Gemeindenetzwerk

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Stellungnahme des GNW zur Umfrage bei deutschen AT- und NT-Professoren

Sonntag 23. April 2006 von Pfr. Wolfgang Sickinger


Pfr. Wolfgang Sickinger

Stellungnahme des GNW zur Umfrage
bei deutschen AT- und NT-Professoren

Mitglieder des Vertrauensrates des Gemeindenetzwerkes haben Ende 2005 mehr als 40 Lehrstuhlinhaber für Altes und Neues Testament an den Theologischen Fakultäten der deutschen Universitäten angeschrieben. Inhalt der Briefe war die Bitte um eine kurzgefaßte Stellungnahme zu der Frage, ob die biblische Ablehnung praktizierter Homosexualität und ihre Bewertung als Sünde in Kirche und Gemeinde auch heute Gültigkeit hat.

Hintergrund dieser Frage ist die Feststellung, daß die Überzeugungen und Haltungen dazu in den deutschen Landeskirchen sehr unterschiedlich sind. Einerseits gibt es in einigen EKD-Gliedkirchen kirchenrechtlich relevante Beschlüsse, die Segnungshandlungen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften ermöglichen, sowie eine VELKD-Empfehlung, wonach mit Einwilligung der jeweiligen Gemeinde homosexuelle Amtsträger mit ihrem Partner im Pfarrhaus zusammen leben dürfen; andererseits gibt es Landeskirchen, die solche Beschlüsse ausdrücklich ablehnen.

Als Vertrauensrat des Gemeindenetzwerks versuchen wir, in dieser Frage zu einer biblisch-theologisch fundierten und an den reformatorischen Bekenntnissen orientierten Meinung zu kommen, sowohl im Blick auf die Anliegen der Teilnehmer des Gemeindenetzwerks als auch für Gespräche mit kirchenleitenden Gremien.

Zwei wesentliche Ergebnisse dieser Umfrage lauten:

1. Nur etwa ein Drittel der angeschriebenen Professoren und Professorinnen hat geantwortet. Gut zwei Drittel haben überhaupt nicht reagiert.

Aus der Sicht des Gemeindenetzwerkes wirft dies ein schlechtes Licht auf die Beziehungen zwischen akademischer Theologie und dem kirchlichen Leben in den Gemeinden. Offenbar haben große Teile der Theologieprofessoren entweder keine Zeit oder kein Interesse daran, Gemeindemitgliedern und Pfarrern Antworten auf sie bedrängende und bedrückende Fragen zu geben. Wir sind allerdings der Meinung, daß die Theologie nicht nur eine Verantwortung in Wissenschaft und Forschung, sondern auch eine Verantwortung für Gemeinde und Kirche hat. Wenn hochqualifizierte Lehrstuhlinhaber diese Verantwortung nicht wahrnehmen, ist das ein großes Versäumnis und ein erheblicher Schaden sowohl für die Theologie wie für die Kirche.

2. Es gibt keine Ãœbereinstimmung in den Auffassungen derjenigen Professoren, die geantwortet haben, aber eine Tendenz.

Die Spanne reicht von einer klaren Ablehnung, Homosexualität als Sünde zu bewerten, bis zu der Feststellung, die Heilige Schrift sei oberste Richtschnur auch in ethischen Fragen. Dazwischen liegen Auffassungen wie die, verantwortlich praktizierte Sexualität (auch unter Homosexuellen) sei von der neutestamentlichen Ablehnung homosexueller Praxis nicht betroffen. Andere Professoren wollen biblische Aussagen nicht aus ihrem Zusammenhang reißen, sondern die Gesamtintention der biblischen Botschaft bedenken. Weiterhin müsse heute zwischen individuellen Situationen und öffentlichen Handlungen unterschieden werden.

Als Antwort wird auch vermittelt, daß es den Willen Gottes nicht ein für allemal gäbe, sondern daß jede Generation neu buchstabieren müsse, was gut und lebensdienlich sei.

Manche Professoren betonen, daß Paulus mit seinen Aussagen von anderen Voraussetzungen ausginge als wir das heute täten. Deshalb könne man nicht diese und alle anderen sexualethischen Ansichten heute übernehmen. Die biblischen Aussagen zur Homosexualität seien zeit- und kontextgebunden.

Auf der anderen Seite erlaube das Liebesgebot der Bibel auch die Gestaltung homosexueller Partnerschaften, wenn sie Treue, Verbindlichkeit und Freiwilligkeit beinhalten würden.

In Einzelfragen gibt es unterschiedliche Meinungen, zum Beispiel dazu, ob Paulus in Römer 1 überhaupt von weiblicher Homosexualität spreche und ob seine Ablehnung grundsätzlich gemeint sei oder nur ein bestimmtes Spektrum homosexuellen Verhaltens umfasse.

Aus der Sicht des Gemeindenetzwerkes ist zusammenfassend festzustellen, daß es (unter denen, die geantwortet haben) eine deutliche Tendenz bei den Exegeten unter den deutschen evangelischen Theologieprofessoren gibt, die biblische Ablehnung praktizierter Homosexualität als Sünde vor Gott und den Menschen zu relativieren und heute für nicht mehr verbindlich zu erklären. Eine Auslegung der Bibel läuft in dieser Frage darauf hinaus, die biblischen Maßstäbe für das Verhalten innerhalb der Gemeinde mehr oder weniger außer Kraft zu setzen. Die christliche Gemeinde steht vor der Frage, ob sie davon ausgehen soll, daß die biblischen Zeugen sich in der Bewertung der praktizierten Homosexualität geirrt haben bzw. ob Gott selbst in seinem Wort sich geirrt hat. Die Mehrheit der Antworten der Professoren scheint in diese Richtung zu weisen.

April 2006

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Sonntag 23. April 2006 um 10:10 und abgelegt unter Sexualethik.