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Zur Beurteilung menschlicher Obrigkeit in biblischer Sicht

1.      Was uns bei diesem Thema erwartet

zur Themaformulierung (Vortrag als Video: hier [1]):

(1) „Biblisch“: Ich wollte nach meinen Vorträgen in Krelingen über „Kirche, Corona und Staat“ und in der Schweiz „Wie sich der Staat Kirchen unterwerfen kann“, und jetzt nach dem Buch „Kein König außer dem Kaiser?“ noch einmal bewußt biblisch ansetzen.
(2) „Menschlich“: Es ist nicht so leicht, beim Stichwort „Obrigkeit“ nicht je auch an den je eigenen Staat zu denken. Ich habe das Adjektiv „menschlich“ vor „Obrigkeit“ eingesetzt, damit wir nicht, jedenfalls nicht nur an unsere hiesigen Oberen denken, sondern versuchen, das Grundsätzliche zu verstehen und die Prinzipien im Blick zu behalten.
(3) „Beurteilung“: Klingt es nicht anmaßend, davon zu reden, jemanden oder eine Institution zu beurteilen? Dürfen wir überhaupt so sprechen?

Ein ganz klares Ja! Aus zwei Gründen sollte diese Frage gar nicht gestellt werden. Erstens: Für rechte Demokraten gehört Kritik der Regierung und stete Verbesserung zum Tagesgeschäft, vor allem durch eine Presse, die sich gegen Bezeichnungen wie Lücken- oder Lügenpresse verwahrt. Und zweitens: Wenn wir biblisch, vom Schriftwort her denken wollen, gehört es ebenfalls unbedingt dazu, kritisch vom Menschen zu denken. Jesus hat vom Niederhalten der Völker durch ihre Obrigkeiten gesprochen (Mk 10,42); Paulus sagt, daß die Herrscher dieser Welt die Weisheit Gottes nicht erkannt haben (1.Kor 2,8). Warum also sollten Christen die praktische Gottesvergessenheit der Politiker unkritisch hinnehmen?

2.    Der dringende Anlaß für das Thema

Wir erleben heute ein immer tiefer reichendes Hineingreifen des Staates in Wirtschaft, Kultur, Bildung, Mobilität, Medien, Sport, Energie, Hygiene. Obwohl zum Kern der Grundfreiheiten die Religionsfreiheit gehört –

Grundgesetz, Artikel 4:

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte (!) Religionsausübung wird gewährleistet.

– erleben wir in diesem Bereich seit ca. 18 Monaten erhebliche Eingriffe. Bei meinem GHB-Vortrag in Krelingen habe ich eine Liste von Ereignissen präsentiert, gesammelt vor allem aus idea, bei denen westliche Staaten (D, GB, CA) laufende Gottesdienste gestört oder unterbunden haben. Interessanterweise berichtet idea seither über das Thema Corona bzw. Kirche und Staat praktisch nichts mehr.

Wir haben, um die Eingriffe des Staates in das Alltagsleben zu veranschaulichen, eine bedrückende Staatsquote, d.h. ein sehr hoher Prozentsatz des Wirtschaftslebens geschieht ausschließlich oder im direkten Auftrag des Staates und finanziert vor allem durch Steuern und Schuldenaufnahme. Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl hat gesagt:

„Bei einer Staatsquote von 50 Prozent beginnt der Sozialismus.“

Zum Vergleich: Im deutschen Kaiserreich, um 1880, lag die Staatsquote bei nur 10 %. „Im 19. Jahrhundert stieg sie wegen der Einführung der Sozialversicherungen durch Reichskanzler Otto von Bismarck. 1883 wurde die Krankenversicherung eingeführt, 1884 die Unfallversicherung und 1889 die Rentenversicherung. Das Sozialversicherungssystem wurde immer weiter ausgebaut: 1927 kam die Arbeitslosenversicherung und 1995 noch die Pflegeversicherung hinzu. Die Sozialausgaben machen mittlerweile rund die Hälfte aller Staatsausgaben aus.“[1] [2] Roland Baader schrieb schon 1997 dazu: Wir haben es heute mit einem Staat zu tun,

„der neben dem Militär, der Polizei und der Justiz – also neben seinen originären Machtinstrumenten – das gesamte Gesundheitswesen, das gesamte Erziehungs- und Bildungswesen, die Altersversorgung der Bevölkerung, einen großen Teil der Arbeitsplätze und die Hälfte der Einnahmen- und Ausgabenströme der Volkswirtschaft unter seiner Regie hat, der hat so gut wie das ganze Leben der Bürger unter Kontrolle und Kuratel. Hinter dem Etikett ‚Sozialstaat‘ verbirgt sich der reine Machtstaat, der sozial maskierte Totalitarismus und der freiheitlich camouflierte Sozialismus“.[2] [3]

Vermutlich werden wir nicht ohne weiteres zustimmen, wenn Baader Sozialstaat und Machtstaat allzu stark verbindet. Aber die Tendenz stimmt. Und tatsächlich: Unter der Regierung Merkel wurde im Jahr 2020 die von Helmut Kohl benannte Schwelle überschritten: 51% beträgt die Staatsquote seither offiziell, und es ist praktisch ausgeschlossen, daß eine linksliberale Regierung diese Quote senken bzw. gewisse Staatsaufgaben abgeben will. In der Sicht von Helmut Kohl sind wir im Sozialismus angelangt, auch wenn bis zur 94%-Staatsquote der DDR noch ein wenig Luft ist. Was ist das Problem? „Je größer der finanzielle Einfluss eines Staats auf eine Volkswirtschaft ist und je mehr Personen von ihm finanziell abhängig sind, desto größer ist auch sein ideologischer Einfluss auf eine Gesellschaft. Rund drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall sind auch bei uns autokratische Züge des Staats erkennbar. Besonders besorgniserregend ist dabei die Einschränkung der Meinungsfreiheit, die die eigentliche Basis einer funktionierenden Demokratie ist.“[3] [4] Ein immer größerer Anteil der deutschen Bevölkerung empfindet es bereits so, daß freie Meinungsäußerung kaum noch möglich ist. Der kürzlich erschienene Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über eine entsprechende Allensbach-Umfrage hatte zu Recht einiges Aufsehen erregt.

Der zunehmende ideologische Einfluß ist nur eine Folge einer steigenden Staatsquote. Auch eine soziologische Folge darf nicht unterschätzt werden: Je mehr staatliche Sicherungen für alle möglichen Gefahren des Lebens eingebaut werden, desto weniger sind die lokalen Netzwerke, besonders die Familie, in der Pflicht, mir in der Not zu helfen. Die Vereinzelung, die Individualisierung nimmt zu. Es ist paradox: Die Rufe nach Hilfe durch die staatliche Solidargemeinschaft führen auf der lokalen Ebene zur Entsolidarisierung. Der Staat übernimmt soziale Funktionen von Familie und Kirche. Es entstehen höhere Sozialabgaben, riesige Versicherungsgesellschaften usw., aber die Familie wird für mein Alter, meine Arbeitslosigkeit, meine Krankheit usw. überflüssig.

In der Corona-Krise wurde der Ruf nach dem starken Staat nun übermächtig. Wir erleben bisher ungekannt weitreichende Eingriffe in die Wirtschafts- und Religionsfreiheit. Gemeinden, Freundschaften und Familien spalten sich über die Frage, wie vertrauenswürdig der Staat mit seinen Maßnahmen ist, und ob Widerstand angezeigt ist. Daß sich so viele darüber die Köpfe heiß reden, daß sich so viele darüber spalten, dürfte von oben gewollt sein, weil eine gespaltene und verunsicherte Gesellschaft weniger in der Lage ist, der eigenen Regierung kritisch gegenüberzutreten.

