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Christus in Weißrußland

Christus in Weißrußland
Bericht über eine Reise im November 2005

Begegungen im Flugzeug

Fast wären mir die Ohren abgefallen. Die alte AN 24-Propellermaschine, die mich von Berlin nach Minsk brachte, hatte mindestens schon 25 Jahre auf dem Buckel und war übel laut. Bei mir dröhnte noch alles, als ich nach 2 1/2 Stunden Flug in der weißrussischen Hauptstadt ausstieg.

Einer von uns 6 (!) Passagieren beschwerte sich dann auch lautstark: „Die müssen sich mal ’ne neue Maschine kaufen. Da geht man ja kaputt!“ Als wir auf unser Gepäck warteten, fragte ich, wie oft er denn schon in Weißrussland gewesen wäre: „Naja, erst ein paar Mal. Ich bin auch nur drei Tage hier und besuche meine Frau. Das heißt, sie ist noch nicht meine Frau. Sie ist Weißrussin und ich will sie heiraten. Aber ich warte noch auf die Zustimmung der deutschen Behörden. Das dauert schon 4 Monate. Was haben die für Ahnung! Was wollen die da prüfen? Auch bei meiner früheren Frau aus der Mongolei hat das so lange gedauert.“ Dieser Mann schien einen ziemlichen Bedarf an Importfrauen aus dem Osten zu haben. Leider war er dann schnell verschwunden.

Anders ging es auf dem Rückflug mit meinem Nachbarn – einem Professor, der vieles studierte und sich mit vielem beschäftigt. Zur Zeit beliest er sich gerade über fernöstlichen Religionen. Er meinte, dass das mit dem Christentum und unserem Denken nur mit unserer Kultur hier zusammen hängen würde. Das ist ja die Meinung vieler Menschen, dass der Glauben doch nur kulturell bedingt sei und Namen „Schall und Rauch“ sind, d.h. es nicht nur den einen gibt, der uns von Sünde und ewigem Tod erretten kann. Ich gab ihm ein Lukas-Evangelium. So kamen wir ins Gespräch und vereinbarten, uns gelegentlich mal wieder zu einem Kaffee zu treffen. Schließlich hat er nicht weit von uns entfernt ein Wochenendhaus…

Arbeit unter Studenten und Akademikern

Die weißrussische christliche Studentenbewegung CCX arbeitet seit mehr als 10 Jahren unter Studierenden. Nach einem Gottesdienst in der Spasenje-Gemeinde in Brest kam eine hauptamtliche Mitarbeitertin der CCX zu mir und wir unterhielten uns über ihren Dienst. Sie ist für die zwei Unis in Brest mit ca. 20.000 Immatrikulierten zuständig. An den Bibelkreisen nehmen 20 bis 30 junge Leute teil. So gut wie alle gläubigen Studenten, die sich zur CCX-Gruppe zählen, gehören zu dieser Spasenje-Gemeinde. Ich machte ihr Mut, in der Gemeinde die Belange der Studentenarbeit zu erläutern, Gebetsanliegen weiter zu geben und über Treffen und besondere Ereignisse zu berichten.

Auch Vladimir Golikov war über ca. 2 Jahre teilzeitlich für die CCX angestellt. Er ist der Mann, der wie kaum ein anderer sich vor allem um die Belange derer kümmert, die ihr Studium beendet haben. Er nimmt zu Gemeindeleitern Kontakte auf, erläutert das Anliegen, die Intelligenz für Jesus zu gewinnen, ihr denkerische und praktische Hilfe zu vermitteln und organisiert Konferenzen über Apologetik, Fragen des gesellschaftlichen Lebens sowie über Ehe und Familie. In dieser Arbeit unterstützen wir ihn von unserem Verein in Karchow aus durch Gebet und finanzielle Hilfe. Es ist eine Freude zu sehen, wie Gott diesen Dienst segnet und Menschen offen sind, von der Bibel her über grundlegende Fragen nachzudenken.

