Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Familien stärken – Kinder fördern – Zukunft gestalten

Donnerstag 14. September 2006 von Evangelischer Arbeitskreis der CDU


Evangelischer Arbeitskreis der CDU

Landesverband Baden-Württemberg

Familien stärken – Kinder fördern – Zukunft gestalten
Argumente für ein neues politisches Paradigma

Resolution der Landestagung vom 18. Oktober 2003 in Stuttgart

1. Familienpolitik als kritische Orientierungsgröße für alle Politik

(1) Die Familienpolitik muss zur Leitlinie aller Politikbereiche werden. Das neue öffentliche Interesse an der Familienpolitik ist zu begrüßen. Es greift aber zu kurz, wenn nicht alle politischen Entscheidungen – die der Außen- und Sicherheitspolitik ausgenommen – darauf hin geprüft werden, ob sie die Familien stärken und Kinder fördern. Vor allem Veränderungen in der Bildungs-, Sozial-, Wirtschafts- und Rechtspolitik sind auf dieses Ziel auszurichten. Das gilt sowohl für politische Veränderungen, die bewusst angestrebt werden, wie auch für solche, die aus sich heraus stattfinden und der begleitenden politischen Gestaltung bedürfen. Am Anfang des dritten Jahrtausends muss die Familienpolitik im Zentrum politischer Aufmerksamkeit stehen; sie darf nicht länger nur ein Schattendasein als Anhängsel der Sozialpolitik führen. Ohne eine grundlegend neue Bewertung der Familienpolitik wird die Wirtschafts- und Sozialpolitik auf Dauer an ihren eigenen Ansprüchen scheitern.

(2) Bei aller ethischen Problematik der In-Vitro-Fertilisation ist die Herausnahme aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen ebenso wie die Herausnahme des Entbindungsgeldes von geradezu symbolischer Bedeutung: Sie ist kein Zeichen für eine geburtenfreundliche Politik. Das Sozialwesen kann nur gesunden, wenn die Geburtenrate steigt.

(3) Die dramatischen demographischen Veränderungen werden die Lebenschancen der bereits jetzt lebenden Kinder nachhaltig verschlechtern. Die demographische Entwicklung, die längst voraussehbar war, wird durch viele gesellschaftliche Faktoren bestimmt. Sie vollzieht sich nicht nach Art von Naturgesetzen. Sie kann und muss vielmehr bewusst gestaltet werden. Auch neue Regelungen bei der Zuwanderung werden die auf die Deutschen zukommenden Probleme nicht lösen können.

Literatur in Auswahl: Herwig Birg, Die demographische Zeitenwende – Der Bevölkerungsrückgang in Deutschland und Europa, Beck’sche Reihe Nr. 1426, München 2001/2002 (2.Aufl.), ISBN 3-406-47552-3; Herter-Eschweiler, Robert, Die langfristige Geburtenentwicklung in Deutschland. Der Versuch einer Integration bestehender Erklärungsansätze zum generativen Verhalten, Schriftenreihe des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung Band 27, Opladen 1998, ISBN 3-8100-2169-5; Meinhard Miegel, Die deformierte Gesellschaft – Wie die Deutschen ihre Wirklichkeit verdrängen, Propyläen Verlag München 2002, ISBN 354907154X; Max Wingen, Bevölkerungsbewusste Familienpolitik – Grundlagen, Möglichkeiten, Grenzen, Publikationen des Instituts für Ehe und Familie Nr. 14, Wien 2003, ISBN 3-900872-10-X (Auslieferung in Deutschland: Vektor-Verlag: www.vektor-verlag.de).

(4) Viele Umfragen zeigen: Die meisten heranwachsenden jungen Menschen wollen heiraten, Familie gründen, Kinder haben. Diesem Idealbild steht eine gesellschaftliche Wirklichkeit gegenüber, die sich in erschütternden Statistiken über Ehelosigkeit, Kinderlosigkeit und Ehescheidungen zeigt. An keinem anderen Lebensideal scheinen so viele Menschen zu scheitern. Man darf dies nicht einfach den Betroffenen anhängen. Vielmehr muss öffentlich und breit darüber nachgedacht werden, welche gesellschaftlichen Faktoren für das Scheitern (mit-) verantwortlich sind und wie diese verändert werden können. Hier werden ökonomische und psychische Ressourcen in einem Ausmaß verschleudert, das unsere Gesellschaft nicht länger verkraften kann. Warum kann unsere Gesellschaft die Voraussetzungen nicht (mehr) bereit stellen, damit die Menschen ihre Werte leben können?

