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Der Babel-Bibel-Streit – eine Sonderausstellung im Pergamonmuseum

„Der Babel-Bibel-Streit. Politik, Theologie und Wissenschaft um 1900“. So lautet der Name einer Sonderausstellung, die von November 2019 bis Ende März 2020 im Berliner Pergamonmuseum zu sehen war. Sie erinnert an einen Streit, der durch einen Vortrag des Assyriologen Friedrich Delitzsch vor Kaiser Wilhelm II. ausgelöst worden war und nicht nur im Deutschen Reich, sondern weltweit die Gemüter erhitzte. In seinem Vortrag hatte Delitzsch die These vertreten, dass die Geschichten des Alten Testaments auf babylonische Vorlagen zurückgingen.

Britische, französische und deutsche Ausgräber hatten in Mesopotamien zahlreiche Artefakte ans Tageslicht gebracht, die eindeutige Parallelen zur Bibel aufwiesen. So hatte man u. a. Keilschrifttafeln oder auch Reliefplatten mit Abbildungen gefunden, die akkadische Versionen des Schöpfungsberichtes (Enuma Elisch), des Sündenfallberichts, der Sintflut (Gilgamesch-Epos) und des Turmbaus zu Babel enthielten. Delitzsch war der Überzeugung, dass jüdische Autoren, die im sechsten Jahrhundert vor Christus in das babylonische Exil geführt worden waren, die Mythen Mesopotamiens in den Keilschriftarchiven Babylons kennenlernten und sie als Vorlagen für die Geschichten der Bibel verwendeten. Das Alte Testament sei demnach eine jüdische Adaption mesopotamischer Mythologie. In seinem Spätwerk „Die große Täuschung“ (1920/21) forderte Delitzsch sogar, dass das Alte Testament aus dem christlichen Kanon entfernt werden müsse. Die Ausstellung verschweigt nicht die antisemitischen Argumentationsmuster, mit denen er seine Thesen vertrat und die den Forscher auch nachhaltig diskreditiert haben. Die These aber, dass viele alttestamentliche Texte auf die Mythen und Sagen Mesopotamiens zurückzuführen seien, hält sich bis heute hartnäckig in den theologischen Fachbüchern und den Köpfen etlicher Theologen, ja sogar bis hinein in die Religionsbücher an unseren Schulen.

Wer sich allerdings mit den babylonischen Quellen näher beschäftigt, wird neben den Parallelen auch gravierende Unterschiede zur Bibel entdecken. Vor allem finden wir in den Mythen Babylons eine verwirrende Vielzahl von Göttern, während sich in der Bibel der eine Gott offenbart hat. Delitzschs Versuch, die Bibel als eine clevere Täuschung jüdischer Priester darzustellen, scheitert bereits an diesem Unterschied. Vor allem aber lassen sich die Parallelen zwischen den babylonischen Mythen und den Berichten der Bibel viel naheliegender und einleuchtender erklären: Die Schöpfung, den Sündenfall, die Sintflut und den Turmbau zu Babel hat es tatsächlich gegeben! Die Keilschrifttafeln Mesopotamiens enthalten mythologisch verzerrte Erinnerungen an historische Ereignisse der frühesten Menschheitsgeschichte. Diese frühhistorischen Ereignisse wurden u.a. auch in uralten Sagen der Indianer Nordamerikas, der Azteken und Inkas oder der Chinesen festgehalten. Im Anschluss an den Turmbau zu Babel und die babylonische Sprachverwirrung (1 Mose 11) nahmen die Menschen, die sich nun auf alle Erdteile verteilten, diese Erinnerungen mit und bewahrten sie in ihren Mythen und Sagen auf. In der Bibel hat der lebendige Gott seinem Volk Israel – und durch das Volk Israel allen anderen Völkern der Erde – die göttlich legitimierte und historisch korrekte Originalversion dieser Ereignisse mitteilen lassen.

Johann Hesse

Aus: Aufbruch 1/2020 [1]. Der Aufbruch kann kostenlos über die Geschäftsstelle des Gemeindehilfsbundes bezogen werden (E-Mail: info@gemeindehilfsbund.de).