A. Frieden in dieser Weltzeit
1. Ursprung der Jahreslosung
Die Jahreslosungen sind biblische Leitworte für Christen in Deutschland. Sie werden von der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen (ÖAB) mehrere Jahre im Voraus ausgewählt. Die Losung für 2019 stammt aus Psalm 34,15. Dieser Vers lautet vollständig: „Lass ab vom Bösen und tue Gutes; suche Frieden und jage ihm nach“. (01) Die Praxis der Losungen geht auf die Brüdergemeine in Herrenhut (sächsische Oberlausitz) zurück. Ludwig Graf von Zinzendorf (1700 – 1760), der Begründer dieser geistlichen Gemeinschaft, wählte zum ersten Mal ein Bibelwort aus einer silbernen Schale. Daraus entstanden die Tageslosungen. (01)
Die Jahreslosung i.e.S. geht zurück auf den Kirchenkampf im Nationalsozialismus. Begründer war der württembergische Pfarrer und Liederdichter Otto Riethmüller. Er lebte von 1889 bis 1939. Er war Mitglied der Bekennenden Kirche und wollte den NS-Schlagworten Bibelverse entgegenstellen. 1930 wurde von ihm die Tradition der Jahreslosungen begründet. (01)
Der erste Jahrgang wurde 1930 herausgegeben und lautete: „Ich schäme mich des Evangeliums von Jesus Christus nicht.“ (Röm. 1,16)
Die Jahreslosung 2019 entstammt dem Psalm 34. Dieser Psalm wurde vor etwa 3.000 Jahren geschrieben. Verfasst wurde er von dem israelitischen König David. David war auf der Flucht vor seinem Vorgänger Saul. Zwischen David und Saul bestand ein beständiger Zwist.
Der Text der Jahreslosung lässt vermuten, dass der Friede von uns Menschen realisiert werden kann. Dabei wird jedoch häufig übersehen, dass David ein Mann Gottes war. In Zusammenhang mit der Salbung zum König heißt es in 1. Sam. 16,13: „Und der Geist des Herrn geriet über David von dem Tag und weiterhin“.
2. Die Sehnsucht nach Frieden
Die Sehnsucht nach Frieden ist uralt. Wenn wir die Geschichte betrachten, dann überwiegt der Unfriede. Ich erinnere nur an den 30jährigen Krieg (17. Jahrhundert), die beiden Weltkriege im vorigen Jahrhundert, an den derzeitigen Krieg in Syrien und die vielen terroristischen Anschläge in der Welt, auch in den europäischen Ländern. Für Deutschland sei der G20-Gipfel in Hamburg (Juli 2017) erwähnt. Auch in den Schulen nehmen die Konflikte zu. Wie ich einer Predigt entnommen habe, gibt es zur Zeit weltweit 20 Kriege und 385 Konflikte. (02)
Die meisten Menschen; ja – ich glaube alle Menschen – sehnen sich nach Frieden. Konkret erinnere ich nur an die beiden Ereignisse (s. auch 2):
a) Im Jahre 1981 kamen etwa 300.000 Menschen in Bonn zusammen, um für den Frieden und gegen die Aufrüstung und den Nato–Doppelbeschluss zu demonstrieren.
b) Im Jahr 1982 fand der European Song Contest statt. Die Deutsche namens Nicole trat auf und gewann mit ihrem Lied die höchste Punktzahl.
Text (Auszug):
„Ein bisschen Frieden, ein bisschen Sonne für diese Erde, auf der wir wohnen.
Ein bisschen Frieden, ein bisschen Freude, ein bisschen Wärme, das wünscht ich mir.
Ein bisschen Frieden, ein bisschen träumen und dass die Menschen nicht so oft weinen.
Ein bisschen Friede, ein bisschen Liebe, dass ich die Hoffnung nie mehr verlier.
Ich weiß, meine Lieder, die ändern nicht viel. Ich bin nur ein Mädchen, das sagt, was es fühlt.
Allein bin ich hilflos wie ein Vogel im Wind, der spürt, dass der Sturm beginnt.“
(02 u. 03)
Der Vers aus Psalm 34 besagt ja, dass wir das, was der Psalm sagt, offenbar nicht haben, aber außerordentlich erstrebenswert ist. Er sagt, dass wir offensichtlich im Unfrieden leben und fordert uns auf, den Frieden zu suchen und ihm nachzujagen. Da die Jahreslosung aus der Bibel stammt, will ich versuchen, von der Bibel her eine Antwort zu geben.
Ich will hier unterscheiden zwischen dem relativen Frieden und dem absoluten Frieden. Der relative Frieden ist ein Frieden, der von allen Menschen realisiert werden kann, aber jederzeit brüchig ist.