(5) Aus einer im Sommer 2002 im Auftrag des Landkreises Karlsruhe durchgeführten Allensbach-Umfrage bei 507 Personen, davon 300 Frauen („Neue Wege der Familienförderung“; Medien-Information Nr. 164, 10.7.02): 91 % beschreiben die Familie als ihr Lebenszentrum, 79 % möchten Kinder haben, für 75 % ist ein glückliches Familienleben der größte Wunsch. Untersuchung CDU-Projekt 21 (www.cdu.de/projekt21/familie/fakten): 30 % der Frauen in Deutschland haben keine Kinder, im Westen sogar 40 % der 35-39jährigen Akademikerinnen. Gemäß einer in Idea-Spektrum (20 / 2001, 12.12.01, S. 13) wiedergegebenen Untersuchung von „Focus“ endeten im Jahr 2000 194408 Ehen vor Gericht; über 148000 Kinder waren betroffen. Unter den Stressfaktoren für Kinder nimmt mit 84 % die Scheidung der Eltern nach dem Tod eines Elternteils (91 %) den zweiten Platz ein. 20 % der 3-6jährigen Kinder hat zumeist infolge der Scheidung der Eltern Störungen wie extreme Aggressionen, Hyperaktivität, depressive Verstimmungen, psychosomatische Probleme. Die schulischen Leistungen der Kinder fallen stark ab, die Beziehungsängste und das eigene Scheidungsrisiko der Scheidungskinder nimmt zu.

(6) Deutschland steht in einer Phase der nötigen Neuordnung seiner sozialen Sicherungssysteme. Sie sind überlastet, weil sie seit Jahren zunehmend mit Leistungen belastet werden, die früher die Familien erbracht haben. Insofern ist es sachgerecht, wenn jetzt im Zusammenhang mit der Diskussion über die sozialen Sicherungssysteme eine Diskussion über die Familienpolitik aufgekommen ist. Denn je besser Familienleben gelingt, desto weniger müssen öffentliche Sicherungssysteme in Anspruch genommen werden. Die neue familienpolitische Diskussion würde aber ins Leere gehen, wenn sie fundamentale Wertentscheidungen ausklammern würde. Denn für die Zukunft der Gesellschaft sind noch wichtiger als die materiellen Leistungen die kulturellen Wertschöpfungen der Familien: Lebensgewissheit, Zukunftshoffnung, Einübung von Verlässlichkeit, Rücksichtnahme, Verantwortungsbereitschaft. Ohne diese Werthaltungen wird die Neuordnung der sozialen Sicherungssysteme nicht gelingen, sondern in neidbestimmtem Geschacher um Besitzstände verkommen. Ehen und Familien sind in jeder Hinsicht die Daseinsgrundlagen der Gesellschaft.

(7) Der Generationenvertrag ist keine Erfindung der Neuzeit. Neu ist, dass er nicht mehr über direkte Handreichungen erfüllt wird, sondern über Geldtransfers mit Hilfe der sozialen Sicherungssysteme. Von diesen profitieren auch solche Menschen, die willentlich auf Kinder verzichten und damit die Voraussetzungen der sozialen Sicherungssysteme beschädigen. Die derzeitige Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme macht es nicht mehr nötig, um der eigenen Zukunft willen Kinder zu haben. Kinder aufzuziehen gilt weithin als reine Privatangelegenheit; dies ist ein gesellschaftlicher Fundamentalirrtum.

2. Familienpolitik und die „neuen Lebensformen“

(8) Familie meint den Daseinszusammenhang verheirateter Eltern mit ihren Kindern und nicht nur eine Verantwortungsgemeinschaft verschiedener Lebensentwürfe zusammen mit Kindern. Die dauerhafte und verbindliche Zuordnung von Mann und Frau in der Ehe ist der bestmögliche Schutzraum der Familie. Mit dem Schutz der Ehe fällt ein wesentlicher Schutz der Familie. Zugleich gilt umgekehrt: Die Familie ist der bestmögliche Gestaltungsraum der Ehe. Förderung der Familie ist insofern auch Förderung der Ehe.

(9) Schon immer gibt es Abweichungen von diesem Ideal: Alleinlebende, kinderlose Eheleute, Unverheiratete mit und ohne Kinder, Geschiedene mit und ohne Kinder, Wiederverheiratete mit und ohne Kinder aus früheren Ehen und aus der neuen Ehe, Alleinerziehende usw. Insofern sind die „neuen“ Lebensformen nicht grundsätzlich neu, jetzt aber quantitativ so erheblich, dass sie nicht übersehen werden dürfen. Unter den Abweichungen vom Ideal gab und gibt es freiwillige und unfreiwillige. Immer hatte sich aber das Ideal als eine Art sozialwirksames Leitbild durchgehalten. Es hat abgesichert, dass man mit der Beweglichkeit der äußeren Formen umgehen konnte. Jetzt aber orientiert sich das öffentliche Interesse (v. a. in den Medien und im Recht) zunehmend einseitig an der Beweglichkeit der äußeren Lebensgestaltung und nicht mehr an dem Leitbild selbst und seinem Gelingen. Man kann mit den Abweichungen vom Ideal nur verantwortlich umgehen, wenn man das Ideal selbst nicht als beliebig erklärt und zur Disposition stellt. Wenn alles gleich gültig ist, wird alles gleichgültig.

