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»Freiheit für Frauen in Polen«

So lautete das Motto einer (im Übrigen gar nicht angemeldeten) Demonstration, welche in Berlin vor gut zwei Wochen, am 27.10.2020 stattfand. Es war der fünfte Protesttag, nachdem das polnische Verfassungsgericht am 22.10. entschieden hatte, dass auch Abtreibung aus eugenischen Gründen, also im Falle von einer Behinderung illegal sei.

Ausgangslage in Polen: Bisher drei mögliche Gründe für eine legale Abtreibung

Seit 1993 waren in Polen Abtreibungen verboten bzw. nur in drei Fällen erlaubt: nach Vergewaltigung, bei Lebensgefahr der Mutter sowie bei zu erwartender Missbildung bzw. Behinderung – also im Sinne einer eugenischen Indikation… und damit in jenem Fall, in dem auch hierzulande so viele Fehldiagnosen gestellt werden, weil dabei völlig gesunde Kinder irrtümlich als krank oder behindert eingestuft werden. Dabei ist zu bedenken, dass den im Jahr 2019 in Polen offiziell registrierten 1110 Abtreibungen nahezu alle, nämlich 1074 (also 97%) eine eugenische Indikation zugrunde liegt; bei der Mehrzahl davon handelt es sich um Down-Kinder.

Genau diese Indikation wäre nun nicht mehr zulässig, wenn die Regierung, wozu sie eigentlich verpflichtet wäre, das ergangene Urteil auch offiziell verkündet; denn nur dann ist das (mit 11:2 Stimmen beschlossene) Urteil auch rechtskräftig. Das aber ist mittlerweile nicht mehr gesichert, weil die Möglichkeit realistisch geworden ist, dass den massiven Protesten und dem öffentlichen Druck nachgegeben wird. Doch wie so oft lohnt sich ein zweiter und genauerer Blick … und dann traut man seinen Augen nicht mehr:

Höchst unbefriedigende Medienberichte (gelinde formuliert)

Bei einem zweiten Blick auf die Proteste wird Folgendes deutlich: Zum einen waren die Proteste hierzulande ohnehin auf Berlin beschränkt. Es sei dabei nur am Rande erwähnt, wie groß – Pardon: wie bemerkenswert klein – die bescheidenen Grüppchen in Berlin waren bei der eingangs erwähnten Demonstration »Freiheit für Frauen in Polen«: nämlich 70 + 25 (zum einen vor der polnischen Botschaft und zum anderen vor dem Wohnsitz des polnischen Botschafters). Nehmen wir diese Zahlen einmal für bare Münze und sehen davon ab, bei welchen Demonstrantengruppen mittlerweile schon traditionell aufgerundet wird und bei welchen ebenso traditionell abgerundet wird. Wir vermerken dazu nur, dass es diverse Medien regelmäßig überhaupt nicht – und falls doch, dann evtl. nur widerwillig – schaffen, auch nur ein einziges Wort zu verlieren, wenn sich Abertausende, also das zigfache oder gar hundertfache jener Teilnehmerzahl, zu einer ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration einfinden; deren Problem und Makel: Sie treten ein für ein Anliegen, das leider längst politisch inkorrekt geworden ist: nämlich, dass Menschen auch vor ihrer Geburt ein Existenzrecht haben … und speziell in Deutschland sogar ab Tag 1, ja ab Minute 1 ihres Lebens erbberechtigt sind (§1923 BGB). Wer für diese erbberechtigten Mitbürger demonstriert, wird u.a. als Frauenfeind karikiert.

Wieder einmal: Nichtgesagtes ist oft interessanter als Gesagtes … und dadurch sehr vielsagend!

