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Taufe, Buße und Glaube in der Heiligen Schrift und bei Martin Luther

Taufe, Buße und Glaube in der Heiligen Schrift
und bei Martin Luther

Vorbemerkungen

Es ist nicht möglich, in der kurz bemessenen Zeit eines Konferenzvortrages die drei grundlegenden Wirklichkeiten unserer christlichen Existenz – Taufe, Buße und Glaube – biblisch-theologisch und historisch-systematisch voll zu entfalten. Es geht daher nicht an, in einer etwas schematischen Zweiteilung erst darzulegen, was die Heilige Schrift zu unserem Thema sagt und dann auf Luther überzugehen. Ein solches Verfahren ist auch von der Sache her gar nicht notwendig, sondern wir dürften einen viel besseren und klareren Überblick bekommen, wenn wir die Tauflehre Luthers zum Mittel- und Ausgangspunkt unserer Erwägungen machen. Daß dies der Sache angemessen ist, werden wir sehr rasch daran erkennen, daß bei Luther Buße und Glaube mit seiner Tauflehre stets im unlöslichen Zusammenhang stehen. Wo immer sich Luther ausführlicher über das Thema Taufe äußert, werden regelmäßig die Problemkreise „Taufe und Glaube“ sowie „Taufe und Buße“ thematisiert und in deutlich voneinander abgehobenen, geschlossenen Abschnitten behandelt. Das heißt mit andern Worten, Glaube und Buße erhalten bei Luther ihre inhaltliche Bestimmung durch ihr Verhältnis zur Taufe. Andererseits hängen die Heilswirksamkeit und die lebensmäßige Bedeutung der Taufe unauflöslich mit dem Glauben und mit der Buße zusammen.

Wir wollen uns Luthers Tauflehre abschnittsweise vergegenwärtigen und nach jedem Abschnitt in einem zweiten Schritt zur heiligen Schrift zurückfragen. Der Weg, den wir dabei zu beschreiten haben, ist dadurch vorgezeichnet, daß Luther mit seiner Lehre nichts anderes als die Lehre der heiligen Schrift darbieten will und daß er dies auch mit dem entsprechenden Anspruch tut. Die evangelisch-lutherische Kirche hat die Schriftgemäßheit seiner Lehre anerkannt und dies dadurch dokumentiert, daß sie Luthers Tauflehre mit seinen beiden Katechismen in das Bekenntnis der Kirche aufgenommen hat. Daher geht es in der Behandlung unseres Themas nicht nur um die Frage, inwieweit Luthers Tauflehre als eines einzelnen, wenn auch hochbedeutenden Theologen und Lehrers der Kirche schriftgemäß ist. Vielmehr geht es zuletzt um die Schriftgemäßheit der evangelisch-lutherischen Kirchenlehre in dieser Frage.

Die klassische Einteilung von Luthers Tauflehre finden wir in dem uns allen bekannten Kleinen Katechismus. Die vier Themenkreise, die dort anhand der vier Tauffragen behandelt werden, finden sich in allen Darlegungen des Reformators über die Taufe wieder, wenn auch im Laufe der Jahre und Jahrzehnte mit gewissen Akzentverschiebungen.

Wir wollen einfach dem Kleinen Katechismus folgen und werden bald merken, daß wir damit den Umkreis unseres Themas ausschreiten.

„Was ist die Taufe?

Die Taufe ist nicht allein schlecht Wasser, sondern sie ist das Wasser in Gottes Gebot gefasset und mit Gottes Wort verbunden.“ (1)

Die Taufe ist nicht allein „schlecht“, das heißt einfaches, bloßes Wasser. Mit dieser Definition wendet sich Luther wesentlich gegen bestimmte schwärmerische Gruppen. Diese Schwärmer konnten etwa sagen – ich gebe ihre Meinung mit Luthers Worten wieder – : „Was sollte eine Hand voll Wasser, als eine Kreatur, der Seele nützen oder Sünde tilgen? Der Geist muß es tun. Denn denke und rechne du selbst: Die Seele ist wahrlich kein leiblich Ding, die man mit Wasser baden oder waschen könne.“ (2)
Möglicherweise steckt hinter dieser Auffassung derjenige Typ mittelalterlicher Anthropologie, den wir mit Kreatianismus bezeichnen. Nach dieser Auffassung steht durch die elterliche Fortzeugung nur der Leib im Schöpfungszusammenhang. Die Seele dagegen wird bei jedem individuellen Menschen von Gott unmittelbar neu geschaffen.
Der dadurch entstehende Hiatus zwischen Leib und Seele legt die schwärmerische Geringschätzung der Taufe als eines leiblichen Vorganges geradezu nahe. Interessanterweise läßt sich Luther auf eine Auseinandersetzung über die Anthropologie gar nicht ein. Vielmehr wirft er denen, die den Nutzen der Wassertaufe bestreiten, vor, daß sie das wichtigste und wertvollste Stück von der Taufe wegnehmen, „Gottes Wort und Befehl, dadurch solch Wasser geheiligt und ein Sakrament wird“. (3) Nun aber steht hier „Gottes Gebot und Einsetzung, woran man nicht zweifle, die Taufe sei ein göttlich Ding, nicht von Menschen erdacht noch erfunden“. (4) „Denn in Gottes Namen getauft werden, ist nicht von Menschen, sondern von Gott selbst getauft werden; darum, ob es gleich durch des Menschen Hand geschieht, so ist es doch wahrhaftig Gottes eigenes Werk“. (5) Die Taufe ist „von Gott selbst eingesetzt, dazu ernstlich und streng geboten, daß wir uns müssen taufen lassen oder sollen nicht selig werden“. (6) Luther beruft sich für diese immer wieder mit Leidenschaft und Schärfe vorgetragenen Darlegungen auf Matthäus 28,19 f.: „Gehet hin in alle Welt, lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes;“7 und dazu Markus 16: „Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammet werden.“ (8) Mit diesen Einsetzungsworten Christi ist für Luther die Taufe nicht nur göttlich legitimiert und geboten, sondern in ihnen gründet zugleich ihr Charakter und ihre Kraft als Sakrament, so daß sie mehr ist als einfaches Wasser. „Denn das ist der Kern in dem Wasser: Gottes Wort oder Gebot und Gottes Namen, welcher Schatz größer und edler ist denn Himmel und Erde…“ Und dann kann Luther Worte formulieren, die uns heute fast superstitiös erscheinen, die aber von daher zu verstehen sind, daß Gott eben hier mit seinem Wort und mit seinem Namen gegenwärtig ist: „Darum ist es nicht allein ein natürlich Wasser, sondern ein göttlich, himmlisch, heilig und selig Wasser, und wie mans mehr loben kann, alles um des Worts willen, welches ist ein himmlisch, heilig Wort, das niemand genug preisenkann; denn es hat und vermag alles, was Gottes ist.“ (9) Über die Schriftgemäßheit der Taufe an sich, das heißt daß die Taue als solche von Christus eingesetzt und geboten ist, brauchen wir, denke ich, in diesem Kreise nicht zu diskutieren. Die beiden Stellen, auf die sich Luther beruft, sind für uns als bibelgläubige Christen eindeutig und verpflichtend. Aber auch besonnene historisch-kritische Forschung kann die Ursprünglichkeit der christlichen Taufe nicht leugnen. Entgegen den Überspanntheiten der religionsgeschichtlichen Schule, die die Taufe als einen sekundären Rückfall in antiken Ritualismus betrachten wollte, sagt etwa Albrecht Oepke: „In der christlichen Gemeinde ist die Taufe zweifellos von Anfang an üblich gewesen.“ (10) Oepke verweist dabei etwa auf Apg. 2, 38: „Tut Buße und lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes“ und verwandte Stellen. Auch in den ältesten Schriften des Neuen Testamentes, in den Briefen des Apostels Paulus, wird mit großer Selbstverständlichkeit auf die Taufe Bezug genommen. So heißt es zum Beispiel Röm. 6,3: „Wisset ihr nicht, daß alle, die wir in Jesus Christus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft?“
Die Taufe der fernen römischen Christengemeinde, die Paulus zu dieser Zeit noch gar nicht persönlich kennt, wird also vom Apostel selbstverständlich vorausgesetzt. Ganz ähnlich geht Paulus in seinen Ausführungen 1. Kor. 12,13 von der selbstverständlichen Voraussetzung der Taufe aus: „Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leibe getauft, wir seien Juden oder Griechen, Unfreie oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt.“ So kann Oepke zusammenfassend sagen: „Die Gemeinde muß sich bewußt gewesen sein, jetzt taufend im Sinne ihres Herrn zu handeln. Unabhängig von der restlosen Erledigung kritischer Einwendungen gegen Matth. 28,18-20 und vollends Mark. 16,16 läßt sich aus dem Vorhandensein und der Bedeutung des Apostolats schließen, daß man von einem Missionsbefehl – oder mehreren – des Auferstandenen wußte und daß dieser, der neuen Situation entsprechend, zugleich als Taufbefehl verstanden wurde.“ (10a) Nun sind diese Worte vor über 45 Jahren im ersten Band des Theologischen Wörterbuches zum Neuen Testament geschrieben worden. Aber auch heute, in der Nach-Bultmann-Ära können wir wieder ähnliches lesen, z.B. in der posthum herausgegebenen Theologie des Neuen Testaments von Leonhard Goppelt. Da heißt es: „Die Taufe ist gleich dem Abendmahl nicht ein zufällig entstandener bzw. gestifteter Ritus; sie wächst vielmehr gleich ihm aus Jesu personhaftem Eintreten in die Gemeinschaft der zur Umkehr gerufenen Sünder heraus. Diese beiden sich ergebenden theologischen Begründungen der Taufe, die Ermächtigung zu einer Symbolhandlung im Namen Jesu und ihre ‚Stiftung’ durch Jesu eigenes Verhalten, sind von Jesus her gegeben, auch wenn unsicher ist, wie weit sie der Urgemeinde explizit bewußt wurden.
Die Taufe ist demnach nicht ein Rückfall in antiken Ritualismus. Auch Jesus hatte nicht nur allgemein zur Umkehr gerufen, sondern ihren Vollzug durch das Angebot der leibhaften Nachfolge herbeigeführt. In der Situation nach Ostern trat die universale Symbolhandlung der Taufe sachlich an die Stelle der auf wenige beschränkten Berufung in die Nachfolge.“ (11)

