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Geistlich immun?

Geistlich immun?
Wie Hauptamtliche wieder Feuer fangen können.

Einer hat geschrieben: „Ich merke, wie ich immer unzufriedener werde. Ich habe unser Rede-Christentum so satt. Immer soll ich Reden halten über Gott, aber mir ist, als hätte ich gar nichts, wo ich es her nehmen könnte. Ich rette mich von einem Nichts ins andere. Auch beim Zuhören geht es mir so. Ich war neulich in B. und die Predigten von… waren sehr gut. Aber es hat mich fast gar nicht interessiert, nicht bewegt, nicht berührt. Ich bin wie abgestumpft, innerlich platt, wie nicht aufnahmefähig. Ich werte andere nach Äußerlichkeiten oder ob der Kollege in meine Schublade paßt. Inhaltlich bin ich nach zwei Minuten weg vom Fenster, spätestens, wenn das Eingangsbeispiel vorüber ist und die Bibel dran kommt.“ Ein anderer sagte es öffentlich: „Ich würde nie wieder Pfarrer werden. Ich habe darüber mein geistliches Leben verloren.“

Des frommen Gelabers müde …

Die folgenden Zeilen wollen manches – aber eines bestimmt nicht: Sie wollen niemandem zusätzliche Last auflegen. Sie sind viel mehr bestimmt von Anteilnahme. Ich nehme Anteil am Erleben so mancher Haupt- und Ehrenamtlicher, Leiter, Funktionäre und Mitarbeiter im christlichen Bereich – weil ich selber so einer bin. Ich kenne die oben beschriebene Unzufriedenheit aus eigenem Erleben, Und so versuche ich beim Schreiben solche vor mir zu sehen, die – wie ich – zeitweise der frommen Worte müde sind, „des frommen Gelabers“ überdrüssig. Ich sehe Kollegen vor mir, denen die nächtlichen (Alibi-Arbeits-)Stunden am PC auch noch die letzten Nischen vitalen Lebens weggefressen haben, die auf die Frage nach ihrem Ergehen eine Art Mantra sprechen: „Im Moment ist es gerade ein bißchen viel…“ – an Arbeit, Streß usw.

Solche Pfarrer und Pastoren sehe ich vor mir, die als Predigthörer dadurch auffallen, daß sie ausfallen oder allenfalls wertend hören können. Leute, an denen geistliche Aussagen ablaufen wie Wasser an der Fensterscheibe und von denen man in Einkehrhäusern oder bei Kommunitäten weiß: Sie finden in die Stille wahrscheinlich gar nicht hinein. Wenn sie denn überhaupt mal in solch ein „Haus der Stille“ kommen, dann werden sie dort statt einer persönlichen Einkehr irgendein Buch lesen, sie werden mitgebrachte Arbeit auf dem Notebook erledigen und froh sein, wenn ihr Handy ihre Unentbehrlichkeit verkündet.

„Ich bin halt kein Stille-Typ“ reicht ihnen als Begründung für ihre Unruhe. Die Erfahrung einer Hausfrau, die sich nach einem einfachen Gebetsspaziergang tief berührt zeigt, ist ihnen kaum zugänglich. Sie empfinden Fremdheit dabei und sie vermitteln diese selber. „Fremd“ kommt von „weit weg sein von etwas“ – und das ist der Eindruck, den sie bisweilen selber vermitteln: Da ist jemand bei manchen Themen weit weg. Vor allem bei Themen einer persönlichen Lebensgestaltung aus Quellen des Glaubens. Ein Kollege seufzte neulich über die Aggressivität, die ihm bei Pfarrkonventen entgegenschlägt, wenn es um die Praxis einer eigenen Spiritualität geht. Ein anderer empfindet: Deutsche Theologen und theologische Funktionäre leiden an einer enormen Selbstüberschätzung: Was sie nicht selber sagen oder erfunden haben, kann kaum richtig sein. Und wieder einer faßt es so: „Wenn es um geistliches Leben geht, dann sind die Hauptamtlichen die schwierigste Gruppe. Sie können fast nicht hinhören. Sie verzwecken alles. Bedeutsam für sie ist nur, was sie für ihre nächste Predigt verwenden können.“

