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Predigt über 1. Korinther 15,10: Gnade! Womit hab‘ ich das verdient?

„Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“ (1. Kor 15,10)

„Gnade!… womit hab‘ ich das verdient“, so lautet das Jahresthema, das die EKD für die Männerarbeit 2017 gewählt hat. Das paßt ja gut zum Jubiläumsjahr der Reformation; denn genau an diesem Punkt hat Martin Luther jahrelang mit sich gerungen: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott“, bis Gott ihm Augen und Herz geöffnet hat und ihm dann die frohmachende Erkenntnis von der Gnade Gottes zufiel. Diese Gnade Gottes (sola gratia) hat er dann ins Zentrum seiner Botschaft gesetzt.

Doch heute tun sich Männer oft schwer mit dem Begriff der Gnade. Sie wollen ihr Leben selbst in die Hand nehmen, wollen von niemandem abhängig sein und niemandem etwas verdanken müssen. Ihr Motto lautet: „Selbst ist der Mann“ und sie meinen, nur Schwächlinge seien auf Gnade und Barmherzigkeit angewiesen. Deshalb gehen viele Männer nicht in den Gottesdienst, in der falschen Annahme, sie hätten das nicht nötig.

Ich war ganz erschüttert, als mir ein Bekannter auf meine Frage, wie er seine Schuld vor Gott loswerden und sein Verhältnis mit Gott in Ordnung bringen wolle, antwortete: „Die Suppe, die ich mir eingebrockt habe, werde ich auch selber auslöffeln!“ Von der Gnade Gottes wollte er nichts wissen.

Das hat sicher auch mit falschen Vorstellungen von dem Begriff „Gnade“ zu tun. Er begegnet uns ja meist in Formulierungen wie: „Im Berufsalltag herrscht ein gnadenloser Konkurrenzkampf, jeder gegen jeden“. Oder „der zum Tode verurteilte Verbrecher ist zu lebenslänglich begnadigt worden“.

Was ist denn eigentlich Gnade?

Das deutsche Wort Gnade hat die ursprüngliche Bedeutung von: Herablassung, Herabneigen, huldvolles, hilfs- und vergebungsbereites Sichneigen des Großen, Hohen, Erhabenen zum Kleinen, Geringen, Hilflosen und Verschuldeten.

An dieser Stelle regt sich in vielen Männern Widerstand. Diese Abhängigkeit, dieses gönnerhafte von oben herab Handeln, vom Mächtigen zum Schwachen, ist ihnen zuwider und setzt oft eine Trotzreaktion in Gang. (vgl. die Suppe werde ich selber auslöffeln.) Sie betrachten Gnade rein vordergründig als Hilfestellung für Schwache bei Lebensproblemen.

Doch Gnade, wie sie in der Bibel vorkommt, ist die unverdiente liebevolle Zuwendung Gottes zu uns Menschen, und zwar ohne jegliche Forderung oder Anspruch auf eine Gegenleistung. Sie läßt mir im rechten Augenblick genau das zukommen, was ich jetzt dringend brauche aber keinesfalls selbst bewirken kann.

Daß die wunderbare Gnade Gottes heute so gering geachtet wird, liegt an einem großen Mißverständnis.
Viele glauben, weil Gott Liebe ist, gibt es keinen Zorn Gottes und deshalb auch kein Gericht, das uns drohend bevorsteht.

Doch die Bibel sagt: „…der Zorn Gottes bleibt über ihm.“ (Joh 3,36) und, „…sie sterben alle, danach aber das Gericht.“ (Hebr 9,27)

Allein die Gnade Gottes, die ER uns in Seiner unergründlichen Liebe erweist, rettet uns vor der Verurteilung in diesem Gericht. Das war ja für Martin Luther die entscheidende Erkenntnis, die Paulus in Römer 3,24 so ausdrückt:

„Wir werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade, die durch Christus Jesus geschehen ist.“

Wie verträgt sich denn hier Gerechtigkeit mit Gnade? Sie stehen doch in diametralem Gegensatz zueinander und sind, jedenfalls für uns Menschen, unvereinbar. Entweder wird in Gerechtigkeit gehandelt, dann gibt es keine Gnade, oder die Gnade setzt die Gerechtigkeit außer Kraft.