I. „Was gibt oder nützet die Taufe?

Sie wirkt Vergebung der Sünden, erlöset vom Tode und Teufel und gibt die ewige Seligkeit allen, die es glauben, wie die Worte und Verheißungen Gottes lauten.
Welches sind solche Worte und Verheißungen Gottes? Da unser Herr Christus spricht Marci am letzten: Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammet werden.“(12)
Die Taufe ist also dazu da, daß sie selig macht. Das Wort selig hat für uns heute eine rein gefühlsmäßige, verschwommene Bedeutung. Luther versteht es natürlich streng im Sinne des neutestamentlichen Urtextes, wo es besagt, daß wir gerettet werden. Und er interpretiert dies, indem er sagt, daß wir „von Sünden, Tod, Teufel erlöset in Christus’ Reich kommen und mit ihm ewig leben“.13 Damit gibt die Taufe das ganze Heil, „den ganzen Christus und heiligen Geist mit seinen Gaben“. (14)
Es mag auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen, daß Luther diese umfassende Heilswirkung der Taufe nicht breiter aus der Schrift begründet als eben auch wieder mit den bereits genannten zwei grundlegenden Worten, dem Einsetungsbefehl Jesu Christi Matth. 28 und Mark. 16. Man möchte zunächst einen breiteren Bezug auf das Heilswerk Jesu Christi, auf sein Leiden, Sterben und Auferstehen vermissen. Aber Luther findet in den beiden angeführten Kernstellen zwei Schlüsselbegriffe, mit denen er die Heilsbedeutung der Taufe belegt. Das eine ist der Name des dreieinigen Gottes, in welchem die Taufe vollzogen werden soll. So heißt es im Großen Katechismus: „Bloßes Wasser könnte solches nicht tun, aber das Wort tut’s, und daß Gottes Name darinnen ist. Wo aber Gottes Name ist, da muß auch Leben und Seligkeit sein, daß es wohl ein göttlich, selig, fruchtbarlich und gnadenreich Wasser heißet.“ (15)
In einer Predigt über die Taufe aus dem Jahr 1535 führt Luther diesen Gedanken breiter aus: „Denn, daß die göttliche Majestät da gegenwärtig ist und daran ihr höchstes Werk tut, nämlich daß er sich selbst uns gibt und ganz neugeboren und selig macht, geschieht alles daher, daß er seinen Namen dahin setzt, von welchem er geboten hat, daß man ihn nicht soll vergeblich brauchen, sondern hehr und heilig halten über alle Dinge; als dadurch wir Gott selbst und alles haben, was zu unserer Seligkeit und ewigem Leben gehört, und der alle Dinge ausrichtet im Himmel und auf Erden.“ (16) In welcher Tiefe Luther hier als Schrifttheologie redet, das wird jedem deutlich, der sich an die Bedeutung des Namens Gottes im Alten Testament erinnert. Im 5. Buch Mose lesen wir wiederholt, wie Gott sich einen Ort erwählt, um seinen Namen dort wohnen zu lassen (12, 11; 14, 23; 16, 11 u.ö.) oder ihn dorthin zu legen (12, 5; 14, 24). Auch die Geschichtsbücher machen deutlich, wie sich der Name Gottes in fast dinglicher Gegenwart in dem Hause befindet, das man ihm baut (2. Sam. 7, 13; 1. Kön. 3, 2; 5, 17; 8, 17 u.ö.). Gott legt seinen Namen in das Haus, das er ihm heiligt (1. Kön. 9, 3. 7; 2. Kön. 21, 7). „Die Anwesenheit des Namens im Tempel bezeichnet in terminologisch besonderer Form Jahves heilsgeschichtliche Nähe; der Name verbürgt Jahves Gegenwart im Tempel in deutlicher Unterscheidung von Jahves Thronen im Himmel“ (16a), aber doch im vollen Bewußtsein seiner persönlichen, allmächtigen und heilbringenden Gegenwart. Dieses alttestamentliche Zeugnis hat Luther in seinem ganzen Gewicht auf die Taufe angewandt.
Das zweite Schlüsselwort, mit dem Luther die Heilsbedeutung der Taufe belegt, ist das Wort „selig“ aus Mark. 16. Luther führt es aus, indem er sagt: „Denn man taufet niemand darum, daß er ein Fürst werde, sondern, wie die Worte lauten, daß er ‚selig werde’. Selig werden aber weiß man wohl, daß es nichts anderes heißt, als von Sünden, Tod, Teufel erlöst in Christus’ Reich kommen und mit ihm ewig leben.“ (17)
Wir finden aber bei Luther durchaus auch Stellen, in denen er die Heilsbedeutung und Heilswirksamkeit der Taufe christologisch breiter begründet. Als Beispiel können wir die bereits erwähnte Taufpredigt aus dem Jahr 1535 nehmen. (18) Der Text dieser Predigt ist Matth. 3, 13 – 17, die Taufe Jesu durch Johannes. Luther scheut sich nicht, auf Grund dieses Textes über die christliche Taufe zu predigen und sie in eine enge Beziehung zur Taufe Jesu durch Johannes den Täufer zu setzen. Zwar ist die Johannestaufe als solche nur dazu da, daß sie auf den zukünftigen Christus hinweisen soll. Sie ist also noch nicht die volle, heilskräftige christliche Taufe, aber indem Christus sich dieser Taufe unterzieht, „zeigt er selbst, daß es ein seliges gnadenreich Ding sei um die Taufe, weil er nicht allein sein Wort und Amt darüber gibt, sondern auch sich selbst darein senket und steckt und dies Wasser mit seinem eigenen heiligen Leib berührt, ja, heiligt und voll Segens macht.“ (19) Die weitere Auslegung Luthers in dieser Predigt dreht sich dann um die Gottesstimme, die bei der Taufe Jesu ertönt: „Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.“ In der Auslegung dieser Worte entwickelt Luther in gedrängter Form die ganze Christologie und Soteriologie und faßt dann zusammen: „Siehe, also hat ihn Gott durch diese Stimme gesetzt in die höchste Ehre, daß er beide, sein rechter König und Priester sei; ein Erbe und Herr, der über alle Dinge in ihm mächtiglich regiert und herrscht und dazu uns den Vater gnädig macht. Und zeigt hiermit sein väterlich Herz gegen alle, die an Christus glauben, daß sie gewiß sollen sein, daß Gott nicht ihr Feind, sondern ihr gnädiger, freundlicher Vater will sein, der nicht mehr wolle noch könne, sofern wir in Christus bleiben, mit uns zürnen noch uns von sich stoßen.