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Beichte und Vergebung – Predigt zum Buß- und Bettag über Jak. 5,16

„Bekennet einer dem anderen seine Sünde.“

Es kann sein, dass Christen trotz sonntäglichem Gottesdienst, gemeinsamen Gebeten, trotz aller Gemeinschaft in der Gemeinde allein bleiben, dass der letzte Durchbruch zur Gemeinschaft nicht erfolgt. Sie kommen zwar als Gläubige in die Gemeinde und haben als „Fromme“ schöne Gemeinschaft miteinander, aber sie haben keine Gemeinschaft miteinander als „Sünder“. Jeder muss mit seiner Sünde selbst zurechtkommen. Und so richtig schwierig wird es, wenn eine fromme Gemeinschaft so tut, als gäbe es unter ihnen keine Sünde.

Der Apostel Jakobus legt uns nahe: Bekennet einer dem anderen seine Sünde. Warum ist das so wichtig und heilsam? Denn wer mit dem Bekennen seiner Sünde Probleme hat, der hat auch mit der Gnade Gottes Probleme, auch die Glaubensfreude kann dann nicht richtig durchbrechen. Denn die frohmachende, befreiende Botschaft des Evangeliums zielt doch genau auf unsere bösen Gedanken, Worte und Werke und auf unseren verlorenen Zustand vor Gott. Dietrich Bonhoeffer schreibt dazu: „Du bist ein großer heilloser Sünder und nun komm als dieser Sünder, der du bist, zu deinem Gott, der dich liebt. Er will dich so, wie du bist, er will nicht nur irgendetwas von dir, ein Opfer, ein Werk, sondern er will ganz dich: Gib mir dein Herz! (Spr 23,26). Gott ist zu dir gekommen, um den Sünder selig zu machen. Freue dich!“

Diese Botschaft ist Befreiung durch Wahrheit. Vor Gott kannst du dich nicht verbergen. Vor ihm nützt die Maske nichts, die wir vor den Menschen tragen. Er will dich sehen wie du bist, und er will dir gnädig sein. Du brauchst dich selbst und deinen Nächsten nicht mehr zu belügen, du darfst ein Sünder sein. Danke Gott dafür; denn er liebt den Sünder, aber er hasst die Sünde.

Aus Liebe zu den Sündern kam Gott doch auf die Welt, wurde Mensch, um für den Sünder zu leben, zu sterben und aufzuerstehen. So hat er die Sünde besiegt und dem Sünder – das sind alle Menschen – den Weg der Rettung und des Heils gezeigt. Gottes Wort sagt uns: Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. (Röm3,23f)

Das ist einzigartig, das gibt es in keiner Religion dieser Welt. In das Elend des Sünders kommt die Barmherzigkeit Gottes, das ist die Wahrheit des Evangeliums. Und nur in dieser Wahrheit kann Gemeinde Jesu Christi leben. Und das ist nicht abstrakte Lehre, sondern geschieht, weil Jesus den Seinen die Vollmacht gegeben hat, das Bekenntnis der Sünde zu hören und die Sünde in Seinem Namen zu vergeben: Welchen ihr die Sünden vergebt, denen sind sie vergeben, welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten (Joh 20,23).

Darin liegt das Geheimnis der christlichen Gemeinde. Christus hat uns die Gemeinde zur Gnade gemacht. In der Gemeinde werden uns der Glaubensbruder und die Glaubensschwester zur Gnade. Sie stehen hier an Christi statt. Durch Bekennen und Vergeben der Sünde begegnet uns das Heil Gottes in unserem Bruder und unserer Schwester.

Die christliche Gemeinde und das Leben in ihr sind daher etwas ganz Heilvolles. Denn die Sünde will den Menschen isolieren. Sie will auch im Verborgenen bleiben und dort wirken und sich ausbreiten. Im Dunkel des Unausgesprochenen vergiftet sie schleichend das ganze Wesen des Menschen. Die Sünde entzieht ihn der christlichen Gemeinschaft. Und je einsamer der Mensch wird, desto zerstörender wird die Macht der Sünde über ihm. Und je tiefer die Verstrickung wird, desto heilloser verstärkt sich die Einsamkeit. Das ist im wahrsten Sinne ein Teufelskreis.

Woher geschieht uns Hilfe?