Die Verunsicherung aber haben wir Theologen mitverschuldet. Denn wir haben über Jahrzehnte das reiche Schriftzeugnis zur Problematik der Obrigkeit links liegen gelassen. Es wird höchste Zeit, daß wir neu anfangen zu graben und zu staunen, wie auskunftsfreudig die Bibel auch an diesem Punkt ist.

3.    Das Thema in der Bibel

a)    Überblick und Zugang

Den meisten fällt zum Thema vielleicht einfach Römer 13 ein: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet“ usw. Mit dieser Auskunft konnte man im Westen seit 1945 schiedlich-friedlich durchkommen. Es sei noch ein letztes Beispiel aus unserer Zeit gestattet, dann aber will ich in die Welt der Bibel eintauchen.

Bei der Liberalisierung des Abtreibungsrechts diskutierte man in den 60er Jahren, ob der Staat nicht seine Aufgabe verfehlt, das menschliche Leben zu schützen. Helmut Schmidt wies es den Kirchen zu, bei ihren Mitgliedern für ein ausreichend klares ethisches Bewußtsein zu sorgen, und lehnte es als staatliche Aufgabe ab. An dieser Stelle hatte sich der Staat von einer aus biblischer Sicht originär staatlichen Aufgabe zurückgezogen, nämlich den Schwachen gegen den Starken in Schutz zu nehmen. Obwohl heute eine Rücknahme der Abtreibungsliberalisierung nicht auf der Agenda steht, wird genau umgekehrt argumentiert: Der Staat müsse für den Lebensschutz derart umfassend sorgen, daß massive Freiheitseinschränkungen in Kauf zu nehmen sind. Es ist, als würde man alle Autobahnen sperren, weil im bayrischen Wald eine Entenfamilie über die Straße geht. Der ehemalige Verfassungsgerichtspräsident Hans Jürgen Papier sieht wegen irrationalem und kopflosem Handeln das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates gerade massiv erschüttert (DIE WELT 05.10.2021).[4] [5] Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Christlichen Polizeivereinigung (CPV), Joachim Boshard (Meckenheim), berichtet, immer mehr seiner Kollegen im Polizeidienst würden mit Unverständnis über Auflagen konfrontiert, die sie durchsetzen sollen, aber teilweise selbst nicht als verhältnismäßig empfinden. Die Akzeptanz des Staates und damit auch der Polizei in der Bevölkerung nehme spürbar ab. Er zitiert den Verfassungsrechtler Paul Kirchhof, der gesagt habe: „Man kann eine Gesellschaft, man kann eine Wirtschaft, man kann eine persönliche Beziehung auch zu Tode schützen.“[5] [6]
Die Liste könnte leicht verlängert werden.

Also, mit einer vereinfachten Lesart von Röm 13 haben wir Christen uns allzu lange begnügt. Doch wenn wir sehen, auf welcher Grundlage Paulus gedacht und gelehrt hat, verändert sich die Lesart, und wir gelangen, so hoffe ich, wieder zu der Haltung der Propheten des Alten Testaments und der Apostel der Apostelgeschichte, die ihren Obrigkeiten mit Entschiedenheit und Tapferkeit entgegentreten konnten, mit Anerkennung und ebenso mit Kritik.

b)   Die Zeit vor dem Königtum Israels

Während nach Vorstellungen in der Umwelt Israels das Königtum bereits mit der Erschaffung des Menschen angelegt ist[6] [7], lesen wir bei den ersten Generationen nach Adam und Eva von keinen Behörden, die für Recht, Ordnung, Steuereinzug usw. zuständig waren. Wenn vor dem Fall von einem Herrschen die Rede war, so nicht das von Menschen über Menschen, sondern von den Menschen über die nichtmenschliche Schöpfung (vgl. Ps 8). Für die Zeit nach dem Sündenfall ist die Entstehung lokaler Verwaltungen anzunehmen. Kain gründete die Stadt Henoch (1.Mose 4,17). Als Problem taucht die dortige Verwaltung noch nicht auf. Sein Nachkomme Lamech prahlt mit unersättlicher Rache, aber wie diese gebändigt werden sollte, blieb offen.

Da für Noah wie für alle Menschen gilt, daß des Menschen Herz böse ist von Jugend auf (1.Mose 8,21), muß auch für die Zeit nach der Sintflut mit Grausamkeit und Bösartigkeit gerechnet werden. Dem zu wehren, spricht Gott in 1.Mose 9,5b–6:

Und das Leben des Menschen will ich einfordern von einem jeden anderen Menschen. Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll um des Menschen willen vergossen werden; denn Gott hat den Menschen zu seinem Bilde gemacht.

Dieses sogenannte noachitische Gebot erfordert erstmals eine Art legitimer Gerichtsbarkeit, also eine gottgewollte Überordnung von Menschen über Menschen, die die Strafe durchsetzen. Aber in der ganzen Genesis wird kein Anwendungsfall berichtet. Vielleicht kann man in 1.Mose 4,15 schon eine Andeutung dafür finden:

Aber der Herr sprach zu ihm: Nein, sondern wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden. Und der Herr machte ein Zeichen an Kain, daß ihn niemand erschlüge, der ihn fände.

Zu einem größeren Problem wird das Vorhandensein der Leitung von Menschen durch Menschen beim Turm- und Stadtbau zu Babel, 1.Mose 11,4:

Wohlauf, laßt uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, daß wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut über die ganze Erde.

Mit dem Argument, man könnte zerstreut werden, also die Gemeinschaft verlieren, wird ein gewaltiges Großprojekt gestartet, für das die Kräfte der Menschen gebündelt, unter einheitliche Leitung gestellt werden mußten. Dieses Projekt aber erstrebt den Himmel auf Erden und erhebt sich so gegen den einen Gott, dem allein der Himmel gehört. Der Versuch, die Gemeinschaft durch tatkräftiges staatliches Management zu bewahren, endet mit dem Verlust der Gemeinschaft. Es ist eben dieses Muster, das sich dann wiederholt in sämtlichen staatlichen Versuchen, für die Gemeinschaft im Volk selbst zu sorgen, statt dieser Gemeinschaft und den sie tragenden Werten ihren freien Lauf zu lassen und so davon abhängig zu bleiben. Regierungen sind in diesem Sinne abhängig von der Geschichtsgnade Gottes. Wollen sie diese selbst herstellen, sich also an Gottes Stelle setzen, so verlieren sie sie. Setzen sie diese jedoch voraus, dürfen sie im Segen wirken. 1964 hat der Verfassungsrechtler Böckenförde mit dem sog. Böckenförde-Theorem dem eine faßliche Gestalt gegeben: Der Staat lebt, so Böckenförde, von Voraussetzungen, die er selbst nicht schaffen kann. Leider dachte Böckenförde, dies habe sich erst in der Aufklärung etabliert. Doch wenn wir genauer zusehen, entdecken wir das überall in der Bibel, und es ist der Hauptgrund dafür, daß alle staatlichen Versuche, insbesondere das Feld der Religion zu regulieren, zum Scheitern verurteilt sind.