(10) Die Sprache drückt die Orientierung am fernen Ideal aus: „Ehe ohne Trauschein“, „Onkel-Ehe“, „Ein-Eltern-Familie“, Patchwork-Familie“, „Wochenendfamilie“,

(11) Es ist weder korrekt noch hilfreich, in diesem Zusammenhang den Toleranzgedanken zu bemühen und alle Lebensweisen auf eine Ebene stellen zu wollen. Dann kann das Spezifikum der jeweiligen Lebensgestaltung nicht mehr erkannt werden. Toleranz setzt Profil voraus. Alles auf eine Ebene zu stellen, ist nicht Ausdruck von Toleranz, sondern von Entscheidungs- und Denkscheu, von Gleichgültigkeit und Flucht vor Dialog und Verantwortung. Indem die Beliebigkeit für verbindlich erklärt wird, widerlegt sie sich selbst.

(12) Internationale empirische Studien weisen aus, dass die ehebegründete Familie aus benennbaren Gründen die relativ beste Option der Lebensführung für Mann und Frau mit ihren Kindern darstellt. Hier sind Menschen unverwechselbar in Freud und Leid, in Bedürfnissen und Nöten einander zugeordnet und aufeinander angewiesen. Hier wird man unausweichlich in ein Verantwortungsverhältnis gesetzt und zu Entscheidungen herausgefordert. Man kann nicht ohne weiteres voneinander weglaufen oder aus gemeinsamen Problemen und Konflikten fliehen. In der Familie muss man sich stellen, kann aber auch davon ausgehen, dass die anderen Familienmitglieder sich entsprechend verhalten. In der Familie erlebt man Verfehlung und Scheitern ebenso wie Vergebung und Neuanfang. Die Weitergabe und Weiterbildung von Wertvorstellungen, von Traditionen und Brauchtum, von Rückhalt, Geborgenheit und Liebesfähigkeit erfolgt oder unterbleibt hier in einer anderweitig nicht einholbaren Weise. Es geht um Dauer im Wechsel der Verhältnisse, nicht um dauernden Wechsel, um Leben in Gewissheit, nicht um Leben unter Vorbehalt und auf Abruf. . Andere gesellschaftliche Instanzen wie Schule, Vereine, Verbände oder Parteien sind auf die Leistung der Familie angewiesen. Die kleineren Einheiten gehen nicht in den größeren auf, sondern ermöglichen sie erst. Die Familie ist die vitale Grundeinheit der Gesellschaft.

(13) Gemäß einer amerikanischen Langzeitstudie bezeichnen sich als „sehr glücklich“: 40 % der Verheirateten, jeweils 24 % der in unehelichen Lebensgemeinschaften oder als Single Lebenden, 22 % der Verwitweten, 18 % der Geschiedenen. Die Kinder verheirateter Eltern seien in der Schule erfolgreicher, gesünder, würden seltener alkohol- und drogensüchtig als die aus anderen Verhältnissen stammenden Altersgenossen. Mädchen aus geschiedenen oder nichtehelichen Lebensgemeinschaften würden dreimal häufiger ungewollt schwanger und ließen sich später eher auch selbst scheiden als diejenigen aus intakten Elternhäusern. Verheiratete Männer zeigen am Arbeitsplatz mehr Engagement, kündigen seltener, sind gesünder. Die Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Todes „in den besten Jahren“ sei bei alleinlebenden, geschiedenen, verwitweten Männern zweimal, bei Frauen eineinhalbmal so groß. Jungen aus Einelternfamilien begehen im Alter ab 30 Jahren doppelt so häufig Verbrechen wie aus intakten Familien stammende Männer (Idea-Spektrum 2002 / 15, 10.4.02, S. 13).

(14) Der Staat hat nicht die Aufgabe, unter moralischen Gesichtspunkten die Lebensentscheidungen der Menschen im Einzelnen beeinflussen zu wollen. Er kann aber sehr wohl Ehe und Familie privilegieren, wenn dieses in seinem eigenen Interesse liegt. Das ist der Fall. Die Leistungen, die Ehe und Familie für das Gemeinwesen erbringen, sind in aller Regel wirksamer als die aus den anderen Lebensgestaltungen. Darum kann der Staat nicht nur Ehe und Familie privilegieren, er muss es sogar aus seinem eigenen Interesse heraus. Die Privilegierung von Ehe und Familie geschieht also nicht, wie oft behauptet wird, um nichteheliche Verbindungen zu diskriminieren, sondern um die Leistungen zu würdigen, die in Ehe und Familie für die Zukunft des Gemeinwesens und für sein Wohlergehen erbracht werden. Am Wohlergehen des Gemeinwesens partizipieren auch die „neuen“ Lebensformen.

(15) Weil die Erfahrung lehrt, dass Kinder in den neuen Lebensformen weniger gute Zukunftsprognosen als Kinder in vollständigen Familien haben, ist deren Förderung als wichtige soziale Aufgabe zu begreifen. Je besser es gelingt, die Zukunft der Kinder zu fördern, desto weniger müssen die neuen Lebensformen kompensatorisch idealisiert werden. Es ist darauf zu bestehen, dass der Begriff „Familie“ im strengen Sinne für miteinander verheiratete Eltern eigener (und ggf. adoptierter) Kinder gebraucht wird. Sonst widerfährt gerade den Kindern aus den neuen Lebensformen in ihren schwierigen Lebensbedingungen nicht die nötige Aufmerksamkeit und Gerechtigkeit.