Das Leiden: Innere Unberührbarkeit

Frage: Ist das richtig beobachtet? Leiden viele hauptamtliche Pfarrer, Pastoren, Diakone beiderlei Geschlechts nicht nur an schlimmen Einsamkeiten, an Sprachlosigkeit über sich selbst, sondern auch an einer im Berufsleben wachsenden inneren Unberührbarkeit gegenüber den „reichen Gütern seines Hauses“ (Psalm 36,9) – also an einer schleichenden Kontaktarmut gegenüber Gott? Ich frage: Kann man als Hauptamtlicher unempfindlich werden gegenüber dem Durst der eigenen Seele und gegenüber geistlichen Dingen? Kann man als (Quasi-)Profi im theologischen Dienst in einen Zustand geraten, der einen „über-Gott“-Reden halten läßt – ohne daß man noch merkt, was manche Zuhörer schon längst spüren: „Aus Gott reden“ wäre wohl anders? „Als aus Gott reden wir vor Gott, in Christus.“(2. Korinther 2,17)?

Fragt man Menschen in geistlichen Ämtern nach Ursachen für diesen Zustand – den die meisten übrigens bei Kollegen(!) sehr wohl schon bemerkt haben – so gibt es mancherlei Vermutungen:

Die schier uferlose Arbeitserwartung an einen Pfarrer, sagen manche, lasse keine Zeit übrig für eine eigene spirituelle Praxis: z.B. für Gebet, für Hören auf Gott oder für Schritte einer lectio divina, wie sie für Luther unentbehrlich waren.

Andere meinen: Der Erfolgsdruck aus den Gemeinden verderbe alles. Hatte ein Hauptamtlicher früher noch Hunger nach Gott, so nährt er sich im Dienst immer stärker von der Anerkennung durch Menschen. Wo einer früher die „Rechtfertigung des Gottlosen“ pries, da lebt er heute eine „Selbstrechtfertigung des Ruhelosen“.

Oder ist dies eine Ursache: „Den Hauptgrund sehe ich in der Weigerung, mich Gott auszusetzen. Der damit verbundene oder befürchtete Machtverlust, das Gefühl, etwas aus der Hand geben zu müssen, ohnmächtig oder handlungsunfähig zu sein, das bremst.“

Oder ist es schlicht eine berufsbedingte Enttäuschung, die sich wie die Asche eines Vulkans auf alles Lebendige legen kann – Enttäuschung an Menschen, Enttäuschung an Gott, weil nach so viel „preisenden Reden“ über ihn so wenig sichtbar ist von ihm?

Kardinal Lehmann schreibt: „Auch ein Theologe kann zum Atheisten werden, wenn er nicht versucht, ungekünstelt als Glaubender zu leben, wenn er nicht das Gespür fürs vitale Leben behält, wenn er nicht einfach und lernend bleibt in allen Dingen. Man kann nicht das Leben in der theologischen Retorte erzeugen und alles in Vernunft und Argumentation auflösen. Es ist schon eine teuflische Versuchung, sich mit den Dingen des Glaubens zu befassen, indem man hauptsächlich darüber redet, sich aber dem Vollzug entfremdet. Es kann vorkommen, daß einer dies gar nicht merkt und nur immer bemüht ist, die Dinge in äußerster Objektivation zu beherrschen“ („Es ist Zeit, an Gott zu denken“, Herder Freiburg 2000).

Was könnte helfen?

Weil diese Frage sofort im Raum steht, wenn jemand die oben beschriebenen Aussagen macht, wollte ich diesen Artikel lange Zeit gar nicht schreiben. Denn wer bin ich, daß ich anderen Menschen mit ihrer je eigenen Lebens- und Glaubensgeschichte irgendwelche Ratschläge zu geben hätte?

Gleichzeitig berührt mich die Not in der Sache. Über dem Arbeiten auf frommen Äckern gehen die eigenen Lebensjahre dahin wie im Flug. Ruheständlern gelingt manchmal noch ein bedauernder Rückblick, wenigstens das: „Wenn ich es noch mal zu tun hätte, würde ich …“. Aber wer leistet sich als Theologe, als Gemeindeleiter, als Vorsitzender, Präses oder Oberkirchenrat eine ausreichende Zwischenbilanz, so lange er noch im Dienst ist? Vielleicht gibt es sie ja ….