Der absolute Frieden ist ein Frieden, der von Gott kommt und deshalb eine andere Qualität hat. Dieser Friede ist durch Gottes Geist gewirkt. Ich werde mich im Folgenden auf den absoluten Frieden beschränken, da die Jahreslosung als biblisches Wort wohl den absoluten Frieden meint.
Friede nach Wikipedia (Auszug): (04)
Friede ist i. a. definiert als ein „heilsamer Zustand der Stille oder Ruhe, als die Abwesenheit von Störung oder Beunruhigung und besonders von Krieg. Frieden ist das Ergebnis der Tugend der „Friedfertigkeit“ und damit verbundener Friedensbemühungen.“ (04)
Im Judentum hat der „hebräische Begriff „Schalom“ in der Bibel die Bedeutungen „Unversehrtheit“, „wohlbehalten sein“, „sicher sein“, „Glück“, „freundlich miteinander“, „im Frieden“. Schalom ist die Frucht der Gerechtigkeit (Jes. 32,17). „Schalom“ wurde zu einem zentralen Wort im Judentum und ist der gängigste Gruß unter Juden und im heutigen Israel.“ (04)
Im Christentum
„Mit Jesus Christus ist der im AT verheißene Friedefürst (Jes. 9,5) erschienen, welcher die Feindschaft zwischen Mensch und Gott beendet, indem Jesus Christus die Strafe für die Sünde, den Tod, stellvertretend auf sich genommen hat. Gottes Gerechtigkeit schafft wirklichen Frieden (Röm 5,1) Dieser Friede kann für den Menschen Wirklichkeit werden, welcher sich als Sünder weiß und Jesus Christus als seinen Retter und somit persönlichen Friedensbringer annimmt. Erst dieser Friede mit Gott ermöglicht auch den Frieden unter Menschen. … Wenn Jesus Christus wiederkommt, wird er das Friedensreich aufrichten.“ (04)
„Im Neuen Testament nutzt Jesus Christus den Gruß Schalom, um seine Jünger zu begrüßen (Joh. 20,19) und gibt ihnen diesen Gruß auf die Reise mit (Math. 10,12). Die Tugend der „Friedfertigkeit“ im Sinne der Fertigkeit und Bereitschaft, Frieden zu stiften, ist schon in den Seligpreisungen der Bergpredigt zu finden. … In der Bibel ist der Friede auch eine Frucht des Heiligen Geistes, der von Gott auf die Menschen herabkommt (Pfingsten).“ (04)
3. Die Ursache des Unfriedens
In der Bibel besteht der Unfriede unter Menschen seit der Vertreibung aus dem Paradies. Diese Vertreibung aus dem Paradies war die Folge des Ungehorsams der ersten Menschen Gott gegenüber. Der Widersacher Gottes hatte die ersten Menschen zum Ungehorsam gegen Gott verführt. „Die Bibel spricht von der teuflischen, der satanischen Macht“ (05/170). Deswegen sind wir Menschen von uns aus nicht fähig, einen wirklichen und dauerhaften Frieden zu suchen und ihm nachzujagen. „Die Realität des Dämonischen kann mit natürlichen Augen nicht wahrgenommen werden. Denn diese natürlichen Augen sind selbst verfinstert, und zwar eben von der dämonischen Macht her“ (05/182). „Wir Menschen sind Teil der gefallenen Welt .….. In der Offenbarung des Johannes wird der ungeordnete und deshalb preisgegebene Mensch geschildert, der den über ihn kommenden Mächten des Antichristen wehrlos gegenübersteht und ihm Angriffspunkte über Angriffspunkte bietet“ (05/173).
Paulus beschreibt den natürlichen Menschen so (Auszug aus Römer 3):
„Da ist keiner, der gerecht ist, auch nicht einer. da ist keiner, der verständig ist; da ist keiner, der nach Gott fragt. Sie sind alle abgewichen und allesamt verdorben. Da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer. Ihr Rachen ist ein offenes Grab; Mit ihren Zungen betrügen sie, Otterngift ist unter ihren Lippen; Ihr Mund ist voll Fluch und Bitterkeit. Ihre Füße eilen, Blut zu vergießen; auf ihren Wegen ist lauter Schaden und Jammer, und den Weg des Friedens kennen sie nicht. Es ist keine Gottesfurcht bei ihnen.“
(diverse Stellen des Psalters und des Propheten Jesaja)
Diese Verse beschreiben den natürlichen Menschen ohne Beziehung zu Gott. Ich bin immer ganz erschrocken darüber, wie Paulus über uns natürliche Menschen denkt. Wir natürliche Menschen sind stark humanistisch geprägt, wonach der Mensch gut und besserungsfähig ist und vollkommen werden kann auch ohne Gott. Paulus denkt biblisch. Dieser Humanismus einerseits und der christliche Glaube andererseits sind nach Luther streng genommen Gegensätze. Es soll damit der Humanismus nicht pauschal verdammt werden. Es gibt sicherlich einen Humanismus, der zu Gott hinführt, aber auch einen Humanismus, der von Gott wegführt (06/936). Das Thema ist zu komplex, als dass ich es hier behandeln könnte.
