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Persönliches Zeugnis

Meine Kindheit habe ich im niedersächsischen Verden an der Aller verbracht, wo ich als drittes von sechs Kindern auf dem elterlichen Hof aufgewachsen bin. In unserer Familie wurde Wert auf Tradition und einen konservativen Lebensstil gelegt. Dazu gehörte auch, dass wir an den Sonntagen die Gottesdienste unserer ev.-luth. Kirchengemeinde besuchten. Das Tischgebet beim Mittagessen durfte nicht fehlen, und auch vor dem Einschlafen beteten unsere Eltern mit uns ein Nachtgebet. Ich nahm den christlichen Glauben als eine äußere Form wahr, hatte aber keinen inneren Bezug dazu. Der Konfirmationsunterricht im Pfarrhaus der St. Andreaskirche in Verden erreichte mich nicht und so wundert es nicht, dass mir am Tag der Konfirmation die vielen Geldgeschenke wichtiger waren als das Bekenntnis zu Christus.

Meine Oberstufenjahre habe ich in England und Holland verbracht, wo ich mein englisches Abitur machte. Nach dem Wehrdienst ging ich nach London, wo ich nach drei Jahren mein Studium in Betriebs- und Volkswirtschaft mit einem B.A. abschloss. In diesen Jahren spielte der christliche Glaube gar keine Rolle mehr. Ich fragte nicht nach Gott und lebte mein Leben ohne ihn. Die Konfirmationsbibel war in Verden geblieben und verstaubte dort im Bücherregal. Meine Entscheidungen traf ich autonom und aus dem Bauch heraus.

Auf der Suche nach Lebenssinn, Erfolg, Glück und Liebe stellte ich die Weichen falsch. Ich machte Fehler und betrat brüchige Wege. Ohne es zu merken, verstrickte ich mich in Sünden. Während ich äußerlich das Studentenleben genoss, war ich innerlich gefangen und ging mehr und mehr kaputt. Niemand merkte es, denn ich trug eine Maske.

Meine Eltern hatten unterdessen in Deutschland eine interessante Entwicklung erlebt. Sie hatten durch eine Ehekrise zum lebendigen Glauben an Jesus Christus gefunden. Ich fand es befremdlich, dass sie jetzt so viel und begeistert von Jesus und der Bibel redeten, wenn ich in den Semesterferien nach Hause kam. Auf der anderen Seite nahm ich aber auch wahr, dass ihr Miteinander sich zum Positiven verändert hatte. Einmal hatte mich mein Vater bei einem Spaziergang auf dem Deich hinter unserem Hof angesprochen: „Johann, mach Dir einmal Gedanken, ob Du nicht auch Jesus brauchst für Dein Leben.“ Ich wehrte in etwa mit diesen Worten ab: „Ihr hattet Probleme und darum brauchtet ihr Jesus. Ich habe keine Probleme, darum brauche ich Jesus nicht“. Auch wenn es gelogen war; für den Moment hatte ich das Jesus-Angebot erfolgreich abgewehrt.

Es sollte nicht mehr lange dauern, bis ich bereit war, meine Hilfsbedürftigkeit einzugestehen. Auf den Abschluss des Erststudiums folgte ein Masterstudiengang am College of Law in Guilford. In den Winterferien flog ich nach Hause, und am 22. Dezember brach meine Verzweiflung aus mir heraus. Meine Eltern hörten mir geduldig zu und vereinbarten einen Termin mit einem mir unbekannten Pastor in der Lüneburger Heide: Pastor Dr. Joachim Cochlovius. Am 23. Dezember 1995 saß ich in seinem Arbeitszimmer, konnte mir die Not vom Herzen reden und erhielt eine fundierte und in drei Punkte strukturierte Erstorientierung aus dem Wort Gottes.