Aber hier meine ich tatsächlich: Wie man bei einem Auto regelmäßig Öl, Wasser und Luft prüfen soll – vom Energiehaushalt ganz abgesehen – so sei es auch wichtig, längst vor dem Ruhestand auf das eigene Leben zu achten, auf unser Leben aus Gott und vor den Menschen. Es ist doch wohl nicht wahr, daß es ausschließlich Augustins Herz gewesen ist, welches „unruhig“ war, so lange es ohne Gottesnähe auskommen mußte, das unsere ist es doch auch! Und dann und wann hören wir unser Herz ja auch sprechen, wenn es fragt – in den Wachstunden bei Nacht oder vor dem Erwachen: War das alles? Ist das die ganze Geschichte Gottes mit einem Menschenleben – wie ich sie derzeit lebe?

Nur zum vorsichtigen Fragen und Hinspüren – so möge man diese Zeilen lesen – wage ich hier ein paar Hinweise aus dem Neuen Testament (Lukas 24,13-35): Zwei namentlich unbekannte Männer aus dem Jüngerkreis gehen auf dem Weg nach Emmaus. Sie sind voll vom Erlebten der letzten Tage – Karfreitag, die Gerüchte einer Auferweckung usw. Sie versuchen, das Ungeheure im Gespräch zu verarbeiten.

„… da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen.“

Welch ein Satz. Man müßte ihn in Gold schreiben, hat Luther zeitweise gesagt. Was ist an diesem Satz? Nun: Ohne daß der Herr selber zu seinen Leuten kommt, wird es kaum gehen. Das gilt für alle Menschen – aber ich meine für uns Hauptamtliche besonders. Egal, auf welchem Wege Gott kommt: Ob durch ein beschämendes Gelingen unserer Arbeit oder durch ein berufliches Scheitern, ob durch ein mutiges Bruderwort oder durch eine familiäre Krise, ganz egal – wenn er nur kommt! Und wenn er nicht kommt, dann weiß ich sofort auch nicht mehr weiter.

„Er nahte sich ihnen“ höre ich im Übrigen auch so: Ich glaube, daß Funktionäre in geistlichen Ämtern auf jeden Fall Menschen brauchen, die sich in ihr Leben einmischen dürfen, die ihnen ein unabhängiges Feedbackgeben dürfen, sonst sind Fehlhaltungen vorprogrammiert. Den Jüngern damals nahte sich einer. So, daß sie ihn ertragen konnten, so, daß sie vor ihm drauflos sprechen konnten. Er hört nur und wartet – und dann steigt er auf das ein, was sie ihm hingehalten haben. Und so hat er es zu seinen Lebzeiten immer wieder getan. Bevor er an seinen Jüngern handelt, sollen sie ihm ihre Lage hinhalten und erzählen.

„Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war.“

Die Schriftbelege zu dieser Stelle lassen ahnen: Die Sache dauerte länger. Sein Reden und ihr Schweigen, meine ich. Was zumindest so viel bedeutet: Sie hielten in seiner Gegenwart über eine längere Zeit einfach mal den Mund. Ich mache daraus: Ohne daß wir still werden, geht es ja auch nicht. Nicht wirklich. Ohne Stille, meine ich, ohne Hören auf Gott, ohne Zeit für ein Empfangen aus erster Hand geht es einfach nicht. Es ging für Jesus selber nicht, es ging für Paulus nicht, es ging weder für Benedikt noch für Luther und für viele andere auch nicht. Woher nehmen wir eigentlich heute die Kühnheit, zu meinen, es ginge bei uns ohne Stille vor Gott?

Wir brauchen eine Berührung mit den Inhalten des Glaubens „von innen her“, sagt Ignatius. „Es braucht im Glauben bei aller Vermittlung durch menschliche Personen und Strukturen eine letzte Unmittelbarkeit zu Gott, die alles Endliche radikal übersteigt und mich mit Gott selbst verbindet.“ (Karl Lehmann) Sonst trocknet man aus, sonst wird man flachwurzelig, sonst wird alles schal, sonst hält man sich an Zweitrangigkeiten auf und verliert die große Perspektive. Konkret: Wir brauchen Zeiten für und vor Gott, Einkehrtage, Beichte und Gespräche, wo wir uns anschauen lassen, uns einfinden vor Gott und uns begleiten lassen.