“ (20) Das ist nach Luther der Sinn der Gottesstimme bei der Taufe Jesu. Luther spitzt das ganze schließlich auf die Aussage zu: „Weil solches alles über der Taufe Christi geschieht, ist uns damit klar gezeigt, daß es uns in und durch die Taufe gegeben werde.“ (21) Schließlich sei aus derselben Predigt Luthers noch eine letzte Stelle zitiert, die vollends deutlich macht, wie Luther die Taufe zuletzt trinitarisch begründet, freilich in strenger christologisch-soteriologischer Konzentration. Sie lautet: Man soll die Taufe ansehen „als eitel Blut des Sohnes Gottes und eitel Feuer des heiligen Geistes, darinnen der Sohn durch sein Blut heiligt, der heilige Geist durch sein Feuer badet, der Vater durch sein Licht und Glanz lebendig macht: also daß sie alle drei persönlich gegenwärtig und zugleich einerlei göttlich Werk ausrichten und alle ihre Kraft in die Taufe ausschütten.“ (22)
Gerade mit der soteriologischen Zentrierung der Taufe befindet sich Luther fest auf dem Boden des Neuen Testaments. Man kann das mit Stellen nachweisen, die er selbst im Zusammenhang mit der Taufe nicht gebraucht hat, die aber in der neutestamentlichen Forschung als Taufstellen erkannt worden sind. Bestimmte Wendungen zeigen, daß das neue Leben, welches die Taufe vermittelt, in einem festen Zusammenhang zur Reinigung von Sündenschuld steht. Ich denke etwa an 1. Petr. 3, 20 ff., wo die Sintflut als Typus der Taufe erscheint und es dann heißt: „In der Taufe wird nicht die Unreinigkeit am Fleisch abgetan, sondern wir bitten Gott, daß er uns ein gutes Gewissen schenke, durch die Auferstehung Jesu Christi.“ Oder wir können auf Hebr. 10, 22 verweisen: „Lasset uns hinzugehen mit wahrhaftigem Herzen in völligem Glauben, besprengt in unsern Herzen und los von dem bösen Gewissen und gewaschen am Leibe mit reinem Wasser.“ Im Blick auf derartige Schriftstellen kann Albrecht Oepke sagen: „Weil Gott die einzige Quelle wirklichen Lebens ist, seine Heiligkeit aber die Sünde …. ausschließt, ist die für das paulinische wie überhaupt für das neutestamentliche Verständnis der Taufe grundlegende Vorstellung die des reinigenden Bades.“ (23) An nicht wenigen Stellen des Neuen Testamentes, die vom geistlichen Zustand und von der Errettung der Christen sprechen, findet sich eine geprägte Taufterminologie, z.B. 1. Kor. 6, 11: „Ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unsers Gottes.“ Hier begegnen uns alle diejenigen Elemente, mit denen Luther in seinen Auslegungen das Wesen der Taufe deutlich macht: das Wasserbad, der Name des Herrn Jesus Christus und der Geist unseres Gottes, welches denn Heiligung und Rechtfertigung mit einschließt. Oder denken wir an Eph. 5, 26: „Christus hat geliebt die Gemeinde und hat sich selbst für sie gegeben, auf daß er sie heiligte und hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort, auf daß …. sie heilig sei und unsträflich.“
Hier wird ganz deutlich, wie die Taufe ihre Kraft aus dem versöhnenden Handeln Gottes in Christus, d.h. aus dem Sühnetod Christi zieht.
Um die ganze Breite des biblischen Fundamentes für Luthers Tauflehre deutlich zu machen, sei abschließend noch auf 1. Joh. 5, 6 ff. hingewiesen: „Dieser (Jesus, Gottes Sohn) ist’s, der da gekommen ist mit Wasser und Blut, Jesus Christus; nicht mit Wasser allein, sondern mit Wasser und Blut; und der Geist ist’s, der da Zeugnis gibt, denn der Geist ist die Wahrheit. Denn drei sind, die da Zeugnis geben: der Geist und das Wasser und das Blut; und die drei sind eins.“ Selbst Rudolf Bultmann, der den Kontext von einem ganz anderen Ansatz her auslegt, kann nicht an der Erkenntnis vorbei, daß die Verse 6 f. von der Taufe reden. Weil diese beiden Verse sich in seine Auslegung nicht einfügen, möchte er sie als spätere redaktionelle Glosse ausscheiden. Jedoch könne ihr Sinn nicht zweifelhaft sein: „Es sind jetzt die Sakramente der Taufe und des Herrenmahls, die, indem sie das durch Jesus Christus geschenkte Heil vermitteln, für ihn als den Sohn Gottes zeugen.“ (24)

II. „Wie kann Wasser solche großen Dinge tun?

Wasser tut’s freilich nicht, sondern das Wort Gottes, so mit und bei dem Wasser ist, und der Glaube, so solchem Worte Gottes im Wasser trauet; denn ohne Gottes Wort ist das Wasser schlecht Wasser und keine Taufe, aber mit dem Worte Gottes ist’s eine Taufe, das ist ein gnadenreich Wasser des Lebens und ein Bad der neuen Geburt im heiligen Geist; wie St. Paulus sagt zu Titus am dritten Kapitel: Gott macht uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes, welchen er ausgegossen hat über uns reichlich durch Jesus Christus, unsern Heiland, auf daß wir durch desselben Gnade gerecht und Erben seien des ewigen Lebens nach der Hoffnung. Das ist gewißlich wahr.“ (25)
Hier ist noch einmal wie in der ersten Tauffrage von der konstituierenden Kraft des Wortes Gottes für die Taufe die Rede. Ich will nicht wiederholen, was ich in diesem Zusammenhang bereits zur ersten Tauffrage gesagt habe. Hier kommt es ganz wesentlich auf zwei Themenkreise an. Es sind dies der Charakter der Taufe als das Bad der Wiedergeburt und das Verhältnis von Taufe und Glaube.

