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„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ (Hiob 19,25)

November. Eine Zeit, in der wir im Besonderen an unsere Vergänglichkeit erinnert werden. Ein Monat der Einkehr, der Stille und des Gedenkens an verstorbene Angehörige, Verwandte und Freunde. Sie wissen jetzt viel mehr von Gottes ewiger Welt des Lichtes und der Welt der Finsternis als wir. Jesus hat uns das in dem Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus (Lk 16,19-31) deutlich vor Augen gestellt. Schon öfter habe ich darüber nachgedacht, das liebe Verstorbene, jetzt in der Ewigkeit, uns weit voraus sind. Doch das Leben auf dieser Welt ist das größte Geschenk, das uns der Schöpfer anvertraut hat. Es ist die Chance, ein Feld der Bewährung und Zurüstung für das Kommende Leben, das durch die Dimension der Ewigkeit nie enden wird.

Mit jedem Tag kommen wir diesem Ziel näher. Niemand kann auch nur eine Sekunde seines Lebens anhalten. Unerbittlich geht es der Ewigkeit entgegen. Das ist die Realität des Lebens. In diesen Strom der Zeit sind wir hineingestellt. In dieser für uns bemessenen Zeit schreiben wir die Geschichte unseres Lebens.

Es gibt Lebensgeschichten, die einem den Atem nehmen. Wenige Eckpunkte einer solchen Lebensgeschichte: Sie war ein uneheliches Kind. Mit dreizehn Jahren musste sie in die Fremde. Als Haustochter in verschiedenen Familien gewann sie viel Lebenserfahrung. Mit 27 hörte sie den Ruf einer Schwesternschaft, die sich um arme hilfsbedürftige Kinder kümmerte. Neun Jahre arbeitete sie dort. Bis zu 17 Kinder hatte sie in ihrer Gruppe zu versorgen. Dann zwang sie eine Krankheit, diese Arbeit zu beenden. Als die Mutter einer großen Familie mit neun Kindern im Alter von 46 Jahren an Krebs gestorben war, hat sie die Bitte des Witwers, ihn doch zu heiraten, nicht ausgeschlagen. Die Kinder mussten versorgt, die Landwirtschaft und Poststelle bewältigt werden. Im 45. Lebensjahr der Frau wurde der Familie noch ein weiteres Kind geschenkt.

Es grenzte an ein Wunder, dass sie diese schwere Geburt überlebt hat. Dann kam der 2. Weltkrieg mit vielen zusätzlichen Belastungen und Entbehrungen. Die Ehe dauerte keine sechs Jahre. Dann starb mit nur 54 Jahren auch der Mann.

Nun musste sie allein für die Familie sorgen. Zwei der Söhne, Zwillinge, sind mit erst 20 Jahren im Krieg gefallen. Durch Bombennächte obdachlos geworden, musste sie Verwandte und Flüchtlinge aufnehmen. Krebskrankheiten belasteten die letzten Jahre ihres Lebens. Im christlichen Glauben verwurzelt, geborgen und voller Hoffnung auf das ewige Leben, ist sie an einem 5. November, kurz vor ihrem 85. Geburtstag von Gott in die Ewigkeit berufen worden. Sie war überzeugt, dass es im Himmel kein Leid, keine Schmerzen und keine Tränen mehr geben wird.

Nach dieser Ruhe und ewiger Geborgenheit sehnte sich ihr Herz. Sie freute sich auf den Himmel und starb im tiefen Frieden. Auf ihren Grabstein wünschte sie sich das Wort aus Hiob 19,25: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“

Diese Hoffnung und Gewissheit wünsche ich uns allen im Leben und im Sterben.

Friedemann Hägele (1939-2018)