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Jenseits des Regenbogens

In einem Land nach unserer Zeit, dort, wo der Regenbogen niemals verblasst, lebt der Mensch jenseits zwangsheteronormativer Unterdrückung glücklich und zufrieden in seinem Wunschgeschlecht. Er paart und liebt sich egal mit wem und wie vielen, und wenn ihm unwohl wird, ändert er eigenmächtig seinen geschlechtlichen und damit auch emotionalen Zustand, um sich in Endlosschleife neuem Glück zuzuwenden.

So weit die Rhetorik weltweiter Trans-Lobby-Gruppen, die darum kämpfen, den Wechsel zwischen den Geschlechtern juristisch unkompliziert und vor allem psychotherapeutisch unbegleitet, dafür aber rhetorisch «selbstbestimmt» zu vollziehen, und das bereits in der Kindheit.

Die Zahl angeblicher Transkinder explodiert weltweit. Auch Kliniken in München oder Hamburg, wo noch vor Jahren ein Dutzend Kinder vorstellig wurden, verzeichnen inzwischen die Verfünffachung der Zahlen. Ausgerechnet in Deutschland hat man im vergangenen Jahr die adäquate medizinische Behandlung dieser Kinder kriminalisiert. Jeder Arzt, der «nichtaffirmativ» behandelt, der also den Wunsch nach Geschlechterwechsel gerade bei Kindern auf Ernsthaftigkeit hinterfragt, steht jetzt mit einem Bein auf der Anklagebank.

Kritik von Experten

Das Kind ist sozusagen mit dem Bade ausgeschüttet worden, als im Mai 2020 das sogenannte Homoheiler-Verbot als Prestigeprojekt einer demonstrativ LGBT-toleranten Hochkultur im Bundestag verabschiedet wurde und auf den letzten Metern das Gesetz auf Druck von Lobbygruppen zu einem Transheiler-Verbot erweitert wurde. Homosexuell, intersexuell, transsexuell, Geschlechtsidentität, sexuelle Identität oder sexuelle Orientierung – das hat ja irgendwie alles mit Sex zu tun, oder nicht? Im Bundestag hat man damit alle Begriffe zu einem Gesetz gepanscht. Eine allerdings logische Konsequenz, wenn Genderpolitik bedeuten soll, alle bunten «Geschlechter» zusammenzumischen.

Experten hatten in ihren Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass der Gesetzesentwurf fachliche Mängel hat, Differenzierungen vernachlässigt und dazu Konflikte mit anderen Gesetzen provoziert, sie blieben ungehört. Jeder soll sein, wie er möchte, und niemand soll ihn davon abhalten. Mit dieser Pippi-Langstrumpf-Ideologie ist nun im Ergebnis nicht jener Arzt strafbar, der ein Kind in eine frühe Behandlung mit Pubertätsblockern führt und damit massive körperliche Schäden am Kind und auch eine dauerhafte Unfruchtbarkeit riskiert. Strafbar macht sich ein Mediziner, wenn er versucht, das Kind nochmals davon abzuhalten, indem er auch nur ergebnisoffen arbeitet.

Aus psychiatrischer Sicht ein «Desaster»

Das Gesetz sei ein «Desaster», sagt der Kinder- und Jugendpsychiater Alexander Korte an der Uniklinik in München, der seit 2004 Kinder mit Geschlechtsinkongruenz behandelt. Die Deutsche Gesellschaft für Sexualmedizin, Sexualtherapie und Sexualwissenschaft (DGSMTW) nahm mahnend Stellung, nachdem selbst der deutsche Ethikrat es im Frühjahr 2020 in seiner Ad-hoc-Stellungnahme zu Transidentität bei Kindern nicht geschafft hatte, auch nur die medizinische Faktenlage fehlerfrei zusammenzufassen. Die DGSMTW macht vor allem auch auf den statistisch nachweislichen Automatismus aufmerksam, dass eine einmal eingeleitete Behandlung mit Pubertätsblockern bei Kindern nahezu immer am Ende zu operativen Massnahmen führe.

Damit wird den Kindern eine Überwindung der Geschlechtsdysphorie, die statistisch durchaus wahrscheinlich ist, verunmöglicht – verbunden mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Diese sind gewaltig. Pubertät ist ja keine Krankheit, auch wenn es sich für Millionen Kinder und ihre Eltern so anfühlt, sondern der Normalfall einer gesunden Entwicklung. Pubertätsblocker sind demnach keine Heilung, sondern eher eine Körperverletzung, Schäden an Knochenwachstum, Gehirnentwicklung, psychische Störungen und Unfruchtbarkeit inklusive.

Die DGSMTW weist darauf hin, dass dadurch schon frühzeitig ein Weg in die Infertilität gebahnt wird, obwohl dies bei Kindern durch andere Gesetze strengstens verboten ist: Sowohl Paragraf 2 des Kastrationsgesetzes als auch Paragraf 1631c des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verbieten, dass Eltern oder das Kind in eine Sterilisation einwilligen können.

