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Aspekte der Rechtfertigungslehre Martin Luthers

Mittwoch 26. April 2017 von Prof. Dipl.-Kfm. Helmut Kind


Prof. Dipl.-Kfm. Helmut Kind

Wir „feiern“ das Reformationsjubiläum. Die Neuerscheinungen über die Reformation und insbesondere über Martin Luther sind unübersehbar. Sind wir aber dadurch klüger geworden? Ich habe meine Zweifel, ob wir dem Zentrum des lutherischen Glaubens dadurch näher gekommen sind. Auch wird oftmals bezweifelt, ob Luthers Frage nach dem gnädigen Gott noch zeitgemäß ist. Wir heutigen Menschen sind viel zu stark dem Säkularismus verfallen und können Luthers Frage oft gar nicht mehr verstehen. Das gilt auch für uns Christen. Wer sich mit Luthers Lehre nach dem gnädigen Gott und seiner Rechtfertigungslehre beschäftigt, dem vergeht zunächst das Feiern. Wir wollen bei Luther nachgraben, um seiner „Neu-Entdeckung“ des Glaubens an Jesus Christus näher zu kommen.

1. Die Ausgangssituation Martin Luthers

Martin Luther wuchs in einer Zeit auf, in der die Bibel bei den meisten Menschen keine große Rolle spielte. Die Scholastik war die damals herrschende Lehre, mit der sich auch Luther beschäftigte. Sie besagte im Wesentlichen, dass der Mensch die Gebote Gottes aus eigener Kraft erfüllen könne, auch wenn es mit der Gnade Gottes leichter ginge. Dies war die allgemeine Schultheologie.

Luther wurde am 10. November 1483 in Eisleben geboren. Seine Vorfahren  waren Bauern; sein Vater wechselte in den Bergbau und nahm dort eine führende Stellung ein. Der Vater von Luther wünschte für seinen Sohn Martin ein juristisches Studium, das ihm genügend Geld einbringen könnte.

Im elterlichen Hause wurde Luther sehr streng erzogen. In seinem Elternhaus herrschte der Geist einer bürgerlich-korrekten Frömmigkeit. Die Kirche vermittelte das Gefühl einer tröstlichen Geborgenheit. Christus galt für ihn jedoch als gestrenger und unerbittlicher Richter. (2/17)

Nach dem Schulbesuch in Mansfeld und Eisenach (Erlernung umfangreicher Lateinkenntnisse) ließ sich Luther als Student an der Universität Erfurt einschreiben. Hier wurde ihm umfangreiches Wissen auf den Gebieten Scholastik Grammatik, Dialektik und Rhetorik vermittelt. Von großer Bedeutung war auch die Beschäftigung mit den Werken des griechischen Philosophen Aristoteles. Er legte auch mehrere Prüfungen ab und erwarb den Bakkalaureus- und Magistergrad.

Exkurs zu Luthers persönlichen Eigenschaften:

Luther war voller Ecken und Kanten. Er scheute nicht zurück vor Beschimpfungen und Verunglimpfungen seiner Gegner. Er hatte eine grobe Sprache. Er war aber auch ein sensibler Mensch. Wie bekomme ich einen gnädigen Gott? – das war seine tiefste Lebensfrage. Er war häufig geplagt vom schlechten Gewissen und einer tiefen Gottesangst. Auch war sein Leben durch depressive Phasen gekennzeichnet. Der richtende Gott war ihm zunächst näher als der gnädige und liebende Gott.

Auf einem Weg zu seinen Eltern geriet Luther bei dem Dorf „Stotternheim“ in ein furchtbares Gewitter und legte folgendes Gelübde ab: „Hilf du, hl. Anna, ich will ein Mönch werden“. (2/27)

Luther ging durch die Erfahrung des Gewitters davon aus, dass Gott ihn ins Kloster gerufen hatte. Er ging – gegen den Willen des Vaters – in das Augustiner-Kloster. Er hatte jetzt nur noch ein Lebensziel: „Das Heil seiner Seele zu erringen“ (2/28).  Als er im Kloster war, erhielt er zum ersten Mal eine eigene Bibel. Er verkaufte fast alle seine Bücher und gab sich dem intensiven Studium der Bibel hin.

