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Offener Brief an den Ministerpräsidenten von Brandenburg und Ministerin Ursula Nonnenmacher

Sehr verehrter Herr Ministerpräsident Dr. Woidke, sehr verehrte Frau Ministerin Nonnemacher!

Seit nun mehr ca. 5 Wochen liegt das öffentliche Gemeindeleben unserer Kirchengemeinden durch die Regierungsbestimmungen in unserem Land am Boden. Die Kirchengemeinden dürfen keine Gottesdienste feiern, nicht einmal zu Ostern, dem höchsten Fest der Christenheit! Andachten, das Zusammenkommen von Gemeindegruppen usw. sind untersagt. Trost, Ermutigung, Orientierung werden unterbunden.

Über 80 Kinder und Jugendliche, die regelmäßig in unseren Gruppen zusammenkommen, hocken zuhause. An die 100 Senioren, die regelmäßig in unseren Gemeindenachmittagen zusammenkommen oder besucht werden, fehlt die Gemeinschaft. Chor, Bläserchor, Flöten- und Gitarrengruppen können nicht proben. – Dies ist in der 800-jährigen Geschichte unserer Kirchengemeinden einmalig. Selbst zu schlimmsten Kriegs-, Diktatur- und Pestzeiten war dies möglich und hat den Menschen Trost, Orientierung und Hoffnung gegeben. Und das alles passiert überall in unserem Land und hier speziell in einer der sozial schwächsten Regionen Deutschlands, für die ich spreche und wo Sie froh und dankbar sein sollten, dass es solche Aktivitäten gibt – trotz so vieler Widrigkeiten!

Die Schäden, die jetzt infolge der Regierungsbestimmungen eintreten, stellen sich für mich als unverantwortlich dar. Sie türmen sich vor uns auf und werden sich über Jahre und Jahrzehnte nachwirken.

Die Menschen benötigen dringend das Gespräch und die Gemeinschaft. Sie sind in den vergangenen Wochen in eine Angstpsychose versetzt worden, die ich so in meiner über 32-jährigen Arbeit als Seelsorger noch nie erlebte!

Völlig berechtigt haben sie Angst um ihr Lebenswerk und ihre weitere Existenz. Dabei geht es nicht um den Erhalt von Luxusreisen nach Thailand, Ägypten oder Neuseeland, sondern um ihr Lebenswerk und die Perspektiven, um die von ihnen und ihrer Kinder. Dies ist eine Angst, die tötet! Ich frage: In welcher Statistik erscheint eigentlich diese?

Am Freitag hat der Präsident der Bundesärztekammer, Herr Dr. Klaus Reinhardt, in einem Interview mit der Rheinischen Post darauf hingewiesen, dass weder aus wissenschaftlicher noch aus medizinischer Sicht es Gründe gibt, die derzeitigen Einschränkungen so fortzusetzen. Wie sind die derzeitigen Beschränkungen, die Kontaktsperren, die Verbote der freien Religionsausübung noch verstandesgemäß nachzuvollziehen?

Ich kann es nicht mehr! Vielleicht ist mein Horizont zu begrenzt?!

In der flächenmäßig so großen Uckermark gibt es zur Zeit 31 bestätige Corona – Infektionen, die in absoluter Mehrheit häuslich auskuriert werden. Unsere regional erreichbaren Krankenhäuser haben mehr als genug Kapazitäten. Andere dringende Operationen werden in Frage gestellt. Wer sich die Statistiken des Robert Koch – Institutes genau anschaut, der erkennt, dass sich die Zahl der Infektionen bereits vor dem Erlass der derzeitigen Beschränkungen und dem sogenannten „Shutdown“ des öffentlichen Lebens erheblich verringerten. Ich frage: Auf was warten wir? Auf eine Herdenimmunität, die in der Uckermark wahrscheinlich niemals oder erst im Jahre 2080 einkehrt? – In Sachsen sind wenigstens Gottesdienste wieder möglich. In Schweden findet das öffentliche Leben zu einem beachtlichen Teil seine Fortsetzung. Der Leiter des schwedischen Gesundheitsamtes hat am Wochenende erklärt, dass der schwedische Weg sich von dem der anderen europäischen Länder im Wesentlichen dadurch unterscheidet, dass man appelliert und nicht verbietet, dass die Bevölkerung also als mündig behandelt wird! Das fehlt mir ganz und gar! Darum bitte ich Sie auch sehr, sehr herzlich!

Unsere Kirchengemeinden verfügen über Räumlichkeiten, in denen für sämtliche Veranstaltungen, ob Andachten, Gottesdienste oder verschiedene Gruppenzusammenkünfte, zwischen den teilnehmenden Menschen die nötige Distanz gewahrt werden kann. Bei allen Veranstaltungen sind verantwortungsvolle Leiter anwesend, die dafür Sorge, dass die Hygienevorschriften tragen. Ich bitte Sie sehr herzlich, dass die durch die Regierungsbestimmungen hervorgerufenen mehr als traurigen Zustände beendet werden, die Kirchengemeinden wieder ihr öffentliches Leben aufnehmen können und endlich die freie Religionsausübung in unserem Land wieder ermöglicht wird!

Dies ist ein persönlicher Brief. Ich schreibe ihn aus meinem Verantwortungsgefühl gegenüber Gott und den mir anvertrauten Gemeinden. Mir ist bewusst mit welch ungeheurer Verantwortung Sie ganz besonders in dieser Zeit beladen sind. Und ich bete, dass Gott Ihnen die nötige Kraft zum Durchhalten und Weisheit und Besonnenheit schenken möge! Sollte ich Ihnen mit meinen Zeilen zu nahe getreten sein, bitte ich um Verzeihung.

Mit freundlichen Grüßen,

Dank und Gott befohlen –

Thomas Dietz, Pfarrer in Schönfeld