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Wer die Jungfrauengeburt bestreitet, betet zum Geschöpf statt zum Schöpfer

Niemand ist genötigt, dem biblischen Zeugnis von der Jungfrauengeburt zu glauben. Wer jedoch als bekennender Christ die Geburt Jesu durch die Jungfrau Maria bestreitet und vielmehr glauben will, dass Jesus von Josef durch Beischlaf mit Maria gezeugt wurde, muss wissen, dass er in Jesus das Geschöpf statt den Schöpfer ehrt, selbst wenn er meint, Jesus sei der Christus.

Die Diskussion ist sehr alt

Denn wer die Jungfrauengeburt leugnet, geht davon aus, dass Jesus ein bloßer Mensch, also ein Geschöpf Gottes gewesen ist. So neu ist diese Überzeugung nicht. Schon die judenchristliche Sekte der Ebioniten (1. Jahrhundert) vertrat diese Auffassung: Sie glaubten, dass Jesus der Messias sei, widersprachen aber dem Zeugnis, dass er von einer Jungfrau geboren wurde. Die Kirchenväter haben die Lehre der Ebioniten als Häresie zurückgewiesen. Auch der judenchristliche Gnostiker Cerinth (um 100 n. Chr.) sowie der christliche Gnostiker Karpokrates bestritten die Jungfrauengeburt.

Bereits die Kirchenväter kannten also die Auseinandersetzung um die Jungfrauengeburt. Sie ist eben kein neuzeitliches, „modernes“ Phänomen. Der Kirchenvater Irenäus von Lyon (um 135–200) hat pointiert formuliert, was es für den christlichen Glauben bedeutet, wenn die Jungfrauengeburt geleugnet wird: „Ebenso verharren auch die in der Knechtschaft des alten Ungehorsams und sterben darin, die da sagen, er (Jesus) stamme als bloßer Mensch von Josef ab. Da sie mit dem Worte Gottes des Vaters noch nicht vereint sind, empfangen sie durch den Sohn auch nicht die Freiheit, wie er selbst gesagt hat: Wenn der Sohn euch wird aus der Knechtschaft befreit haben, werdet ihr recht frei sein. Kennen sie nicht den Immanuel aus der Jungfrau, so berauben sie sich des Geschenkes, welches das ewige Leben ist, und empfangen nicht das Wort der Unverweslichkeit, sondern verharren in dem sterblichen Fleische und sind Schuldner des Todes, weil sie die Arznei des Lebens nicht nehmen (Irenäus, vs. Häresien III, 19). Irenäus macht hier deutlich, dass jene, die die Jungfrauengeburt leugnen und glauben, dass Jesus als bloßer Mensch von Josef abstammt, im Grunde unerlöste Menschen sind und bleiben.

Streng genommen ist es Götzendienst

Alle Christen, die die Jungfrauengeburt bestreiten, praktizieren streng genommen Götzendienst: Sie verehren in Jesus Christus das Geschöpf statt den Schöpfer. Das aber ist Paulus zufolge kein harmloser Irrtum, sondern hat erhebliche ethische Verwilderungen zur Konsequenz (vgl. Römer 1,25–32). Wenn der Mensch Jesus (biologischer Nachkomme Josefs) sich zu Lebzeiten göttliche Anbetung gefallen ließ, angefangen von den Weisen aus dem Morgenland (Matthäus 2,11) bis hin zu dem geheilten Blindgeborenen (Johannes 11,38), hätte er sich einer schweren, ja satanischen Sünde schuldig gemacht, denn wir Menschen sollen, wie Jesus in der Versuchungsgeschichte selbst deutlich macht, allein Gott anbeten und ihm dienen (vgl. Matthäus 4,10). Wenn Jesus sich selbst aber göttliche Anbetung gefallen ließ, dann war er entweder ein Verführer oder eben tatsächlich nicht bloß Mensch (Sohn des Josef), sondern Gottes Sohn, der durch Maria in der Kraft des Heiligen Geistes unser Fleisch und Blut angenommen hat. Nur die Jungfrauengeburt legitimierte Jesus, göttliche Anbetung von Menschen anzunehmen.

Nur der Gottessohn kann das

Man muss die Jungfrauengeburt nicht glauben, sollte sich aber nicht länger als Christ bekennen, wenn man sie bestreitet. Ich persönlich finde es wenig attraktiv, einen bloßen Menschen, also ein geschöpfliches Wesen, wie Gott selbst, den Schöpfer, zu verehren. Ein bloßer Mensch kann in den vielen Nöten meines Lebens nicht wie Gott eingreifen und helfen, darum macht es keinen Sinn, den Sohn des Josef im Gebet anzurufen und anzubeten. Schon gar nicht traue ich dem Sohn des Josef meine Erlösung von meinen Sünden und meiner Schuld zu – dem fleischgewordenen Gottessohn schon! Außerdem möchte ich nicht die Sünde begehen und Gott damit entehren, neben ihm noch ein anderes, irdisches, rein menschliches Geschöpf wie Gott selbst zu verehren.

Thomas Capelle ist Pfarrer der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden des Pfarrverbands Hordorf-Essehof-Wendhausen bei Braunschweig.

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Verfassers.

Quelle: ideaSpektrum, 1. Februar 2017