Lebenslang Patient

Transmenschen machen sich selbst lebenslang zum Patienten, der Schritt muss gut überlegt sein. Was geschieht aber, wenn man andere Ursachen nicht hinterfragen darf, weil man sonst als «transphob» oder gleich als Verweigerer von Menschenrechten gebrandmarkt wird? Die Statistiken gäben jedenfalls Grund genug für anderweitige Ursachenforschung, denn das Durchschnittskind mit Geschlechtswechselwunsch ist erstaunlich häufig weiblich, jung, mit bereits vor Geschlechtsdysphorie diagnostizierten psychischen Störungen und autistisch. In England verzeichnet man bei pubertierenden Mädchen einen Anstieg der Zahlen um volle 5000 Prozent.

Man behandle siebzig bis achtzig Prozent Mädchen, sagt Saskia Fahrenkrug, Leiterin der Spezialambulanz am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Im Erwachsenenalter ist das Verhältnis von Männern und Frauen mit Wechselwunsch hingegen umgekehrt. Warum? Australien meldete erst kürzlich die Zahlen aus den grossen Kliniken in Melbourne und Perth, wonach autistische Kinder unter den durchschnittlich vierzehnjährigen Patienten mit 43 beziehungsweise 50 Prozent überrepräsentiert sind, auch hier handelt es sich bei über 80 Prozent der Fälle um Mädchen.

Zeitgeistphänomen?

Die Frage ist, warum vor allem Autisten und Mädchen ihren Körper neuerdings ablehnen, ob hier wirklich Transgeschlechtlichkeit vorliegt oder eher das zutrifft, was in manchen Studien als jugendliche Cluster-Bildung und Zeitgeistphänomen beschrieben wird.

Gerade hat zumindest England eine Kehrtwende in der frühzeitigen Behandlung angeblicher «Transkids» mit Pubertätsblockern vollzogen. Der nationale Gesundheitsservice gesteht gar schriftlich ein, dass die Hormonbehandlung an Kindern mit sogenannter «Geschlechtsdysphorie» Langzeitschäden verursachen kann und weite Teile der Folgen gar nicht erforscht sind, was man noch vor einem Jahr kategorisch abstritt.

Es brauchte im Sommer 2020 die gerichtliche Klage einer 23-jährigen Ex-Patientin – sie ist heute unfruchtbar und verstümmelt – gegen die grösste Klinik in London: Der High Court in London entschied, dass ein Kind unter sechzehn Jahren nicht die geistige Reife habe, in diese massiven gesundheitlichen Langzeitschäden einzuwilligen. Gemeinsam mit ihr klagte übrigens die Mutter eines autistischen Mädchens.

Grüne fordern «Selbstbestimmungsgesetz»

Das britische Urteil könnte weltweit Signalwirkung haben. Und sei es nur, dass andere Kliniken Klagen in Millionenhöhe fürchten – vor allem in den USA, wo teilweise bereits Kinder unter zehn Jahren behandelt werden. Wie viel Schmerzensgeld sollte es geben für die Verursachung von Unfruchtbarkeit? Wie viel für voreilig amputierte Brüste?

Und wird es irgendeinen Ideologen bei den deutschen Grünen interessieren? Trotz fachmedizinischen Warnungen haben die Grünen im Juni 2020 einen Gesetzesantrag für ein verändertes Transsexuellengesetz vorgestellt, ein «Selbstbestimmungsgesetz». Zentrale Forderungen sind – neben jener begrüssenswerten nach einem Verbot genitalverändernder Operationen im Kindesalter – die Abschaffung der Pflicht zu medizinischen Gutachten (und zwar bereits für Kinder ab vierzehn Jahren) und die Geschlechtsänderung für alle durch eine einfache, jährlich neu bestimmbare Erklärung auf dem Standesamt.

Vierzehnjährige dürfen also nicht wählen, nicht rauchen, keinen Alkohol trinken, müssen abends nach 22 Uhr nach Hause, sie dürfen sich ohne Mutti nicht einmal ein Tattoo stechen lassen. Aber nach dem Wunsch der Transverbände und der Grünen sollen sie ihren Körper, ihr Geschlecht und ihren Namen ohne Eltern ändern können. Angesichts rasant steigender Fallzahlen bei Kindern und der Kriminalisierung einer adäquaten therapeutischen Begleitung möchte man von gesetzlich verordneter unterlassener Hilfeleistung sprechen.

Birgit Kelle ist Publizistin. Zuletzt von ihr erschienen: «Noch normal? Das lässt sich gendern! Gender-Politik ist das Problem, nicht die Lösung». FB-Verlag, München 2020. 250 Seiten.

Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 28.1.2021 [1]