Harald Seubert weist außerdem darauf hin, daß Platon in seiner „Politeia“ die Trennung von Religion und Politik als zentrale Achse identifiziert. Platon lehrt, daß im Staat (in der Polis) nur die „äußere Gerechtigkeit“ (exos praxis) gewahrt werden könne, während die „innere Handlung“ (entos praxis) in der menschlichen Seele beheimatet sei. Das äußere Recht wird durch das Rechtssystem bestimmt und durch Sanktionen durchgesetzt. Die innere Gerechtigkeit ist entscheidend und grundlegend dafür, daß die äußeren Gesetze aus dem richtigen Geist erlassen und in der Rechtspflege entsprechend gehandhabt werden.[7] [8]

Gott zerteilt dann die Sprachen, erschwert bewußt die Verständigung, damit es eben kein einheitliches, kein globales Durchregieren mehr gibt. Die Völker werden seither getrennt in ungezählte Stämme und Gebiete, zerteilt durch die Sprachenvielfalt, und daraus folgend durch Unkenntnis, Vorurteile, Gier und Angst voreinander. Die kleineren Einheiten sollten es nun sein, die den einzelnen Familien Heimat, kulturelle Identität und technische Innovation geben (Vishal Mangalwadi hat diesen Gedanken mehr entfaltet). Es sollte nicht mehr Erdenbürger geben, sondern Landeskinder, Menschen, die mit ihrer Scholle verbunden sind und diese pflegen und verteidigen.

Alle Völker aber sollten es sich gefallen lassen, durch Abraham und seine Nachkommen gesegnet zu werden. Alle Völker sollen sich demütigen vor dem Volk Israel, und ihm ihre Eigenart, ihr Land, vor allem die ihm gegebene Offenbarung zugestehen und von ihm das Wort Gottes lernen (5.Mose 4). Wo dies geschieht, wird ein Volk gesegnet, wo nicht, steht es unter einem Fluch. Wir sehen es zuerst an Ägypten. Der Pharao zur Zeit Josefs läßt sich raten von dem Mann, in dem der Geist Gottes wohnt (41,37–40), und sein Land übersteht eine siebenjährige Hungersnot, ja kann noch anderen von den Vorräten abgeben. Als ein Pharao aufkam, der von Josef nichts mehr wußte (2.Mose 1,8), wandelt sich alles. Israel wird nicht mehr als Segen, sondern als Gefahr wahrgenommen. Beim Versuch, es zu dezimieren, dreht sich der Spieß um gegen Ägypten selbst. Nicht die Söhne Israels sterben, sondern die Erstgeborenen der Ägypter, nicht die wenigen Kriegsmänner Israels kommen um, sondern die große Armee des Pharao versinkt in den Fluten des Schilfmeers.

Als Israel am Berg Sinai ankommt, offenbart sich Gott dem ganzen Volk Israels mit den in Stein gefaßten Worten:

Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland,
aus dem Sklavenhause, geführt habe.

Warum war Ägypten ein Sklavenhaus? Das liegt an der ägyptischen Königsideologie: Der Pharao verkündigte sich als Sohn des Sonnengottes Re. Sein ganzer Staat war mehr oder weniger zugleich seine Kirche, er der oberste Priester, der die Götter befriedigen und die gesellschaftliche Harmonie und Ordnung verwirklichen sollte (Näheres siehe mein Buch)! Zwar dürfte sich bereits der Pharao zur Zeit Josefs so verstanden haben, doch war er durch seine Träume empfänglich geworden für den Rat und die Mitregentschaft Josefs. Der Pharao zur Zeit des Auszugs dagegen war verstockt.

Und auf diese Weise erwies Gott seine Macht gegen die ägyptischen Götter des Nils, der Frösche, der Stechfliegen usw. Und es wird nicht nur die Macht Gottes als solche demonstriert! Im Mosegesetz wird dann, kurz vor dem Einzug nach Kanaan, das göttliche Gegenmodell gegen den ägyptischen Kirchenstaat, gegen die ägyptische Staatsreligion verkündigt: 5.Mose 17,14–20.

Jan Assmann: „Wie Ägypten als das Paradigma eines starken Staates, ja als der erste ‚starke‘ der Weltgeschichte gelten kann, so liegt das Besondere der hebräischen Staatlichkeit in ihrer programmatischen Schwäche.“[8] [9] „Israel dagegen steht für die Trennung von Herrschaft und Heil, entweder im theokratischen Sinne, der menschliche Herrschaft nur in untergeordneten Formen zuläßt, oder im dualistischen Sinne, der in der Zwei-Reiche-Lehre gipfelt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit fundieren die königskritischen Texte der Bibel einen Widerstand gegen das Königtum, der nicht nur einzelnen, vom Gesetz abweichenden Herrschern gilt, sondern der Institution Königtum überhaupt.“[9] [10]

Daß es sich um ein „Gegenmodell“[10] [11] gegen die ägyptische Zivilreligion handelt, davon bekommt der durchschnittliche Theologiestudent nichts mit. Denn in der akademischen Exegese werden die Texte seit 200 Jahren[11] [12] in ganz andere Zeiten verlegt, als sie selbst beanspruchen! Sie werden nämlich als Reaktion auf negative Erfahrungen mit dem Königtum eingeordnet.[12] [13] Wenn das 5.Buch Mose erst zur Zeit des Königs Josia, im späten 7. Jahrhundert vor Christus (und in Teilen noch später) geschrieben wurde, um die Reform Josias zu rechtfertigen oder zu begründen (anstatt sie anzustoßen, wie wir in 2.Kön 22 lesen), dann ist die Folie, vor deren Hintergrund das Königsgesetz verstanden wird, nicht mehr der ägyptische Machtstaat, sondern das späte Juda vor dem Exil, oder eben noch später die exilisch-nachexilische Zeit. Die Folge für die Auslegung ist verheerend: Bei einer Datierung in die späte Königszeit kommt nämlich das Bild eines starken Königs heraus, der sich die Gesetzestexte so zurechtschreibt, wie er sie braucht (er oder seine Priester). Das Bibelwort gilt in der historisch-kritischen Sicht a priori als Knetmasse menschlicher (Partikular)Interessen. Dem Dilemma kann man dadurch zu entkommen suchen, daß man das Königsgesetz erst in die exilische Zeit datiert, also behauptet, es sei eine nachträgliche Kritik am Königtum und seinen Verfehlungen. Doch das verschärft den Widerspruch: Denn dann haben sich nicht Könige, sondern Priester oder sogar sonstige Menschen erlaubt, am göttlichen Gesetz herumzuschreiben. Sie haben ins Gesetz geschrieben, man müsse das vorgegebene Gesetz achten („wie es den levitischen  Priestern vorliegt“, 5.Mose 17,18), ja man dürfe nichts ändern (4,2; 13,1) – und zugleich haben sie das Gesetz ihren Wünschen angepaßt!

So bleibt der Zirkelschluß: Diese Art „Exegese“ bestätigt nur, was sie schon vorausgesetzt hat. Ist das Bibelwort nur Menschenwort, dann gibt es nur Staats- oder Zivilreligion. Ist das Bibelwort aber Wort Gottes, so kann es ein seine Aufgabe als kritisches Gegenüber zu den menschlichen Eigeninteressen, auch im Staat, erfüllen.