Wer es gut mit uns meint, mit uns Hauptamtlichen, der sorge dafür, daß wir uns solche Zeiten nehmen und geben lassen. Regelmäßig, nicht als Möglichkeit, nicht als „weichen“ Termin, sondern – wie war das mit dem Auto? Vermutlich wird sich dazu auch in der (Berufs-)Begleitung von uns Hauptamtlichen etwas ändern müssen: Ich meine, man solle uns nicht nur fragen, wie wir das Gemeinde-Management optimieren, sondern man soll uns auch fragen – auch kirchenleitend durch Dekane und aus dem Oberkirchenrat: Wie lebst du deinen Glauben? Was nährt dein Leben? Wie geht es deinem Beten? Kannst du Gott lieben?

Ich bin mir sicher, daß diese Fragen in meiner evangelischen Kirche nicht inquisitorisch gestellt würden. Das ließe schon die in Jahrzehnten unter uns gewachsene theologische Bildung nicht zu. Um so mehr bedaure ich, daß diese Fragen in der Regel überhaupt nicht gestellt werden. Das empfinde ich als Vernachlässigung.

„Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weitergehen.“

Man darf ja fragen: Warum verstellte er sich? Eine mögliche Antwort ist: Bis zu dieser Weg-Station war alles gesagt, jetzt waren sie selber dran. Jetzt sollten sie sich zu ihm verhalten und aus dem Hören einen nächsten Schritt machen. Jetzt sind Folgerungen zu ziehen aus dem, was es – nein: Was er – unterwegs mit ihnen gemacht hat. Jetzt sollen sie Schlüsse ziehen aus den Signalen, die sie empfangen haben, welche auch immer. Und genau das taten diese Jünger jetzt:

„Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?“

Es war ja so gut, daß sie einander dabei hatten! Und daß sie voreinander Gefühle ansprechen konnten: „Ist es dir auch so gegangen? Mir ist ganz anders geworden, als er vorhin gesagt hat, daß…“ So verstehe ich die Worte: „Brannte nicht unser Herz in uns…“ Die beiden Männer helfen einander, sich einzulassen auf Regungen ihres Herzens. Es ist wichtig, solche Regungen und Stimmen des Herzens überhaupt zu registrieren – und es ist sehr wichtig, sie zuzulassen.

Auch anderes sollen wir zulassen: Zulassen, was die Stimme meines Körpers mir sagen will, das ist vernünftig. Zulassen, was meine Seele mir anzeigt. Ich soll, auch und gerade als Hauptamtlicher, der gewöhnt ist, vielfach das letzte Wort zu haben, zulassen, was mir meine Beziehungen signalisieren. Und ich soll, wahrhaftig nicht zuletzt, zulassen, woran die Stimme Gottes bei mir rührt. An diesem Zulassen hängt die Entwicklung unserer ganzen Persönlichkeit. Denn nur wer diese Stimmen und Signale zulassen kann, kann das Loslassen üben, wenn es Zeit ist. Und nur wer loslassen kann, kann vertrauen, kann sich jemandem und auch Gott überlassen. Weil sie im eigenen Stillsein und im Gespräch zu zweit etwas zulassen konnten, sich einlassen konnten, kamen die beiden Jünger vor Emmaus einen Schritt weiter. Welchen Schritt?

„Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben.“

Nötigen an sich ist schlecht. Aber hier ist etwas stark Persönliches in Gang gekommen. Vielleicht nötigte Jesus sie selber durch seine warmherzige Art der Zuwendung. Jetzt ist auch bei ihnen eine innere Tür aufgegangen und sie sagen ihm, was für sie unentbehrlich ist: Sein Dableiben. Einfach sein Dableiben! Solch ein Vorgang ist für Hauptamtliche so selten wie kostbar. Aber ich meine, daß fast alle sich danach sehnen. Es ist etwas, wenn wir Hauptamtliche wieder auf das Geheimnis Jesu stoßen. Wenn aus Begriffenhaben Ergriffenheit wird. Übrigens: Dann werden wir als Verkündiger meistens sofort interessant. Denn die Menschen unserer Tage sind hinter Gott her. Und sie suchen nach solchen, die diesen Gott selber kennen.