Pastor Uwe Holmer: „Wird der Mensch nicht ständig bösartiger, weil er ständig gottloser wird? Paulus stellt fest: In uns ist der Wille, Gutes zu tun. Doch ebenso hängt uns auch das Böse an, solange wir in diesem Leib mit seinen Trieben und Begierden leben. Das ist unser Elend: Gutes und Böses zugleich sind in uns drin. Wir sind zerrissene Leute“ (07). Paulus in Röm. 7,24: „Ich elender Mensch. Wer wird mich erlösen von diesem todverfallenen Leibe? Aber beachten wir: Paulus weiß eine Hilfe und ruft aus: Dank sei Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn!“ (07).
4. Was bedeutet in diesem Zusammenhang die Jahreslosung?
Jesus Christus – der Sohn Gottes – wird als der Friede bezeichnet. Das heißt doch, dass wir an Gottes Frieden Anteil bekommen sollen. Mit dem Frieden Jesu Christi ist auch der Heilige Geist verbunden. Nur wenn wir Christen den Heiligen Geist haben, können wir den Frieden Gottes suchen und ihm nachjagen.
Nun gibt es einen geheimnisvollen Zusammenhang zwischen dem Wort Gottes und dem Heiligen Geist:
Das Wort Gottes und der Heilige Geist gehören derart zusammen, dass der Heilige Geist über das Wort Gottes an uns Menschen vermittelt wird. „Die Schrift selber als Wort Gottes ist Träger und Werkzeug des Heiligen Geistes“ (08/29).
Wir Christen werden uns somit bemühen, uns in den Wirkungsbereich des Wortes Gottes zu begeben, zum Beispiel:
a) Bibel lesen, Gottesdienst besuchen
b) Gebet (Formen: Anbetung, Lob, Bitte, Dank, Beten ohne Worte)
c) Gespräch über biblische Themen
d) Geistliche Musik
Über das Wort Gottes werden wir den Heiligen Geist erhalten; dieser befähigt uns, den Frieden zu suchen bzw. ihm nachzujagen.
Es gilt also folgender Zusammenhang:
Wort Gottes —- Heiliger Geist —- Frieden
Es kommt nicht primär auf die Zugehörigkeit zu einer christlichen Organisation an. Entscheidend ist eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus (vertikale Richtung).
Es muss völlig klar sein, dass der Heilige Geist geschieden werden muss von unserem Geist. Er gehört einer anderen Dimension an. Jedoch wird unser natürlicher Geist durch den Heiligen Geist geprägt.
Luther: „Wie das eine Wort Gottes den Sünder in einer doppelten Anrede, nämlich im Gesetz und Evangelium, trifft, so hat die Antwort des Sünders auf Gottes Wort immer eine doppelte zu sein: Reue und Glaube“. Luther spricht von der „täglichen Buße in der Reue unter dem Gesetz und im Glauben an das Evangelium“. (09/199)
Nach diesem Frieden sollen wir unser Leben lang suchen und ihm nachjagen.
Aufgrund der Änderungen in der vertikalen Richtung wirkt sich unser Leben auch horizontal aus. Das Verhältnis zu unseren Mitmenschen wird ein Anderes (horizontale Auswirkung). Dieses Suchen und Nachjagen kann auch Auswirkungen zwischen den Völkern zeigen.
Wenn ich mir heute unsere Mitmenschen in Deutschland ansehe, spielt die Bibel bei den meisten keine Rolle mehr. Dadurch nimmt die geistliche Substanz ab. Die weithin leeren Landeskirchen sind die Folge. Die Säkularisierung hat in den letzten 50 Jahren in erschreckendem Umfang zugenommen. Wir selbst sind Teil der Säkularisation. Die biblischen Lehren scheinen kaum mehr jemand zu interessieren. Jesus Christus ist heute weitestgehend „out“. Wir können es im Alten und Neuen Testament der Bibel nachlesen, dass die Kriege bzw. Probleme in dieser Welt zunehmen bzw. nicht mehr lösbar werden.