Die Taufe als Bad der Wiedergeburt

Es kann keinen Zweifel daran geben, daß Luther und mit ihm das Bekenntnis der evangelisch-lutherischen Kirche die Taufe nicht anders auffassen als das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes. Für Luther ist die Taufe „billig ‚ein Bad der neuen Geburt’ und das rechte Verjüngerungsbad, daß, wer darin badet, wird wieder jung und neu geboren; nicht wie zuvor aus Mutterleibe, welches ist die alte Geburt, sondern aus der Sünde zur Gerechtigkeit, aus der Schuld und Verdammnis zur Unschuld und Gnade, aus dem Tode ins ewige Leben.“ (26) Er beruft sich dabei immer wieder auf die beiden Kernstellen Joh. 3, 3 ff., die neue Geburt aus Wasser und Geist, und Titus 3, 5 f., das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes. Diese beiden Schriftstellen nimmt er ganz wörtlich und bewährt auch ihnen gegenüber seinen Gehorsam und sein Vertrauen gegen den Wortlaut der Bibel: „Ei, warum wollen wir denn nicht unserm lieben Gott die Ehre tun und seinen Worten glauben, wenn er sagt, daß wir durch die Taufe neu geboren werden, und durch das Grab ins ewige Leben eingehen und selig werden sollen, da wir doch noch Sünder sind, wenn wir’s schon mit unserer Vernunft nicht fassen noch verstehen können, und nichts mehr denn das Wasser fühlen und des heiligen Geistes Sausen, das ist sein Wort, hören?“ (27) Ist hier die Thematik von vornherein von der Taufe bestimmt, und legen die beiden erwähnten Schriftstellen von sich aus eine Zusammenordnung von Taufe und Wiedergeburt nahe, so kann aber Luther auch dort die Taufe erwähnen und mit der Wiedergeburt in Verbindung bringen, wo er von dieser in anderem Zusammenhang und in umfassenden Sinne redet. Eine solche Äußerung finden wir zum Beispiel in der Auslegung des 51. Psalms aus dem Jahr 1532: „Der Mensch muß angesehen werden, nicht wie er an sich ist, sondern wie er in Christus ist. Da wirst du finden, daß die Gläubigen abgewaschen und gereinigt sind durch das Blut Christi… Diese ganze Reinheit muß eine fremde sein, nämlich die Christi und seines Blutes, es muß nicht die unsrige sein, welche wir uns anziehen… Darauf sind die Augen fest zu richten, als was für ein Mensch er aus der Taufe gekommen sei, nicht darauf, wie er von den Eltern geboren sei. Denn die Wiedergeburt ist besser als die erste Geburt, denn sie ist nicht durch einen Menschen, sondern aus Gott und seiner Verheißung, welche unser Glaube ergreift.“ (28) Luther lehrt also die Wiedergeburt durch die Taufe in eindeutiger Klarheit. Die Tatsache, daß Joh. 3, 5 ff. und Titus 3, 5 f. von der Taufe reden, wird, soweit ich sehe, von der neutestamentlichen Wissenschaft heute nicht bestritten. Freilich kommen die Ausdrücke „von Gott geboren werden“, „wiedergeboren werden“, „von neuem geboren werden“, im Neuen Testament nicht nur im Zusammenhang mit der Taufe vor. Fundamental werden das Wort Gottes und der Glaube an Jesus Christus als Ursache der Wiedergeburt genannt, als der lebendige Same, durch welchen wir zum neuen Leben gezeugt werden. So sagt z. B. Joh. 1, 12 f.: Die an den Namen des Sohnes Gottes glauben, sind „nicht von dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren.“ Und 1. Joh. 5, 1 heißt es lapidar: „Wer da glaubt, daß Jesus sei der Christus, der ist von Gott geboren.“
Getreu der Schrift konnte auch Luther ohne Zusammenhang mit der Taufe von der Wiedergeburt reden. Wir finden das z. B. in einer Predigt über 1. Petr. 1 aus dem Jahr 1539. Luther zitiert zunächst: „Gott der Vater hat uns wiedergeboren nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem Wort der Wahrheit, welches eine Kraft Gottes ist, die da neu gebiert, lebendig und selig macht alle, so daran glauben.“ Dem Textzusammenhang gemäß bezieht er dieses Wort der Wahrheit besonders auf die Botschaft von der Auferstehung Jesu Christi, der durch seinen Tod für aller Welt Sünde genug getan hat und durch dessen Auferstehung uns Gerechtigkeit, Leben und Seligkeit gebracht sind. „Wer nun solcher Predigt glaubt, nämlich daß Christus ihm zugut gestorben und auferstanden sei, an dem hat die Auferstehung Christi ihre Kraft beweiset, wird dadurch wiedergeboren, das ist, nach Gottes Bilde von neuem geschaffen, kriegt den heiligen Geist und erkennt Gottes gnädigen Willen ….“ (29)
Daß Luther ganz unbefangen auch ohne Erwähnung der Taufe von der Wiedergeburt reden kann, sollte uns nicht verwundern. Wir brauchen uns nur in Erinnerung zu rufen, welche fundamentale, schlechthin konstitutive Bedeutung das Wort bei Luther für die Taufe hat. Ohne das Wort wäre es nur eine „Badetaufe“, „schlecht Wasser“, das gar nicht bewirkt. Freilich muß man auch das andere sehen, daß sich Zuspruch und Versiegelung des Wortes nach der heiligen Schrift für Luther in der Taufe unerhört verdichten, und daß dieser Zuspruch des rettenden Wortes, das Glauben fordert, hier in einer unverwechselbar einmaligen und persönlichen Weise ergeht. Insofern ist das, was Luther über Wiedergeburt in diesem und jenem Zusammenhang sagt, überhaupt kein Widerspruch. Vor allem wird das, was Luther über die Taufwiedergeburt ausführt, durch die anderen allgemeiner gefaßten Stellen in keiner Weise relativiert und erweist sich auch in diesem Zusammenhang als schriftgemäß. Die fundamentale Bedeutung des Wortes für Taufe und Wiedergeburt erfordert aber die Relation zum Glauben. Damit stehen wir bei dem zweiten wesentlichen Themenkreis, der in der dritten Tauffrage des Kleinen Katechismus angesprochen wird.