Immer, wenn er in der Bibel etwas von der Gerechtigkeit Gottes las, bekam er einen Schock und fürchtete sich vor dem Gericht Gottes. Er meinte, Gott fordere vom Menschen die Gerechtigkeit oder ein Leben ohne Sünde. Gerecht sei ein Mensch nur, wenn er die Gebote Gottes hielte. Wer die Gebote Gottes nicht hielte, der sei von Gott verworfen und würde in Zeit und Ewigkeit Gott und Christus nur als Richter erfahren. „Darum muss auch die vergangene Sünde bereut und gebeichtet werden, darum muss die gegenwärtige, immer vor der Tür lauernde Sünde bekämpft werden.“ (2/40)  Mit diesen Gedanken quälte sich Luther viele Jahre. Deswegen spielt der Begriff „Gerechtigkeit“ in Luthers Theologie und Leben eine zentrale Rolle. Sein Ordensvorgesetzter und Beichtvater Johann von Staupitz nahm ihm immer wieder die Beichte ab. Luther ging häufig zur Beichte. Staupitz sprach ihm immer wieder Trost zu. Luther kam jedoch über viele Jahre nicht zur Ruhe.

In diesem Zusammenhang hatten fĂĽr Luther die Gebote Gottes und die SĂĽnde eine groĂźe Bedeutung.

2. Die Gebote Gottes

Das Thema wird häufig auch behandelt unter dem Begriffspaar „Gesetz und Evangelium“, wobei hier unter „Gesetz“ die zehn Gebote verstanden werden sollen, wie sie in der Bibel und dem Katechismus aufgeführt sind. Luther sprach auch vom Gesetz der 10 Gebote.

Gliederung der 10 Gebote in Gebote der 1. Tafel und der 2. Tafel:

(2. Mose 20 und 5. Mose 5)  

Gebote der 1. Tafel: Gebote, die das Verhältnis des Menschen zu Gott betreffen:

(Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir / Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht unnütz gebrauchen, denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen mißbraucht / Du sollst den Feiertag heiligen)

Gebote der 2. Tafel: Gebote, die das Verhältnis der Menschen zu anderen Menschen betreffen

(Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass dir’s wohlgehe und du lange lebest auf Erden / Du sollst nicht töten / Du sollst nicht ehebrechen / Du sollst nicht stehlen / Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten / Du  sollst nicht begehren deines nächsten Haus / Du sollst nicht begehren deines nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was sein ist).

Die Gebote finden ihre Konkretisierung und Verschärfung in der Bergpredigt (Matth. 5 – 7). Zum Beispiel sagt Jesus: „Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen“ (Matth. 5,18).

Luther begriff die zehn Gebote als Forderungen Gottes an den Menschen, ohne deren Einhaltung wir dem Gericht Gottes verfallen.

Er erkannte:

Die Gebote Gottes vermitteln uns keine Gerechtigkeit

3. Zum Begriff „Sünde“

Der Begriff „Sünde“ hat mehrere Bedeutungsvarianten: Zielverfehlung, Ungerechtigkeit, Übertretung, Feindschaft gegen Gott, Rebellion. Er ist zunächst nicht moralisch zu verstehen. Die Sünde ist auf jeden Fall Trennung von Gott.