In der Beichte bricht das Licht des Evangeliums in die Finsternis und Verschlossenheit des Herzens hinein. Die Sünde muss ans Licht. Alles Heimliche und Verborgene kommt nun an den Tag. Indem das Sündenbekenntnis im Angesicht des Bruders geschieht, wird jedes „sich-selbst-rechtfertigen“ aufgegeben. Der Sünder liefert sich aus, er gibt all sein Böses hin, er gibt sein Herz an Gott. Er findet die Vergebung aller seiner Sünde in der Gemeinschaft Jesu Christi und des Bruders. Die ausgesprochene, bekannte, ins Licht Jesu gebrachte Sünde hat alle Macht verloren. Sie ist als Sünde offenbar geworden und gerichtet. Sie vermag den Menschen nicht mehr zu zerstören und kann die Gemeinschaft nicht mehr belasten.

Dabei ist hier, liebe Gemeinde, lediglich von der Beichte unter zwei Christen die Rede. Um die Gemeinschaft mit der ganzen Gemeinde wiederzufinden, bedarf es nicht eines Sündenbekenntnisses vor allen Gemeindegliedern. In dem einen Glaubensbruder oder der einen Glaubensschwester, dem ich meine Sünde bekenne und der mir im Namen Jesu meine Sünde vergibt, begegnet mir schon die ganze Gemeinde.

Der Hochmut

Schauen wir uns die Sünde noch etwas näher an. Die Wurzel aller Sünde ist der Hochmut. ICH will für mich sein, ICH habe ein Recht auf mich selbst, auf meine Begierde, meinen Neid und meinen Hass, ICH habe ein Recht auf mein Leben und meinen Tod. Geist und Fleisch des Menschen sind von solchem Hochmut entzündet, denn der sündige Mensch will so sein wie Gott. Er will in seinem Leben selbst HERR spielen statt Gott HERR sein zu lassen. Er will in Selbstbestimmung leben und nicht als Kind Gottes.

Deshalb fällt die Beichte vor dem Bruder auch so schwer. Sie ist die tiefste Demütigung, sie tut weh, sie macht gering, sie schlägt meinen Hochmut furchtbar nieder. Im Bekenntnis konkret begangener Sünden stirbt der alte Mensch unter Schmerzen einen schmachvollen Tod vor den Augen des Bruders. Weil diese Demütigung so schwer ist, meinen wir immer wieder, der Beichte vor dem Bruder ausweichen zu können. Unsere Augen sind so verblendet, dass sie die Verheißung und die Herrlichkeit solcher Erniedrigung nicht mehr sehen. Es ist ja kein anderer als Jesus Christus selbst, der die größte Erniedrigung überhaupt auf sich genommen hat. Er schämte sich nicht, als Übeltäter für uns gekreuzigt zu werden. Und wir müssen schmachvoll sterben in der Beichte, damit wir in Gemeinschaft mit Christus kommen. In dem tiefen geistlich-leiblichen Schmerz der Demütigung vor dem Bruder, das heißt ja: vor Gott selbst, erfahren wir das Kreuz Jesu als unsere Rettung und Seligkeit. Der hochmütige Mensch mit seinem alten Leben stirbt, aber über ihn hat Gott gesiegt. Nun haben wir teil an der Auferstehung Christi und am neuen ewigen Leben.

Wo Sünde gehasst, bekannt und vergeben ist, dort ist der Bruch mit der Vergangenheit vollzogen. Das Alte ist vergangen. Wo aber mit der Sünde gebrochen ist, dort ist Bekehrung. Beichte ist Bekehrung. Siehe, es ist alles neu geworden!, heißt es dazu im 2. Korintherbrief. Das Leben mit Jesus Christus und seiner Gemeinde hat angefangen oder wieder neu begonnen.

Wie die ersten Jünger auf Jesu Ruf alles hinter sich ließen und ihm nachfolgten, so gibt der Christ in der Beichte alles hin und folgt nach. Beichte ist Nachfolge. In Sprüche 28,13 steht geschrieben: Wer aber seine Missetat leugnet, dem wird es nicht gelingen. Wer sie aber bekennt und lässt, der wird Barmherzigkeit erlangen!

In der Beichte fängt der Christ an, seine Sünde zu lassen. Ihre Herrschaft ist gebrochen. Von nun an ist der Christ auf dem Weg der Heiligung und darf Sieg um Sieg erringen. Was in der Taufe an uns geschah, das wird uns in der Beichte neu geschenkt. Wir sind errettet aus der Finsternis ins Reich Jesu Christi. Beichte ist die Erneuerung der Tauffreude. Wie auch der Apostel Paulus in Römer 6 schreibt: Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln.