Zusammen mit Volodya fuhr ich am Samstagmorgen kurz nach 4 Uhr morgens zum Bahnhof, um dann per Zug nach Brest zu reisen. Hier organisierte er ein Seminar im Rahmen o.e. Spasenje-Gemeinde zum Thema „Gemeinde und Gesellschaft – zwei Welten, zwei Konzepte“. Dabei ging er an der Bergpredigt entlang und erläuterte auf ausgezeichnete Weise den Unterschied zwischen Gemeinde und Gesellschaft im Blick auf Emotionalität, Sexualität, Lösung von Ehekrisen, menschliche Ehrlichkeit und Freiheit, Selbstachtung und das Verhältnis zu Feinden. Ca. 25 Teilnehmer hörten gespannt zu und diskutierten dann anhand von Fragen in Gruppen. Die Veranstaltung fand in dem teilweise bereits zu benutzenden neuen Gemeindehaus statt. Die Gottesdienste am Sonntag waren dann im städtischen Kulturhaus. Das wurde möglich, weil der Direktor der Gemeinde zugetan ist.

Die Gemeinden leben

Das erinnerte mich an Daniel im Alten Testament, dem der oberste Kämmerer günstig gesonnen war (Dan 1,9). Als Gemeinde leben wir – und besonders unsere Glaubensgeschwister in schwierigeren Situationen – davon, dass uns Menschen günstig gesonnen sind. Ähnlich berichtete mir Moses, unser afrikanischer Freund in Minsk. Sie treffen sich jetzt in einem Haus für Senioren und Invaliden. Es ist zwar im Prinzip verboten, christlichen Gemeinden dort Gastrecht zu gewähren. Aber die Hausverwaltung hat kein Geld. So vermietet der Direktor quasi schwarz die Räume an Sonn- und Wochentagen an 6 (!) verschiedene protestantische Gemeinden, die über keine eigenen Bethäuser verfügen. Damit bessert er sein Budget auf. Mir wurde dabei neu klar, dass Jesus in seinem Tun souverän ist und auch dort Wege bereiten kann, wo keine zu sein scheinen.

Die Gemeinde, die unser aus Liberia stammender Freund Moses in Minsk vor 9 Jahren gegründet hat, wächst zahlenmäßig nicht so schnell, wie er sich das erhoffte. Er merkt, dass auch Wachstum nach innen nötig ist. Dabei versuche ich ihn durch Bibelarbeiten und Predigten zu unterstützen.

Die messianisch-jüdische Gemeinde „Stern von Bethlehem“ freut sich besonders über die wachsende Zahl von Kindern, die sich am Sabbath während des Gottesdienstes trifft. Auch in diesem Winter will die Gemeinde wieder in 6 Wohnungen „warme Häuser“ für hungrige und einsame Menschen anbieten. Dort gibt es ein Essen und die Möglichkeit, sich mit anderen im Warmen zu unterhalten. Auch im Blick auf ein Rehabilitationszentrum für Alkoholiker sind nächste Schritte gegangen worden.

Dima Lazouta, den Pastor der Blagowestie-Gemeinde, bei dem ich sonst meist übernachtete, traf ich nur zweimal kurz. Er erzählte mir, dass er den Plan habe, dass in den nächsten 20 Jahren von der Blagowestie-Gemeinde aus 20 neue Gemeinden entstehen. Es gäbe einige Leute, die befähigt wären, von der Muttergemeinde ausgesandt zu werden und eigene, neue Gemeinden zu gründen. Zu diesen zähle auch Micha Stepnov, der am Gnadauer Theologischen Seminar in Falkenberg (Mark) ein Jahr studierte und nun Jugendpastor der Blagowestie-Gemeinde ist. Vor Jahren haben wir ihn von unserem Verein in Karchow (Meckl.) aus unterstützt, so dass er sein Studium absolvieren konnte. Ich freue mich, dass hier etwas von Frucht sichtbar wird. Er feierte vor ein paar Tagen seinen 30. Geburtstag und am Donnerstagabend, als ich zur Jugendstunde war (von ca. 120 Jugendlichen besucht), gratulierten ihm die Mitarbeiter zu diesem Ehrentag.

