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Passionsandacht: Die doppelte Herrlichkeit Jesu Christi (Mt. 17,1f + Mt. 27,27f.)

Freitag 11. März 2022 von Prädikant Thomas Karker


Prädikant Thomas Karker

Im Urlaub haben wir kräftig fotografiert. Dann auf dem Computer angeschaut. Manche sind nichts geworden, andere sind ganz nett. Nur wenige sind Glückstreffer. Wir können eben nicht fotografieren. Dann sah ich die Bilder eines Bekannten. Jede Aufnahme war etwas Besonderes: ein bestimmter Aspekt, eine bestimmte Sicht. Ich fragte ihn: „Wie machen Sie das?“ Er antwortete: „Man muss sehen können. Man muss eben sehen, dass dies oder jenes Motiv ein gutes Bild geben wird. Man muss einen Blick dafür haben.“

Man muss sehen lernen – das gilt erst recht, wenn man die Herrlichkeit Jesu sehen will. Unsere natürlichen Augen sehen in Jesus nicht mehr als einen guten, vielleicht auch etwas überspannten Menschen, das hat uns ja die moderne Theologie beigebracht. Aber stimmt das? Jetzt in der Passionszeit wollen wir unser Sehen auf Jesu Herrlichkeit in einer doppelten Weise ausrichten lassen:

Die doppelte Herrlichkeit Jesu Christi

1. Wir bekommen den Blick für die äußere Herrlichkeit Jesu Christi.

Johannes und Petrus bezeugen uns: Wir sahen seine Herrlichkeit – die Herrlichkeit des Sohnes Gottes.

Wir wollen sie fragen: „Wo habt ihr die Herrlichkeit Jesu gesehen, auf den Höhen des Lebens oder in den Abgründen?“ Seine Antwort: „Jesu Herrlichkeit erblickten wir aus den Abgründen.“ Maria und Martha trauerten um Lazarus, ihren Bruder. Sie hörten Jesu Wort: „So ihr glaubt, werdet ihr die Herrlichkeit Gottes sehen.“

Ja, überall dort wo Leid und Not war, da hat man die Herrlichkeit Jesu gesehen, Kranke wurden gesund, Hunger wurde gestillt, die Naturgewalten mussten ihm gehorchen, Dämonen fuhren aus, Tote wurden zu neuem Leben erweckt. Die äußere Herrlichkeit Jesu in den Abgründen des Lebens.

Doch an einer Stelle glänzt die Herrlichkeit Jesu besonders hervor: Mt. 17,1f.

Zum ersten mal hat Jesus klar und unverhüllt von seinem Leiden gesprochen. Sechs Tage nach jenem Gespräche mit den Jüngern, nimmt Jesus Petrus, Jakobus und Johannes zu sich. Sie allein waren Zeugen, der Auferweckung der Tochter des Jairus, sie allein waren Zeugen seines Kampfes in Gethsemane. Sie allein nimmt er jetzt mit.

Und Jesus führte die drei Jünger auf einen hohen Berg. Die Überlieferung nennt den Berg Tabor. Abseits von den belebten Straßen, fernab vom Gewühl der Menschen soll diese Manifestation seiner eigentlichen Herrlichkeit geschehen. Das hat seinen guten Grund: Der Sohn Gottes hat – nach einem Wort des Matthias Claudius – die „Uniform des menschlichen Elends“ angezogen, er hat sich „in unser armes Fleisch und Blut verkleidet“ (Luther). Das bedeutet eine tiefe Verhüllung seiner Sohnesherrlichkeit.

Verborgen hat sich seine göttliche Gestalt unter unsrer menschlichen Gestalt, und sie soll sich nun in seinem Leiden und Sterben erst recht bis zur Unkenntlichkeit verbergen. In Niedrigkeit, in „Knechtsgestalt“ (Phil. 2,7) ist er gekommen, uns zu dienen, zu versöhnen und zu retten. Mit diesem Beruf des „Gottesknechts“ verträgt sich keine öffentliche Schaustellung seiner Herrlichkeit.

Da ward er verklärt vor ihnen, heißt es. Ihr wisst, dass sich sein Leben in zwei Stände teilt, in den Stand der Erniedrigung und in den Stand der Erhöhung. Er war herausgerückt aus dem Stande der Erniedrigung. Er stand an den Grenzen des Reichs der Herrlichkeit Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne. Er stand wieder da an den Perlentoren der ewigen Gottesstadt, wo er regiert als ein König aller Welten, wo er auch das Böse lenkt zur Ehre Gottes, und wo sein eigenes Leiden als der herrlichste Baustein dieser Ehre vorliegt. – Seine Kleider waren weiß wie das Licht, oder wie Markus schreibt, „weiß wie Schnee, dass sie kein Färber auf Erden kann so weiß machen.“ Licht ist Gottes Kleid, das er anhat. In diese Herrlichkeit des Vaters sollte auch der Sohn wieder eingekleidet werden. Seinen ungenähten Rock sollten seine Henker bekommen. Der Vater hat ein anderes Ehrenkleid für den erhöhten Sohn.

