindert. Demnach leben noch im Alter von 29 Jahren 60 Prozent der Frauen und sogar fast 80 Prozent der Männer ohne eigene Kinder im Haushalt. Von den (relativ wenigen) jungen Menschen, die mit Partner und Kindern zusammen leben, haben mehr als 90 Prozent eine abgeschlossene Berufsausbildung. Die Forscher des Deutschen Jugendinstituts konstatieren, dass „ein partnerschaftliches Zusammenleben“ und „familiale Lebensformen mit Kindern“ während der Zeit der Berufsausbildung „äußerst selten“ sind. Selbst von den 27-29jährigen Erwerbstätigen lebe erst knapp ein Viertel „mit Partner bzw. Partnerin und Kindern“ zusammen. Betrachtet man nur die Hochschulabsolventen liegt dieser Anteil sogar noch deutlich niedriger. Die Forscher des Deutschen Jugendinstituts schließen hieraus, dass „die mit dem Bildungsniveau relativ eng verbundene Dauer einer Berufsausbildung große Bedeutung für das Familiengründungsverhalten“ habe (6). Mit anderen Worten: Die Problematik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf fängt für qualifizierte Berufseinsteiger schon vor der Familiengründung an. Oder nüchterner: Ausbildung und berufliche Qualifizierung sind in Deutschland mit der Gründung einer Familie und der Sorge für Kinder schwer zu vereinbaren.

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Anmerkungen

(1) Vgl. hierzu: Karl Schwarz: 100 Jahre Geburtenentwicklung, S. 481-491, in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft, Ausgabe 4 1997, Wiesbaden 2007, S. 486-487.

(2) Siehe hierzu die Abbildung unten: „Aufschub von Heirat und Familiengründung“. Die Abbildung stellt aus Gründen der Datenverfügbarkeit das Alter verheirateter Mütter bei der Geburt dar. Das Erstgeburtsalter insgesamt, einschließlich der ledigen Mütter, ist etwas niedriger, es folgt aber demselben Trend. Dies gilt insbesondere für die 60er bis 90er Jahre als nicht-eheliche Geburten in Westdeutschland relativ selten waren.

(3) Vgl.: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (Hrsg.): Bevölkerung, Daten, Fakten, Trends zum demographischen Wandel in Deutschland, Wiesbaden 2008, S. 38.

(4) In den 50er Jahren erwarben nur knapp fünf Prozent (!) eines Jahrgangs das Abitur. Mittlerweile schließen dagegen etwa 40 Prozent eines Jahrgangs ihre Schulzeit mit dem Abitur (oder der Fachhochschulreife) ab. Vgl. hierzu: http://www.i-daf.org/93-woche-43-2008.html

(5) Vgl.: Sabine Sardei-Biermann/Ildiko Kanalas: Lebensverhältnisse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, S. 39-85, in: Martina Gille et al: Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden 2008, Ebd., S. 83-84.

(6) Vgl. ebd., S. 49-56.

Idaf, 16.11.2008

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Sonntag 16. November 2008 um 9:51 und abgelegt unter Ehe u. Familie.