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Fehlleistungen der Staatsdiener im Latzel-Prozess

Das Urteil gegen Olaf Latzel durch das Amtsgericht Bremen ist der klassische Fall für Entscheidungen, die zahlreiche Verstöße gegen die Justiz betreffende Gesetze aufzeigen.

1.  Das beginnt mit der Voraussetzung der „Verfassungstreue“ (§ 9 Deutsches Richtergesetz). Die vom Verurteilten kritisierte Genderideologie erfüllt die Voraussetzungen des Extremismus mit der Folge, dass Gegner des Radikalismus besonders vom Staat zu schützen sind (vergl. Christian Hausen „Ein auf Unredlichkeit fußendes Gedankengebäude“ in „Schlagseite-Mann Frau kontrovers“, Herausgeber Eckart Kuhla, S. 183 ff.).

Hervorstechend sind die vier Merkmale des Extremismus (S. 204): a) „Radikale organisierte Weltanschauung mit universalem Herrschaftsanspruch“, b) Anstreben von Fernzielen, welche in einer künftigen „idealen“ Gesellschaftsordnung verwirklicht werden sollen; c) unterstützt wird dies durch eine gewaltbereite Strategie; schließlich d) wird gefordert eine flexible Taktik der Beeinflussung von Menschen und Strukturen, wobei zunächst vordergründige Detailziele propagiert werden. Das auch den Begriff „Genderdreck“ beinhaltende Strafverfahren indiziert die gewaltbereite Strategie – der Staat macht insoweit allerdings von der ihm grundsätzlich zugewiesenen Gewaltausübung Gebrauch. Höchst bedenklich ist dies in Bezug auf die überzogenen Anschuldigungen zu Gender-Mainstreaming. Die Medien reagierten differenziert, befürworteten keinesfalls die Entscheidung über die Kritik an der homosexuellen Praxis. So sprach die seriöse Wochenzeitung „Die Zeit“ von Latzel als Star unter den deutschen Pastoren. Die grün orientierte „taz“ erkannte in dem Urteil einen Verstoß gegen die Religionsfreiheit nach Artikel 4 Grundgesetz.

2.  Hinzu kommt das Fehlen der erforderlichen „sozialen Kompetenz“ (§ 9 Deutsches Richtergesetz „neue Voraussetzungen“ Ziff. 4). Im Kontext mit Ziff. 1 geht es um eine scheinbare Äußerlichkeit: Staatsanwalt und Richter sind weiblich. Dies gehört heute zweifellos zur Normalität, aber unter Berücksichtigung der besonderen Umstände, gerade bei der Anschuldigung „Genderdreck“ handelt es sich um eine Instinktlosigkeit, ja um einen Organisationsfehler. Allgemein ist bekannt, dass der gesetzliche Richter regelmäßig Monate früher bestimmt wird, so dass es zweifellos adäquat sein kann, Richterin Ellen Best mit dem Amt zu betrauen. Problematisch ist allerdings die Besetzung der Staatsanwälte. Aufgetreten sind ein Mann und eine Frau, plädiert hat letztere, nämlich Marlene Wieland. Jeder Teilnehmer muss denken, dass diese Gender-Idee aus der weiblichen Sphäre entstand, was näher liegt als vom Mann. So wird zumindest der Anschein erweckt, als ob zu der wissenschaftlich unhaltbaren Genderideologie die fehlende Kompetenz in der Sache durch eine Person, die den gewünschten Feminismus repräsentiert, ersetzt wird. In ihrem Plädoyer behauptete sie, der Angeklagte habe sich der Volksverhetzung schuldig gemacht. Seine Äußerungen zur Sexualität und zum „Gender-Dreck“ würden sich gegen Personen richten, die außerhalb der Heterosexualität lebten, also letztlich gegen Menschen der LSBTTIQ. Der Angeklagte habe zum Hass aufgestachelt und die Menschenwürde angegriffen. Latzels Einlassung, mit Verbrechern habe er Menschen gemeint, die Sachbeschädigungen an der St. Martini Gemeinde vorgenommen haben, sei eine „reine Schutzbehauptung“. In Wirklichkeit ist es umgekehrt: Die Staatsanwältin ließ ihrer Fantasie freien Lauf. Hier fehlt die soziale Kompetenz allein schon deshalb, weil es – wie polizeibekannt – zu Tumulten im Gotteshaus gekommen ist, welchen nur durch die gewaltsam vorgehenden Ordnungskräfte einigermaßen begegnet werden konnte. Warum darf ein Laie derartige Gottesdienststörungen nicht als Verbrechen bezeichnen? Er muss nicht zwischen Vergehen und Verbrechen differenzieren. Die Staatsanwältin hatte dieses Faktum offenbar übersehen und ignoriert.