Anthony de Mello sagt von Hindus, die auf einen christlichen Missionar treffen: Sie werden dem Missionar zuhören, sie werden Interesse zeigen an den Helden der Kirchengeschichte, aber sie werden nicht beeindruckt sein. Sie werden sagen: „Das ist schön. Und wie haben Sie selbst Gott erlebt? Sie kommen zu uns mit Theologie, mit Liturgie und mit der Bibel… Aber hinter all diesen Riten, Worten und Begriffen befindet sich doch eine Wirklichkeit, für die die Riten, Worte und Begriffe nur Symbole sind, eine Wirklichkeit, die mehr ist als die Begriffe? Stehen Sie in direkter Verbindung mit dieser Wirklichkeit? Können Sie mich mit ihr verbinden?“ („Von Gott berührt“. Herder 1992, S. 22)

Sich der Glut aussetzen

Emil Brunner soll einmal den Protestantismus seiner Zeit so beschrieben haben: Dieser sei wie ein gefrorener Wasserfall. Man sehe noch die gewaltigen Formen: Katechismen, Kirchen, Bekenntnisse, Gesangbücher usw. – aber was einmal Bewegung war, sei heute zur Erstarrung gekommen.

Man versteht dieses Wort richtiger Weise nicht als eine Aussage gegen Formen, sondern gegen das Erfrieren. Erfrieren ist sterbende Wahrnehmungsfähigkeit, ist – etwa bei bestimmten Windverhältnissen – nahezu schmerzfreies Absterben des Gewebes. Daß sich solches nicht mitten in der Christenheit ereignet, zumal bei hauptamtlichen Christen, war das Anliegen bei der Gründung der Pfarrgebetsbruderschaft, der Berneuchner Bewegung, der Michaelsbruderschaft und anderer Gemeinschaften. Bonhoeffer war der Meinung: Hauptamtliche brauchten eine gepflegte geistliche Praxis, Übungen der Frömmigkeit – und er war deshalb dafür, die theologische Ausbildung in kirchlich-klösterliche Schulen einzubetten, (vgl. bei Andreas von Heyl, „Zwischen Burnout und geistlicher Erneuerung“, Verlag Peter Lang). Man müsse als Hauptamtlicher lernen, sich der „ewigen Glut unablässig aussetzen, die einem aus dem Wort Gottes entgegen schlägt“, war auf der Barmer Synode 1934 zu hören.

An diesen und anderen Vorschlägen haben seither viele weiter gestrickt. Julius Schniewind, Manfred Seitz, Helmut Thielicke u. v. a. Sie alle verbindet der Wunsch:

„Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach’s und gab’s ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen.“

Ich stehe fast jeden Tag in einer alten Kirche. lroschottische Mönche haben vor 1.200 Jahren aus einer keltischen Kultstätte einen Platz für Christus gemacht. Eine Kapelle entstand, später eine Wehrkirche. Und nun kommen durch den Mittelgang dieser Kirche seit Jahrhunderten Menschen zum Altar und halten ihre Hand hin, um ein Stückchen Brot und einen Schluck Wein zu empfangen. Warum? Es ist ein Geheimnis darin. Sacramentum war zeitweise Synonym für mysterion. Was darauf hinweist: Ein Geheimnis will angenommen, bewahrt und bewohnt werden. Dann erschließt sich etwas. In Lukas 24: „Und sie erkannten ihn.“ Was für mich heißt: Laßt uns „heilige Dinge“ wieder mit Offenheit und Sorgfalt tun:

Wer das tut, reißt keine Bäume aus – aber es kann sein, er fängt langsam an, Berge zu versetzen…

Hanspeter Wolfsberger (58) ist Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Baden und leitet in Betberg (20 km südlich von Freiburg), zusammen mit seiner Kollegin Evelyn Häuser das Einkehrhaus „Haus der Besinnung“ (www.betberg.de)

Mit freundlicher Genehmigung aus AUFATMEN 4/2007, Bundes-Verlag, www.aufatmen.de