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Das Wunder der Gemeinde. Predigt über Apg 28,11-16

Samstag 30. Juni 2018 von Pfr. Winrich Scheffbuch


Pfr. Winrich Scheffbuch

Wo haben Sie das Wunder der Gemeinde erlebt, wo’s Ihnen eindrücklich wurde? Ich weiß es nicht. Es sind oft Erlebnisse im Urlaub oder auf einer Freizeit. Wir lesen heute aus Apostelgeschichte 28, die letzte Predigt unserer Reihe „Eindrücke, Impressionen aus der Urgemeinde“. Apostelgesxchichte 28, die Verse 11-16:  „11Nach drei Monaten aber fuhren wir ab mit einem Schiff aus Alexandria, das bei der Insel überwintert hatte und das Zeichen der Zwillinge führte. 12Und als wir nach Syrakus kamen, blieben wir drei Tage da. 13Von da fuhren wir die Küste entlang und kamen nach Rhegion; und da am nächsten Tag der Südwind sich erhob, kamen wir in zwei Tagen nach Puteoli. 14Dort fanden wir Brüder und wurden von ihnen gebeten, sieben Tage dazubleiben. Und so kamen wir nach Rom. 15Dort hatten die Brüder von uns gehört und kamen uns entgegen bis Forum Appii und Tres-Tabernae. Als Paulus sie sah, dankte er Gott und gewann Zuversicht. 16Als wir nun nach Rom hineinkamen, wurde dem Paulus erlaubt, für sich allein zu wohnen mit dem Soldaten, der ihn bewachte.“

Das ist ganz merkwürdig, wie die Apostelgeschichte aufhört. Da reißt das einfach ab. Es wird noch etwas erzählt von der Gefangenschaft und dann: Ha jetzt, jetzt wollten wir’s wissen. Wie starb eigentlich Paulus? Wurde er hingerichtet? Wie ging der Prozess aus, was waren die letzten Worte des Paulus? Das wäre interessant für uns. Kein Wort steht mehr da in der Bibel. Was ist der Grund? Das ist ganz einfach. Das ist uns immer wichtig. Wir sind so personenbezogen, das kommt von unserer Ichsucht her, die immer wissen will, wie geht das weiter in meinem Leben, was kommt dann?

In der Bibel wird das ganz anders erzählt. Von den großen Zeugen Gottes. Da war im Leben eine große Veränderung passiert. Da geht’s gar nimmer um den Paulus. Das interessiert nicht, was der noch erlebt hat und wie das Leben ausging. Hauptsache, wie ging’s mit der Sache Gottes eigentlich weiter!

Wenn Gott sein Reich anbrechen lässt, das ist doch mit dem Geschehen der Ausgießung seines Geistes begonnen. Wie dringt nun das ewige Evangelium in die Welt hinein? Dann sind die Fragen: Wie war das mit der Christenverfolgung des Nero und wie hat das den Paulus betroffen ja gar nicht mehr so wichtige Sachen vor der aufregendsten Sache. Wie breitet sich die Gottesherrschaft durch die Welt hindurch aus. Und wir sollen ja Zeugen Gottes sein. Hat Ihr Leben auch diese neue Mitte? Dass man sagt: “Ich lebe nicht mehr für mich selber. Mich hat Jesus in Beschlag genommen. Ich bin sein Bote und sein Zeuge und ich will sein herrliches Evangelium vielen Menschen bewusst machen, die Kraft seiner Erlösung vermitteln. Und es geht in meinem Leben nur noch um das Eine: Wie geht’s mit dem Evangelium weiter und wie kann ich sein Bote sein?”

Dass der Apostel Paulus hier am Ende der Apostelgeschichte ein schwer geschlagener Mann war, da dürfen wir heute auch noch ein paar Worte drüber verlieren. Aber da hat’s ja Jesus schon voraus gesagt: Wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s erst recht finden. Das ist nie schade, was man um Jesu Willen an Schwierigkeiten, Nöten und Entbehrungen ertragen muss. Wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.

Ich möchte zuerst darüber reden, wie Paulus ein geschlagener Bote Gottes war. Ein geschlagener Bote Gottes. Wir wissen ja, dass der Paulus selber sehr von der Krankheit gezeichnet war. Ich weiß, jetzt können einige von Ihnen sagen, wie das ist, wenn man morgens aufwacht und schon ganz glücklich ist, wenn die Schmerzen nicht so heftig dröhnen. Wenn man überhaupt aufstehen kann. Paulus war von des Satans Engel mit Fäusten geschlagen. Der hat Krankheit erlebt. Und was er dann noch erlitten hat auf dieser grausamen Seefahrt, das war ja schlimm. Mit dem wilden Seesturm Tag und Nacht geschüttelt und dann ist das Schiff untergegangen unter ihren Füßen und sie sind durch Wasser gewatet, und das mitten im Winter, sie haben grade noch mit letzter Kraft ihr Leben gerettet.

