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Um die Wahrheit betrogen: Offener Brief von Pastor Uwe Holmer an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

Mittwoch 15. Mai 2019 von Pastor Uwe Holmer (1929-2023)


Pastor Uwe Holmer (1929-2023)

Verehrter Herr Minister Jens Spahn,

es ist still geworden um Ihr Vorhaben, das Post-Abortion-Syndrom, die möglichen seelischen Schäden nach einer Abtreibung, näher zu untersuchen. Es gab ja auch Stimmen, die Ihre Absicht ablehnen. Man meinte, es sei zu teuer, und außerdem werde dadurch das „Selbstbestimmungsrecht der Frau“ infrage gestellt. Ich frage, wieso eigentlich? Muss die schwangere Frau nicht wissen, worauf sie sich einlässt, wenn sie sich gegen ihr Kind entscheidet und ihm das Leben verweigert? Ich bitte Sie dringend: lassen Sie sich von diesem Vorhaben nicht abhalten. Sie kennen das Problem. Und Sie wissen, dass das Post-Abortion-Syndrom in der Beratung unbedingt zur Sprache kommen muss.

Es ist für die Entscheidung einer schwangeren Frau ganz wichtig. Wie soll sie eine reife Entscheidung treffen, wenn sie um dieses Problem nicht weiß? Ja, nicht nur die werdende Mutter muss darum wissen, ebenso natürlich der Vater, wie auch die sie beratende Familie und die Freunde. Wo dies Problem in einer Beratung nicht vorkommt, wird die Frau bewusst um die Wahrheit betrogen. Viele von uns haben ein begrenztes, persönliches Wissen darum. Wir brauchen aber eine umfassende, wissenschaftlich fundierte Kenntnis über dieses Problem. Das ist Ihr Fachgebiet, Herr Minister! Bestehen Sie darauf!

Ich habe viele Beichtgespräche geführt. Bei etlichen Frauen kam als Erstes: „Ich habe ein Kind abgetrieben“. Eine Frau sagte: „20 Jahre lang ist Dunkelheit in meinem Herzen, seit mein Mann mich bedrängte: Das Kind muss weg.“ So bat sie Gott um Vergebung. Und ich durfte sie von aller Schuld freisprechen. Als wir uns von den Knien erhoben, seufzte sie erleichtert: „Wie bin ich froh, dass das jetzt weg ist!“ Wie will man Schwangere ehrlich beraten, wenn man verschweigt, dass es nach einer Abtreibung möglicherweise zu seelischen Problemen kommen kann!?

Helfen soll man einer Frau, die von diesem Problem umgetrieben wird, sie umfassend beraten, sie begleiten und ggf. auch finanziell unterstützen. Ich will keineswegs behaupten, dass alle Frauen nach einer Abtreibung unter dem Post-Abortion-Syndrom leiden. Aber jede sollte wissen, worauf sie sich einlässt.

Tief bewegend ist das Gedicht von Eva Strittmatter: „interruptio“ (Reclam Leipzig 1985)

Ich muss meine Trauer begraben
Um das ungeborene Kind.
Das werde ich niemals haben.
Dämonen pfeifen im Wind
Und flüstern im Regen und speien
Mir gerade ins Gesicht.
Und mag auch Gott mir verzeihen.
Ich verzeihe mir nicht.
Es hat mich angerufen,
Es hat mich angefleht,
Ich soll es kommen lassen.
Ich habe mich weggedreht.
Es gab mir kleine Zeichen:
Eine Vision von Haar.
Und zwei drei Vogellaute
Eine Stimme von übers Jahr.
Ich hätte es sehen können,
hätt ich es sehen gewollt.
Es war ja in mir entworfen.
Ich aber habe gegrollt
Ãœber die Tage und Jahre,
Die es mir nehmen wird,
Und um meine grauen Haare,
Die Krankheit. Und wahnwitzverwirrt,
Hab ich mich darauf berufen,
Ich sei zum Schreiben bestellt.
Dabei war vielleicht diese Hoffnung
Viel wichtiger für die Welt
Als all meine Selbstverzweiflung
Und die kleinen Siege in grün,
Die ich dem Leben abringe
Und den Dingen, die dauern und fliehn.
Das schwere Recht der Freiheit
Hab ich für mich missbraucht.
Und hab mich für immer gefesselt.
In Tiefen bin ich getaucht,
In Trauer bis zum Irrsinn.
Es brodelt noch neben mir.
Die unsühnbare Sünde
Unterscheidet mich vom Tier.

von Eva Strittmatter

Der Schluss ist voller Reue, die tief erschüttert! Das schreibt keine psychisch labile Frau, sondern eine, die fest im Leben steht. Als Eva Strittmatter dieses Gedicht veröffentlichte, hat sie gewollt, dass viele es wissen und beachten: Abtreibung kann unglücklich machen.

Ich bitte Sie: Bleiben Sie bei Ihrer Absicht. Als Gesundheitsminister sind Sie als Erster verantwortlich für das seelische Wohl der Frauen in unserem Land.

Erwähnen sollte man noch, dass viele Frauen, die sich für ihr Kind entschieden haben, hinterher überglücklich sind.

Glückliche Eltern und glückliche Kinder – das sollte unser Ziel sein!

Verehrter Herr Minister, unsere demokratische Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, warum Sie Ihr Vorhaben nicht fortsetzen.

Hochachtungsvoll Uwe Holmer

Uwe Holmer, Pastor i.R. Am Pfarrhof 24, 18292 Serrahn, 

Serrahn, den 22.03.2019

Quelle: factum-magazin – Mensch, Natur, Glaube – 4/2019 (www.factum-magazin.ch)

 

Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 15. Mai 2019 um 11:06 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Lebensrecht, Seelsorge / Lebenshilfe.