Taufe und Glaube

Wenn diese Theologentagung einen Beitrag leisten soll, um in der Frage von Taufe und Wiedergeburt zu einer Verständigung zwischen Lutheranern und Pietisten zu kommen, dann stehen wir meiner Überzeugung nach mit diesem Thema an einem ganz entscheidenden Punkt. Die Sorge der pietistischen Brüder ist ja, daß durch die Objektivierung der Taufe eine falsche Heilssicherheit hervorgerufen werden könnte.
Demgegenüber kann nicht genug betont werden, was Luther zur dritten Tauffrage in strenger Parallelität zum Ausdruck bringt, daß es nämlich neben dem Worte Gottes der Glaube ist, der dem Worte Gottes trauet, welcher solch große Dinge in der Taufe tut. „Der Glaube macht die Person allein würdig, das heilsame göttliche Wasser nützlich zu empfangen.“ Die theologiegeschichtliche Front, gegen die diese Worte und diese Betonung des Glaubens gerichtet sind, ist klar: Es ist das traditionelle opus-operatum- Denken der römisch-katholischen Kirche, wonach die Sakramente aus ihrem bloßen Vollzug heraus wirken und heilskräftig sind. Dazu sagt Luther ganz klipp und klar: „Ohne Glauben ist es nichts nütze, ob es gleich an ihm selbst ein göttlicher, überschwenglicher Schatz ist.“ (30) Freilich kann der Glaube auch nicht von der Taufe isoliert werden, und die Taufe bzw. das in ihr in äußerster Konzentration enthaltene Evangelium ist und bleibt die Grundlage des Glaubens. Man muß sehen, „daß der Glaube etwas haben muß, das er glaube, das ist, daran er sich halte und darauf stehe und fuße. Also hanget nun der Glaube am Wasser und glaubt, daß es die Taufe sei, darin eitel Seligkeit und Leben ist.“ (31) Unbeschadet der absoluten Notwendigkeit des Glaubens hält Luther doch das radikale extra nos des Heils fest. Sobald wir anfangen, Begründung und Gewißheit des Heils in uns selbst, in unserer Gläubigkeit oder in irgendwelchen Gefühlserlebnissen zu suchen, wird nach Luther alles unsicher. Der Glaube braucht etwas Objektives und Gewissen, an das er sich halten kann, sonst kann er nicht bestehen. Das Verhältnis von Taufe und Glaube hat Luther besonders bei der Erörterung der Kindertaufe behandelt. (32) Luther bleibt auch hier dabei, daß die Gnade der Taufe nur durch den Glauben angeeignet werden kann. Er hält deshalb daran fest, daß auch die Kinder glauben, auch wenn man das vernünftig nicht erklären kann. Im Großen Katechismus will er den Nachweis, daß die Kindertaufe Christus gefällt, durch den Hinweis führen, „daß Gott deren viel heilig machet und den heiligen Geist gegeben hat, die also getauft sind.“ Das zeigt die Kirchengeschichte eindeutig. Also müssen doch die Kinder die Taufe zum Segen und das heißt für Luther im Glauben empfangen haben. (33) Aber – und das ist das Entscheidende – die Kinder werden gar nicht auf ihren Glauben hin getauft, sondern auf Gottes Befehl und Einsetzung. Diese allein ist für die Taufe und für die Gewißheit des Taufhandelns konstitutiv. Luther sagt, „daß uns nicht die größte Macht daran liegt, ob, der da getauft wird, glaube oder nicht glaube; denn darum wird die Taufe nicht unrecht, sondern an Gottes Wort und Gebot liegt es alles… Wenn das Wort bei dem Wasser ist, so ist die Taufe recht, obschon der Glaube nicht dazu kommt.“ Und dann folgt das berühmte Wort: „Denn mein Glaube machet nicht die Taufe, sondern empfängt die Taufe.“ (34) Der Kinderglaube wird deshalb von Luther im Großen Katechismus auch weniger affirmativ behauptet oder mit Gründen gestützt, als vielmehr erhofft und erbeten: „Also tun wir nun auch mit der Kindertaufe; das Kind tragen wir herzu der Meinung und Hoffnung, daß es glaube, und bitten, daß ihm Gott den Glauben gebe, aber darauf taufen wir’s nicht, sondern allein darauf, daß Gott befohlen hat. Warum das? Darum daß wir wissen, daß Gott nicht lügt.“ (35) Darum soll auch niemand, der ohne Glauben getauft ist, wiedergetauft werden. „Denn das hieße das Sakrament aufs höchste gelästert und geschändet …. Hast du nicht geglaubt, so glaube jetzt und sprich also: ‚Die Taufe ist wohl recht gewesen, ich habe sie aber leider nicht recht empfangen.’ Denn auch ich selbst und alle, die sich taufen lassen, müssen vor Gott also sprechen: ‚Ich komme her in meinem Glauben und auch der andern, dennoch kann ich nicht darauf bauen, daß ich glaube und daß viele Leute für mich beten, sondern darauf baue ich, daß es dein Wort und Befehl ist’, gleichwie ich zum Sakrament gehe nicht auf meinen Glauben, sondern auf Christus’ Wort.“ (36) Wollte man die Taufe auf den Glauben bauen, so müßte man immer ungewiß bleiben. Außerdem würde der Glaube, auf den man sich verläßt, wieder zu einem Werk werden: „Es ist aber ein Werkteufel bei ihnen, der gibt Glauben vor und meinet doch das Werk und führet mit dem Namen und Schein des Glaubens die armen Leute auf das Trauen der Werke.“ (37) Paul Althaus schreibt dazu in seiner Theologie Martin Luthers: „Luther streitet gegen das Abhängigmachen der Taufe vom Glauben des Täuflings wahrlich nicht, weil ihm in einem sakramentalen Objektivismus an dem Glauben des Täuflings nicht gelegen wäre, sondern gerade, weil er weiß, was Glauben ist. Mit herrlicher Klarheit und Kraft unterscheidet Luther zwischen dem Glauben und der Reflexion auf den Glauben. ‚Wahr ist’s, daß man glauben soll zur Taufe, aber auf den Glauben soll man sich nicht taufen lassen. Es ist gar ein ander Ding, den Glauben haben und sich auf den Glauben verlassen und also sich drauf taufen lassen.’ Auch der Erwachsene, der als Glaubender zur Taufe kommt, kann sich doch nicht auf seinen Glauben hin, sondern nur auf Gottes Gebot taufen lassen… Wenn ich auf sein Gebot getauft bin, so weiß ich, daß ich getauft bin. Wenn ich auf meinen Glauben getauft würde, sollte ich morgen wohl ungetauft funden werden, wenn mir der Glaube entfiele oder ich angefochten würde, als hätte ich gestern nicht recht geglaubt.’ … An der Taufe fehlet nichts, am Glauben fehlet’s immerdar. Denn wir haben an dem Glauben genug zu lernen unser Leben lang. und er kann fallen, daß man sagt: Siehe, da ist Glaube gewesen und ist nicht mehr da. Aber von der Taufe kann man nicht sagen: Siehe, da ist Taufe gewesen und ist nun nicht mehr Taufe. Nein, sie stehet noch, und was nach seinem Gebot getan ist, stehet auch und wird auch bleiben’.“ (38) Schief und verkehrt wird alles, wenn an die Stelle der schlichten Frage: „Glaubst du?“ die Reflexion darauf tritt, ob der Mensch gläubig genug ist, um getauft zu werden. Da wird aus dem schlichten Bekenntnis des Glaubens die Reflexion auf die eigene Gläubigkeit. Das ist aber gerade das Gegenteil des Glaubens. „Es ist also zuletzt die Reinheit des Rechtfertigungsglaubens, um derentwillen Luther sich gegen die Wiedertaufe und damit überhaupt gegen den Ersatz der Kindertaufe durch die allgemein geforderte Erwachsenentaufe wendet. Wie tief er dabei das Wesen des Glaubens verstanden hat, mag zuletzt noch an einer der größten Stellen gezeigt werden. Man darf die Taufe nicht auf den Glauben bauen, denn weder Täufer noch Täufling sind des Glaubens ganz gewiß, sie stehen jedenfalls in Gefahr und Anfechtung der Ungewißheit. ‚Denn es kommt, ja es gehet also zu mit dem Glauben, daß oft der, so meinet, er glaube, nichts überall glaube und wiederum, der da meinet, er glaube nichts, sondern verzweifle, am allermeisten glaube.’ Es ist zweierlei: Tatsächlich glauben und ‚um seinen Glauben wissen’. Glaube ist nicht Selbstbewußtsein. Jesus sagt: ‚Wer da glaubet …’, nicht: ‚Wer da weiß, daß er glaubt’. ‚Glauben muß man, aber wir wollen noch können’s nicht gewiß wissen’. Luther kannte die Anfechtung, in der ich nicht mehr weiß, ob ich glaube, und doch eben darin vielleicht gerade recht glaube. Weil es so um den Glauben steht, kann und darf man die Taufe nicht von des Täufers und Täuflings Gewißheit um den Glauben des Täuflings abhängig machen.“ (39)
Es ist nun nicht mehr möglich, aber meines Erachtens auch nicht nötig, die Schriftgemäßheit von Luthers Glaubensbegriff eingehend nachzuweisen. Daß der Glaube gegen die Werke steht und selbst kein Werk ist, ist die schriftgemäße Grunderkenntnis der Reformation. Das Heil ist ausschließlich in Christus und d. h. extra nos begründet. Der Glaube ergreift es lediglich und setzt sein Vertrauen darauf. Er ist Glaube gegen die Erfahrung und gegen den Augenschein, der sich nur auf das Wort stützen kann. Am Glaubensbegriff des Paulus ließe sich das genau nachweisen, zu dem Leonhard Goppelt jüngst geschrieben hat: „Für Paulus heißt glauben, die zusagende Anrede Gottes aufnehmen.“ (40)
Das kann nun freilich nicht ohne Wirkung bleiben.