Und dann müssen Sie immer denken, wie da der Paulus in Puteoli im Hafen von Rom ankommt, da war er ein Jammerbild. Er trägt ja die schweren Eisenketten. Ich kann mir das gar nicht vorstellen, wie ein Mensch diese Entbehrung mitmacht und die Leute alle mitleidig gucken, was ist das für ein Schwerkrimineller, den sie da herführen? Wo die Soldaten ihn schubsen auf der Straße, grob und die Witze mit ihm machen. Warum steht das denn alles in der Bibel? Für uns heute morgen? Das ist grad wie bei ihm. Dass Gott das zulässt, dass seine Leute schwere Wege geführt werden. Dass sie krank sind und das Wunder der Heilung geschieht nicht. Nicht dass nicht Gott tun kann. Paulus hat’s ja erlebt. Da ist sogar mal jemand von seinen Taschentüchern gesund geworden. Bloß die Taschentücher aus der Tasche raus gezogen. Aber Paulus selber trägt die schwere Last der Krankheit. Und er trägt die Ketten, er wollte doch so gern durch die Gemeinden reisen, er wollte wirken und er kann nicht. Und das ist schwer, wenn man in seinem Leben eingeengt ist, eingebunden und sagt: „Ich kann gar nicht wie ich will.” Und doch ist es ein Weg, den Gott mich führt. Schwere Ketten binden. Entehrt, verlacht, verspottet, einsam.

Ich bin so froh, dass die großen Leute, also die großen Glaubensleute der Bibel, gar nicht diese Strahlemänner sind. Ich weiß nicht, wer das erfunden hat. Das waren Leute, wo die anderen bloß mitleidig sagen: gescheitert. Da war kein Glanz mehr drin, da war kein Leuchten mehr, das war bloß noch erleiden, ertragen und Schweres. Wie gern hätte Paulus die ganze Welt für Jesus erobert, und er hatte Probleme mit den kleinen Kreisen, die er gründen durfte, da ging’s oft drunter und drüber im Streit und er hat auch nicht das lösende Wort gehabt. Was ist das, wenn Gottes Boten geschlagene Leute sind, geschlagen, gedemütigt.

Und wir wollen nie größer sein, als die Zeugen in der Bibel! Wir wollen nie andere Geschichten erfinden, die nicht mit denen übereinstimmen vom Wort Gottes. Dieser Paulus hat immer nur von Einem geredet, dass er sich ganz an den auferstandenen Jesus hängt. Das ist Glauben für ihn gewesen. „Ich vertraue Jesus, der Tote lebendig macht und ich vertraue darauf, dass seine Kraft sich in meiner Schwachheit vollendet. In meinem Nichtkönnen, in meinem Versagen. In meiner Ohnmacht, in meiner Gebundenheit, in meinen Ketten und dass Jesus aus meinem Leben doch noch etwas macht zu seiner Ehre“.

Ich bin stark um Jesu willen, ich bin stark um Jesu willen. Ich bin sonst nicht stark, ich bin der Schwächste, der Verlachteste, der Verspotteste. Über mich machen sie Gerüchte und reden sie böse mit, aber ich bin stark um Jesu Willen. Das ist das Geheimnis eines geschlagenen Mannes, der die Via Appia hinaufzieht nach Rom, einer ungewissen Zukunft entgegen. Und da entdeckt er ein wunderbares Geheimnis. Für mich ist das eine der schönsten Stellen in Rom. Einige von Ihnen wissen’s jemand hat mir mal von Rom so eine Postkarte geschickt mit den Steinen, den alten Steinen der Via Appia. Da kann man sich das so richtig vorstellen, da ist der Paulus drüber gewandert vom Hafen Puteoli im Gefangenentransport. Die Stelle kann man genau lokalisieren: Forum Appii, das ist der Platz der Via Appia. Der Knotenpunkt zwischen Puteoli und Rom. Und was eine Taverne ist, das wissen Sie ja auch, was dann die drei, Tres-Taverne sind, wissen Sie auch. Da war also noch mal so ein Platz, wo dieser Gefangenentransport auf einen Parkplatz sich hinsetzen durfte. Da standen die großen Lastwagen, Pferdekarren. Da war ein Kommen und ein Gehen. Da waren die fluchenden Fuhrleute, da war die Sonne heiß herunter gebrannt und da haben diese Häftlinge sich noch mal hingesetzt, weil die Wachsoldaten in die Taverne hinein gingen und sich einen Schnaps hinter die Binde gossen.

