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Ruhestörung

Es gibt ein Bild mit dem Titel „Mittagsläuten“. Im Hintergrund, fern am Horizont, steht das Dorfkirchlein. Im Vordergrund steht ein junges Bauernpaar. Er hat die Heugabel abgestellt, die Mütze abgenommen, den Kopf gesenkt und die Hände gefaltet. Die Bäuerin steht in gleicher andächtiger Haltung neben ihm. Alles atmet einen tiefen Frieden.

Mittagsgebet!

Heutzutage wird dieses Bild unter „frommer Kitsch“ verbucht. Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus.

Unmittelbar neben einer Kirche steht ein Gemeindehaus. Darinnen sind die Vertreter eines kirchlichen Arbeitszweiges versammelt. Also nicht einfach einfache Christen, Gemeindeglieder, Fußvolk, sondern kirchliche Fachleute, Mitarbeiter, Leiter, Hauptamtliche. Man hat entsprechend wichtiges zu besprechen. Den Laptop im Griff oder den Griffel in der Hand, so lauschen sie den Ausführungen eines Vortragenden. Leider wird das Zuhören plötzlich erschwert, weil draußen ein Himmelslärm losgeht. Durch das geöffnete Fenster dröhnt das Glockengeläut, das sogar noch den Verkehrslärm übertrifft. Der Vortragende nimmt die Herausforderung an. Zunächst leicht irritiert durch die Störung, dann empört über die Frechheit, mitten am Tag solchen Krach zu machen, legt er selber einige Phon zu und versucht, das lästige Geräusch zu übertönen. Doch er schafft es nicht, gegen das als Gebetsaufforderung gedachte 12-Uhr-Geläut anzukommen. Es kommt Unruhe und Unmut unter der kirchlichen Mitarbeiterschaft auf – man versteht nichts mehr!

Inzwischen sind sich alle im Saal innerlich einig in der Ablehnung der Ruhestörung. So findet es allgemeine Zustimmung, als endlich einer aufsteht, zum Fenster geht und die Schotten dicht macht. Allgemeines Aufatmen. Endlich der Lärm ausgeschaltet. Endlich Ruhe. Endlich kann man wieder hören, was der Redner sagt.

Mittagsgebet?

Pfr. Dr. Theo Lehmann, Aufbruch – Informationen des Gemeindehilfsbundes (Juli 2019)