Ein anderes Bild entsteht also, wenn man das Königsgesetz in dem Kontext beläßt, der von der Bibel her gegeben wird, nämlich als Gesetz des Mose vor dem Einzug nach Kanaan. Mose stellt dem Volk nämlich das Bild eines schwachen Königs vor Augen, dessen einzige positive Aufgabe darin besteht, sich eine Abschrift des Gesetzes zu machen und täglich darin zu lesen! Ja mehr noch: Das Mosegesetz legt nicht einmal fest, ob Israel überhaupt einen König braucht. Die anderen Ämter wie Richter, Priester und Propheten sind nötig, aber der König, wenn es denn einen gibt, sollte möglichst schwach sein: militärisch schwach (nicht viele Rosse), wirtschaftlich schwach (nicht viel Gold und Silber sammeln) und politisch schwach (nicht viele Frauen haben = eingeschränkte Heiratspolitik). Wenn das Königsgesetz ernstgenommen wird, hat ein möglicher menschlicher König keine Funktion in der Rechtssetzung, eher in der Rechtsprechung (Salomo bei den Huren u.a.).

Fazit: Die in den Landeskirchen und an den Universitäten übliche Spätdatierung erzeugt somit das genaue Gegenteil der eigentlichen Textaussage. Man hätte auf Assmann hören sollen. Er schließt seine Besinnung auf die politische Theologie zwischen Ägypten und Israel mit den mahnenden Worten:

„Trotzdem kommt alles darauf an, die geschichtlich gewordene Differenz zwischen Herrschaft und Heil aufrechtzuerhalten. Im vollen Bewußtsein der ursprünglichen Einheit und der zahllosen Querverbindungen zwischen Religion und Politik gilt es, die Unterscheidung festzuhalten, die den Sinn des Auszugs aus Ägypten bildet, und die Freiheit nicht aufzugeben, die auf der Differenz, der Nichtgleichschaltung beruht.“[13] [14]

c)    Der Übergang und die Zeit des Königtums im alten Israel

Aus der Richterzeit nur dieser Hinweis: Solange noch der Glaube an Jahwes Eingreifen präsent war, hielt Gideon fest (Ri 8,23):

Ich will nicht Herrscher über euch sein, und mein Sohn soll auch nicht Herrscher über euch sein, sondern der Herr soll Herrscher über euch sein.

Dann, am Ende der Richterzeit, stellt der Erzähler fest (17,6; 21,25):

Zu der Zeit war kein König in Israel; jeder tat, was ihn recht dünkte.

Hier bahnt sich an, daß das schwindende Einheitsbewußtsein, das Abnehmen des Gemeinschaftsgefühls, am Ende doch eine neue Institution nötig erscheinen ließ, einen starken Mann, hinter dem man sich versammeln und gemeinsam kämpfen könnte. So kam es dann in den Samuelbüchern. Gott wertet den Wunsch des Volkes nach einem König wie ihn alle Heiden haben (1.Sam 8,5.20), so:

6 Das mißfiel Samuel, daß sie sagten: Gib uns einen König, der uns richte. Und Samuel betete zum Herrn. 7 Der Herr aber sprach zu Samuel: Gehorche der Stimme des Volks in allem, was sie zu dir gesagt haben; denn sie haben nicht dich, sondern mich verworfen, daß ich nicht mehr König über sie sein soll. 8 Sie tun dir, wie sie immer getan haben von dem Tage an, da ich sie aus Ägypten führte, bis auf diesen Tag, daß sie mich verlassen und andern Göttern gedient haben. 9 So gehorche nun ihrer Stimme. Doch warne sie und verkünde ihnen das Recht des Königs, der über sie herrschen wird.

Und dieses Königsrecht fiel dann doch anders aus als es im 5.Buch Mose vorgesehen war: Ein König, der Söhne und Töchter aus dem Volk für seinen Hof nehmen würde, der neben dem Zehnten für die Leviten auch noch einen Zehnten für Hof und Bürokratie einziehen würde usw. Das Volk aber besteht auf seinem Wunsch. Immerhin ist dieser Wunsch an den Propheten Samuel gerichtet, also an Gott, und Gott gibt ihnen tatsächlich einen König: Saul. Manchmal werden Gebete auch zum Schaden erhört! Samuel schrieb das (neue) Recht des Königs in ein Buch und legte es vor dem Herrn nieder (1.Sam 10,25).

Saul hatte zunächst praktisch nichts, was einen heutigen Staat ausmacht, keine Verwaltung, keinen Hofstaat. Die Bezeichnung „König“ ist für ihn eher eine Übertreibung. Er war eher eine Art Häuptling, ein militärischer Führer und dabei durchaus erfolgreich. Die Gefahr der Überbesteuerung wurde erst später akut (sie führte bei Rehabeam mitursächlich zur Reichsteilung). Was aber sofort ins Auge fällt, ist die Instrumentalisierung des Kultes. Als das Ansehen Sauls beim Volk schwindet, als er also seine Repräsentations- bzw. Identifikationsfunktion nicht mehr wie gewünscht wahrnehmen konnte, griff er nach der Religion. Er wollte nicht auf den Propheten warten, sondern brachte selbst ein Opfer dar (1.Sam 13). Später erwartete er vom Propheten, von diesem vor den Ältesten des Volkes geehrt zu werden (1.Sam 15,30). Samuel, der Prophet, sollte den König vor dem Volk ehren! Dabei hätte es umgekehrt sein müssen: Der König hätte seine Energie auf die Lesung und Einhaltung des (fertig abgeschlossenen) Gesetzes im Volk verwenden müssen. Denn nicht der König, nicht der Staat sollte über die legitime Religion entscheiden, sondern der Prophet und der Kult über den legitimen König. Nicht der soll König sein, der es selbst will (siehe etwa Absalom und Adonija), sondern der, den der Herr erwählt. Darum treten Propheten auf: Bei der Berufung Davids der Prophet Samuel, bei der Berufung Salomos der Prophet Nathan zusammen mit dem Priester Zadok (1.Kön 1).

Mit der Errichtung des Königtums in Israel entsteht ein zweites (Macht)Zentrum. Das Wechselspiel zwischen Königtum, Priestertum und Propheten bestimmt fortan die ganze Geschichte Israels und wird in mancher Hinsicht modellhaft bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806 (bzw. 1918).

Nach Gottes weiser Geschichtslenkung wird es gerade die Spannung zwischen den Institutionen König und Kultus, Kaiser und Papst sein, die einmal zum freiheitlichen Staat führen würden. Die Anlage dafür haben wir im Alten Testament. Zentral ist dabei die Beobachtung, daß der König nur auf göttliche Veranlassung in Kult und Tempel eingreifen sollte. Als etwa David einen Tempel bauen wollte, wird der Wunsch zurückgewiesen: Nein, nicht du baust mir ein Haus, sondern ich baue dir ein Haus, nämlich die davidische Dynastie (2.Sam 7,12–14; vgl. 1.Sam 16,13). Als König Usija in den Tempel ging, um zu opfern, wurde er von Gott mit Aussatz bestraft (2.Chr 26).

Das göttliche Versprechen, daß immer ein Nachkomme Davids auf dem Thron in Jerusalem sein würde, macht das Königtum zu einer festen und gottgewollten Größe, die trotz aller Sünde und Verlotterung zusammen mit dem Priestertum und dem Prophetentum auf die Ämter Jesu Christi vorausweisen, unseren König, Priester und Prophet! (Lied: „Jesus Christus herrscht als König“).

Einen Eingriff in das religiöse Leben war dem König nur göttlicher Veranlassung legitim: Salomo war zum Tempelbau bereits bestimmt, bevor er geboren wurde (2.Sam 7). Und David übergibt seinem Sohn sogar einen Plan für den Tempelbau, geschrieben von der Hand Jahwes selbst; 1.Chr 28,19:

Das alles steht in einer Schrift, gegeben von der Hand des Herrn, der mich unterwies über alle Werke des Plans.