Auch in der Kultur wird die Abkehr von Gott deutlich. „Was die Bibel ablehnt und was das Widergöttliche ist, ist nicht die Kultur an sich, sondern die Gottentfremdung von Millionen ihrer Vertreter, die Verneinung der Herrschaft Gottes, der Geist des Hochmuts und der Rebellion, die bewusste Ausschaltung Gottes, der Aufruhr gegen den Herrn selbst. ‚Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche‘ (Lukas 19,14)“. (10/154)
B. Ewiger Friede in dieser Welt und in der Ewigkeit
1. Vorbemerkung
Die Ausführungen über den Ewigen Frieden in dieser Welt und in der Ewigkeit sind weithin unbekannt. Das hängt damit zusammen, dass über die Lehre von der Endzeit – Eschatologie genannt – fast nie gepredigt wird. Dennoch sind die Inhalte der nachstehenden Ausführungen biblisch bezeugt, und zwar andeutungsweise im Alten Testament und mehr im Detail im Neuen Testament, vor allem im Buch der Offenbarung des Johannes.
2. Die Wiederkunft Jesu Christi und das Friedensreich auf Erden
Bevor diese Welt trotz zunehmenden Fortschritts in den Untergang stürzt, wird Jesus Christus auf diese Welt zurückkehren. Der Teufel wird für eine lange Periode gefesselt und in den Abgrund geworfen (Off. 20,2 f.). Er wird keinen verderblichen Einfluss mehr geltend machen können. Mit der Wiederkunft Jesu wird die erste Auferstehung (auch Auferstehung des Lebens genannt) erfolgen. Ob daran alle Christen oder nur die Märtyrer teilnehmen, wird in der Bibel nicht klar ausgesagt. Außerdem wird ein bedeutendes Friedensreich auf dieser Erde errichtet werden. Davon werden Mensch und Natur betroffen sein (10/202). Das Friedensreich ist die „Übergangs-Heilszeit zur Ewigkeit“. (10/185)
Auch das Volk Israel wird in dieser Periode eine sehr bedeutende Rolle spielen (Einzelheiten S. 10/187 ff.). Ähnlich äußerte sich u. a. der frühere Bischof der Hannoverschen Landeskirche, Dr. Hanns Lilje, bereits 1955 (also sieben Jahre nach der Staatsgründung von Israel) in seiner Auslegung der Johannes-Offenbarung (11/158-160).
3. Weltgericht und Friede in der Ewigkeit
Zum Ende des Friedensreichs wird der Satan aus seinem Gefängnis nochmals losgelassen werden und richtet furchtbares Unheil auf dieser Erde an. Er wurde – wie es heißt – in den Pfuhl von Feuer und Schwefel (d. h. in die Hölle) geworfen und dort von „Ewigkeit zu Ewigkeit“ gequält werden.
Dann erfolgt im Rahmen der zweiten Auferstehung das Jüngste Gericht. Alle Menschen (auch die Toten), die nicht schon Teil hatten an der ersten Auferstehung, werden gerichtet. Die Offenbarung verwendet das Bild von Büchern, die Auskunft geben über das Leben der betreffenden Menschen. Es heißt zum Schluss von Kap. 20 der Offenbarung: „Und wenn jemand nicht gefunden wurde geschrieben in dem Buch des Lebens, der wurde geworfen in den feurigen Pfuhl (Hölle)“.
Die letzten beiden Kapitel der Offenbarung behandeln den neuen Himmel und die neue Erde, die Ewigkeit mit ewigem Frieden.
Ausblick
Mögen diese Ausführungen dazu beitragen, dass der Friede Jesu Christi in dieser Weltzeit und in der Ewigkeit Gegenstand unseres Suchens und Nachjagens ist und als Ziel unseres Lebens uns immer vor Augen steht.
Literaturhinweise
01 Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg, schlesische Oberlausitz, die biblische Jahreslosung 2019, Internet-Angabe vom 28.12.2018
02 Eckhard Lüling, Predigt vom 23.12.2018 in Leer
03 Eurovision Song Contest 1982 – Germany-Nicole, Ein bisschen Frieden, Internet Angabe, Text von Bernd Meinunger
04 Auszüge aus dem Internet-Lexikon „Wikipedia“, Stichwort: Frieden
05 Helmut Thielicke, Fragen des Christentums an die moderne Welt, a.a.O.
06 Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, Stichwort: Humanismus, a.a.O.
07 Uwe Holmer, Neukirchner Kalender vom 08.02.2019
08 Otto Rodenberg, Wort und Geist, a.a.O.
09 Edmund Schlink, Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften, a.a.O.
10 Erich Sauer, Der Triumph des Gekreuzigten, a.a.O.
11 Hanns Lilje, Das letzte Buch der Bibel, a.a.O.
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Verfasser: Helmut Kind (Prof. Dipl.-Kfm.), 26723 Emden
Kontakt: Helmut.Kind@t-online.de [1]
Emden, im März 2019