3.  Dann kommt die übelste Behauptung: Latzels Äußerungen seien weder von der Religions- noch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Staatsanwältin tat so, als ob sie das Grundgesetz, nämlich die Art. 4 und 5, gar nicht kennt. Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass jeder Mensch das Recht hat, Tumulterzeuger im Gottesdienst als Delinquenten zu bezeichnen! Die inkompetent erscheinende Staatsanwältin sah darin Anstacheln zur Ausgrenzung und Hass gegen Homosexuelle. Wenn sie sich zur bewussten Störung provokativ halbnackt in einen Gottesdienst begeben, und dann dem amtierenden Pastor Latzel vorgeworfen wird, diese zur Ausgrenzung aufgefordert zu haben, so fällt dem Beobachter nur ein: eine desorientierte Staatsanwaltschaft! Die Meinungsgegner vom CSD deuten an, was Staatanwälte in den 60er Jahren an Homosexuellen ausgesetzt hatten: Die gleichgeschlechtlich Empfindenden hätten Minderjährige verführt; heute fordert die Homo-Lobby Unterrichtsstunden in Schulen unter Abwesenheit der Lehrer! Insoweit ist die Unterschlagung der Ereignisse im Gottesdienst von Pastor Latzel einer Verhöhnung desselben gleichzusetzen, dazu noch die klischeehafte Einordnung als „Fundamentalist“. Zur sozialen Kompetenz gehört auch ein gewisses Bildungspotenzial der Staatsanwaltschaft. Die Vertreterin wirkte insofern uninformiert. Das wurde besonders deutlich, als sie behauptete, Latzels Ausführungen seien weitreichend vom evangelischen Glauben entfernt. Hierzu fehlt es gar an Ansätzen von Beweisen.

4. Vernünftigerweise wird von Volljuristen, wozu auch Staatsanwälte zählen, ein Universitätsstudium mit anschließendem Referendariat gefordert. Wenn nun ein solcher, um einen Mitbürger anzuklagen, in einer Gerichtsverhandlung Abwegiges von sich gibt, so darf dessen intellektuelle Kompetenz infrage gestellt werden. So darf man umgekehrt gewiss auch fragen, ob ein verheirateter Mann mit drei Kindern gar „Incel“ sei („involuntary celebates“). Natürlich dürfte der Staatsanwältin voll bewusst sein, dass die Bibel reich an kritischen Bemerkungen zur Homosexualität ist. Man denke nur an die diversen alttestamentlichen Verlautbarungen wie: die gleichgeschlechtliche Praxis sei „vor Gott ein Gräuel“ (z.B. 3. Mose 18, 22). Sehr bekannt ist die scharfe Kritik des Apostel Paulus im ersten Kapitel des Römerbriefs, in dem er deutlich darauf verweist, dass gleichgeschlechtliche Praxis unnatürlich sei (Kap. 1, 22 ff). Allein schon diese Unwissenheit nimmt der Bremer Staatsanwaltschaft die erforderliche Autorität. Sie maßt sich an, den Theologen der theologischen Inkompetenz zur bezichtigen und hat selbst insoweit keine Ahnung. Es ist abwegig zu behaupten, der Angeklagte bediene sich einer Rhetorik, die weit über einen biblischen Umgang mit Homosexualität hinausgehe. Natürlich hat sie recht, dass die Kritik von Latzel nicht zwingend notwendig war. Jedoch der biblische Bezug ist in jedem Fall gegeben! Dann setzt die Staatsanwältin hinzu, dass es dem Delinquenten um eine Diffamierung gehe. Der Begriff „Verbrecher“ ist in § 12 StGB geregelt und unterstellt, dass ein Laie die Differenzierung nicht exakt vornehmen muss.

5.  Dann kommt das schlimmste Versagen, nämlich die Unwahrheit. Der Richter-Eid zwingt den Juristen, einerseits ohne Ansehen der Person zu urteilen und anderseits nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen (§ 38 Deutsches Richtergesetz). Es wird unterstellt, dass Latzel Homosexuelle als „minderwertige Angehörige der Gesellschaft“ bezeichne. Das hat er weder gesagt noch gemeint. Exakterweise muss hier auch noch unterschieden werden: Zwischen Homosexualität und Gender ist deutlich zu differenzieren, denn die Genderlehre ist eine Ideologie, die irgendwann im vergangenen Jahrhundert entstanden ist, um weltweit Einfluss zu gewinnen. Homosexualität existiert seit Jahrtausenden und wurde regelmäßig als negativ angesehen. „Genderdreck“ ist ein Kraftausdruck gegen eine Ideologie, welche sich in der Gesellschaft durchzusetzen scheint und auch die Gerichtsbarkeit zunehmend betört. Er ist keine Attacke gegen Menschen. Das offensichtlich Interessante dabei ist, dass es an einer wissenschaftlichen Grundlage für die Genderlehre fehlt (angeprangert z. B. vom weltweit renommierten Professor Kutschera). Die peinlichen Defizite sind augenscheinlich. Man denke nur an das neue Buch von Gerard J. M. van den Aardweg „Die Wissenschaft sagt Nein – der Betrug der Homo-‚Ehe‘“. Der niederländische Psychologieprofessor bezeichnet die Idee angeborener Ursachen der Homosexualität als „widerlegten Mythos“; es sei dem Druck der einflussreichen Homo-Lobby zuzuschreiben, dass die objektiv immer noch gültige Einordnung der Homosexualität als Entwicklungsstörung zu einem Normalzustand gemacht worden ist. Für die Bevölkerung ist erschütternd zuzusehen, wie Menschen sich anmaßen, als Staatsanwalt und Richter aufzutreten, ohne Kompetenz in dem betreffenden Fachgebiet auch nur anzudeuten.

