- Gemeindenetzwerk - https://www.gemeindenetzwerk.de -

Ethisch fährt am besten

Stefan Rehder
Ethisch fährt am besten

Daß adulte Stammzellen den embryonalen Stammzellen weit überlegen sind und es bei der Debatte um eine Änderung des Stammzellgesetzes daher nicht mit rechten Dingen zugeht, zeigte ein hochkarätig besetztes Symposium, das der Bundesverband Lebensrecht (BVL) in dieser Woche in Berlin veranstaltete.

Bodo-Eckehard Strauer ist kein Mann von zugespitzten Thesen. Nüchtern und eher bedächtig geht es zu, wenn der Kliniker, Direktor der Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie der Universität Düsseldorf die Erfolge referiert, die er und seine Kollegen seit Jahren bei der Behandlung von Herzerkrankungen mit adulten Stammzellen erzielen. Im Frühjahr 2001 hatte Strauer weltweit zum ersten Mal einen Infarktpatienten mit körpereigenen Stammzellen behandelt. Erfolgreich. Seitdem wurden auf der ganzen Welt rund 2 000 Patienten mit diesem neuartigen Verfahren therapiert – bei akutem Infarkt, im chronischen Infarktstadium sowie bei schwerer Herzinsuffizienz. Herzerkrankungen gehören zu häufigsten Krankheiten. Mehr als fünfzig Prozent der Todesfälle lassen sich auf eine Schädigung des Herzens zurückführen. Das von Strauer praktizierte Verfahren betrifft also kein Nischenfeld der Medizin.

„Embryonale Stammzellen sind Tumorzellen“

Der Eingriff selbst wird wie eine übliche Herzkatheteruntersuchung bei örtlicher Betäubung vorgenommen. Dabei werden Stammzellen, die zuvor aus dem Knochenmark des Patienten gewonnen wurden, dem geschädigten Herzen zugeführt. Die Erfolge sind beachtlich: Eine im Schnitt um fünfzehn Prozent gesteigerte Herzfunktion und eine ähnlich große Verringerung des in Folge der Schädigung gefährlich angewachsenen Herzmuskels sorgen für eine deutliche Steigerung der Lebensqualität der Patienten. Außerdem erspart die Behandlung mit adulten Stammzellen den Patienten eine Herzoperation sowie die aufwendige Einnahme von Medikamenten.

Auch die Krankenkassen wissen das von Strauer entwickelte Verfahren als echte Therapieinnovation zu schätzen. Entgegen der üblichen Praxis erklärten sie sich anstandslos bereit, die Kosten für das neuartige Verfahren zu übernehmen. Inzwischen konnten auch bei peripheren Gefäßkrankheiten, wie dem so genannten Raucherbein oder dem diabetischen Fuß erfolgversprechende Therapieresultate erzielt werden. Über embryonale Stammzellen spricht der Kardiologe nicht gerne und schon gar nicht von sich aus. Wenn er aber gefragt wird, dann vertritt der Kardiologe eine eindeutige Position: „Sie sind nicht nötig, sie machen Probleme. Sie sind völlig entbehrlich.“ Eine Ansicht, mit der der Professor auf dem vom Bundesverband Lebensrecht (BVL) veranstalteten Symposium in Berlin alles andere als allein dastand.

„Stammzellen in Forschung und Therapie: Wie erfolgreich sind sie wirklich?“ lautete der Titel der hochkarätig besetzten Veranstaltung, zu welcher der BVL am Donnerstag in die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft geladen hatte. „Embryonale Stammzellen sind Tumorzellen“, schockte der Wiener Molekularpathologe Lukas Kenner seine Zuhörer. Nur im Embryo selbst verhielten sich seine embryonalen Stammzellen normal. Löse man sie jedoch aus diesem heraus, wobei der Embryo getötet wird, dann bildeten sie Tumore. Kenner, der an der Universität Wien und am Ludwig Boltzmann Institut für Krebsforschung selbst mit embryonalen Stammzellen von Mäusen forscht, ließ keinen Zweifel daran, daß die embryonale Stammzellforschung beim Menschen daher bereits aus medizinischer Sicht ein Irrweg ist.