Wohnungs-Not

Durch die Hilfe einige Freunde in Deutschland konnten Anja und Volodya Golikov mit ihren zwei Kindern aus der Einzimmer-Wohnung in eine Vierzimmer-Wohnung umziehen. Sie sind total glücklich und haben mir ausführlich erzählt, wie sie zu dieser Wohnung kamen. Die Wohnungspreise in Minsk sind im Zeitraum von September 2004 bis Juni 2005 um 20.000 US $ (!) gestiegen. Besonders Einraum-Wohnungen sind von dieser Steigerung betroffen. Das hängt zum großen Teil mit der enorm hohen Scheidungsrate in Belarus zusammen (85%). Viele suchen nach einer eigenen Wohnung, auch junge Eheleute, die über lange Zeit bei ihren Eltern wohnen müssen.

Sehr bedrückt hat mich die Lebens- und Wohnsituation bei Lilia und Moses Daipleh. Sie leben mit ihren 4 kleinen Jungs (Peter, Kaleb, Joshua und Bright) in einer Zweizimmerwohnung zur Miete. Die Enge, Kartons, die überall herumstehen, nur ein kleiner Tisch, der von der Küche ins Wohnzimmer und von dort wieder in die Küche getragen wird, keine Tassen zum Trinken, nicht genügend Besteck – es fehlt an allem. Kinderkleidung, die ich reichlich mitbrachte, wurde mir wie vom Weihnachtsmann aus der Hand genommen. Gott sei Dank ist im Blick auf eine Wohnung „Land in Sicht“ – jedoch nicht in Minsk. In Minsk kann sich Moses nicht registrieren lassen, da er hier keine Arbeit hat. Eine Wohnung kann er aber nur dort erwerben, wo er registriert ist. Offiziell darf er als Ausländer (liberianischer Staatsbürger) kein Gemeindeleiter sein, so dass das nicht als offizielle Arbeit gelten kann, was er für und in der Gemeinde tut. Als Journalist (seine Ausbildung) findet er keine Arbeit. Er ist mit seiner Frau Lilia in Molodetschno registriert (ca, 80 km Minsk entfernt), dort, wo Lilia herkommt. Hier stellt ihnen der weißrussische Staat als kinderreicher Familie eine Neubau-Dreizimmer-Wohnung in einem Wohnblock zur Verfügung, die der Staat zur Hälfte bezahlt. Die andere Hälfte (18.000 US $) müssen Moses und Lilia dann innerhalb von 40 Jahren bezahlen. Das scheint bewältigbar. Nach Abzahlung gehört ihnen dann die Wohnung. Die Miete für eine Wohnung liegt viel höher (mind. 200 US $/Monat). Die besagte Wohnung soll im Dezember oder Januar fertig sein. Fertig heißt in diesem Fall – im Rohbau fertig, nur mit Fenstern und Wohnungstür ausgestattet. Alles andere, wie Innentüren. Waschbecken, Fließen, Fußböden, Tapeten müssen sie selbst kaufen und verlegen bzw. einbauen (lassen). Das wird noch einmal ca. 5000 US $ kosten. Von Möbeln, die sie nicht haben, ganz zu schweigen. Aber das Positive ist, dass einige Freunde aus Deutschland in dieser Notlage helfen wollen, so dass nach Schlüsselübergabe wirklich mit der Renovierung und dem Einbau der notwendigen Ausstattung begonnen werden kann.

Auch wenn dies vielleicht schon die 40. Reise nach Weißrussland war (ich habe sie nicht gezählt), profitiere ich immer wieder neu von den Begegnungen mit den Christen dort. Jedes mal gehe ich nach meiner Rückkehr mit frischem Schwung an die anliegenden Aufgaben hier in Deutschland. Mir wurde wieder klar: Die biblische Botschaft hat Kraft und verändert Menschen von Grund auf.