III. „Was bedeutet denn solch Wassertaufen?

Es bedeutet, daß der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten; und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinigkeit vor Gott ewiglich lebe.
Wo stehet das geschrieben? St. Paulus zu den Römern am sechsten spricht: Wir sind samt Christo durch die Taufe begraben in den Tod, auf daß, gleichwie Christus ist von den Toten auferwecket durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln.“ (41)
Diese Gedanken hat Luther in einer seiner frühen Taufschriften, im „Sermon von dem heiligen hochwürdigen Sakrament der Taufe“ von 1519 (42) besonders tief und ergreifend behandelt. Auch in dieser frühen Schrift ist für Luther der gewissermaßen forensische Charakter der Taufe grundlegend. In der Taufe ist die Sünde vergeben. In ihr ergeht das Gnadenurteil Gottes an den Einzelnen. Damit hat die Taufe ihr eigentliches Werk getan. Es gehört aber noch mehr dazu. Das Sakrament ist geschehen, sagt Luther; sakramentlich – und das heißt nichts anderes als im Urteil Gottes und Kraft seines Wortes – ist der Mensch ganz rein und unschuldig. Aber das Werk des Sakraments ist noch nicht geschehen, nämlich der Tod und die Auferstehung am jüngsten Tage, oder, um es mit der vierten Tauffrage im Kleinen Katechismus zu sagen, das endgültige Ersäuftwerden und Sterben des alten und das Herauskommen des neuen Menschen. Ganz wichtig ist nun in diesem Taufsermon von 1519, daß sich das Sterben und Auferstehen des Christen nicht nur in einer neuen Ethik, in täglicher Buße und Bekehrung vollzieht, sondern daß es die gesamte Wirklichkeit unseres Christenlebens überhaupt umfaßt. Es geht zuletzt um leibhaftiges Sterben in unserem leiblichen Tode und um leibliche Auferstehung zur Vollkommenheit der vollendeten Gerechten am Jüngsten Tage. Das ist das Werk der Taufe, und dies ist mit dem Akt der Taufe noch nicht geschehen. In die Taufe senken und aus der Taufe heben geschieht wohl behend. Gott macht damit einen festen Bund und spricht sein Urteil, welches als das Urteil des allmächtigen Gottes auch zu seinem Ziel kommen muß. Darum hebt die Bedeutung, gewissermaßen die Vollstreckung der Taufe schon hier in diesem Leben an, dauert aber bis in den leiblichen Tod, ja bis zum Jüngsten Tag. Erst im Tod stirbt der alte Adam endgültig. Und erst am Jüngsten Tage wird der neue Mensch in voller Reinheit auferstehen. Aber, wie gesagt, im Leben des Getauften fängt das alles schon an. Hier gehören die Taufparänesen des Neuen Testamentes hin, die auf ein neues sittliches Leben abzielen, durch welches der alte fleischliche Mensch mit seinen Werken getötet wird und der neue, der mit den Früchten des Geistes geziert ist, hervorkommt und wächst. Hier gehört aber nach Luther auch alles hin, was wir in diesem Leben an Kreuz und Leiden erfahren. Ganz konkret buchstabiert er das in seinem Taufsermon von 1519 durch, indem er auf Martern, Leiden und Tod der Heiligen ebenso hinweist wie etwa auf das Kreuz der Ehe oder des Berufes. So werden Leiden und Tod nützlich und hilfreich, indem sie dem Werk der Taufe dienen und die Sünde töten. Auf der anderen Seite gehört auch das Auferstehen des neuen Menschen dazu, der nach der Heiligung strebt und danach trachtet, dem Bilde Jesu Christi ähnlich zu werden.
Was Luther in diesem tiefgründigen Taufsermon ausführt, faßt er im Großen Katechismus straff zusammen. Der Vollzug der Taufe „zeigt an die Kraft und das Werk der Taufe, welches nichts anderes ist als die Tötung des alten Adam, danach die Auferstehung des neuen Menschen, welche beide unser Leben lang in uns gehen sollen, also daß ein christlich Leben nichts anderes ist als eine tägliche Taufe, einmal angefangen und immer darin gegangen.“ (43)
Dieser ganze Sachverhalt deckt sich nach Luther mit dem „dritten Sakrament“, der Buße, „die eigentlich nichts anderes ist als die Taufe.“ (44) Was Luther über die Buße sagte, ist von Anfang an in der Auseinandersetzung mit dem römischen Bußsakrament und mit seinem Mißbrauch gesagt. Luther streitet zum ersten gegen das inhaltliche Verständnis der Buße, wie es die römische Kirche hatte, und wie es seinen Ausdruck in der Dreiteilung von contritio cordis, confessio oris, satisfactio operis (Zerknirschung des Herzens, Bekenntnis des Mundes, Genugtuung mit dem Werk) fand. Vor allem gegen die genugtuenden Werke, die im Ablaßunwesen ihre krassesten Auswüchse zeigten, hat Luther Stellung bezogen. Dagegen setzt er die wahre Buße, die nur zwei Stücke hat, „die da heißen Reue oder Erschrecken vor Gottes Zorn von wegen unserer Sünde; und dagegen auch glauben, daß uns die Sünden vergeben werden um Christi willen.“ (45) Diese Zweiteilung der Buße entspricht genau der Predigt von Gesetz und Evangelium. Und das geschieht nun nicht nur einmal oder gelegentlich im Vollzug des Bußsakraments, sondern täglich in der gesamten Ausrichtung des christlichen Lebens. Bereits in der ersten seiner 95 Thesen von 1517 bringt Luther dies klar und unmißverständlich zum Ausdruck: „Da unser Meister und Herr Jesus Christus spricht: Tut Buße, will er, daß das ganze Leben seiner Gläubigen auf Erden eine stete oder unaufhörliche Buße sein soll.