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War der „Vater des Glaubens“ ein Lügner?

„Abraham aber zog von dannen ins Südland und wohnte zwischen Kadesch und Schur und lebte nun als ein Fremdling zu Gerar. Er sagte aber von Sara, seiner Frau: Sie ist meine Schwester. Da sandte König Abimelech, der König von Gerar, hin und ließ sie holen“ (1 Mose 20, Verse 1 und 2). Hier wiederholt sich die Geschichte von Abram und Sarai in Ägypten (1 Mose 12, Verse 10 ff.) wo Mose seine Frau als seine Schwester ausgab. Dies, weil sie sehr schön war und Abram befürchtete, getötet zu werden, damit die Ägypter seiner Frau habhaft werden konnten. Diese Lüge brachte Abram große Vorteile. Der Pharao nahm sich der Sarai an und Abram bekam als Gegenleistung erhebliche materielle Zuwendungen.

Sarai, die zwischenzeitlich Sarah hieß, so wie Abram zum Abraham wurde, dürfte in Gerar nicht mehr taufrisch gewesen sein. Trotzdem war sie wohl noch reizvoll, weshalb Abraham neuerlich log. In beiden Fällen ist es aber so, dass Gott eingriff und sowohl den Pharao als auch den König von Gerar spüren bzw. wissen ließ, dass es sich bei Sarai bzw. Sara um eine Ehefrau handelt, weshalb beide von ihr abließen. Gott bewahrt hier Abram/Abraham davor, vollends zum Zuhälter zu werden.

Die eigentliche Ursache für Abrams/Abrahams Lügen ist sein fehlendes Vertrauen zu Gott und seinen Verheißungen und damit sein mangelnder Glaube. Da verlässt er sich doch lieber auf seine Möglichkeiten, wie er es auch in der Sache seines lang ausbleibenden Nachkommens gemacht hat, wo er mit der Magd Hagar den Ismael zeugte.

Das Einmalige an der Bibel ist, dass sie offen berichtet und nichts geschönt wird. So ist das Wort Gottes! Abraham, der als Vater des Glaubens gilt, durch den alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden sollen und der von Gott große Verheißungen hat, war demnach auch ein Lügner, Betrüger und fast schon ein Zuhälter, der seine Frau verkauft. Abraham ist nämlich kein Einzelfall. Auch Jakob war ein Gauner und David ein Ehebrecher und Mörder. Auch sonst berichtet die Bibel von vielen „schrägen Vögeln“.

Das Bemerkenswerte und höchst Erstaunliche ist, dass Gott mit solchen Menschen Heilsgeschichte macht. Man könnte jetzt sagen, dass Gott gar keine andere Wahl hat, als mit „schrägen Vögeln“ Geschichte zu machen, einfach deshalb, weil er sonst nichts Besseres hat. Aber das wäre zu einfach. Gott hat nichts Besseres. Das ist richtig. Bemerkenswert ist aber die Barmherzigkeit, Geduld und Liebe Gottes, mit der ER sich der „schrägen Vögel“ annimmt und die ER so gebrauchen kann, dass dies am Ende für die Welt zum bleibenden Segen wird.

Und so konnte auch Abraham, trotz seines zeitweiligen Unglaubens, zum Vater des Glaubens werden, der bereit war Gott seinen Sohn Isaak zu opfern. Gott könnte nämlich auch ganz anders, denkt man an das Sintflutgeschehen. Erst Jesus Christus ist der absolut Vollkommene und Sündlose. Was vor IHM und nach IHM kam, konnte Gott nicht immer gefallen.

Und wie sieht das mit uns aus? Sind wir viel besser, als die „schrägen Vögel“? Ich denke, dass wir das nicht sind. Was uns mit den „schrägen Vögeln“ verbindet ist, dass Gott auch mit uns geduldig, barmherzig, gnädig und voller Liebe ist.

Daran sollten wir denken, wenn wir in unserem Umfeld auf „schräge Vögel“ treffen oder wenn wir selbst etwas „Schräges“ tun. Gott kann auch aus „schrägen Vögeln“, wie dem Saulus, etwas zu Seiner Herrlichkeit machen und ER vergibt uns, wenn wir unsere Schräge oder besser Schieflage erkennen, umkehren, um Vergebung bitten und uns einen Neuanfang schenken lassen. Und das immer wieder.

Weil das so ist, sollen wir uns weder über andere erheben noch verzagen, wenn wir schief lagen.

Die Sünden sind vergeben!
Das ist ein Wort zum Leben
für den gequälten Geist.
Sie sind´s in Jesu Namen;
in dem ist Ja und Amen,
was Gott uns Sündern je verheißt.

Mein Hauptgesuch auf Erden
soll die Vergebung werden,
so wird mein Tod nicht schwer.
O, in den Sünden sterben
ist ewiges Verderben!
Denn wer will dann bestehen, wer?

Hier ist die Zeit der Gnaden,
der Angst sich zu entladen,
auf Gottes Wort zu ruhn,
die Seele zu erretten,
zu glauben und zu beten,
und das in Jesu Namen tun.

Wenn ich von hinnen scheide,
so mach mir das zur Freude,
daß ich begnadigt bin.
Im Glauben der Vergebung
in Hoffnung der Belebung
geh ich alsdann im Frieden hin.

Philipp Friedrich Hiller (1699 – 1769)

Jörgen Bauer, Andacht zum 18. Sonntag nach Trinitatis, 11.10.2020