Zudem soll der Tempel, den Salomo baut, nicht dem Ruhm des königlichen Namens dienen, sondern als Wohnung für den Namen Jahwes. Keine Pyramiden wie für einen Pharao! Keine Spur von einem Totenkult, weder Göttlichkeit zu Lebzeiten noch eine postmortale Vergottung. Von Anbeginn an: Der König war nur ein Mensch, genommen „aus deinen Brüdern“, ja vom Staub (1.Kön 16,2 an Bascha), war ein Sünder, blieb ein Sünder. Nur ein politisch, militärisch und religiös schwacher König, nur eine schwache Regierung neben einer starken Kirche garantiert die Freiheit des Volkes.

Vom ersten Nachfolger Salomos an, und verschärft im Nordreich, lesen wir vom Problem, daß der König lieber nicht schwach sein will, sondern seine Hand immer wieder an die Religionspolitik legt, teils pluralistisch Jahwe mit den Baalen vermischt, teils die Baale bevorzugt. Staatlich gelenkte Religion, also das, was J.-J. Rousseau Zivilreligion nannte, ist für die Propheten ein Greuel. Denken wir an den Propheten Elia gegen König Ahab, den Propheten Ahija gegenüber König Jerobeam, den Propheten Jesaja gegenüber Ahas, den Propheten Jeremia gegenüber König Zedekia usw. usw. Alle diese Propheten haben die Einsetzung des Königs in sein Amt nicht bestritten, aber die Könige scharf zurechtgewiesen und unter das Gericht Gottes gestellt.

Die Apostel konnten, als ihnen das Zeugnis von Jesus verboten wurde, nichts anderes tun als zu bekennen: „Urteilt bei euch selbst, ob es recht ist, euch mehr zu gehorchen als Gott.“ „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.“

d)   Ende und Wiedergeburt des alttestamentlichen Königtums

Die Geschichte Israels lehrt, daß das Gesetz heilig, gerecht und gut ist, der Mensch aber unheilig, ungerecht und verdorben. Wie kein Mensch das Gesetz halten konnte, so konnte auch kein König das Königsgesetz halten. Die menschlich-sündhafte Gier nach Macht, Ansehen, Geld und Sex sind zu groß. Daher hat Gott durch die beiden Wegführungen im 8. und 6. Jh. v.Chr. das Königtum in seinem Volk einerseits wieder abgeschnitten, hält aber andererseits an seinem Versprechen fest, daß ein Nachkomme Davids auf dem Thron sitzen würde. Das erfüllt sich in Jesus Christus. Als wahrer Mensch und wahrer Gott sucht er nicht das Leben und das Vermögen seines Volkes für sich zu verbrauchen, sondern verbraucht sich selbst für die Seinen. Er ist der König, der sich erniedrigt, um andere zu erhöhen.

e)    Jesus Christus und die Mission

Beim Prozeß Jesu wird das Problem einer Obrigkeit schlaglichtartig deutlich, die sich nicht vor Gott verantworten muß: Pilatus fürchtet nicht Gott, sondern das Volk. Er findet keine Schuld an Jesus und hätte ihn daher nach Recht und Gesetz freigeben müssen, aber er verfährt willkürlich. Er ist, wie Oswald Spengler sagte, der Mensch der Wirklichkeit, dem in Jesus der Mensch der Wahrheit entgegentritt.[14] [15]

Apg: Siehe das Buch „Kein König außer dem Kaiser?“, S. 99–103. Dort finden sich auch positive Beispiele für eine Obrigkeit, die sich für eine religiöse Streitfrage für unzuständig erklärt.

Röm 13: Siehe ebenfalls dort S. 103–115. Zusammengefaßt: Die Obrigkeit ist von Gott eingesetzt, aber als seine Dienerin, und das kann sie nur sein, wenn sie Gottes Gesetz dient …

Offb 13: S. 115–123; außerdem Künneth: Politik ist immer zwischen Röm 13 und Offb 13 zu sehen. Politisches Handeln ist nicht bloß eine technische und planmäßige Durchführung des öffentlichen Lebens, „sondern immer zugleich eine Deutungsaufgabe“ (S. 21) – dies für den Politiker, der sein Handeln in der Demokratie erklären muß, zugleich aber für Christen die Frage des Bezugsrahmens: Handelt die Obrigkeit als Dienerin Gottes oder des Teufels? Achtet sie ihre Grenze oder versucht sie, auch jenseits ihrer originären Aufgaben, für Frieden und Recht zu sorgen, Macht zu gewinnen? Bei dieser Deutung werden sich Christen naturgemäß nicht immer einig sein. Die Aufgabe bleibt gleichwohl bestehen. Als Maßstab ist in erster Linie der Dekalog (Röm 13,8–10) und ihr Verhältnis zur christlichen Verkündigung zu sehen.

Mission und Staat(sform)

Daraus folgt auch die große Bedeutung der Mission für den Gang der allgemeinen Geschichte. Wenn die Mission das ist, was den Antichristen bzw. den Menschen der Gesetzlosigkeit nach 2.Thess 2,6f. (so jedenfalls die Interpretation von Cullmann) noch aufhält, dann ist eine Obrigkeit, die Gottesdienst und Verkündigung behindert, per se mehr im Horizont der zerstörerischen Mächte als der guten ordnenden Mächte zu deuten.

Die Mission sammelt die Gemeinde des Neuen Bundes aus allen Völkern. Sie überschreitet die Sprach- und Volksgrenzen und hat keine Veranlassung mehr, von sich aus das Königtum oder sonst irgendeine Staatsform vorzuziehen. Die Ämter in der Gemeinde werden sorgfältig anders benannt als die staatlichen Ämter: Presbyter/Älteste, Diakone, Bischöfe, aber niemals Könige, Minister, Statthalter, Richter, Polizisten usw. Es gibt keinen Auftrag an die Gemeinde zum Umsturz oder zum Ersatz einer Regierung. Denn jede Regierung ist einerseits als Institution von Gott eingesetzt, um Gott zu dienen. Andererseits sind es sündhafte Menschen, die das Gesetz Gottes oft nicht oder kaum kennen und ihm nicht dienen können.

Der rechte Gehorsam

So sind beide Testamente sehr beredt darin, aufzuzeigen, daß und warum man Gott mehr gehorchen soll als den Menschen, Gott mehr vertrauen soll als den Fürsten (Ps 118; 146 u.a.). Wie im Alten Testament: Nicht Götter sitzen in den Palästen, sondern Menschen, und die sind fehlbar und müssen kritisiert werden, sonst bleiben sie in ihren Irrtümern. Es gehört zum Liebesdienst der Gemeinde, der Welt nicht nur die Liebe Christi zu bezeugen, sondern auch, daß der Schöpfer und Erhalter ein gesegnetes Leben und Weben an die 10 Gebote gebunden hat. Die Obrigkeit ist nach Römer 13 von Gott eingesetzt. Sie hat nach Paulus eine klare Aufgabenbestimmung, nämlich Recht und Friede durchzusetzen. Nur dazu trägt sie das Schwert. Das Recht: Sie soll den Schwachen, der vom Starken übervorteilt wird, schützen; verallgemeinert: Leben, Ehe, Eigentum, Wahrheit, Ehre und Besitz sind ihr zum Schutz anbefohlen. Das Schwert: Zum Durchsetzen des Schutzes nach innen und des Friedens nach außen ist ihr – und ihr allein – das Schwert gegeben. Wir sprechen vom „Gewaltmonopol“ des Staates.