4. Exkurs zur doppelten Wahrheit ĂĽber den Menschen

Der Mensch wurde von Gott geschaffen und hatte zunächst Gemeinschaft mit Gott. „Er war „von Gott geschaffen, von Gott geliebt, von Gott erhalten, von Gott  in jedem Augenblick abhängig.“  (1/67)

Der Sündenfall Adams und Evas war ein Verstoß gegen Gottes Gebot. Die Gemeinschaft mit Gott war verlorengegangen. Wie ein roter Faden zieht sich der Abfall von Gott durch die gesamte Menschheitsgeschichte. Paulus (Röm. 3): Alle sind unter der Sünde. „Da ist keiner, der gerecht ist, auch nicht einer. Da ist keiner, der verständig ist. Da ist keiner, der nach Gott fragt. Sie sind alle abgewichen und allesamt verdorben. Da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer.“ Dieser Tatbestand wird als „Erbsünde“ bezeichnet. Um vor Gott als gerecht bestehen zu können, müssen wir alle Gebote halten (nicht nur einige).

Seit dem Sündenfall hat der natürliche Mensch keine Möglichkeit mehr, von sich aus in die Gemeinschaft mit Gott zurückzukehren. Der Tod ist die Folge der Sünde.

5. Die Gebote und der Zorn Gottes

Die Gebote Gottes allein bringen unsere Entfremdung von Gott zur Entfaltung. Sie befreien uns nicht von Sünde und Tod. Sie zeigen uns, dass der heilige Gott uns gegenüber zornig sein muss. Die Gebote Gottes allein verklagen, richten und verdammen uns, aber sie helfen uns nicht. Die Konsequenzen sind Verzweiflung und innere Angst. Der Mensch kann vor Gott nur zusammenbrechen. Wir spüren, dass wir mit unseren Fähigkeiten und auch Taten vor Gott nicht bestehen können. Luther hat etliche Jahre unter diesem seinem Unvermögen gelitten. Luther hatte in Wittenberg einen Mentor und Freund, der ihm immer wieder die Beichte abnahm und ihm Trost zusprach. Luther ging häufig zur Beichte.

Die wichtigste Aufgabe der Gebote besteht zunächst darin, dem Menschen seinen tiefen Abfall von Gott vor Augen zu führen. Verzweiflung und Ängste des erschrockenen Gewissens können die Folge sein.

Paulus in Röm. 7: Verse 18 b / 19 / 24/

Wir heutigen Menschen haben häufig den Gedanken eines auch zornigen Gottes verdrängt. Heute spricht man nur noch vom Gott der Liebe, nicht mehr vom zornigen Gott. Hier sollten wir jedoch nicht in Alternativen, sondern wie die Bibel komplementär denken. Gott ist sowohl ein zorniger Gott als auch ein Gott der Liebe.

6. Die Reaktion des Menschen auf die Gebote

Auf die Forderungen Gottes (Gebote) nach Einhaltung der Gebote reagiert der Mensch mit Protest und Widerspruch.

Im 1. Gebot heißt es: „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Ist Gott wirklich unser Herr? Sind wir wirklich bereit alles zu tun, was er will? Das Herr-Sein Gottes bzw. das Herr-Sein Jesu bedeutet doch, dass wir auf unsere Selbstbestimmung verzichten und nur das tun wollen, was er will. Wir als Menschen wollen jedoch nicht abhängig sein von einem anderen, auch nicht von Gott oder Jesus. Wir wollen unsere eigenen Herren sein und das tun und lassen, was wir wollen. Dies entspricht unserer humanistischen Erziehung und Denkweise.

In der Bergpredigt werden die Gebote Gottes zum Teil noch konkretisiert,

– z.B. in Matth. 5,28 (zum 6. Gebot): „Wer eine Frau ansieht, um sie zu begehren, der hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“

– oder Matth. 5,44: „Liebet eure Feinde und bittet fĂĽr die, die euch verfolgen.“

Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, werden wir feststellen, dass wir als natürliche Menschen die Gebote Gottes nicht erfüllen können.

Luther war verzweifelt, dass er den Geboten Gottes nicht entsprechen konnte. Sein Tun entsprach somit nicht der Gerechtigkeit Gottes.  Er versuchte es immer wieder, aber es klappte nicht. Er fürchtete das Gericht Gottes und auch den ewigen Tod, nämlich ewig von Gott geschieden zu sein.