Und die saßen draußen und die gaffenden Leute sagten: „Mensch, da kommt wieder ein Gefangenentransport” und guckten. Diese Armseligkeit, die jetzt auf dem Paulus liegt! Ich will das sagen, dass Christen Demütigungen tragen können und müssen. Erst recht vor der Welt. Da ist nichts Imponierendes mehr da. Nichts mehr, wo man protzen kann und angeben und sagen: „Ja, wir sind doch Kerle.” Wir sind’s, die die Welt verändern. Nein, nein. Wir sind der letzte Dreck. Kehricht, der Abschaum so sagt Paulus mal. Und auf ihm liegt noch die ganze Sorge: Wie wird das werden, wenn er in Rom ist? Kann er das Martyrium überhaupt durchhalten? Kann er seinen Kampf vollenden bis zum Ende?

Das wissen Sie doch auch nicht, ob Sie fest bleiben in den Anfechtungen und Erprobungen, die Gott noch für Sie bereit hält. Und wenn er dann ganz allein in den Verhandlungen ist und niemand steht ihm bei. Und da steht, dass da plötzlich Leute kommen aus Rom. Die gingen ihm entgegen. Christen von der Gemeinde in Rom. Paulus hat sie noch nie gesehen gehabt. Sie haben Paulus noch nie gesehen gehabt. Sie waren Unbekannte. Aus dem Römerbrief wissen wir etwas, wer das war, das waren meist wahrscheinlich Sklaven, Dienstboten, einfache Leute. Ein paar Bürgerliche dazwischen.

Da Paulus die sah, gewann er Zuversicht. Was ist das? Warum hat die Gegenwart von ein paar schlichten Christen den Paulus so auferbaut? Ich habe ja vorhin gefragt, ob Sie das mal erlebt haben: Das Geheimnis von Christen, die um einen her sind. Einer trage des Andern Last. Die mittragen, was Einem selbst zu schwer geworden ist, was ist denn da passiert? Warum ist das denn so besonders? Ich meine wir machen’s immer wieder falsch, wenn wir von Kirche und Gemeinde reden, und dann reden wir immer von Organisationen und Konfessionen und Ämtern und Hierarchien und Haushaltsplänen und Errungenschaften und Einrichtungen und Bauten und was alles, ja Bauten. Was da hergestellt wurde, Glocken, die läuten und Türmen.

Das Wunder der Gemeinde sind gläubige Menschen, die Jesusleute, die Menschen, die mit Jesus eine Geschichte erlebt haben, die Jesus vertrauen und das erfahren haben in den Dunkelheiten ihres Lebens. Und weil Sie das erlebt haben, können Sie andere tragen und die Last der anderen mittragen. Das ist doch das Wunder. Jeder von uns ist ja sonst so mit sich beschäftigt, dass er sagt: „Ich hab’s so schwer und wer hört mir auch zu und ich hab viel zu wenig, die sich meiner annehmen.” Das ist ja alles recht und gut, aber Sie müssen doch einmal entdecken, der eine große Lastträger, der Ihre Last trägt, das ist Jesus. So wie der kann keiner ihre Lebenslast tragen. Und er löst Sie vollkommen und er gibt Ihnen Frieden und Freude und Zuversicht und Hoffnung. Und darum waren diese Christen in Rom freie Leute.

Als die hörten, jetzt kommen sie, da zogen sie hinaus und wollten die Last mittragen. Da Paulus sie sah, gewann er eine große Zuversicht. Wissen Sie, dass das ein Wunder ist, heute morgen, wenn wir sagen wir grüßen einander, wir gehen aufeinander zu. Wir sagen: „Ich will nicht weggehen, ohne dass ich eine Last von dem neben mir mittragen darf.” Dass Sie wieder wissen, für wen Sie in der nächsten Woche beten müssen. Dass Sie hören, dass ist das Geheimnis der Gemeinde. Und dass da Gott etwas wirkt durch unsere Gemeinschaft hindurch.