Beim zweiten Blick auf die Situation und Proteste in Polen selbst wird die mediale Situation ziemlich unappetitlich: Auffallend ist nämlich in den vorfindlichen Meldungen zu Polen das, was nicht gesagt wird. Denn in nahezu allen Meldungen zur aktualisierten Abtreibungsgesetzgebung in Polen bleibt mit beschämender Verlässlichkeit ein geradezu fundamental wichtiger Sachverhalt völlig ungenannt, man könnte auch sagen, er wird bewusst unterschlagen – nämlich die Begründung des Urteils: Das Verfassungsgericht hat sich nämlich ausdrücklich bezogen auf ein offizielles Dokument des Rates der Vereinten Nationen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen; es stammt aus dem Jahr 2018. Und darin kann man lesen:

»Gesetze, die Abtreibung aufgrund einer Behinderung ausdrücklich zulassen, verstoßen gegen die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen« (Artikel 4, 5 und 8). (Englisches Original siehe https://www.zukunft-ch.ch/wp-content/uploads/2020/11/CRPD-Dokument-Menschen-mit-Behinderungen.pdf)

Darauf machen unsere Schweizer Mitstreiter von »Zukunft CH« aufmerksam, deren Ausführungen wir Ihnen hiermit ausdrücklich empfehlen! (https://www.zukunft-ch.ch/polen-setzt-zeichen-fuer-menschen-mit-behinderungen/)

Doch damit nicht genug: Zum Thema Nichtgesagtes bzw. Unterschlagenes gehört nämlich auch die Frage, die in aller Deutlichkeit gestellt werden muss: Wo bitteschön konnte man etwas lesen von Gottesdienststörungen mit teilweise vulgären Parolen? Oder dass Statuen beschädigt und Kirchen beschmiert wurden? Oder dass Polizeischutz notwendig wurde? Oder dass auch die deutsche Antifa mitmischte? Vielmehr sah die übliche Tonart der gängigen Darstellungen doch so aus: Nachdem in Polen leider sowieso schon eines der restriktivsten Gesetze bezüglich Abtreibung herrsche, würde das nun noch weiter verschlimmert; in TAZ-typischer Weise hört sich das dann (inkl. korrektem Gender-Star [*]) so an:

»›Gebären auf Teufel komm raus!‹ So lässt sich, etwas salopp ausgedrückt, das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts von Donnerstag zusammenfassen. […] Ihr Bauch gehört den Pol*innen allerdings schon lange nicht mehr. Und die liberale Praxis zu realsozialistischen Zeiten, als Abtreibungen quasi als eine Art Geburtenkontrolle praktiziert wurden, dürften jüngere Frauen nur noch vom Hörensagen kennen. […] Zu Tausenden gehen sie seit Jahren immer wieder auf die Straße, weil sie schlichtweg nicht einsehen, dass in ihren Körper hineinregiert wird.« (https://taz.de/Urteil-zu-Abtreibungen-in-Polen/!5723190/)

Worum geht es im Grunde?

Wenn die TAZ schreibt (s.o.). »Ihr Bauch gehört den Pol*innen allerdings schon lange nicht mehr« und es würde »in ihren Körper hineinregiert«, dann bleibt wieder einmal das Eigentliche ungesagt: Man will, dass der Körper eines anderen – mit feministischer Selbstverständlichkeit – wegregiert werden kann. Oder wie es gleich zu Beginn der SWR-Doku »7 Tage… In der Abtreibungsklinik« im allerersten Satz vom abtreibenden Arzt zu hören ist: »Jetzt wird der Gebärmutterinhalt abgesaugt.« Und dann hört man das Sauggeräusch… (https://www.swr3.de/aktuell/abtreibung-frauen-klinik-100.html)

Zum Schluss noch ein erfreulicher Kurzbericht vom Kooperations-Seminar:

Wir blicken sehr dankbar zurück auf unser diesjähriges Kaleb-ALfA-Kooperationsseminar in Bad Blankenburg (23.-25.10). Unsere Begegnung war nicht nur für viele wiederum sehr lehrreich; sondern weil darüber hinaus auch Platz zum Austausch war, fiel auf: Die Anzahl derer, die auch in unseren Reihen betroffen – und d.h. oftmals gleichzeitig auch schwer getroffen – sind von einer bitter bereuten Fehlentscheidung gegen ein Kind, ist größer, als es die meisten vermuten würden! KALEBs reden also keineswegs wie ein Blinder von der Farbe. Wir leben alle von der Gnade Gottes und lassen uns von ihr motivieren.

Mit herzlichen Grüßen

Heinrich Ottinger

Chemnitz, 13.11.2020