Noch eine praktische Frage

Eigentlich ist es doch komisch, dass uns oft das Sündenbekenntnis im stillen Kämmerlein vor Gott leichter fällt als vor dem Bruder? Gott ist doch allmächtig, heilig und ohne Sünde, er ist ein gerechter Richter des Bösen und ein Feind alles Ungehorsams. Der Bruder aber ist doch sündig wie wir, er kennt das Dunkel der heimlichen Sünden aus eigener Erfahrung. Sollten wir daher nicht den Weg zum Bruder leichter finden als zum heiligen Gott? Sollte es uns dennoch leichter fallen unsere Sünden Gott direkt zu bekennen, so müssen wir uns fragen, ob wir es mit unserem Sündenbekenntnis wirklich ernst meinen. Oder haben wir uns mit unserem Sündenbekenntnis vor Gott vielleicht selbst getäuscht und etwas vorgemacht, weil wir in Wirklichkeit unsere Sünden nicht Gott, sondern nur uns selbst eingestanden haben. Wenn dem so ist, dann haben wir uns aber auch selbst vergeben. Aber das hilft nicht weiter.

Und auch bei dem allgemeinen Sündenbekenntnis im Gottesdienst besteht die Gefahr, dass ich da mitmache, weil das ja alle tun und ich nicht auffallen will. Auch hierbei kann mir die wirkliche Reue und Buße fehlen und ich nicht wirklich in eine gereinigte Beziehung zu dem lebendigen Gott zu kommen. Und haben nicht die unzähligen Rückfälle, hat nicht die Kraftlosigkeit unseres christlichen Gehorsams vielleicht eben darin ihren Grund, dass wir aus einer Selbstvergebung und nicht aus der wirklichen Vergebung unserer Sünde leben?

Selbstvergebung kann aber niemals zum Bruch mit der Sünde führen, das kann nur das richtende und begnadigende Wort Gottes selbst. Der Bruder sprengt alle Selbsttäuschung. Wer vor dem Bruder seine Sünden bekennt, der weiß, dass er hier nicht mehr bei sich selbst ist, der erfährt in ihm die Gegenwart Gottes. Solange ich im Bekenntnis meiner Sünden bei mir selbst bin, bleibt alles im Dunkeln, dem Bruder gegenüber muss die Sünde ans Tageslicht.

Weil aber die Sünde einmal doch ans Licht muss, darum ist es besser, es geschieht heute zwischen mir und dem Glaubensbruder oder der Glaubensschwester, als bei der Läuterung am Tag des Gerichtes Gottes. Es ist daher wirklich Gnade, dass wir dem Bruder unsere Sünden bekennen dürfen. Beichte befreit zum Leben in Gnade und Wahrheit. Dazu ist mir der Bruder gegeben, dass ich durch ihn schon hier Gericht und Gnade Gottes erlebe.

Dadurch wird die Beichte im stillen Kämmerlein oder die allgemeine Beichte im Gottesdienst nicht abgewertet. Allen drei Arten der Beichte, wenn sie ehrlich geschehen, sind gleichermaßen wirkmächtig. Denn die Vergebung Gottes und seine Gnade sind nicht abstufbar. Und doch kamen schon oft Christen in die Seelsorge, die im stillen Kämmerlein und beim Beichtgebet im Gottesdienst ihre Sünde ernsthaft vor Gott gebracht hatten. Ich bin auch überzeugt, dass Gott ihnen nach seiner Verheißung diese vergeben hat. Das Problem ist nur, dass es Menschen oftmals schwerfällt, diese Vergebung anzunehmen bzw. davon überzeugt zu sein. Ihnen fehlt die Gewissheit. Und hier hilft in der Ohrenbeichte, der wirkungsmächtige Vergebungs- und Gnadenzuspruch des Bruders, der ganz persönlich dem Sünder zugeeignet wird.

Diesen Schlüsseldienst hat Christus dem Petrus und seiner Gemeinde anvertraut: Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein. Ihr merkt, die Beichte ist kein göttliches Gesetz, sondern sie ist ein herrliches, lebensveränderndes und lebensrettendes Angebot Gottes für den Sünder. Die Beichte steht in der Freiheit des Christen. Aber wer wird eine Hilfe, die Gott ihm anbietet, ausschlagen, ohne geistlich Schaden zu nehmen? Deshalb ist der Buß- und Bettag so wichtig. Prüfen wir uns immer an den zehn Geboten, sowie am Doppelgebot der Liebe und an der Bergpredigt, das ist eine gute Vorbereitung für die Beichte: Bekennet einer dem anderen seine Sünde.

Amen.