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Spahns Lust auf ein neues Strafgesetz

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will Konversionstherapien, die Homose­xua­lität heilen sollen, gesetzlich verbieten und unter Strafe stellen lassen. Seine Begründung: „Ich halte nichts von diesen Therapien, schon wegen meines eigenen Schwulseins. Ich sage immer, der liebe Gott wird sich was dabei gedacht haben.“ Spahns theologische Meinung steht ihm frei. Das Problem aber ist, dass er seine Meinung aus seiner subjektiv-betroffenen Sichtweise heraus anderen Menschen per Gesetz aufzwingen will. Damit tangiert er nicht nur die Mei­nungsfreiheit gegensätzlich Denkender, sondern auch die Glaubens- und Religionsfreiheit.

Die Beurteilung der Homosexualität in der Gesellschaft ist offenkundig eine Frage des Zeit­geistes, und der hat sich diesbezüglich etappenweise geändert. Aber sie ist auch eine Frage der Humanwissenschaften, die sich hier international nicht völlig einig sind. Deshalb kam die amerikanische National Association for Research and Therapy of Homosexuality (NARTH) nach der Auswertung von 600 Studien zu dem Schluss, dass Konversionstherapien („Reorien­tierungstherapien“) durchaus weiterhin zur Verfügung stehen sollten.

Vor allem aber ist das eben auch eine Frage der Glaubensfreiheit. Gerade als Politiker einer ausdrücklich christlich orientierten Partei müsste Spahn wissen: „Homosexualität wird auf breiter Front in der Bibel abgelehnt.“ Das schreibt kein Geringerer als Ethik-Professor Peter Dabrock (Erlangen), seines Zeichens Vorsitzender des Deutschen Ethikrats. Freilich weist Dabrock „ein kontextloses Zitieren einzelner alt- und neutestamentlicher Spitzensätze gegen homosexuelle Menschen und Praktiken“ ausdrücklich ab. Das ändert jedoch nichts an dem von ihm eingeräumten biblischen Befund. Der muss nüchtern zur Kenntnis genommen werden, wenn man ihn nicht unter Anwendung „hermeneutischer Verbiegungen und exegeti­scher Zurechtlegungen“ – so der Neutestamentler Klaus Berger – verleugnen wollte. Sollte sich der liebe Gott – das könnte man Spahn entgegnen – nicht etwas dabei gedacht haben, als er den Apostel Paulus gleichgeschlechtliche Praktiken als Paradebeispiel für die Sündhaf­tigkeit des Menschen aufführte?

Von daher steht es Christenmenschen jedenfalls frei, sich an die biblische Vorgabe zu halten oder sie auch um-, vielleicht auch wegzuinterpretieren. Wie sie sich im Einzelnen dazu stellen, bleibt am Ende eine Frage der jeweiligen theologischen oder spirituellen Einstellung. Wer hier – wie etwa die acht protestantischen Altbischöfe, die sich 2011 in einem Offenen Brief unter der Überschrift „Widernatürliche Lebensweise“ – an die konservative statt an die liberale Sichtweise halten und sich lebenspraktisch, beispielsweise beratend, daran orientieren möchte, dem darf das Recht dazu in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht einfach abge­sprochen werden. Dies wiederum impliziert, dass auch die Ansicht, eine Änderung der homosexuellen Einstellung sei spirituell möglich, ja erstrebens- und unterstützenswert, in einer freilich respektvollen Umsetzung nicht einfach gesetzlich verboten werden kann.

Solches Verbotsansinnen ist keineswegs ganz neu. So hielt es Volker Beck von Bündnis 90/Die Grünen, ein früherer Förderer der Legalisierung schwuler und lesbischer Lebensge­mein­schaften, schon 2014 für „besorgniserregend, dass die Bundesregierung alle Gefahren durch ‚Homo-Heiler‘ ignoriert“; seine Partei forderte ein Verbot „von solchen Pseudothe­rapien“ bei Kindern und Jugendlichen. Aber auch Annette Widmann-Mauz von der CDU ließ damals als Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium verlauten, die Bundesregierung lehne – ganz im Sinne des Weltärztebundes – Konversionstherapien strikt ab.

Das ist wiederum die Meinungsfreiheit der Bundesregierung von einst oder auch von heute. Aber solch eine Position vertreten oder sie politisch zum Strafgesetz erheben, das ist zwei­erlei. Bleibt zu hoffen, dass unser Rechtsstaat weiterhin den nötigen Respekt vor anderen Glaubenshaltungen und immerhin christlich zu nennenden Einstellungsvarianten behält, also das von Spahn gewünschte Gesetz in Deutschland nicht Wirklichkeit werden lässt. Soviel Freiheit muss hierzulande sein. Ist es schon soweit, dass von konservativer Seite an Grund­sätze der Liberalität zu erinnern ist?