“ (46) Schon hier wird deutlich, daß wir in diesem Leben als Christen nicht vollendet, sondern immer im Werden, immer unterwegs sind, so wie die vierte Tauffrage vom täglichen Sterben des alten und vom täglichen Herauskommen des neuen Menschen spricht. „Scriptura loquitur de fieri, et non in facto esse,“ die Schrift redet von dem, was werden soll, nicht von dem, was schon geworden ist. „Alle Gläubigen empfinden in ihrem Herzen die guten Bewegungen des heiligen Geistes …. Aber es liegen ihnen so viel Klötze und Hindernisse in dem Wege, Satan, die Welt und unser eigenes feindseliges Herz, welches Satan so untereinander hetzt, daß wir dessen gar leicht vergessen, was Gott von uns fordert. Daher bleibt dieses Werk immer in fieri. Daher muß auch die Buße nicht aufhören. Denn die Heiligen sündigen immer, daher sie auch die Buße immer nötig haben… Daraus folgt der Schluß: daß das Leben eines Christen eine immerwährende Buße sei.“ (47) Luther kann diesen Sachverhalt auch mit dem Hinweis auf die fünfte Vaterunser-Bitte belegen. Da wir täglich beten: „Vergibt uns unsere Schuld“, „tun wir unser ganzes Leben lang Buße und haben Mißfallen an uns; es müßte denn jemand so töricht sein, daß er glaubte, er müsse nur zum Schein um Vergebung der Schulden bitten. Denn es sind wahre und keine verächtliche Schulden, für die zu beten uns befohlen wird; denn wenn sie auch nur läßliche wären, so könnten wir doch nicht selig werden, wenn sie uns nicht vergeben würden.“ (48)
Zum zweiten kämpft Luther gegen die Verselbständigung des Bußsakramentes und die damit verbundene Abwertung der Taufe. Luther zitiert im Großen Katechismus die Auffassung des hl. Hieronymus, die für das römisch-katholische Verständnis seiner Zeit das Verhältnis von Taufe und Buße bestimmte. Danach ist die Taufe wie ein Schiff, in welches wir eingeladen werden, und mit dem wir nun über das Meer der Welt der Sünde und des Todes hinwegfahren können. Fällt der Getaufte aber in eine Todsünde, so zerbricht dieses Schiff nach Hieronymus, und nun bleibt nichts anderes als das Rettungsfloß, die alia tabula, und das ist das Bußsakrament. Im Grunde ist damit die Taufe weitgehend entwertet, und die Buße wird für die Praxis des christlichen Lebens zum beherrschenden Sakrament. Ganz entschieden sagt Luther dazu im Großen Katechismus: „Das Schiff zerbricht nicht, weil es Gottes Ordnung und nicht unser Ding ist. Aber das geschieht wohl, daß wir gleiten und herausfallen; fällt aber jemand heraus, der sehe, daß er wieder hinzuschwimme und sich dran halte, bis er wieder hineinkomme und darin gehe, wie vorhin angefangen.“ (49) „Also ist die Buße nichts anderes als eine Rückkehr und Annäherung zur Taufe, daß man das wiederholt und treibt, was man zuvor angefangen und doch davon gelassen hat.“ (50) „Darum soll ein jeglicher die Taufe halten als sein tägliches Kleid, darin er immerdar gehen soll, daß er sich allezeit in dem Glauben und seinen Früchten finden lasse, daß er den alten Menschen dämpfe und im neuen erwachse.“ (51)
So entfaltet sich an dem absoluten Extra-nos der Heilszusage Gottes ein spannungsreiches Leben und Ringen des Glaubens, und eben dies, das Leben in der Buße, das Leben im ständigen Transitus von Gesetz und Evangelium, das Leben zwischen Sündenerkenntnis und Vergebungsgewißheit, bezeichnet Luther als das rechte Christenleben. Dabei ist nicht nur der Ausgangspunkt gewiß, nämlich die Versiegelung der Zusage Gottes, sondern auch das Ziel: das Sterben des alten und das Auferstehen des neuen Menschen.
Auch diese Sicht Luthers von der täglichen Buße ist biblisch, ist neutestamentlich. Allerdings ist die biblische Begrifflichkeit anders. Die biblischen Worte, welche wir mit Buße übersetzen, nämlich „schub“ in der hebräischen und „metanoein“ in der griechischen Sprache, bezeichnen die durchfahrende und einmalige Umkehr angesichts des nahenden Reiches Gottes. Wenn Christus sagt: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“, oder wenn die hl. Apostel auffordern: „Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“, so meinen sie die entschiedene Abkehr von der Sünde, die Umkehr von dem falschen Heilsweg des Gesetzes, die Abwendung von den falschen Göttern. Diese Akzentverschiebung im Bußverständnis ist zum Teil auf die veränderte Situation zurückzuführen, worauf besonders Paul Althaus hingewiesen hat. (52) Im Neuen Testament haben wir die reine Missionssituation vor uns, den Einbruch des Reiches Gottes in Judentum und Heidentum. Luther dagegen steht inmitten der Kirche, in dem wandernden Gottesvolk, welches in Buße und Glauben der Vollendung entgegengeht. Hat sich somit Luthers Bußbegriff gegenüber dem des Neuen Testaments verschoben, so steht er dennoch mit dem, was er sagt, fest auf biblischem Grund. Luthers Verständnis von der täglichen Buße, vom täglichen Sterben des alten und Auferstehen des neuen Menschen hat seine tiefsten Wurzeln in den neutestamentlichen Taufparänesen. Ich erinnere noch einmal an Röm. 6, wo Paulus aus dem Gestorbensein mit Christus folgert, daß wir die Sünde nicht herrschen lassen in unsern sterblichen Leibern. Grundlegend ist auch der Streit zwischen Fleisch und Geist, wie er uns bei Paulus immer wieder entgegentritt, etwa Gal. 5, 16 ff: „Denn das Fleisch streitet wider den Geist und der Geist wider das Fleisch,“ wo man den merkwürdig schwebenden ingressiven Aorist Vers 24 geradezu übersetzen könnte: „Welche aber Christus Jesus angehören, die haben begonnen, ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden zu kreuzigen.“ Auch auf Kol. 3, 1 ff. und besonders auch auf Röm. 7 und 8 wäre hier hinzuweisen, wo Paulus aus seinem Leiden an dem Widerstreit zwischen Fleisch und Geist in die Worte ausbricht: „Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? Ich danke Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn!“ (Röm. 7, 24 f.) Die Wahrheit dieser Schriftaussagen wird von Luther in seiner Lehre von der täglichen Buße als Vollstreckung der Taufe voll aufgenommen und zur Geltung gebracht.