So entarteten embryonale Stammzellen der Maus, wenn sie anderen Mäusen transplantiert werden in einhundert Prozent der Fälle zu Tumoren. Auch das von den embryonalen Stammzellforschern inzwischen praktizierte Verfahren der „Aufreinigung“, bei der embryonale Stammzellen im Labor vor der Transplantation zu gewebespezifischen Vorläuferzellen weiterentwickelt werden, sei nicht in der Lage, das Problem zu lösen. Auch bei äußerster Sorgfalt liege das Tumorrisiko immer noch bei 86 Prozent. Mit der von den Befürwortern der embryonalen Stammzellforschung hoch gelobten Methode, der so genannten „Good Manufacturing Practice“ ließen sich, spottete der Experte, der am 9. Mai auch bei der Anhörung des Forschungsausschusses des Deutschen Bundestages gehört worden war, nur „Tumorzellen in hoher Qualität“ herstellen.

„Embryonale Stammzellen werden keine therapeutische Relevanz im Sinne der Zelltherapie haben“, machte Kenner die Hoffnung derer zunichte, die sich von der Forschung mit embryonalen Stammzellen Therapien für degenerative Zellkrankheiten wie Alzheimer, Parkinson, oder Diabetes versprechen. Dagegen seien mit adulten Stammzellen inzwischen mehr als 6 000 erfolgreiche Transplantationen bei 45 Krankheiten durchgeführt worden. Allein in den Vereinigten Staaten geben es zudem 1 443 klinische Studien mit adulten Stammzellen, während weltweit keine einzige mit embryonalen Stammzellen bekannt sei.

Kenner kritisierte auch die Stellungnahme der DFG, mit der im Herbst vergangenen Jahres die Debatte um eine Änderung des Stammzellgesetzes ihren Anfang genommen hatte. Sie ignoriere nicht nur wichtige „Durchbruchsarbeiten“ auf dem Feld der adulten Stammzellforschung, sondern suche auch adulte Stammzellen zu diskreditieren, indem sie ihnen ein Turmorrisiko andichte. Dabei wiesen adulte Stammzellen auch nach 250 so genannten Passagen, bei denen in Kulturen gehandelte Stammzellen „umgebettet“ werden, keine Tumorgenität auf. Das Tumorrisiko von adulten Stammzellen betrage „0,01 Prozent“ so Kenner.

Nicht ganz so wortgewaltig wie Kenner aber ähnlich spannend referierte Colin McGuckin, Professor für Regenerative Medizin von der Universität Newcastle, über die Arbeit mit Stammzellen, die aus dem Nabelschnurblut stammen. McGuckin, der zusammen mit seinem Team im Jahr 2005 erstmals in einem Fachjournal von der Gewinnung von Stammzellen mit besonderen Eigenschaften, wie sie bisher nur von embryonalen Stammzellen bekannt waren, aus dem Nabelschnurblut berichtet hatte, unterstrich in seinem Vortrag die Vorteile dieser Zellen. Jährlich würden weltweit rund hundert Millionen Kinder geboren. Daher seien Stammzellen aus dem Nabelschnurblut „die am einfachsten – nämlich ohne invasive Eingriffe – zugängliche Quelle“.

Dagegen sei die embryonale Stammzellforschung, welche die Tötung menschlicher Embryonen voraussetzt, für Frauen mit erheblichen Risiken verbunden. Da die embryonalen Stammzellen aus Embryonen gewonnen werden, die bei der künstlichen Befruchtung übrig blieben, müßten sich Frauen zuvor einer sehr belastenden Hormontherapie unterziehen. Dieses Risiko – das in rund zehn Prozent der Fälle zu einer Überstimulierung führt, die im schlimmsten Fall mit dem Leben der Eizellspenderin bezahlt wird – entfalle bei der Stammzellgewinnung aus dem Nabelschnurblut völlig. Darüber hinaus seien die aus dem Nabelschnurblut gewonnenen Stammzellen wegen ihres jungen biologischen Alters qualitativ hochwertig und immunologisch unproblematisch.

Weil der Aufbau von Nabelschnurblutbanken extrem kostspielig sei, kooperiert McGuckin auch längst mit der Industrie. Kürzlich konnte McGuckin den Milliardär Richard Branson für eine Kooperation gewinnen. In der „Virgin Health Bank“ werden die einfach zu gewinnenden Stammzellen aus dem Nabelschnurblut typisiert. Auf der Suche nach einem passenden Zellspender können dann Empfänger hier auf einfache Weise fündig werden.