 (16) Gesetzliche Regelungen, die den Leitbildcharakter von Ehe und Familie im gesellschaftlichen Bewusstsein und in der alltäglichen Praxis gefährden, sind veränderungsbedürftig. Werden bestimmte „neue“ Lebensformen wie z. B. die gleichgeschlechtliche Partnerschaft besonders gefördert, führt das zur Diskriminierung anderer solidarischer Lebensweisen abseits von Ehe und Familie (z. B. Zusammenleben Geschwistern oder von Kindern mit ihren <pflegebedürftigen> Eltern). Alle nur denkbaren Lebensformen in ihrer ideellen und rechtlichen Stellung Ehe und Familie weitgehend oder völlig gleichzustellen, würde die Privilegierung von Ehe und Familie aushöhlen und faktisch beenden. Dann entspricht der Besonderheit der Leistung für die Allgemeinheit und des für diese erbrachten Verzichts auf gewisse individuelle Vorteile keine besondere Würdigung und kein Nachteilsausgleich durch die Allgemeinheit.

(17) Es ist völlig abwegig, die Probleme homosexueller Menschen im Zusammenhang der Familienpolitik verhandeln zu wollen. Denn hier geht es nicht um neue Lebensformen im Verhältnis von Mann und Frau und in der Geschlechterfolge. Darum ist die politisch allein zulässige Frage, ob gegenseitige Verlässlichkeit und Verantwortung in solchen Partnerschaften durch staatliche Maßnahmen gestärkt werden sollen. Der Staat hat nicht die Aufgabe, für jede beliebige Beziehung unter Menschen eine Rechtsform zur Verfügung zu stellen. Eine weitere Frage könnte sein, ob diese Minderheit – wie andere Minderheiten auch – vor Diskriminierung geschützt werden muss. Bejahendenfalls darf das aber nicht – wie geschehen – durch Annäherung an das Eherecht erfolgen.

3. Konkrete Beispiele familienpolitischer Neuorientierung

(18) Es gibt inzwischen viele Vorschläge, mit deren Hilfe eine familienpolitische Neuorientierung zum Bewusstsein und zur Wirkung gebracht werden kann. Die Zeit ist reif, sie in die Tat umzusetzen. Eine durchgreifende gesellschaftliche Veränderung wird aber erst dann eintreten, wenn nicht nur einzelne Vorschläge verfolgt und realisiert werden, sondern ein politisches Gesamtkonzept entwickelt wird, in dem sich die einzelnen Vorschläge gegenseitig stützen und fort führen und so auch unbeabsichtigte Nebenwirkungen einzelner Maßnahmen vermieden oder abgeschwächt werden. Ein Gesamtkonzept kann zudem stufenweise leichter realisiert werden als punktuelle Einzelvorschläge.

(19) Die folgenden Beispiele sind in dieser Perspektive gründlich zu prüfen:

Ergänzung des Ehegattensplittings im Steuerrecht zugunsten eines Familiensplittings (Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes hatte Ehen im Blick, die sich auf natürliche Weise zur Familie erweitern, weil Eheschluss und Kinderwille als identisch angesehen wurden).

Einfügung einer „Kinderkomponente“ bei der Arbeitslosenunterstützung,

Änderung der allgemeinen Eigenheimförderung zugunsten einer solchen nur für Familien oder Erhöhung der Beihilfen für die Nutzung von Wohnraum durch Familien.

deutliche Profilierung des Leitbildes Ehe und Familie in den Lehrplänen der

Schulen und Aufklärung über die demographische Entwicklung

Förderung von Einrichtungen, die von Familien zu ihrer Entlastung in Anspruch

genommen werden können (Familienferienstätten, Familienbildungsstätten,

Kurse der kommunalen und kirchlichen Bildungsträger zur Ehevorbereitung

und Kindererziehung); Individualförderungen sollten den finanziellen Spiel-

raum zur Nutzung solcher Angebote eröffnen und müssen daher im Interesse

des Gemeinwohls zweckgebunden (für Kultur, Bildung, Rekreation u. a.)

vergeben werden.

 Wahlrecht für Familien (Eltern nehmen von Geburt an nach Absprache die Stimmen ihrer Kinder bis zu deren Erreichen des Wahlalters wahr);

Wegen der Vorbildwirkung auf jüngere Menschen darf das Eingehen einer (zweiten) Ehe für Verwitwete nicht deshalb erschwert werden, weil diese den Verlust oder die Minderung ihrer Rentenansprüche befürchten müssen.

(20) Wenn man davon ausgeht, dass Familienförderung auf Dauer die wirksamste Entlastung der sozialen Sicherungssysteme bewirkt, dann ist es nicht illusionär, sondern sehr realistisch, für die Rentendiskussion folgende Forderungen zu stellen:

Ausbau des Rentenanspruchs aufgrund von Kindererziehungszeiten

Berücksichtigung der Kindererziehung bei den Beitragszahlungen der Eltern zur Rentenversicherung

Nichtbesteuerung des Existenzminimums für jede mitveranlagte Person innerhalb des familiären Haushalts

in einer weiteren Stufe: Zuweisung eines steuer- und versicherungsrelevanten monatlichen Familiengehalts in angemessener Höhe

Begründung von Rentenanwartschaften für Pflegemütter aus (kommunalen) Sozialetats

Begründung von Rentenanwartschaften für Ganztagesmütter aus (kommunalen) Sozialetats

(21) Gesetzgebung und Rechtsprechung bilden Bewußtsein in der Bevölkerung. Sie sind darauf hin zu befragen und ggf. zu korrigieren, ob sie den Willen zum Kind stärken oder eher schwächen. Ein Beispiel: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts handelt es sich bei der Abtreibung um ein Unrecht. Gleichwohl hat sich im Sprachgebrauch und im Denken die Auffassung eingestellt, es bestehe ein Recht auf Abtreibung.

4. Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbsarbeit

 (22) Die Diskussion über die Berufstätigkeit von Frauen und insbesondere von Müttern hat vielfältige Aspekte. Frauen haben heute höhere Ausbildungsabschlüsse als früher und damit verbunden auch höhere Ansprüche an ihre persönliche Lebensgestaltung. Die in die Ausbildung investierten Ressourcen kommen der Kindererziehung zugute, werden aber ebenso im Bereich von Wirtschaft und Dienstleistung benötigt. Frauen, die sich in beruflichen oder ehrenamtlichen Aufgaben bewähren, stärken das Verantwortungsgefüge in der Gesellschaft. Es gibt aber auch Frauen, die ergänzend zu ihren Männern eine Erwerbsarbeit aufnehmen müssen, um den Lebensunterhalt der Familie zu sichern, weil ein angemessenes Erziehungseinkommen bisher fehlt. Und es gibt Alleinerziehende, für die sich die Frage, ob sie einer Erwerbsarbeit nachgehen wollen oder nicht, überhaupt nicht stellt, weil sie aus wirtschaftlichen Gründen einfach arbeiten müssen. Die Ausgangslagen sind also sehr unterschiedlich. Darum ist nicht zu erwarten, dass eine einheitliche Lösung für alle Probleme gefunden werden kann.

(23) Die Formel „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ist verführerisch. Sie lässt nämlich die Vorstellung aufkommen, dass die Arbeit in der Familie gegenüber der Erwerbsarbeit in einem Beruf geringerwertig sei. Darum muss sie durch die Doppelformel „Familienarbeit als Beruf“ und „Erwerbsarbeit als Beruf“ ersetzt werden. Es darf dann aber nicht bei sprachlichen Veränderungen bleiben. Wird Familienarbeit als Berufstätigkeit verstanden, dann muss das Auswirkungen im Arbeits- und Sozialrecht (Erziehungsgehalt, Krankenversicherung, Rente) haben. Langfristig wird der volkswirtschaftliche Nutzen einer Behandlung der Familienarbeit als Erwerbsarbeit den gegenwärtigen finanziellen Einsatz rechtfertigen.

 (24) Es ist klar, dass Familienarbeit nicht nur Aufgabe von Frauen sein kann, sondern ebenso auch Aufgabe von Männern sein muss. Schon jetzt haben viele Väter das Bedürfnis, stärker in die Familienarbeit eingebunden zu werden. Sie sind als Bezugspersonen für die Identitätsfindung der Kinder ebenso wichtig wie die Mütter. Bis eine paritätische Aufgabenverteilung erreicht ist, wird es lange, zu lange dauern. Schon jetzt haben sich Teildienstverhältnisse bewährt. Sie wären weiter zu fördern. Die Entwicklung der Kommunikationstechnologie kann zum Teil zur Einrichtung häuslicher Arbeitsplätze genutzt werden. Für viele Frauen (und für die wenigen Männer in Familienarbeit) ist ein Phasenmodell von Erwerbsarbeit, Familienarbeit und späterer Wiederaufnahme der Erwerbsarbeit eine positive Leitvorstellung. Dazu bedarf es aber stützender Bildungsmaßnahmen, um den Anschluss an die Fortentwicklung des Erwerbsberufs sicher zu stellen, und – eigentlich noch wichtiger – der Einsicht vor allem der Arbeitgeber, dass Frauen mit Erfahrungen in der Familienarbeit aus dieser Kompetenzen mitbringen, die höchst wertvoll für berufliche Tätigkeiten in der Erwerbsarbeit sind und zumeist nur in der Familienarbeit erworben werden können.

(25) Es gibt Erfahrungen und Untersuchungen, die belegen, dass in der Arbeitswelt Flexibilisierungen möglich sind, die Familien stärken und die Erziehung von Kindern fördern. Die Sicherung und Stärkung des in Familien entstehenden und dort zu formenden Humanvermögens kommt der Wirtschaft selbst unmittelbar zugute. Ihre Zukunft ist auf Menschen angewiesen, die mündig und entscheidungsfähig sind. Die Ausbildung solcher Menschen in den Familien zu fördern, ist kein Akt sozialer Wohltätigkeit der Wirtschaft, sondern die kluge Befestigung ihrer eigenen Zukunftsvoraussetzungen.

