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Stellungnahme zur Empfehlung der Bischofskonferenz der VELKD vom 8. März 2004 über den Umgang mit eingetragenen und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften von Pfarrern

Stellungnahme zur Empfehlung der Bischofskonferenz der VELKD vom 8. März 2004 über den Umgang mit eingetragenen und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften von Pfarrern

Die entscheidende Aussage steht am Anfang: „Die unterschiedlichen Positionen zu Eingetragenen Lebenspartnerschaften und zu anderen, gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften berühren als Ordnungsfragen nicht den status confessionis.“

Der Begriff des „status confesssionis“ in der lutherischen Tradition geht zurück auf das Problem, das der Kirche mit dem Augsburger Interim von 1548 gestellt war. Für eine Übergangszeit wurden den protestantischen Kirchen im Reich lediglich der Laienkelch und die Priesterehe zugestanden; alle anderen Veränderungen seit der Reformation waren nun rechtswidrig und waren deshalb rückgängig zu machen. Damit war eine Konfliktsituation gegeben. Was galt in der Kirche: das Bekenntnis – für die Lutheraner das Augsburger Bekenntnis von 1530 – oder der Augsburger Reichstagsabschied von 1548 bzw. der Wille des siegreichen Kaisers Karl V.? Das war der „status confessionis“. Es herrschte in den lutherischen Kirchen darüber weitgehend Einmütigkeit, daß es das „Bekenntnis“ ist, das für sie gilt, auch wenn das zum Konflikt mit dem Reich führen muß.

Damals kam es in Kursachsen unter Kurherzog Moritz und seinen Theologen zu der Überlegung, um Schaden vom Land abzuhalten, dem Kaiser dennoch weitgehend entgegenzukommen, also einen Kompromiß zu schließen. Eine ganze Reihe von katholischen Riten und Zeremonien sollten wieder eingeführt werden, darunter auch das Fronleichnamfest, während der theologische Kernbestand der Reformation um die Rechtfertigungslehre beibehalten werden sollte. Der Kunstgriff, der das ermöglichen sollte, war der Begriff der „Adiaphora“, also Fragen der Ordnung, der Riten, die frei geregelt werden konnten und den „status confessionis“ nicht berühren würden. Dabei konnte man sich auf CA VII berufen: „Und ist nicht not zur wahren Einigkeit der christlichen Kirche, daß allenthalben gleichförmige Zeremonien, von den Menschen eingesetzt, gehalten werden“. So kam es im Dezember 1548 zu der „Formel von Alt-Zella“ bzw. zum „Leipziger Interim“, dessen Hauptverfasser Melanchthon war.

Dieser Kompromiß führte zu einem innerkirchlichen Streit um die „Adiaphora“ und den „status confessionis“, der erst 1577 mit der Konkordienformel abgeschlossen werden konnte (FC X „Von Kirchengebräuchen“).Entscheidend darin sind die „Negativa“. In ihnen wird u.a. die Aussage verworfen: „daß man zur Zeit der Verfolgung und öffentlicher Bekenntnis den Feinden des heiligen Evangelii (welches zu Abbruch der Wahrheit dienet), in dergleichen Mitteldingen und Ceremonien möge willfahren oder sich mit ihnen vergleichen.“ In Konflikt-und Verfolgungssituationen, dem „status confessionis“ gibt es nun auch in den „Adiaphora“ keinen Kompromiß. Diese Entscheidung soll jedem Mißverständnis wehren, als könne man dem Konfliktgegner aus purem Sicherheitsstreben gefällig sein.

Wenn man unter der Vorgabe von FC X die Empfehlungen der Bischöfe betrachtet, dann wird deutlich, was darin gesagt ist und was dieser Vorgang bedeutet:

Die Frage über den „Umgang mit eingetragenen und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften von Pfarrern und Pfarrerinnen“ – und das betrifft deren Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft und ihren pfarramtlichen Dienst – wird zu den „Adiaphora“ gezählt. Sie steht auf derselben Stufe wie Fragen der „Zeremonien“, der Gottesdienstordnung, der praktischen Kirchenordnung, bei denen es in den verschiedenen lutherischen Territorialkirchen Unterschiede geben durfte; sie berühren nicht den „Status confessionis.

Sodann wird implizite ausgesprochen, daß ein „status confessionis“ derzeitig nicht besteht, für den dann ja die Regel gelten müsste, daß in statu confessionis kein Kompromiß mit dem Konfliktgegner– auch in den „Adiaphora“ zulässig ist.

Von hier aus müssen an die Bischöfe der VELKD zwei Fragen gerichtet werden:

1. Handelt es sich bei der Frage des „Umgangs mit eingetragenen und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften von Pfarrern und Pfarrerinnen“ wirklich um ein „Adiaphoron“? Die Bischofskonferenz ist offensichtlich dieser Meinung, wenn sie hier von „Ordnungsfragen“ spricht und dann – unter gewissen Einschränkungen und Bedingungen – den Gliedkirchen einen großen Spielraum einräumt.

2.Befinden wir uns heute im „status confessionis“? Wenn dies der Fall ist, sind Kompromisse auch in „Ordnungsfragen“ zu verwerfen.