Wenn z.B. ein Staatsoberhaupt einen rechtmäßig verurteilten Verbrecher begnadigt, dann läßt er „Gnade vor Recht“ ergehen. Menschliche Gnade setzt also die Gerechtigkeit beiseite.

Wenn aber Gott so handelte, würde ER Seinem eigenen Wesen, das nicht nur Liebe, sondern auch Licht und Gerechtigkeit ist, untreu und das ist unmöglich. Seine Gnade erweist sich nie auf Kosten seiner Gerechtigkeit, sondern immer in vollkommener Übereinstimmung damit.

Seine Gerechtigkeit fordert die Bestrafung der Menschen für ihre Sünden, aber – Gott erweist uns Seine Gnade aus barmherziger Liebe ohne jedes Verdienst oder Anrecht dadurch, daß ER Jesus Christus, Seinen Sohn, der ohne Sünde war, an unserer Stelle als Sünder verurteilt hat, damit wir durch IHN vor Gott als gerecht bestehen können. (2. Kor 5,21)

Das ist die einzige Lösung, die sowohl der Liebe Gottes als auch Seiner Gerechtigkeit voll entspricht. In diesem unbegreiflichen Tausch-Handel zeigt sich die unüberbietbare Gnade Gottes, die ER uns sündigen Menschen gewährt. Wenn wir also Jesus unsere Sünde, d.h. unsere Trennung von Gott, bekennen, dann übernimmt ER unsere Sünde auf sich und gibt uns dafür Seine Gerechtigkeit, mit der wir vor Gott als gerechtfertigt bestehen können.

Hier wird deutlich, daß Jesus unsere einzige Rettung ist. Wenn wir Jesus im festen Glauben dafür vertrauen, daß das wahr ist, und IHN in unser Herz aufnehmen, dann ist das Gericht von uns abgewendet und Gott schenkt uns ewiges Leben in Seiner himmlischen Herrlichkeit. Das ist doch wirklich das größte Gnadengeschenk, das Gott uns machen kann!

Diese Gnade sollten auch wir Männer annehmen! Bleibt die Frage: Womit haben wir das verdient? Mit nichts, denn Verdienst und Gnade schließen sich gegenseitig völlig aus. Paulus schreibt: ‚Der Lohn, den die Sünde zahlt, ist der Tod‘ – den haben wir verdient – ‚Gott aber schenkt uns unverdient, aus reiner Gnade, ewiges Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn‘. (Römer 6,23 GNB)

Gnade ist nicht eine Eigenschaft Gottes, sondern Gnade ist Gottes Handeln an uns. Ein eindrückliches Beispiel für Gottes Handeln aus unverdienter Gnade ist der Apostel Paulus. In seinem Brief an die Gemeinde in Korinth bringt er das kurz und bündig auf den Punkt und schreibt: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“ (1. Kor 15,10)

Mehr als alle theoretische Abhandlung über die Gnade Gottes, zeigt sich Seine Gnade hier in der Art und Weise, wie Gott mit diesem Saulus umgeht. Saulus ist ein hochintelligenter und bestens ausgebildeter Theologe, der zu Füßen des berühmten Rabbi Gamaliel saß und sich in der Schrift bestens auskannte. Trotz all seinem Wissen, wollte er nicht, akzeptieren, daß Jesus der in der Schrift verheißene Messias, der Retter und Erlöser ist.

In der festen Überzeugung, es handele sich hier um eine gotteslästerliche Irrlehre, beginnt er mit Unterstützung des Hohenpriesters eine rabiate Verfolgungsaktion bis hin zur Steinigung und das nicht nur in Jerusalem, sondern bis hinauf nach Damaskus. Dort stellt sich ihm Jesus, der auferstandene HERR, in einer strahlenden Lichterscheinung in den Weg.

Wie handelt Jesus, der unumschränkte HERR aller Herren, nun an diesem Rebellen und Terroristen, der die Gemeinde Jesu verfolgt und damit das eigentliche Werk Jesu torpediert und zerstören will? Viele der heutigen Machthaber würden ihn sofort liquidieren oder zu¬mindest langfristig einsperren lassen.