Ich war noch ein kleiner Junge, da hat ein Onkel erzählt aus den letzten Kriegstagen, wie sie als geschlagene Armee von Russland zurückweichen mussten. Und da erzählt er immer wieder davon. Sie haben alles weggeworfen, weil sie keine Kraft mehr hatten. Sie hatten tagelang nichts mehr zu essen bekommen und da sind sie bloß noch getrottet. Und da saß einer am Weg und der sagt: „Kamerad nimm mich mit.” Und er sagte: „Wir konnten doch selber nimmer. Wir konnten doch uns selbst nicht mehr tragen. Wir haben ihn sitzen lassen.” Und das hat ihn nicht mehr losgelassen. Und er hat’s uns als Kindern eingeprägt: Lasst nie einen am Rand sitzen. Ihr müsst Leute sein, die die Lasten selber abgelegt haben, die freie Leute sind, damit ihr andere tragen könnt. Das ist der Sinn heute dieses Gottesdienstes, dass Sie jemand finden, der ihre Last mitträgt um Jesu willen.

Und noch das Letzte. Paulus erlebt eine ganz große Freude. Wenn man sich den Platz so ein bisschen vorstellt, wie es vielleicht heute auf unseren Parkplätzen aussieht, wenn auch die Technik sich um ein Stück verändert hat, aber die Sonne brennt herunter, es ist furchtbar heiß, man hat Durst, es ist staubig. Menschen kommen und gehen und mitten drin ein Mann und der preist Gott und dankt Gott. Haben Sie überhaupt schon Menschen getroffen, die wirklich aus innerstem Herzen nicht mehr anders können, als Gott zu preisen und zu loben? Das war für den Paulus so überwältigend.

Warum denn, was war denn da, was ihn so fasziniert hat an dieser kleinen schlichten Christenschar? Dass in dieser gottlosen Weltstadt Menschen sind, denen wirklich das Reich Gottes angebrochen ist und wenn’s bloß ein paar schlichte Christen waren, die gar keine große Bedeutung für die Stadt hatten. Er sieht schon was Gott tut, wenn er seine Verheißungen einlöst. Ich freue mich an jeder noch so kleinen Schar, wo zwei oder drei versammelt sind, in den Gemeinschaftsstunden, wo Sie sich heute versammeln, in den Hauskreisen, Gebetskreisen, wo die sind, in allen Gruppen und Konfessionen. Wo Menschen im Kraftfeld Jesu leben.

Fortan war Rom für den Paulus keine fremde Stadt mehr, keine unheimliche Stadt mehr. Er gewann Zuversicht, weil er wusste, es ist gar nicht mehr wichtig, wie mein Prozess ausgeht. Ich weiß, dass die Sache Jesu siegt. So hat’s ja Blumhardt nachher gedichtet: „…dass Jesus siegt, bleibt ewig ausgemacht, sein wird die ganze Welt.“ Und die paar schlichten Christen haben bei Paulus wieder die Freude wecken dürfen.

Und das ist Ihr Dienst, das ist Ihr Auftrag. Ich habe immer Sorge, Ihre Bibelkreise könnten zu Problemkreisen werden. Sie sollten einander Freude an Jesus machen. Und wenn Sie einen Kranken heute besuchen, einen Alten im Pflegeheim, dann machen Sie denen das ganz groß. Ja Jesus siegt, wir glauben es gewiss. Und niemand kann mehr den Sieg Jesu umstoßen. Da ist es auch gar nicht wichtig, durch welche Tiefen ich noch hindurchgeführt werde.

Jetzt wissen wir auch, was Gemeinde ist. Dass wir Jesus groß machen vor der Welt. Und dass wir gucken, dass keiner zurück bleibt, der unter seiner Last begraben wird, der plötzlich nicht mehr den freien Blick hat. Wenn ein Paulus diese Ermutigung brauchte, wie viel mehr brauchen wir diesen Zuspruch! Und wenn wir uns dann begegnen und das einander so groß machen, dann ist das wie ein Vorgeschmack vom Himmel. Wie wird das einmal sein, wenn man durch die schwere Leidenszeit und durch manche Bedrängnis hinüber gehen darf und dann Schwestern und Brüder trifft, die aus der großen Trübsal gekommen sind, aus der großen Bedrängnis. Und alle können nur sagen, es war wirklich so. Keine der Verheißungen Gottes ist hingefallen. Keine einzige. Und Jesus war die größte Leuchte in der Dunkelheit und wir haben’s erlebt. Und erfahren, unsere Versammlungen, unsere Treffen sollten so ein Stück Vorgeschmack vom Himmel sein. Wo wir helfen, dass alle neue Freude am Sieg Jesu bekommen und wir fröhlich unsere Straße ziehen.

Amen.

Predigt vom 27.06.1999, gehalten in der Ludwig-Hofacker-Gemeinde in Stuttgart.
Quelle: www.sermon-online.de

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Samstag 30. Juni 2018 um 23:27 und abgelegt unter Predigten / Andachten.