Wir haben es heute oft mit einem Christentum zu tun, das nur das Evangelium, aber kein Gesetz bekennen will. Die Folge liegt auf der Hand: Die Welt versinkt in Vorurteilen und Irrtümern. Es sollte nicht wundern. Vom Staat werden in einer abgleitenden Demokratie (in der die kritischen Gegenüber sukzessive ausgeschaltet werden) alle möglichen neuen Aufgaben erwartet. Immer mehr Lebensbereiche sollen vom Staat abgesichert werden. So wächst nicht nur die Staatsquote. So wächst der Staat über seine gottgegebenen Aufgaben hinaus und wird potentiell zum Dämon. Wenn der Staat etwa beginnt, immer mehr neue Verbindungen als Ehe zu definieren, so verfehlt er sein Wesen als Vollzieher der göttlichen Gerechtigkeit. Wenn Kindstötung und Selbstmord immer weiter erleichtert, ja wirtschaftlich attraktiv werden, oder wenn die Definition von Mann und Frau abgelöst wird von unserer leiblichen Gestalt, so vergeht sich der Staat am Schöpfer. Er schadet insbesondere der nächsten Generation, die in eine tiefe Unsicherheit über sich selbst stürzt: Beim Blick auf den eigenen Körper kann nun ein Mädchen, ein Junge nicht mehr sicher sein, daß dieser eigene Blick auch die Wahrheit über sein Geschlecht mitteilt. Welch eine Verunsicherung für den einzelnen und für das Gemeinwesen überhaupt!

Im neuen Jerusalem schließlich werden derlei Zweifel beseitigt sein. Die Geretteten werden mit Christus herrschen, heißt es in Offb 20,4+6; sie werden sogar über Engel richten (1.Kor 6,2). Damit kommt das ursprüngliche Herrschen des Menschen über die Schöpfung, das durch den Fall zur Unterjochung und Ausbeutung wurde, zu seinem letzten, großen Ziel.

Mehr über die neutestamentlichen Aspekte des Thema in meinem Buch!

4.    Fazit: Biblische Kriterien für eine gute Staatsform

  1. Regierungen bestehen nicht aus Göttern oder Halbgöttern, die unangreifbar über dem Volk schweben, sondern aus fehlerhaften Menschen, die ebenso Respekt verdienen wie sie Kritik nötig haben.
  2. Diejenige Regierung ist die beste, die nicht für sich selbst regiert und Steuern einzieht, nicht ständig um Ansehen und Einfluß besorgt ist, sondern selbstlos für das Volk da ist.
  3. Nur diejenige Regierung ist stabil, die auf Recht und Gerechtigkeit bedacht ist, wie es beim Thron des Messias nach Jes 9 heißt: „gestützt durch Recht und Gerechtigkeit“. Natürlich kann dies kein beliebiges, von Menschen gemachtes Recht sein, sondern das Recht Gottes, das vorgängig in der Heiligen Schrift niedergelegt ist.
  4. Ein sündiger Mensch kann diese Anforderungen nicht erfüllen, sondern nur ein König: Jesus Christus, der Sohn Gottes.
  5. Solange Jesus Christus nicht zurückgekommen ist, werden Sünder an den Schaltstellen sitzen.
  6. Darum bleibt diejenige Staatsform die beste, die die Regierung am effektivsten an die Kandare nimmt (Gewaltenteilung bzw. checks and balances, USA), und diejenige Regierung ist aus christlicher und jüdischer Sicht zu bevorzugen, die die Finger von der Religion läßt, die ihre Angewiesenheit auf Wertevermittlung durch die Familie und durch freie, nichtstaatliche Zusammenschlüsse, darunter vor allem die Kirche Jesu, anerkennt und würdigt.
  7. Mit alledem wird deutlich, wie gut wir Christen es unter dem König Jesus Christus haben, der unser Guter Hirte ist, der uns die Liebe des Vaters im Himmel zeigt, ja erwirkt und zugänglich macht. Was für ein guter Herr! Er wäre das perfekte Modell einer Regierung, die dem Dekalog den gebührenden Raum gibt, der Barmherzigkeit übt, die Schöpfung, das Eigentum, die Ehre, die Ehe und die Heiligkeit des Lebens achtet.
    1000jähriges Reich!?!
  8. Ist das in der Demokratie möglich? Natürlich ja. Dennoch ein zweifaches Aber:
    a) Wir wissen: Die Kontrolle der Regierung kann auch in der Demokratie ausgehebelt werden und wurde es vielfach auch; wie Horst Seehofer mit resignierendem Achselzucken sagte: „Die Gewählten haben nichts zu entscheiden, und die, die entscheiden, sind nicht gewählt“.
    b) Auch in einer Monarchie sind Formen der Kontrolle zwischen Legislative und Exekutive denkbar.
  9. Wollen wir einen König, wie ihn alle Heiden haben?
    Das wäre ein König oder eine Gruppe, die selbstherrlich vorangeht und in alle Bereiche des Lebens hineinregiert. So haben ihn alle Heiden. Und die Herrscher dieser Erde halten ihre Völker nieder, sagt Jesus in Mk 10:

42 Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wißt, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. 43 Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; 44 und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. 45 Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, daß er sich dienen lasse, sondern daß er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.

5.    Beispielhafte Anwendungen auf aktuelle Problemfelder

  1. Der Ruf nach einem starken König kehrt heute in anderer Gestalt wieder: ich denke an die Globalisierung. Um die Gesundheits- oder Klimakrise zu bewältigen, sollen immer mehr Kompetenzen von unten nach oben verschoben werden, auch in der Schweiz: „The Great Reset“ (Klaus Schwab).
    In immer weniger Händen soll sich so immer mehr Einfluß konzentrieren; denken wir an die Europäische Union oder derzeit an die WHO. Es gehört bereits zu den sogenannten Gemeinschaftsstandards von Youtube, daß keine Behauptungen veröffentlicht werden dürfen (bzw. solche werden gelöscht), die nicht mit der WHO und lokalen Behörden übereinstimmen:

 

(Youtube-Screenshot[15] [16])

Wenn hier nicht nur die WHO, sondern auch lokale Behörden genannt sind, bedeutet das, daß diese unmittelbar Zensur ausüben oder anordnen müssen – ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz, wo es in Art. 5 Abs. 1 heißt:

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Mit dem sog. Netzwerkdurchsetzungsgesetz wurde aber der Zensur, die zwar von privater Hand durchgeführt, aber von der Regierung in Auftrag gegeben wird, der Weg geebnet.