IV. Schlussbemerkungen

Wir haben den Kreis ausgeschritten, den unser Thema vorgezeichnet hat: Taufe, Buße und Glaube in der heiligen Schrift und bei Martin Luther. Wir haben gesehen, wie jene drei Wirklichkeiten für Luther aufs engste zusammenhängen. Die Taufe sichert das unbedingte Extra-nos unseres Heils. Sie ist ein objektives, allein in Gottes Wort und Befehl wurzelndes Geschehen, durch das der Mensch ganz persönlich in die Christuswirklichkeit eingesenkt wird. Aber weil diese Geschehen Wort- und Geistgeschehen ist, kann es nur im Glauben angeeignet werden. Ohne Glauben ist die Taufe nichts nütze. Jedoch haftet der Glaube an dem objektiven Geschehen extra nos und darf es in seinem objektiven Charakter in keiner Weise in Frage stellen.
Der Glaube macht nicht die Taufe und bewirkt nicht das persönliche Heil, sondern er empfängt beides. Indem er aber die Heilsgabe der Taufe empfängt und Gottes in ihr ergehendes Gerichts- und Gnadenurteil annimmt, drängt die Taufe zur Verwirklichung im christlichen Leben. Es vollzieht sich nun im Glauben, was die Taufe bedeutet: das Sterben des sündigen alten Menschen und das Auferstehen des neuen, „der in Gerechtigkeit und Reinigkeit vor Gott ewiglich lebe“. Diesen Vorgang, der sich täglich vollzieht und bis zum Tode bzw. bis zum Jüngsten Tage währt, nennt Luther Buße. Mit ihr beschreibt er nicht nur einen gelegentlichen sakramentalen Akt, sondern die Haltung des christlichen Lebens überhaupt. Aus dieser Haltung der Buße, die ja nach Luthers Auffassung den Glauben einschließt, erwachen als Früchte die Taten der Liebe, des Vertrauens und der Geduld. Wo diese Früchte fehlen, ist der Glaube „ein schwärmerischer Gedanke, ein bloßer Wahn und Traum des Herzens, ist falsch und rechtfertigt nicht“. (53) Nur sind es eben Früchte, die aus der neuen Geburt und dem Glauben erwachsen, keineswegs Werke, die die neue Geburt begründen oder auch nur mit ihr in eins gesetzt werden dürfen.
Daß diese Auffassung Luthers biblisch ist, habe ich wenigstens skizzenhaft zu zeigen versucht. Daß sie realistisch ist und als einzige der Wirklichkeit des sündigen Menschen Rechnung trägt, dürfte deutlich geworden sein. Wo man nur im geringsten versucht, Befindlichkeiten des Menschen, etwa den Glauben selbst oder die gefühlsmäßig erfahrene Bekehrung oder die guten Werke, zur Grundlage oder auch nur zum sicheren Kennzeichen des persönlichen Heils zu machen, da täuscht man sich über die wahre Tiefe des erbsündlichen Verderbens sowie über die innere Gebrochenheit und den Stückwerkcharakter alles menschlichen Wesens und Tuns. Auf diesem schwankenden Boden kann eine echte, unerschütterliche Heilsgewissheit nicht wachsen. Die gibt es nur auf dem festen Grund, der außerhalb unser gelegt ist, und auf den sich der Glaube immer wieder stellen darf.
Wenn man dieses klar sieht, scheint mir schon ein wesentliches Bedenken im lutherisch-pietistischen Gespräch ausgeräumt zu sein. Die pietistischen Brüder fürchten ein mechanisches Taufverständnis, das dem römisch-katholischen opus-operatum-Denken eng verwandt ist, und im Zusammenhang damit eine falsche Heilssicherheit, die kein neues Leben bewirkt. Ich glaube, daß diese Befürchtung da gegenstandslos ist, wo man mit Luther die Notwendigkeit des Glaubens zum heilskräftigen Empfang der Taufe ebenso klar sieht, wie die Wirklichkeit der täglichen Buße.
Die pietistischen Bedenken sind ferner ganz wesentlich durch den Mißbrauch der Taufe in der modernen volkskirchlichen Situation verursacht. Als Lutheraner werden wir sagen müssen, daß die veräußerlichte Leichtfertigkeit, mit der vielfach Taufe empfangen und wieder vergessen wird, eine Verachtung, ja Lästerung der Gnade Gottes und des Blutes Christi darstellt. Dennoch bleibt auch die unter solchen Umständen gespendete Taufe gültig. Sie wird dem unbußfertigen und mutwilligen Verächter zu einem besonderen, schweren Gericht, weil er mit seiner Taufverachtung den gekreuzigten Christus schändet. Meines Erachtens wäre das für die evangelistische Bußpredigt in unserer volkskirchlichen Situation ein wichtiger Gesichtspunkt.
Aber auch die unter solchen Umständen gespendete Taufe läßt jederzeit die Möglichkeit der Um- und Rückkehr zu, solange Gott dem Menschen mit seinem Leben die Gelegenheit dazu läßt. Denn Gottes Zusage steht fest und kann durch den Unglauben nicht aufgehoben werden. Das Schiff zerbricht nicht, mit Luther zu reden, auch wenn wir hinausfallen. Und wir werden gelockt und aufgefordert, wieder in dieses Schiff zurückzuschwimmen. Die orthodoxen lutherischen Dogmatiker, welche die Wiedergeburt, wenn auch nicht ausschließlich, so doch wesentlich mit der Taufe verbinden, lehren daher teilweise die Verlierbarkeit der Wiedergeburt, aber auch die Möglichkeit, sie wiederzugewinnen. (54) Die Begriffe Buße, Bekehrung und Wiedergeburt sind nicht ganz scharf abgegrenzt. Ihr Inhalt überschneidet sich teilweise, und sie können manchmal sogar gegeneinander ausgetauscht werden. So bleibt es sich im Grunde gleich, ob wir von Bekehrung oder Wiedergeburt reden, wenn ein als Kind getaufter ungläubiger Namenschrist zum lebendigen Glauben kommt. Man kann für das eine wie für das andere gute Gründe anführen, man kann auch beides in ein Verhältnis zueinander setzen. Nur an zwei Dingen sollten wir unbedingt festhalten. Das eine ist die Wiedergeburt erzeugende und bewirkende Kraft der Taufe. Wenn wir sie verneinen, dann werten wir nicht nur das von Christus eingesetzte Sakrament entgegen dem klaren Zeugnis der heiligen Schrift ab, sondern wir laufen auch Gefahr, das Extra-nos des Heils zu verlieren und die Wiedergeburt zu psychologisieren und damit in unserer Erfahrung zu verankern. Das andere, was wir festhalten müssen, ist die Notwendigkeit, daß auch der Bekehrte und Wiedergeborene in der täglichen Buße leben muß. Sonst geraten wir auf einen unbiblischen Perfektionismus und verleugnen das „Allein aus Gnaden“, wonach uns Gott täglich und reichlich unsere Sünden vergibt.
Zu unserem säkularisierten Volkskirchentum ist schließlich zu sagen, daß dort, wo nicht geglaubt wird und wo auch eine Unterrichtung getaufter Kinder nach menschlichem Ermessen nicht zu erwarten ist, die Taufe nicht gespendet werden sollte. Denn wenn auch der Glaube die Taufe nicht macht und letztere ganz im Wort und Befehl Gottes gründet, so gehören dennoch Taufe und Glaube unlöslich zusammen. Der Glaube empfängt die Taufe und ohne Glaube ist die Taufe nichts nütze. Die veräußerlichte und erstarrte Sitte der Volkskirche stellt hier vor schwierige Probleme, die Luther in dieser Schärfe noch nicht kannte. Eine Taufverweigerung lag, soweit ich sehe, nicht in seinem Gesichtskreis. Wir dagegen müssen sie ernsthaft erwägen.
Jedoch ist festzuhalten, daß auch eine Taufe, die bei völligem Unglauben der Beteiligten vollzogen wird, gültig, wenn auch nicht wirksam ist. Eine Wiedertaufe kann auch dann nicht in betracht kommen, wenn einer die Taufe nur „mit bösem Vorsatz“ (55) empfangen hat und dann später zum lebendigen Glauben kommt.

Anmerkungen 

1 Kleiner Katechismus (KK) IV, 12. Die Katechismen Luthers werden nach der Göttinger Ausgabe der Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche (Aufl. 1952) zitiert. Rechtschreibung und Zeichensetzung sind behutsam auf den heutigen Stand gebracht. Zitate aus anderen Werken Luthers werden nach der revidierten Ausgabe von J. G. Walch geboten, welche das Concordia Publishing House in St. Louis (USA) in den Jahren 1880 ff. veranstaltet hat. Jedoch werden die Fundstellen in der Weimarer Ausgabe angegeben.

2 WA 37, 639. 18ff.

3 WA 37, 639. 38 f.

4 Großer Katechismus (GK) IV, 6

5 GK IV, 10

6 GK IV, 6

7 KK IV, 4

8 GK IV, 4.5

9 GK IV, 16. 17

10 A. Oepke, ThWNT, I, S. 536 ff.

10a A. Oepke, a.a.O., S. 537

11 L. Goppelt, Theologie des NT. 1976, S. 333

12 KK IV, 5-8

13 GK IV, 25

14 GK IV, 41

15 GK IV, 26 f.

16 WA 37, 643. 32 ff.

16a Bietenhard, ThWNT, V, S. 255 f.

17 GK IV, 24

18 WA 37, 627 ff.

19 WA 37, 647. 11 ff.

20 WA 37, 656. 28 ff.

21 WA 37, 659. 14 f.

22 WA 37, 650. 15 ff.

23 A. Oepke, ThWNT, I, S. 538

24 R. Bultmann, Die Johannesbriefe, 1967. S. 83

25 KK IV, 9 f.

26 WA 37, 645. 14 ff.

27 WA 47, 23. 13 ff.

28 WA 40/II, 407. 40 ff.

29 Walch2, 9, 1120; vgl. WA 12, 298. 19 ff.

30 GK IV, 33 f.

31 GK IV, 29

32 P. Althaus, Die Theologie Martin Luthers, 1962, S. 312 ff.

33 GK IV, 47 ff.

34 GK IV, 52 f.

35 GK IV, 57

36 GK IV, 55 f.

37 WA 26, 161. 13

38 P. Althaus, a.a.O., S. 316 f.

39 P. Althaus, a.a.O., S. 317

40 L. Goppelt, a.a.O., S. 457

41 KK IV, 11 – 14

42 WA 2, 727 – 737

43 GK IV, 65

44 GK IV, 74

45 WA 21, 264. 1 ff.

46 WA 1, 530. 16 f.

47 Walch 2 9, 1586 f.; vgl. WA 20, 697. 32 ff.; zum Text vgl. Köstlin-Kawerau, Martin Luther, Bd. II, S. 642

48 WA 1, 531. 14 ff.

49 GK IV, 82

50 GK IV, 79

51 GK IV, 84

52 P. Althaus, a.a.O., S. 307

53 WA 40/I, 266. 18 f.

54 Bei Fecht, G. Hoffmann, Hollaz, Quenstedt, Musäus. Vgl. A. Hoenecke, Ev. -Luth. Dogmatik, Bd. III, Milwaukee 1912, S. 263; ferner H. Schmid, Die Dogmatik der ev. -luth. Kirche, 18766, S. 343

55 GK IV, 55

Der Beitrag von + Bischof em. Dr. Gerhard Rost, LL.D., wurde veröffentlich in: Gerhard Maier, Gerhard Rost (Hrsg.): Taufe – Wiedergeburt – Bekehrung in evangelistischer Perspektive; Lahr-Dinglingen und Bielefeld, 1980