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Vergesst die Gastfreundschaft nicht!

„Vergesst die Gastfreundschaft nicht, denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt.“ (Hebräer 13,2)

Der Hebräerbrief, aus dem unser biblisches Wort entnommen ist, bewegt sich noch sehr nahe bei dem alttestamentlichen Opferkult. Es war ein starker, wirkungskräftiger Traditionsstrom, der die Frömmigkeit in Israel prägte. Die vielen Weisungen zu Opfern aller Art, als Sündopfer, Dankopfer, Reinigungsopfer, durch das Opfern von Tieren oder auch durch Speisopfer, waren den Menschen in Israel sehr präsent. Und auch als der römische Feldherr Titus im Jahr 70 n. Christus Jerusalem erobert hatte und den Tempel zerstören ließ, waren doch die vielen Kapitel aus den Büchern Moses in der Thora nachzulesen.

Über 1000 Jahre und mehr prägten Altar und Tempel als Kultusfrömmigkeit die Gläubigen in Israel. Dort empfing man Vergebung, Loskauf von strafwürdigen Taten, man wurde wieder rein und würdig, um in der gottesdienstlichen Gemeinde Gott zu ehren. Denn über allem stand das

  1. Gebot: „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ (2. Mose 20. 2-3). Das Heidentum mit seinen Götzen, seinen faszinierenden Riten und in Ekstase jegliche Grenzen – wie sie die Gebote kennzeichnen – überschreitend, war eine stetige Versuchung für die Gläubigen Israels.

Die Versuchungen heute greifen in verschiedenen Ideologien nach dem Gewissen und dem Denken der Christen in unserer Gegenwart. Sie sind in ihrer Propaganda einer gänzlich unbegrenzten Freiheit und einer totalen Selbstbestimmung ohne Gottesverantwortung ebenfalls für große Teile der Bevölkerung attraktiv, verführerisch, irreleitend. Da stört nur die Frage: „Verliere ich dabei meine ewige Bestimmung, mein Heimatrecht in der ewigen Welt Gottes?“ Die ausschließliche Ausrichtung Vieler nur auf das Diesseits, auf die begrenzte Lebenszeit, verdrängt diese Frage. Man ist mit Lebenshunger, ja mit Lebensgier ganz ausgefüllt.

Der Hebräerbrief richtet seine Leserschaft ganz und gar auf Christus aus. Er ist in seiner Hingabe zum Leiden und Sterben am Kreuz das abschließende Opfer – ein für alle mal. Christus ist der Hohepriester, der aus der ewigen Welt kommt und für die Erlösung zur ewigen Welt stellvertretend für die Menschen eintritt. Das ist und bleibt einmalig. Er schafft den Zugang zu Gott in der Lebenszeit und für die Ewigkeit. Zu Recht weist der Hebräerbrief darauf hin, dass die alttestamentlichen Opfer immer wieder erneut wiederholt werden mussten. Auch der Hohepriester im Tempel musste jährlich neu ein Sündopfer für seine eigene persönliche Sündhaftigkeit, Versuchlichkeit und Unvollkommenheit darbringen. Christus aber ist der Schuldlose, der von Gott selbst gesandte, der letztlich nicht in die Verstrickungen einer irdischen Existenz Verfangene. Er bricht die Mächte der Finsternis, das Böse mit seiner Versuchungskraft und die Vergänglichkeit. Daraus geht er siegreich hervor und bahnt in der Auferstehung für die Glaubenden den Weg zur himmlischen Welt. Wer an ihn glaubt wird in seiner Persönlichkeit geheiligt, das heißt von allem entledigt, was von dem lebendigen, heiligen Gott trennt. Unsere Lebensführung in unserer Erdenzeit ist dann frei von jeglichen Verdienstgedanken, sondern versteht sich umfassend als Dank an Gott und Christus. So finden sich in dem abschließenden Kapitel 13 des Hebräerbriefs einige Weisungen zur Lebensführung der Christen. Worte zum liebevollem Umgang untereinander, die Ehe soll in Ehren gehalten werden, Geldgier sei zu meiden, die Lehrer des christlichen Glaubens sollen geachtet werden, die Gebete der Christen sind Lobopfer vor Gott und das Bekenntnis zu ihm ebenfalls .

Zu Beginn dieser Weisungen findet sich auch die Aufforderung „Gastfrei zu sein, vergesst nicht.“

Das war in den biblischen Zeiten ein sehr hohes ethisches Gut, wenn Christen eine Reise machen mussten, ihnen auf Zeit Unterschlupf zu gewähren. Die Missionare der ersten Jahrhunderte brauchten die Gastfreundschaft sehr dringend. Sie war die Voraussetzung, um mit dem Evangelium in Gebiete und Regionen vorzustoßen, in denen Jesus Christus noch nicht als der alleinige Herr und Erlöser bekannt gemacht worden ist.

In unseren Jahren ist bereits viel getan worden und viel nachgedacht worden zu der großen Herausforderung von Migranten, Flüchtlingen, Asylsuchenden. Es ist aber auch wichtig an die Menschen bei uns zu denken, die alt geworden sind, sich zurückgezogen haben, an mancherlei Beschwernissen leiden. Da wendet sich die Mahnung zur Gastfreundschaft hin zu dem Gedanken, wen besuche ich oder auch wen lade ich ein. Es ist eine Anfrage an die Kraft der Zuwendung, die bei uns Christen wachgerufen werden kann. Wir lesen von der wachsenden Zahl von einsamen Menschen unter uns. Menschen, die sich zurückziehen, ihre Kontakte einschlafen lassen, jedoch ihr Alleinsein als Last und seelische Not empfinden. Sie sind auch eine Aufgabe für die christliche Gemeinde, für eine biblisch begründete Gemeinschaft. Wenn wir nur einige auf unsere Gottesdienste, unsere Gruppen und Kreise hin neu ausrichten können, dann haben wir Gutes getan. Sodass eine neue Gastfreundschaft unter Glaubenden entsteht. Wenn dann bei Besuchen oder Einladungen auch vom christlichen Glauben selbst gesprochen wird, ein Gebet das Gespräch beschließt, dann ergibt sich auch ein Bezug zu der Anspielung, die der Hebräerbrief aufgreift, dass Abraham und Lot Engel – also Gottesboten – aufgenommen haben. Das kann auch heute geschehen, wenn Jesus, unser Heiland, im Gespräch aufleuchtet.

Heinrich Herrmanns, Landesbischof i. R., Memmingen