6.  Von den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen hat die zuständige Bremer Kirche nichts gemerkt. Die Verantwortlichen bleiben im vom Zeitgeist geprägten Milieu. Sucht man nach irgendwelchen geistigen Inspirationen aus dem Stadtstaat Bremen, so wird man selten fündig. Die Stadt ist stolz auf ihre Investigationen bei Doktorarbeiten. Ähnlich steht es mit der Theologie. Am ehesten taten sich noch Prediger hervor, zu welchen Christen aus ganz Deutschland strömten. Man denke etwa an Pastor Huntemann, heute an der vermeintlichen Delinquenten Latzel. Es sind eher die von der dortigen Kirche verachteten evangelikalen Stadtprediger. Der Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche Pastor Bernd Kuscherus zeigte sich durch das Urteil „zutiefst betroffen“, dass ein Pastor seiner Kirche wegen Volksverhetzung verurteilt worden sei (epd). Der eigentliche Hetzer stammt aus dieser Sphäre, nämlich Pastor Klingbeil-Jahr; im Sender Radio Bremen bezeichnete er die biblisch orientierten Christen als Faschisten und braunen Mob – was die Bremer Kirchen im Übrigen nicht störte. Die Kirchenverantwortlichen ignorieren den Kern des Christentums. Zur in evangelischen Kirchen zunehmend beliebten Homosegnung hätte Jesus sicherlich so reagiert: „Was Gott nicht segnet, kann die Kirche nicht segnen!“ Ob die Bremer Kirchenleitung daran gedacht hat?

7.  Schließlich ist zu konstatieren, dass die Argumentation, gerade was den Lauf der Strafverhandlung betrifft, viele Rechtsfehler enthält. Für den Vorwurf der „Volksverhetzung“ werden Äußerungen vorausgesetzt, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören. Jedoch hatte kein Gottesdienstbesucher oder Seminarteilnehmer bei Latzel entsprechende Gefühle. Unberücksichtigt bleibt, dass die Gottesdienste in übelster Weise gestört und der Prediger sogar mit dem Tod bedroht worden ist. Insofern hätte die Staatsanwaltschaft ja durchaus einiges an Konstruktivem zu tun! Es sieht so aus: Die fehlende Exaktheit der Vorwürfe gegen Latzel müsse kompensiert werden, etwa durch Zurechtbiegen. Von der Rechtsbeugung ist man insoweit gar nicht weit entfernt! Man will einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass Latzel zwischen Sache und Person differenziert, wie es die Bibel ständig lehrt: den Menschen achten, dessen Taten gegebenenfalls anprangern. Vor allem fehlt die friedenstörende Hetze (§ 130 Abs. 1 StGB). In dem Paragrafen werden auf die Verfolgung von Bevölkerungsteilen abzielende Äußerungen erfasst; die Beschimpfungen müssen zugleich die Menschenwürde der Angegriffenen verletzten. Beide Varianten setzen die Eignung der Äußerung zur Störung des öffentlichen Friedens voraus. Nicht ausreichend ist eine wenngleich in feindseliger Absicht erfolgte Darstellung von negativ zu wertenden Tatsachen, zum Beispiel Kriminalitätsbelastung einzelner Bevölkerungsgruppen, sofern sie nicht durch einseitige Verzerrungen oder wahrheitswidrige Verfälschung auf eine Stimmungsmache abzielt (Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch § 130 Rn. 7 und 8). Um den Pastor bestrafen zu können, hätte die Staatsanwaltschaft schon deutlich machen müssen, dass er andere Personen als verachtenswert, minderwertig oder unwürdig ansehe (vergl. OLG Frankfurt NJW 1995 S. 143). Davon kann bei Latzel nicht die Rede sein.

Aus all dem ergibt sich, dass eine Bestrafung Pastor Latzels nicht in Frage kommt. Der Fall erinnert an die klaren Worte der ehemaligen Verfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach: „Der freischwebende Richterkönig ist eine aussterbende Spezies. Heute gilt es, Kritikverträglichkeit und Dialogfähigkeit zu entwickeln“ (so in ihrem Buch „Im Namen des Volkes“).

Christian Hausen
Rechtsanwalt
Neumünster, 27.11.2020