  1. Der Verfassungsschutz beobachtet heute Querdenker und andere kritische Gruppen wegen des Verdachts auf Delegitimierung des Staates. Es ist jedoch nicht die Kritik der Maßnahmengegner, die zu einer Delegitimierung der Regierung nach demokratischen Maßstäben führt, sondern ihre Gesprächsverweigerung der Regierungen bzw. die Verweigerung der öffentlich-rechtlichen Medien gegenüber kritischen Medizinern und Wissenschaftlern.[16] [17] Die Achterbahnfahrt zu Beginn der Corona-Krise, deren notorische Gesprächsverweigerung zeigt ihre Verachtung demokratischer Standards und stößt mehr Demonstrationen an, als sie sonst vermieden hätten.
    Nachdem bis Anfang 2020 das Maskentragen sehr im Zweifel stand und selbst von Herrn Drosten im Fernsehen gesagt wurde, die Daten für das Maskentragen seien nicht günstig, wurden dann im Laufe der Krise neue Studien in Auftrag gegeben, die das Gegenteil behaupteten (so Dr. Wodarg). Das Ministerium Spahn vergeudete Millionen von Euro beim Einkauf unbrauchbarer Masken, Abgeordnete bereicherten sich.
    Ich verweise auf einen fünfminütigen Video-Zusammenschnitt mit einigen (Selbst)Widersprüchen von Politikern (Spahn, Drosten, Wieler).[17] [18]Heute sind Zertifikat und Maskentragen mehr zum Symbol für Gehorsam und Anpassung geworden als zu einem medizinisch notwendigen Stück Papier bzw. Stoff.
    Das Problem ist nicht, daß Politiker nicht irren dürfen. Natürlich haben sie immer nur einen begrenzten Stand der Erkenntnis zur Verfügung. Anfang 2020 mag der Erkenntnisgrad noch niedrig gewesen sein. Aber spätestens im April 2020 wußte man viel mehr, gab es Studien über die Problematik der Lockdown-Maßnahmen usw. Dennoch wurde nicht umgesteuert. Alles lief auf die Impfung hinaus.
  2. Die Behauptung einer asymptomatischen Krankheit macht den Ausnahmezustand zum „neuen Normal“.
    Hier muß man plötzlich der Regierung mehr glauben als dem eigenen Verstand und dem eigenen Körpergefühl. Jeder ist jetzt potentiell krank, auch wenn er sich nicht so fühlt. Jeder muß sich impfen lassen, denn plötzlich ist jeder eine Gefahr. Nichtgeimpfte werden auf vielfältige Weise stigmatisiert oder ausgesperrt.
  3. Die Impfung richtet weltweit gesundheitliche Schäden an, die „Endzeit-Dimensionen“ annehmen oder annehmen können.[18] [19] Wie viele Impftote es bereits gibt, weiß nur Gott (die Mehrzahl der Impftoten wird wegzensiert und verschwiegen), viele Geimpfte haben Schäden schon kurz nach der Impfung[19] [20], und das Ausmaß der Langzeitschäden läßt sich erst erahnen (Autoimmunerkrankungen inkl. Diabetes, Krebs, Herzschwäche … nebenbei alles Krankheitsgebiete, auf denen die Pharma-Industrie aktuell die größten Gewinne durch neue Medikamente einfährt; aber das ist vermutlich nur ein ‚Nebeneffekt‘, denn es geht letztlich nicht um Geld, sondern um Macht).
    Nicht ausgeschlossen ist, daß die Impfung Männer und Frauen teilweise unfruchtbar macht, und daß Genveränderungen bleiben. Rechnet man noch die für die Impf-Testung und -Herstellung getöteten Embryonen dazu, wird die Ungeheuerlichkeit des Ganzen sichtbar: Menschenopfer.[20] [21]

Spätestens hier wird klar, daß das Ganze eine geistliche Tragweite hat, der wir uns nicht verschließen können. Jeder Götzendienst fordert letztendlich Menschenopfer und raubt den Menschen die von Gott gegebene Freiheit. In Genesis 6 lesen wir, daß der Teufel es schaffte, die Menschheit genetisch zu verderben, worauf Gott die Sintflut kommen ließ. Nun scheinen wir so weit zu sein, daß man unsere Gene verändern, ein- oder ausschalten kann – letzteres ist vermutlich ‚technisch‘ jetzt schon möglich durch einige Milliliter einer Injektionslösung. Auch die angestrebte (wenn auch noch nicht erreichte) Verschmelzung von Mensch und Technik hätte zur Folge, daß der freie Wille des Menschen, sein Wesen und sein Denken von außen her veränderbar würden. Hier wird Gott in seine Schöpfung gepfuscht, und das nicht irgendwo: Nichts Geringeres als sein Ebenbild, der Mensch, soll verzerrt, manipuliert und zerstört werden. Wie lange wird Gott das zulassen?

  1. Wir können den Lauf der Endzeitereignisse nicht aus eigenem Willen hindern. Nur aus dem Willen Gottes: Dem Antichrist steht noch immer die Gemeinde Jesu im Weg, in der der Heilige Geist auf Erden gegenwärtig ist und wirkt. Schon allein durch unser Bestehen sind wir dem Bösen ein Hindernis. Das ‚divide et impera‘ (teile und herrsche) der Mächtigen macht aber auch vor unserer Tür nicht Halt und versucht, die Einheit des Leibes Christi zu stören. Heikle Punkte scheinen mir diesbezüglich:
    – Die Frage nach ‚geimpft‘ oder ‚ungeimpft‘: Diese Frage dürfte keinen Platz erhalten, außer im vertraulichen Kontakt, z.B. bei persönlichen Fragen, oder in einer Notlage. Es gibt keinen Unterschied zwischen geimpften und ungeimpften Gläubigen, alle sind gleichwertige Mit-Glieder des Leibes Jesu Christi. Das Zertifikat hat in der Gemeinde Christi definitiv nichts verloren. Es wäre ein eklatanter Widerspruch, zum Tisch des Herrn nur solche Gläubige zuzulassen, die ihr Staatsvertrauen durch einen Impfnachweis bezeugen. „Verlasset Euch nicht auf Fürsten, sie sind Menschen, die können ja nicht helfen!“ (Ps 146,3)
    – Der Dienst nach ‚innen‘ und der Dienst nach ‚außen‘: Beides sind keine Gegensätze, sondern bedingen einander: die Menschen, die bei Straßeneinsätzen zum Glauben finden, brauchen eine Heimat in einer Gemeinde, ebenso brauchen die, die ‚outdoor‘ wirken, die Stärkung durch ihre Geschwister; umgekehrt brauchen die Teams auf der Straße Unterstützung aus dem Innern der Gemeinde.
    – Die Frage, ob ‚der Christ‘ sich hier engagieren müsse (und ob jeder das müsse), kann zur Streitfrage werden und entzweien. Jesus ist das Haupt, er gibt den Gliedern ihre Aufträge, die so oder so aussehen können. Den einen treibt das Gewissen, sich politisch zu engagieren, ein anderer wird in seinem Innersten von Gottes Mitleid so bewegt, daß er sozial aktiv wird, ein dritter erhält ganz andere Aufgaben, zum Beispiel im Gebet. Und wem stände es an, hier zu richten? Wir sind alle Teil des Leibes Christi, ob Lehrer oder Evangelist, ob Hirte oder Prophet oder … Die aktuelle Not bringt uns ins Bewußtsein, daß wir als Leib zusammengehören, über alle Denominationen hinweg: wir brauchen einander.
  2. Unter wachen Christen werden derzeit vor allem zwei Optionen diskutiert: Die Benedikt-Option (Rod Dreher) und die Daniel-Option (Peter Bruderer u.a.).
    Meine Einschätzung lautet: Solange der Staat noch eine Spur Beweglichkeit zeigt, solange er noch nicht ganz in den Öko-Sozialismus abgeglitten ist, sollten wir aktiv mitleben wie Daniel, Josef, Mordechai und Esther, zugleich aber die kleinen Kreise zu verschworenen Gruppen schmieden wie Benedikt.

Pfr. Dr. S. Felber (www.stefan-felber.ch [22]), Vortrag am 10. und 13.10.2021

Hier geht es zum Videovortrag auf Youtube. [1]

Wir empfehlen das neue Buch von Pfr. Dr. Stefan Felber:
Kein König außer dem Kaiser?
Warum Kirche und Staat durch Zivilreligion ihr Wesen verfehlen
Freimund-Verlag, Neuendettelsau 2021
ISBN: 978-3-946083-60-3
244 Seiten
14,80 Euro

Das Buch kann hier bestellt werden. [23]

 

 

6.     Literatur

Assmann, Jan (Hg.): Politische Theologie zwischen Ägypten und Israel, Themen der Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung Bd. 52, München 42017, 131 S.