Hier steht der Sohn Gottes, ganz und gar durchleuchtet, auswendig und inwendig, von Gottes Glanz, in makelloser Reinheit, in strahlender Majestät. „Wir sahen seine Herrlichkeit“ – hat Johannes später im Rückblick auf diese Stunde geschrieben, – „eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“

Da erschienen ihm Moses und Elias, die redeten mit ihm. Wie er hingerückt war an die Pforten der himmlischen Herrlichkeit, so erschienen ihm auch Bürger der himmlischen Herrlichkeit. Es waren die Männer, die ihm den Weg bereitet hatten. Moses hatte das Gesetz gegeben, Elia war durch das Volk gezogen mit seiner Bußpredigt und nun war er gekommen, der den ganzen Boden erneuerte, den guten Samen ausstreute. Sie redeten mit ihm von dem Ausgang, welchen er erfüllen sollte in Jerusalem. Sie redeten davon, wie der Stecken des Gesetzes zerbrochen, wie die Strafe getilgt werden sollte, wenn er für uns gestraft und gemartert würde. Sie redeten davon, das er das letzte und ganze Opfer sein würde, dass in ihm alle Opfer erfüllt würden, die Moses im Gesetz geboten hatte. Und so sah Jesus seinen Leidensweg ausgerollt wie ein Teppich, über den er jetzt zu gehen hätte. Und für diese majestätische Aufgabe und zugleich für diesen Marterweg, stärkt der Vater jetzt seinen Sohn. Und in dies Gespräch erscholl eine Stimme herein: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören.“ Das ist Seelsorge des Vaters am Sohn, der mit dem Gehorsam gerungen hat und vom Vater die Bestätigung seines Leidensweges zugerufen bekam.

In dieser letzten Epiphanie sehen die Jünger ihren Herrn an den Pforten seines himmlischen Reiches, empfangen sie die Erklärung des Vaters über seinen Sohn.

Doch steigen wir herunter von den Taborhöhen hinein in das Leidensgeschehen Jesu.

2. Wir bekommen den Blick für die innere Herrlichkeit Jesu Christi.

Er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet. (1. Petr. 2,22.23)

Welche Demütigungen und Erniedrigungen hat Jesus in seinem ganzen Leben erduldet, ohne Klagen und ohne Murren.

Seine Geschwister sagten: er ist von Sinnen und glaubten nicht an ihn.

Die Einwohner von Nazareth wurden voll Zorn und stießen Jesus zur Stadt hinaus

Die Pharisäer sagten: Er hat den Teufel!

Nahm er sich der Sünder an, dann sagten sie, er sei ein Fresser und Weinsäufer.

Die Verleugnung des Petrus, der Verrat des Judas!

Die Gefangennahme, das Verhör und die Verleumdungen. Barrabas wird an seiner Statt freigelassen, die Verspottung durch die Soldaten, das Volk, die Pharisäer und die Schächer. Es ist auffallend, dass ausschließlich das männliche Geschlecht, sich zu diesen Spott- und Hasstriaden hinreißen lässt. Er hat es alles schweigend erduldet.

Wir eilen zur großen Erniedrigung nach dem Urteilsspruch des Pilatus: Mt. 27,27f

Das Verhör war vorüber, das Urteil gesprochen, die furchtbare Geißelung vollendet, nun sollte noch die grausame Kreuzigung selbst folgen. Die Kriegsknechte nahmen den Herrn noch ins Prätorium. Da ergoss sich eine Flut von Spott und Hohn aller Art über ihm aus. Einer der Kriegsknechte mag den Anfang gemacht haben und andere ersannen weitere Grausamkeiten, um Ihn zu erniedrigen. Acht Dinge werden uns genannt, die man dem Herrn antat:

Sie entkleideten Ihn.

Geistlich gesprochen, hatte das der Herr eigentlich längst selbst getan, als Er die Herrlichkeit verließ und Knechtsgestalt annahm. Hier aber sind es Menschen, die Ihn entehrten. Hätte sie nicht tiefes Mitleid rühren sollen, als sie Seinen zerfleischten Leib ansahen, den sie selbst durch die Geißelung so zugerichtet hatten. Aber da stand Er als der Allerverachtetste zu ihrer Belustigung. Alle Kleider nahm man Ihm. Ist es heute besser? Beraubt man Ihn nicht Seiner Gottessohnschaft, Seiner leibhaftigen Auferstehung, ja all Seiner Ehre und stellt Ihn als Lügner hin?

Sie legten Ihm einen Purpurmantel an.

Den Purpurmantel legte man Königen zur Krönung an. Dem Herrn zog man ihn zum Spott an, weil Er bekannt hatte, der Juden König zu sein. Sie waren blind für Seine eigentliche königliche Würde, die Er in Seiner Sanftmut, Demut und Seinem Dulden zeigte. Gerade das Schweigen, Dulden und Tragen hätte sie zum Nachdenken bringen sollen. Da stand Er vor ihnen als das Lamm zur Schlachtbank geführt, das den Mund nicht auftat.