Literaturhinweis: Hans-Günter Krüsselberg und Heinz Reichmann (Hrsg.), Zukunftsperspektive Familie und Wirtschaft: vom Wert von Familie für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, Grafschaft 2002, ISBN 3-929304-42-2

(26) Grundsätzlich zu unterstützen ist die Förderung von Alleinerziehenden. Ohne diese Förderung würde die Neigung zur Abtreibung sicher steigen. Allerdings: alleinerziehende Elternteile mit einem Kind stehen in Bezug auf das frei verfügbare Einkommen heute oft besser da als Haushalte von Ehepaaren mit einem Kind oder gar mehreren Kindern. Die relativ gute finanzielle Ausstattung der Alleinerziehenden-Haushalte ist insofern berechtigt, als die finanzielle Möglichkeit bestehen muss, Betreuungspersonal anzustellen, um als Elternteil selbst einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Andererseits gibt es Fälle, in denen tatsächlich eine dauerhafte Beziehung zu dem anderen Elternteil oder einer anderen Person eingegangen wird, die Eheschließung aber bewußt vermieden wird, um die finanzielle Privilegierung nicht zu verlieren. Diese Fälle müssen durch entsprechende gesetzliche Regelung vermieden werden.

(27) Alleinerziehende Elternteile mit einem Kind verfügen in Deutschland durchschnittlich über 10775 Euro frei verfügbares Haushaltseinkommen pro Jahr für zwei Personen gegenüber 4187 Euro für drei Personen bei Ehepaaren mit einem Kind. Den Familien steht mit steigender Kinderzahl immer weniger Geld zur Verfügung, wenn man vom gleichen Bruttoeinkommen ausgeht: z. B. 836 Euro bei einem Ehepaar mit zwei Kindern gegenüber 10810 Euro bei einem Alleinstehenden ohne Kinder („Idea-Spektrum“ 2002 / 11, 13.3.02, S. 16). Problematisch ist die Regelung, der gemäß die Ausgaben für Hausangestellte oder außerhäusliche Betreuungseinrichtungen steuerlich geltend gemacht werden können oder bezuschusst werden, nicht aber der finanzielle und zeitliche Aufwand der Eigenerziehung der Kinder durch die Eltern.

(28) Es ist dringend nötig, die materiellen Aspekte der Familienarbeit neuen Lösungen zuzuführen. Darüber darf aber das Bewusstsein nicht abhanden kommen, dass Familienarbeit auf Dauer in ganz besonderer Weise Glück und Befriedigung vermittelt. Mit der Rede von Kindern als „Armutsrisiko“ ihrer Eltern wollen wohlmeinende Förderer der Familien eine Besserung von deren Situation erreichen. Sie bewirken aber eigentlich das Gegenteil. Denn diese Rede verstellt, dass in der Zuwendung zu Kindern und ihrer Hinführung in die Welt der Erwachsenen Erfahrungen und Selbsterfahrungen gesammelt werden, die in ihrem Wert materiell gar nicht erfasst werden können.

5. Zur Frage der Ganztagesschulen

(29) Mit Sicherheit wird die seitens der Bundesregierung geplante flächendeckende und verpflichtende Einführung von Ganztagesschulen nicht die allgemeine familien- und bildungspolitische Lösung sein, als die sie größtenteils auch in den Medien ausgegeben wird. Ganztagesschulen greifen in das Leben der Familien ein. Sie werden von verschiedenen Seiten in Folge der Ergebnisse der Pisa-Studie gefordert. Das heisst: Familienpolitik wird zur Funktion von Bildungspolitik. Es muss umgekehrt sein: Bildungspolitik hat Familienpolitik zu stützen und zu fördern. So wie das Projekt Ganztagesschule derzeit vorangetrieben wird, dient es eher den Interessen von Erwachsenen als den Interessen der Kinder. Es besteht die Gefahr, dass Ganztagesschulen leicht als bessere Aufbewahranstalten für Kinder angesehen werden. Im Übrigen zeigen die internationalen und nationalen Pisa-Ergebnisse, dass die Ganztagesschulen kein Allheilmittel gegen schlechte Leistungen von Schülerinnen und Schülern sind.

(30) Länder wie Österreich mit einem Halbtageschulsystem liegen in der internationalen Rangfolge zum Teil deutlich vor Deutschland. – Bayern als Bundesland mit den wenigsten Ganztagesschulen in Deutschland wurde im nationalen Vergleich Klassenprimus. – Der Vergleich mit dem bei PISA nur geringfügig besser abgeschnittenen Nachbarland Frankreich kann ebenfalls nicht befriedigen. Die dortige Form der Ganztagesschule ermöglicht den Kindern lediglich an dem schulfreien Mittwoch Nachmittag den Besuch von Kursen in Musikschulen, von Ãœbungsstunden in Sportvereinen, von Jugendveranstaltungen der Kirchen. Allein am Mittwoch Nachmittag sind Arztbesuche der Kinder mit ihren Eltern möglich. Dem eindrucksvollen Aufstieg von Müttern in hohe berufliche Positionen steht also eine häufig übersehene Belastung der Familien gegenüber, die in Deutschland nicht wahrgenommen wird. Noch ist nicht untersucht, ob die zunehmend beobachtete Anwendung von körperlicher Gewalt gegen Kinder durch ihre Eltern damit zusammen hängt, dass Familien mit schwierigeren Erziehungsaufgaben überfordert sind, weil sie sich in einfachere Erziehungsaufgaben gar nicht einüben konnten. – Die Ganztagesschulen in Großbritannien haben das Zweiklassenschulsystem weiter zementiert. – Der PISA-Test-Sieger Finnland hat großenteils keine Ganztagesschulen, sondern Gesamtschulen mit Mittagstisch, was vor allem wegen der besonderen Besiedelungsstruktur dieses Landes nötig ist.