Bruderer, Peter: https://danieloption.ch/ [24]

Felber, Stefan: Kein König außer dem Kaiser? Warum Kirche und Staat durch Zivilreligion ihr Wesen verlieren, Neuendettelsau 2021, 244 S.

Felber, Stefan: Diverse Vorträge und Manuskripte zu ähnlichen Themen unter www.stefan-felber.ch/downloads [25],
darunter https://www.gemeindenetzwerk.de/?author=207 [26].
Siehe den den Abschnitt „Vorträge im Internet“ (auch Audio/Video) unter https://www.stefan-felber.ch/publikationen [27] (fast ganz nach unten scrollen!).

Dreher, Rod: Die Benedikt-Option. Eine Strategie für Christen in einer nachchristlichen Gesellschaft, Kißlegg: fe-medien, 2019, 408 S.

Dreher, Rod: Live not by Lies. A Manual for Christian Dissidents, New York 2020, 256 S. (vgl. hierüber https://theoblog.de/rod-dreher-ein-handbuch-fuer-christliche-dissidenten/36679/?highlight=dreher [28]).

Künneth, Walter: Politik zwischen Dämon und Gott. Eine christliche Ethik des Politischen, Berlin 1954, 616 S.

Künneth, Walter: Der Christ als Staatsbürger. Eine ethische Orientierung, Wuppertal 1984, 221 S.

McConville, J. Gordon: God and Earthly Power. An Old Testament Political Theology: Genesis–Kings, T & T Clark library of biblical studies Bd. 454, London, New York 2006, 200 S.

Seubert, Harald: Gott mehr gehorchen als den Menschen. Einige Überlegungen zum Zusammenhang von Kirche und Politik, in: Diakrisis 42, 3/2021, S. 142–149.

Vang, Carsten: The Non-Prophetic Background for the King Law in Deut 17:14–20, in: Armgardt, Matthias u.a. (Hg.): Paradigm Change in Pentateuchal Research. Beihefte zur Zeitschrift für altorientalische und biblische Rechtsgeschichte Bd. 22, Wiesbaden 2019, 207–223.

Zeitschrift „Diakrisis”, Heft 3/2021 zum Thema „Untertan der Obrigkeit“; Beiträge u.a. von Harald Seubert.

[1] [29] Smart Investor 9–2021, S. 15.

[2] [30] Roland Baader, Fauler Zauber, 1997, S. 146.

[3] [31] Smart Investor ebenda.

[4] [32] Papier wörtlich: „Die Erosion unserer Freiheitsrechte hat auch keineswegs mit der Corona-Krise begonnen, sondern wurde durch die Pandemie lediglich erheblich beschleunigt. … Epidemien oder andere Katastrophen werden immer schwerwiegende Grundrechtseingriffe des Staates erfordern. Aber es muss wieder klarer werden, dass der gute Zweck in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht jedes Mittel heiligt. ‚Not kennt kein Gebot‘, dieser Satz darf nicht Raum greifen. Auch das allgemeine legitime Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, rechtfertigt nicht jeden Grundrechtseingriff. Nutzen und Schaden müssen stets in einem angemessenen Verhältnis stehen, und die Beweislast für das Vorliegen der Verhältnismäßigkeit trägt der Staat. Schwerwiegende Freiheitsbeschränkungen aus bloßer Vorsorge sollte es künftig nicht mehr geben. Wir müssen uns rechtsstaatlich wappnen – das waren wir diesmal lange Zeit nicht. … Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates und die Rationalität seiner Entscheidungen ist im Laufe der Zeit erschüttert worden. Es wurde nicht generell, aber doch teilweise ziemlich irrational, widersprüchlich, kopflos und im Übermaß reagiert. Manche Entscheidungen waren fast absurd oder schlicht nicht durchsetzbar, nehmen Sie nur die unkontrollierbaren Aufenthaltsbeschränkungen in Privatwohnungen. Wenn das Recht aber nur auf dem Papier steht und gar nicht durchsetzbar ist, ist das Gift für einen freiheitlichen Rechtsstaat. Die Mängelliste ist im Übrigen lang, ich nenne beispielhaft nur die Passivität der vom Volk gewählten Parlamente. Die Exekutive erließ Ver- und Gebote, erst gestützt auf die allgemeine seuchenpolizeiliche Generalklausel, dann auf einen Beschluss des Bundestags, der eine epidemische Lage nationalen Ausmaßes feststellte, aber das war eher Symbolpolitik. Letztlich war es weiterhin die Exekutive, die massiv in die Freiheitsrechte der Bürger eingriff. Das geht meines Erachtens bei so wesentlichen Fragen im Verhältnis von Staat und Bürgern nicht.“

[5] [33] idea 40.2021, S. 9.

[6] [34] Hymnus an die Schöpfer- und Muttergöttin Belet-ili, auch unter dem Namen Aruru verehrt:

„Ea hub an zu sprechen, an Belet-ili richtete er das Wort:

‚Belet-ili, die Herrin der grossen Götter, bist Du. Du hast den lullû-Menschen erschaffen, bilde nun den König, den maliku-Menschen! Mit Gutem umgib seine gesamte Gestalt, gestalte seine Züge harmonisch, mach schön seinen Leib!‘

Da bildete Belet-ili den König, den maliku-Menschen. Es gaben dem König den Kampf die [grossen] Götter. Anu gab ihm die Krone, Enlil ga[b ihm gleissenden Glanz], Belet-ili gab [ihm ein schönes Aus]sehen.“

Text VAT 17019 bei Dijk, J. v., Literarische Texte aus Babylon, VS 24 (N.F.8), Berlin 1987, Taf. XXXII Nr. 92 (Text übernommen bei einem Symposion in Fribourg 17.9.2021). Vgl. auch https://www.jstor.org/stable/25683545 [35] und https://www.jstor.org/stable/43075471 [36] (08.10.2021).

[7] [37] Seubert: Gott mehr gehorchen als den Menschen, S. 142.

[8] [38] Assmann, Politische Theologie, 71 (ein zuerst im Jahr 1992 erschienener Vortrag).

[9] [39] AaO. 111.

[10] [40] Lohfink, zit. bei Assmann aaO. 72.

[11] [41] 1805: De Wettes „Dissertatio critica“.

[12] [42] Vang 207f.

[13] [43] Assmann aaO. 114.

[14] [44] W. Künneth: Politik zwischen Gott und Dämon, S. 20f.

[15] [45] https://www.youtube.com/intl/de/howyoutubeworks/policies/community-guidelines/ [46] (06.10.2021).

[16] [47] Beispiel: Die Initiative „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie, e.V.“ (https://www.mwgfd.de/ [48]).

[17] [49] https://t.me/samueleckert/3333 [50].

[18] [51] Nr. 4–5 stammen von einem Arzt, der nicht mehr schweigen will.

[19] [52] Herzinfarkte, Hirnschläge, Lungenembolien, Erblindung, Gehörverlust, Lähmungen, Schädigung des Immunsystems, Fatigue, Fehlgeburten usw.

[20] [53] Vgl. Hesse, Johann: Corona-Impfstoffe und die Verwendung embryonaler Zelllinien, in: Aufbruch 2 (2021), S. 10–11, Download: https://www.gemeindenetzwerk.de/wp-content/uploads/2021/11/aufbruch_3_2021.pdf [54] (24.11.2021).