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Der Himmel öffnet sich – eine Osterbetrachtung

Die Uhr zeigt kurz vor 4 Uhr. Mit meiner Reisegruppe bin ich früh aufgestanden. Nun hocken und stehen wir auf einem Berg weit oberhalb des Toten Meeres in Israel und schauen gespannt nach Osten auf die Berge von Moab, heute Jordanien. Noch fröstelt uns die Kühle der Nacht hier in der Wüste. Doch wir erwarten den Sonnenaufgang. Doch diesmal sieht es nicht so gut aus. Eine dunkle Wolkendecke liegt gegenüber auf dem Gebirge. Die Uhr zeigt an: noch wenige Augenblicke. Fotoapparate werden zur Hand genommen. Und plötzlich geschieht ein Wunder. Die dunkle Wolkendecke reißt einem Türspalt gleich auf. Die aufgehende Sonne bricht mit Licht und Wärme durch. Jetzt heißt es fotografieren. Nach etwa 15 Minuten schließt sich der Spalt, die Sonne ist verschwunden. Stunden später beim Baden im Toten Meer wird sie hell und heiß vom Himmel strahlen.

Öffnet sich nicht auch Ostern der Himmel und gibt für Momente der Weltgeschichte einen einzigartigen Blick in Gottes neue Welt frei? Wie gleißendes Licht bricht Gottes Helligkeit in diese oft so dunkle Welt. Das ganze Ostergeschehen zeigt dieses Wunder. Da ist der dunkle Karfreitag. In den Kirchen verlöschen die Kerzen, oft wird aller Schmuck am Altar verhüllt oder gar alles abgeräumt. Die Glocken schweigen. Totenstille. Jesus leidet am Kreuz: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Jesus leidet an Gottesferne und Gottesfinsternis. Der Samstag vergeht, bis heute der arbeitsfreie Shabbat für das jüdische Volk. Es folgt der Sonntag.

Am Ostermorgen, der Shabbat ist vorbei, eilen Frauen zum Grab. Mit Salben und Duftölen wollen sie dem toten Jesus eine letzte Ehre erweisen. Doch das Grab ist leer, lesen wir in der Bibel. Ein Engel tritt auf. Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier. Jesus wurde von den Toten auferweckt. Er ist auferstanden. Der Himmel hat sich für einen Spalt geöffnet.

Ostern: Ein Lichtblick für die Welt. Gottes Wirklichkeit ist in unsere dunkle, von Terror und Krieg geplagte Geschichte und Gegenwart eingebrochen. Entsetzliche Kämpfe in der Ukraine, Millionen auf der Flucht. Europa im Frühling 2022: unfassbar! Und dennoch: Es ist Ostern. Jesus, der Auferstandene ist nicht fern, er ist da. Hilfstransporte im Zeichen der Nächstenliebe und Solidarität. Aufnahme von Menschen in Polen, Rumänien, Deutschland und anderen Ländern.

Das Osterlicht dringt durch die dunkle Wolkendecke auch unserer persönlichen Leiden. Kummer, Krisen und Krankheit plagen viele. Corona und die ganze Coronapolitik nerven viele und machen Menschen kaputt. Ich kämpfe seit einem Jahr mit einer schweren Krebserkrankung. Trotz vieler Behandlungen keine Verbesserungen. Im nächsten Jahr werde ich die Ostergedanken vermutlich nicht mehr schreiben. Wie lange ich Autor der „Worte zum Sonntag“ sein werde, ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Diese wunderbare biblische Botschaft aus Hiob 19,25 – grandios vertont in Händels Messias. Und Jesus Christus spricht: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“ (Johannes 14,19)

Herzliche Einladung ins Osterlicht und zum Glauben an den Auferstandenen, der von sich sagt: Ich bin das Licht der Welt. Das gilt für Zeit und Ewigkeit. Gesegnete Ostern!

Quelle: Allgemeiner Anzeiger (Erfurt) 16.4.2022

Egmond Prill (1956-2022). Diese Osterbetrachtung ist die letzte, die E. Prill vor seinem Tod am 27.3.22 verfasst hat. Im ‚Aufbruch‘ (März 2022) steht sein Text „Evangelische Kirche – es reicht. Austritt!“