(31) Es ist nachweislich auch nicht so, dass – wie oft behauptet – mehr Plätze für die Ganztagsbetreuung zu einer höheren Geburtenrate führen. In den neuen Bundesländern stürzte nach der Wende die Geburtenrate ab, obwohl sich die Struktur der Ganztagsbetreuung noch auf DDR-Niveau halten konnte. Brandenburg hat eine Ganztagskrippenquote von über 50 Prozent, aber eine geringere Geburtenrate als Bayern mit einem Versorgungsgrad von 3 bis 5 Prozent (vgl. Presseerklärung des Heidelberger Büros für Familienfragen und Soziale Sicherheit vom 08.09.2003).

(32) Nach Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes hat der Staat darüber zu wachen, ob die Eltern Recht und Pflicht zur Betreuung und Erziehung ihrer Kinder wahrnehmen, nicht aber, diese an sich zu nehmen. Es gibt allerdings – aus welchen Gründen auch immer – mit der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder überforderte Eltern oder Alleinerziehende. In sozialen Brennpunkten und bei bestimmten Schularten kann es erforderlich sein, dass der Staat über die Bildungsaufgabe hinaus Betreuungs- und Erziehungsaufgaben übernimmt und anbietet. Dies kann entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip nur in Form eines offenen Unterstützungsangebots geschehen, das attraktiv ausgestaltet werden muss, weil die Teilnahme daran vom Staat grundsätzlich nicht erzwungen werden kann. So gesehen, reagiert die Ganztagesschule auf eine besondere gesellschaftliche Herausforderung. Notwendig ist dann – wie nachfolgend in anderen Aufgaben gefordert – die entschlossene Kooperation mit freien Trägern.

(33) Anders ist die Situation bei den Eltern, die flexible Entlastungen und Unterstützungen benötigen, punktuell, aber verlässlich. Die „Verlässliche Grundschule“ in Baden-Württemberg mit ihrem Ansatz bei der Freiwilligkeit und Flexibilität ist dafür ein gut gelungenes Beispiel. Ihr Ausbau wäre zu fördern. In diesem Bereich könnten intensivere Kooperationen mit freien Trägern organisiert werden: Kirchengemeinden, Sportvereine, Gesang- und Musikvereine, Technische Hilfswerke, Freiwillige Feuerwehren, Rotes Kreuz, DLRG usw. bilden oft genug aus eigenen Interessen Jugendgruppen; Musikschulen wären in solche Kooperationen einzubeziehen. Mit Sicherheit wären solche Kooperationen näher an den Erwartungen der Menschen und kostengünstiger.

 (34) Wenn Schulpolitik Familienpolitik zu stützen und Familien zu stärken hat, dann gibt es vorrangig eine Aufgabe, die zentral und elementar ist: die Einbeziehung der Hausaufgaben in den Vollzug des schulischen Lernens. Die Erledigung der Hausaufgaben wird in den bildungsfähigen und –willigen Familien zu einer immer größeren Belastung, in sozialen Brennpunkten schlicht nicht wahr genommen, was zu einem immer stärkeren Auseinanderdriften der gesellschaftlichen Gruppen führt. Hier hätte die Schulpolitik anzusetzen und ureigene Aufgaben wahrzunehmen.

(35) Die weitere Diskussion über zukunftsfähige Schulformen darf nicht dazu führen, dass der Wunsch nach staatlicher Rundumversorgung für das persönliche Leben weiter zunimmt. Denn schon jetzt kann der Staat seine bisherigen Aufgaben nicht finanzieren.

(36) Die Lösung großer Probleme durch staatlichen Zentralismus führt tendenziell zu einer Hängemattenmentalität. Dem einzelnen Bürger wird die Möglichkeit zur eigenständigen Aktivität und Gestaltung, zur Verantwortung und Bestätigung und die Wahrung seiner Würde als Einzelperson genommen. Es wird der Mentalität Vorschub geleistet, Verantwortung abschieben zu wollen. Man versucht dann, alles an staatlichen Leistungen in Anspruch zu nehmen, was man nur irgendwie erlangen kann – unabhängig von einem tatsächlichen Bedarf. Der Sozialstaat wird zu einem Selbstbedienungsladen pervertiert. Demgegenüber muss der Begriff des Sozialen anders definiert werden: es geht nicht zuerst um das, was der Staat für seine Bürger tut, sondern wie der Staat den Bürgern hilft, Leistungen für die Allgemeinheit zu erbringen. Diese erbrachte Leistung sollte im Sinne des Subsidiaritätsprinzips vom Staat unterstützt und gewürdigt werden.