Königsweg für die Entwicklung der regenerativen Medizin

„Nabelschnurblut ist weltweit die größte, noch weitgehend ungenutzte Quelle zur Gewinnung von Stammzellen, seine Nutzung ist ethisch wie medizinisch gesehen der Königsweg für die Entwicklung der regenerativen Medizin. Deutschland darf auf diesem Gebiet nicht abgehängt werden“, faßte die BVL-Vorsitzende Claudia Kaminski die Ergebnisse des mit hochkarätigen Wissenschaftlern besetzten internationalen Symposiums zusammen.

Zuvor hatte der Würzburger Medizinrechtler Rainer Beckmann, der wie Kenner auch an der Anhörung des Forschungsausschusses des Deutschen Bundestags teilgenommen hatte, diese scharf kritisiert. In der Presseberichterstattung in Folge der Anhörung vom 9. Mai sei der Eindruck entstanden, als sei eine Änderung des Stammzellgesetzes unbedingt erforderlich. „Dieser Bewertung kann ich mich nicht anschließen“, sagte Beckmann, der daran erinnerte, daß der Anlaß für die Anhörung ein Gesetzentwurf der FDP-Fraktion sei, der als zentrale Forderung die Abschaffung des Stichtages beim Stammzellgesetz verlange. „Diese Forderung kommt einer Abschaffung des Stammzellgesetzes gleich“, da der Stichtag „der Kern des Stammzellgesetzes“ sei.

Durch das Verbot, embryonale Stammzellen zu importieren und zu verwenden, die nach dem Stichtag vom 1.1.2002 gewonnen wurden oder gewonnen werden sollen, sollte sichergestellt werden, daß von Deutschland aus kein Anreiz für die Vernichtung menschlicher Embryonen ausgeht, um aus ihnen Stammzellen zu gewinnen. Insofern sei das Stammzellgesetz ein „Gesetz zur Ergänzung des Embryonenschutzes, der als Grundsatz im Embryonenschutzgesetz von 1990 enthalten sei. „Und dieses Gesetz verbietet jede Verwendung eines Embryos, die nicht seiner Erhaltung dient. Eine Abschaffung des Stichtages hätte zur Folge, daß der Grundsatz, menschliche Embryonen nicht für fremdnützige Zwecke zu verwenden, aufgegeben wird.“ Nicht direkt und unmittelbar, aber doch mittelbar.

Wende sich der Gesetzgeber von dieser Maxime ab, „dann wird als logische Konsequenz der nächste Schritt darin bestehen, das Embryonenschutzgesetz anzugreifen“. „Und genau das ist das eigentliche Ziel der Kräfte, die hinter dem Gesetzentwurf der FDP stehen“, so Beckmann. Dem gleichen Zweck diene „die Rede von einer angeblichen Ethik des Heilens, von der auf dieser Anhörung am 9. Mai viel die Rede gewesen ist.“ Die Anhörung habe „eindeutig ergeben, daß sich die Forschung mit embryonalen Stammzellen vollständig im Bereich der Grundlagenforschung abspielt. Konkrete therapeutische Anwendungen sind nicht in Sicht.“

Der Einwand, diese Zellen seien durch den Kontakt mit tierischen Feederzellen verunreinigt oder nicht mehr stabil genug, sei nicht überzeugend. „In Deutschland sind immerhin 21 Forschungsvorhaben mit genau diesen Zellen beantragt und genehmigt worden. Sollten die dabei verwendeten Zellen für die Forschung tatsächlich so schlecht sein, wie das gegenwärtig dargestellt wird, dann wird entweder gutes Geld für unbrauchbare Forschung aufgewendet oder – und dies ist meine Vermutung – diese Zellen sind für die Forschung doch besser geeignet, als dies nach außen dargestellt wird“, so Beckmann.

Sein Fazit: „Es besteht keineswegs die Notwendigkeit, das Stammzellgesetz zu ändern. Es gibt keinen Zweifel, daß der Gesetzgeber zu Recht eine Beschränkung der Forschungsfreiheit vorgenommen hat, um eine Gefährdung menschlicher Embryonen durch bestimmte Forschungsvorhaben auszuschließen.“ Ob dies die Abgeordneten genauso sehen werden, muß sich jedoch erst zeigen. Außer den beiden CDU-Abgeordneten Hubert Hüppe und Michael Brand hatten nämlich vor allem Lobbyisten, darunter der Vorsitzende des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie, Bernd Wegener, den Weg in die Parlamentarische Gesellschaft gefunden.

26.05.2007