Sie setzten eine Dornenkrone auf Sein Haupt.

Auch die Dornenkrone sollte Verhöhnung bedeuten. Einem König gebührt sonst eine Krone, und in ihrer Bosheit machten sie dem Herrn eine solche zum Spott. Zum Spott gesellte sich ihre Rohheit, indem sie dem Herrn der Herren noch schreckliche Qualen hinzufügten. Der Mensch, die Krone der Schöpfung, krönte seinen Schöpfer mit Dornen, dem Zeichen des Fluches (1. Mose 3,18). Diese Kriegsknechte erkannten nicht die Hoheit der vor ihnen stehenden Person, diesen Herrn der Herrlichkeit (1. Kor. 2,8), den Sohn des Höchsten, dem alle Engel dienen und Ihn anbeten.

So wird der Herr noch heute geschmäht, und dies nicht allein von Feinden, nein, auch von solchen, die sich Sein nennen, wenn sie in Sünden leben. Denn Dornen und Disteln sind die Krönung der Sünde.

In des Herrn Dornenkrone liegt aber auch gleichzeitig eine große Ermunterung. Wollen wir nicht willig hinausgehen, um Seine Schmach ebenfalls zu tragen. Sie sollte uns kostbarer sein, als die Ehre der Welt. Unter dieser Krone der „Schmach Christi“ liegt ein unermesslicher Reichtum verborgen (Hebr. 11, 26).

– Sie gaben Ihm ein Rohr.

Einem König gehört auch das Zepter. Die Kriegsknechte kannten die Gegenstände der Würde und Macht eines Königs. Um Jesus jedoch zu verspotten, gaben sie Ihm ein Rohr. Der, der das Zepter des Universums schwingt, war so entehrt. Aber das Rohr, das sie Ihm gaben, wird sich in eine eiserne Rute verwandeln, mit der Er die Nationen weiden wird. Wir aber, die wir Ihn kennen, wollen wir Ihn nicht als Gottes Gesalbten ehren, und Ihn schon jetzt über uns herrschen lassen?

– Sie fielen vor Ihm auf ihre Knie nieder.

Auch das sollte eine Nachäffung von Huldigung sein. Vor den Großen warf sich alles nieder, hier aber war es zum Spott, und doch wird sich bald jedes Knie vor Ihm beugen müssen; auch diese Kriegsknechte. Was werden sie wohl dann sagen?

– Sie stimmten den Spottgesang an: Gegrüßet seist Du, König der Juden! Ja sein jämmerlicher Anblick reizte die Kriegsknechte wohl zu besonderem Spott. Und wie köstlich ist es, dass sie ohne ihr Wissen dem König aller Könige und der Juden König unbewusst gehuldigt haben.

– Sie spien Ihm ins Angesicht.

Im Anspeien des Herrn fand die Verachtung ihren Höhepunkt; denn Anspeiung ist der Ausdruck höchster Schmähung. Hier erfüllte sich die Weissagung in Jes. 50,6: „Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel.“ Werden nicht Engel ihre Angesichter dabei verhüllt haben? Wie sollten auch wir Ihn ehren und die Sünde hassen, ob solcher Erniedrigung.

– Sie schlugen Ihn mit dem Rohr auf das Haupt.

Anstatt sich unter Christi Zepter zu beugen, schlagen sie Ihn. Das Haupt, das vielleicht bei der schrecklichen Geißelung verschont blieb, wurde nun durch die Dornenkrone und die Schläge darauf getroffen. Jede erdenkliche Art des Hohnes und Schmerzes zugleich hatte diese Horde ersonnen, um Ihn zu quälen.

Der ganze Anblick des Herrn in Seiner tiefsten Erniedrigung ist so furchtbar, und alles an Ihm Geschehene so gemein und verächtlich, dass wir Ihn bewundern müssen, gerade wegen Seines stillen Duldens. Hier wird die innere Herrlichkeit Jesu ersichtlich.

Lernen wir dabei, was die Sünde verdient hat; denn das tat Er, um sie zu sühnen. Schmerz und Tod sind die Folgen der Sünde, und diese trug Er an unserer Statt. Wie Ihn der Purpurmantel bedeckte, so bedeckt Ihn unsere Sünde. Hier finden wir aber auch eine heilige Medizin, wenn es gilt, um Seinetwillen zu leiden. Die Leiden Christi waren stets der höchste Ansporn, um Jesu willen zu dulden. So freuten sich die Jünger, dass sie würdig erfunden waren, für Ihn zu leiden (Apg. 5,41).

Gott selbst helfe uns bei der Passionsbetrachtung, die äußere und innere Herrlichkeit, des Gottessohnes Jesus richtig zu sehen: Der um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen wurde. Denn die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.

Amen

Prädikant Thomas Karker, Passionsandacht für Sonntag, den 13. März 2022

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 11. März 2022 um 16:56 und abgelegt unter Predigten / Andachten.