Ad 1) Die Einordnung der 1. Frage unter die „Adiaphora“ durch eine lutherische Bischofskonferenz ist ein erstaunlicher Vorgang. Ist doch offensichtlich, daß mit Ausnahme von protestantischen Kirchen des westlichen Kulturkreises keine Kirche der Weltchristenheit diese Auffassung teilt. Daß es vielmehr heute gerade über dieser Frage zu heftigen Auseinandersetzungen kommt. Die Anglikanische Kirchengemeinschaft droht daran heute zu zerbrechen. Das gilt aber auch für die innerkirchliche Situation bei uns. Haben doch die bisherigen Beschlüsse verschiedener Landeskirchen in Sachen der Segnung von homosexuellen Partnerschaften zu heftigen innerkirchlichen Kontroversen geführt, zu Kirchenaustritten und zu einer tiefen inneren Spaltung. Man muß sich schon fragen: Sind die anderen Kirchen der Christenheit, dazu die zahlreichen sich distanzierenden Christen in der eigenen Kirche, eigentlich alle mit geistlicher Blindheit geschlagen, daß sie harmlose „Adiaphora“ unberechtigterweise zum status confessionis erheben? Ferner ist zu fragen, ob es angesichts dieser Sachlage überhaupt zu verantworten ist, die strittige Frage dadurch zu lösen, daß man sie zu den „Adiaphora“ rechnet.

Diese Einordnung zu den „Adiaphora“ ist aber auch deshalb nicht zu akzeptieren, da hinter den „Ordnungsfragen“ entscheidende theologische Fragen stehen:

Die Frage nach der Geltung der Heiligen Schrift. Es geht dabei nicht um fundamentalistische Engstirnigkeit, denn die Aussagen der Bibel müssen vor dem Hintergrund des biblischen Menschenbildes von 1. Mose 1,27f gesehen werden. Als Gemeinschaft der polar Verschiedenen sind Mann und Frau die Ikone Gottes, als solche gesegnet und beauftragt für den Fortgang des Lebens. Hier handelt es sich um eine Stiftung des Schöpfers, die niemals als ein „Leitbild“ verstanden und mißbraucht werden kann, um daraus andere – auch homosexuelle – Partnerschaften abzuleiten und dadurch aufzuwerten oder zu rechtfertigen.

Dieses Menschenbild ist für das Verständnis des Menschen und dessen Lebensführung ebenso wie für die menschliche Gemeinschaft und deren Ordnung konstitutiv; jedenfalls verbietet es sich, dies zu den „Adiaphora“ zu zählen. Es prägt bis heute unsere Kultur und Gesellschaftsordnung.

Ad 2) Die Kirche Jesu Christi befindet sich immer im status confessionis. Verschieden sind nur die Fronten, an denen der Konflikt jeweils aufbricht. War dies im vergangenen Jahrhundert vor allem der totale Staat mit seinen antichristlichen Ideologien, so ist es in der Gegenwart in der westlichen Kultur der radikale Individualismus, Säkularismus und Pluralismus, der wie ein HIV-Virus das überlebenswichtige Immunsystem der Kirche, nämlich deren Bekenntnis, zerstört, darüber hinaus aber auch die Zukunft der westlichen Kultur mit der heraufziehenden, absehbaren demographischen Katastrophe in die größte Krise seit ihrem Bestehen führt. Die internationale Schwulen-und Lesbenbewegung, die keineswegs nur eine Rehabilitation von diskriminierten Homosexuellen anstrebt, sondern auf einen Paradigmenwechsel, die Auflösung aller sexuellen Ordnungen zu Gunsten einer unbegrenzten sexuellen Befreiung zielt, ist eine Frucht dieser Entwicklung und heute deren aktive Spitze. Es ist verhängnisvoll, wenn eine lutherische Bischofskonferenz diesen unausgesprochenen Kulturkampf, in den sie hineingezogen worden ist, nicht wahrnehmen kann oder will.

Genau an der Stelle, wo die Bischöfe den Kompromiß suchen, ist unsere Kirche heute als „ecclesia militans“ herausgefordert. Heute ist der status confessionis gegeben, in dem auch in Ordnungsfragen, in den „Adiaphora“, keineswegs dem Gegner nachgegeben werden darf.

Es begegnet uns in der Geschichte der Kirche häufig dasselbe Verhaltensmuster, das zum Verlust der Glaubwürdigkeit und zum Niedergang führt: Die kollektiven ekklesialen Selbsterhaltungsinstinkte verleiten dazu, den Kompromiß da zu suchen, wo ein klares Zeugnis geboten ist. Und dies in der Meinung, dadurch die Kirche und ihre Einheit in einer bedrohlichen Situation bewahren und sichern zu können.

Die Bischöfe wären gut beraten, wenn sie wenigstens Barmen III beachten würden: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen:“

Barmen III ist für die heutige Situation deshalb wichtig, weil sie die problematische prinzipielle Unterscheidung von kirchlicher Lehre und kirchlicher Ordnung überwindet.

Das von den lutherischen Bischöfen empfohlene und zugelassene Chaos der kirchlichen Ordnung und des pfarramtlichen Dienstes schadet dem uns aufgetragenen Zeugnis. Die „Empfehlungen“ sind nicht „empfehlenswert“. Es muß ihnen deshalb entschieden widersprochen und widerstanden werden.

Barenhalder Straße 25
74589 Satteldorf