Jesus aber erbarmt sich über ihn, verändert ihn durch Seinen Heiligen Geist, gibt ihm den neuen Namen Paulus und setzt ihn jetzt als Seinen wichtigsten Mitarbeiter und Botschafter für die Heidenvölker ein. Hier zeigt sich die unverdiente Gnade Gottes. Deshalb steht Paulus nicht durch Herkunft, Bildung, Anstrengung und Fleiß vor der Gemeinde in Korinth, sondern er bekennt, es ist alles einzig und allein die Gnade Gottes, daß ich ein Apostel Jesu Christi bin und hier vor euch stehe – ja durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin! (1. Kor 15,10)

Das mit Paulus, das war damals zur Apostelzeit. Aber wie sieht das heute aus. Wo zeigt Gott Seine Gnade heute? Dazu der Bericht des Missionswerkes Licht im Osten:

„Unser Missionar Sergej Guz erzählt von seiner Begegnung mit Raschit, einem Moslem, der seit 1991 als Serienmörder inhaftiert war und in der Todeszelle auf seine Hinrichtung wartete. Er hatte eine grausige Vergangenheit und der Gefängnisdirektor sagte abfällig: „Solche Leute ändern sich nie, sie gehören erschossen.“ Aber davon ließ sich der Missionar nicht abhalten und es zeigte sich ganz anders. Von einem anderen Häftling hatte Raschit eines Tages ein kleines abgenutztes Büchlein zugesteckt bekommen – ein neues Testament, mit dem Rat, darin zu lesen. Am Anfang verstand er gar nichts von dem, was darin geschrieben stand. Aber je mehr er in der Bibel las, umso mehr wurde er berührt und sein Glaube begann zu keimen. Ich besuchte Raschit mehrmals, wir redeten viel über Gott und seine Fragen und ich konnte ihm das Evangelium erklären. Bei einem dieser Besuche betete Raschit aus tiefster Seele zu Gott, kehrte um und wurde ein aufrichtiger Nachfolger von Jesus Christus. Später ließ er sich im Gefängnis taufen.

Nach einigen Jahren wurde seine Todesstrafe aus politischen Gründen in eine 25-jährige Haftstrafe umgewandelt. Welch eine Gnade hat ihm Gott hier gewährt und noch viele Jahre Leben geschenkt, die er, wie der Apostel Paulus, eifrig nutzte.

Denn während dieser langen Zeit wurde Raschit für seine Mitgefangenen zum Evangelisten. Sieben Mal hat er die Bibel von vorne bis hinten durchgelesen, danach hat er aufgehört zu zählen. Von den 150 Inhaftierten bekehrten sich bis auf einen alle Gefangenen zu Jesus Christus und das Gefängnis veränderte sich von innen heraus zu einem Ort voller Hoffnung. Raschit sagte: „Ich lese das Wort Gottes, lerne Gott dadurch besser kennen, weine und werde getröstet. Der Herr spricht zu uns durch Sein Wort und schenkt uns dadurch Erneuerung und Erkenntnis.“

Raschit ist seit 2016 wieder frei und berichtet von dem Wunder der Gnade und der Vergebung, die ihm und 149 Mitgefangenen durch Jesus Christus völlig unverdient widerfahren ist. „Das ist die Gnade Gottes; durch Sein lebendiges Wort vermag ER das Unmögliche möglich zu machen und Menschenherzen grundlegend zu verwandeln, selbst in noch so aussichtslosen Situationen. Das zeigt die 180 Grad Wende von Raschit auf eindrückliche Weise.“

Zeigt sich die Gnade Gottes auch in unserem Leben? Wir erfahren Gottes Gnade auf unterschiedliche Weise. Verdient haben wir sie nie. Sie ist immer ein freies Geschenk Seiner übergroßen Liebe zu uns Menschen.

Amen.

„Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem HERRN!“ Amen.

Predigt für den 20. Sonntag nach Trinitatis, Prädikant Wolfgang Wilke, 29.10.2017