Als ich zum Jahresbeginn zurück nach London flog, hatte ich die Bibel und neben weiteren Büchern das Buch „Jesus unser Schicksal“ von Wilhelm Busch im Gepäck. Im Flieger machte ich mir erstmals ernsthaft Gedanken über den Tod und das Danach. Wo werde ich sein, wenn ich mit diesem Flugzeug abstürze? Zurück in England begann ich mit der Suche nach Gott. Tagsüber studierte ich, und abends las ich in der Bibel. Ich begann im Johannesevangelium und kämpfte zunächst mit Zweifeln: Wie soll Jesus Wasser in Wein verwandelt oder das Brot vermehrt haben? Konnte Jesus tatsächlich über das Wasser gehen oder war das ein Trick gewesen? Hat die Auferweckung des Lazarus tatsächlich stattgefunden?

Ich versuchte, das Gespräch mit Gott aufzunehmen. Das war nicht ganz leicht, weil ich Gott nicht sehen konnte und auch nicht wusste, ob es überhaupt einen Gott gibt, der mein Beten hört. In dem Buch „Auf der Suche nach Freiheit“ von Arthur Richter las ich die Empfehlung, Sünden aufzuschreiben und zu bekennen. Ich begann, mich mit meinen Fehlentscheidungen, Sünden und Verletzungen zu beschäftigen und nahm sie mit in das Gespräch mit dem Gott, den ich noch nicht kannte.

In der Nacht vom 18. auf den 19. Februar 1996 las ich das vierzehnte Kapitel des Johannesevangeliums und stieß auf dieses Wort Jesu an seine Jünger: „Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein“ (Joh 14,16). Während ich diese Worte las, fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Es war, als ob jemand einen Vorhang beiseite gezogen hätte. Der Heilige Geist war in mein Leben gekommen und ich konnte glauben.

Nie hatte ich verstanden, wie der Tod eines Mannes, der vor 2.000 Jahren an einem Kreuz gestorben war, etwas mit meinem Leben zu tun hatte. Jetzt begriff ich, dass Jesus dort für meine Sünden gelitten hatte und gestorben war. Ich durfte meine Sünden bekennen und Vergebung empfangen. War die Auferstehung Jesu Christi ein historisches Ereignis? Was ich früher nicht glauben konnte, wurde jetzt zur Gewissheit: Jesus Christus lebt! Er ist tatsächlich von den Toten auferstanden. Am Kreuz hatte er unsere Sünde bezahlt und am Auferstehungsmorgen den Tod besiegt. Der lebendige Gott hatte mir durch die Gabe des Geistes die Augen für diese unsichtbare Wirklichkeit geöffnet.

Meine Freude war unbeschreiblich groß. Meine Verzweiflung wurde in Glück verwandelt, und meine Sünden fielen wie Ketten von mir ab. Ich erlebte, was Jesus seinen Jüngern angekündigt hatte: „Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh 8,31.32). Was mich gebunden hatte, fiel von mir ab. Christus hatte mich befreit: „Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei“ (Joh 8,36).

Schnell wuchs in mir der Entschluss, mein Leben ganz in den Dienst für Gott zu stellen. Ich brach mein angefangenes Masterstudium ab und kehrte nach Deutschland zurück. Als ich in Verden die Schublade meines Schreibtisches öffnete, fiel mein Blick auf das Messingkreuz, das ich zehn Jahre zuvor anlässlich meiner Konfirmation am 4. Mai 1986 überreicht bekommen hatte. Ich hatte es nie beachtet und wusste gar nicht mehr, dass ich es besaß. Auf der Rückseite las ich meinen Konfirmationsvers: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben“ (Römer 1,6). Dieser Vers ist zu einem Leitmotiv meines Lebens geworden. Was ich erlebt und erkannt habe, kann ich nicht für mich behalten. Ich will die gute Nachricht – das Evangelium von Jesus Christus – weitersagen, damit auch andere Menschen aus ihren Sünden gerettet werden und das ewige Leben finden.

Johann Hesse, Geschäftsführer des Gemeindehilfsbundes

Quelle: Aufbruch – Informationen des Gemeindehilfsbundes 2/2018 (Oktober). Der Aufbruch kann kostenlos über die Geschäftsstelle des Gemeindehilfsbundes bezogen werden (info@gemeindehilfsbund.de [1]).