6. Nachhaltige Familienpolitik

(37) Diese Überlegungen laufen darauf hinaus, den in der ökologischen Diskussion bewährten Begriff der Nachhaltigkeit auch in der Familienpolitik zur Wirkung zu bringen. Unsere gesellschaftliche Zukunft entscheidet sich nicht nur an der Eindämmung oder Überwindung äußerer Bedrohungen und Mängel, sondern auch an der Analyse und Bekämpfung innerer Bedrohungen. Die soziale Kommunikation bedarf in der Generationenabfolge aufmerksamer Pflege. Der Verlust von Wertorientierungen mag für eine jeweilige Generation unerheblich erscheinen, wirkt sich aber in der Generationenabfolge mit dann weiteren Wertverlusten existenzgefährdend für eine Gesellschaft aus. Dem wirken Familien mit ihren generationenübergreifenden Leistungen nachhaltig entgegen. Sie wieder zu entdecken und konsequent zu fördern, ist die vorrangige politische Aufgabe der Gegenwart. Es gibt – im Positiven wie im Negativen – auch eine soziale und kulturelle Nachhaltigkeit. Familien stehen – besser als jede andere Lebensform – für positive soziale und kulturelle Nachhaltigkeit. Denn sie sichern die Generationenfolge und damit die Zukunft der Gesellschaft.

(38) Christliche Theologie und Kirche haben diese Zusammenhänge mit der Vorstellung ausgedrückt, dass der Mensch Teilhaber an Gottes Schöpfungshandeln ist. Darin ist der Glaube wirksam, dass Schöpfung nicht einfach der Anfang von Geschichte ist, sich vielmehr fortdauernd die Geschichte begleitend vollzieht. In dieser Perspektive kommt dem Menschsein höchste Würde zu und zwar gerade als Menschsein in der Gemeinschaft, wofür Mann und Frau als Eltern mit Kindern exemplarisch stehen. In biblischer Perspektive ist die generative Tätigkeit ein integraler Bestandteil des Kulturauftrags des Menschen.

(39) Eine innere Bedrohung stellt die physische Auszehrung der Gesellschaft durch eine zunehmende Überalterung dar. Die Lastenverteilung zwischen den Generationen gerät dadurch aus den Fugen und führt geradezu notwendig zu einer Entsolidarisierung. Als ebenso bedrohlich erscheint der zunehmende Verlust an ethischer Orientierung. Die sich selbst überlassene Freiheit entwickelt zentrifugale Kräfte. Der gesellschaftliche Zusammenhalt, der Minimalkonsens über kulturelle Identitätselemente und ethische Mindeststandards wird gesprengt, die Gesellschaft atomisiert. Wird Freiheit als Beliebigkeit verstanden, wird der Preis der Freiheit (Bindung, Außenbezug) gescheut, so ist der Mensch nicht mehr zur Freiheit befreit (Galaterbrief 5, 1), sondern zur Freiheit verdammt. Er muss sich immer wieder selbst befreien und scheitert doch immer wieder an sich selbst. Indem unterschiedene Bezugspunkte, vorgängige Normen und Bindungen abgelehnt oder für veränderlich gehalten werden, verliert der Mensch seine Unverfügbarkeit und macht sich zum Spielball wechselnder Interessen. Werteerziehung, wie sie primär in der Familie, sekundär dann auch in der Schule, in den Kirchen, in den Medien, in gesellschaftlichen Vollzügen stattfinden sollte, kann dem entgegenwirken. Die Orientierung an bleibenden Werten statt am jeweiligen Verhalten und an Besitzständen ermöglicht lebensdienliche Veränderung. Nur ein solches wertekonservatives Denken ist im eigentlichen Sinne progressiv und zukunftsbezogen!

(40) Der Familienpolitik werden derzeit hohe Erwartungen entgegengebracht. Sie leidet aber seit langem wie kaum ein anderer Politikbereich an einer verstellten Wahrnehmung der Realitäten. Die nötigen Veränderungen können jedoch nur herbei geführt werden, wenn die Realitäten deutlich wahrgenommen werden. Dazu gehört auch, sich zu falschen Weichenstellungen und zu falschen Einschätzungen in der Vergangenheit zu bekennen.

(41) Für den Evangelischen Arbeitskreis der Union (EAK) ist die christliche Sicht des Menschen, seiner Geschichte und der Welt verpflichtend. Diese hat die abendländische Kultur herauf geführt, die wiederum die Entwicklung der politischen Institutionen bewirkt hat. Dabei kam es im Raum und auch im Namen des Christentums zu schlimmen Abweichungen vom spezifisch Christlichen und auch zu eklatanten Widersprüchen zu ihm. Immer aber hatte das Christentum genügend Kraft in sich, die eigenen Fehlentwicklungen zu korrigieren. Darum ist der Evangelische Arbeitskreis der Union zutiefst davon überzeugt, dass die ihn tragenden Überzeugungen zu einer zukunftsfähigen und zuverlässigen Politik führen. Sie ist in sich selbst plausibel. Deshalb bedarf die Zustimmung zu ihr nicht unbedingt eines persönlichen christlichen Glaubens. Denn sie ist Politik im Interesse der Allgemeinheit.

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 14. September 2006 um 19:54 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Gesellschaft / Politik.