Er erkannte: Die Gebote Gottes vermitteln uns keine Gerechtigkeit

Die Antwort des Menschen ohne Gott, des natürlichen Menschen, auf diese Erkenntnis ist im allgemeinen Ablehnung, weil wir Gottes Urteil über unsere Sünde nicht ertragen können.

7. Jesu Leiden und Sterben am Kreuz

Es war ein Prozess von mehreren Jahren, bis Luther erkannte:

a) Gott erwartet von uns keine Gerechtigkeit

b) Gott schenkt uns seine Gerechtigkeit

Er entdeckte durch Gebet und intensives Bibelstudium – insbesondere des Römer-Briefs und des Galaterbriefs – dass wir nur durch Jesu Leiden und Sterben am Kreuz gerettet werden können, d. h. die Gerechtigkeit Gottes erlangen können. Jesus erleidet die Strafe Gottes, die wir verdient haben. Christus hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da er zum Fluch wurde für uns (Gal. 3,13). Er hat an unserer Stelle das Gesetz erfüllt. Hierin drückt sich die Liebe Gottes zu uns Menschen aus. „Gott liebt uns nicht, weil Christus für uns gestorben ist; sondern Christus starb für uns, weil Gott uns liebte“ (6/221)

Aspekte von Jesu Leiden und Sterben: Stellvertretung, Opfertod, Mittler, Hoherpriester.

Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der Gedanke der Stellvertretung. Er besagt: Ein Mensch nimmt den Platz eines anderen ein.

Der Zorn Gottes wird gesühnt, indem Jesus durch seinen Tod an unserer Stelle die Strafe Gottes auf sich genommen hat und für uns am Kreuz gestorben ist. Der Gedanke der Stellvertretung ist einer der wichtigsten im Rahmen der Rechtfertigungslehre.

Gott schenkt uns seine Gerechtigkeit

Dies bedeutet konkret:

(1) Unsere SĂĽnden, die uns von Gott trennen, werden uns vergeben.

(2) „Vergebung heißt also: dass Gott an meine Stelle tritt, dass er meine Sünde auf sich nimmt und ich teilhaft werde seiner Gerechtigkeit.“ Dies ist ein „Austausch zwischen  meinen Sünden und Christi Gerechtigkeit“ (4/70). Wir Sünder sind erlöst.

(3) Gott tritt an die Stelle des Sünders und der Sünder tritt an die Stelle des Gerechten (4/70), d. h. Gott sieht uns so an, als ob wir keine Sünde hätten.

(4) Christus befreite uns um den Preis seines eigenen Blutes von dem Zorngericht Gottes, das uns hätte treffen müssen. (1/100)

(5) Unser Heil ist nicht mehr abhängig von dem, was wir tun, sondern davon, ob wir glauben, dass er auch für uns genug getan hat. (4/55) „Die Grundlage für das Verhältnis des Menschen zu Gott, die Bedingung der Seligkeit, ist nicht der Gehorsam, sondern der Glaube, nicht das, was ich tue, sondern das, was Christus für mich getan hat.“ (1/101)

(6) In Christus sind wir alles, was die Gebote von uns verlangen: „gerecht, sündlos, frei, gut, entrückt dem Tode und der Sünde (vgl. Röm.  8,1 ff.).  Gnade heißt: Christus ist an unsere Stelle getreten, er ist unsere Sünde, wir sind seine Gerechtigkeit.“ (3/55)

Die uns geschenkte Gerechtigkeit Gottes ist das Evangelium

(7) Aber: Wenn man lehrt: „Ihr müsst die Gnade haben, ihr müsst an Christus glauben, dann treibt man in Wirklichkeit das Werk des Gesetzes…..Aber „Evangelium heißt: der, den ihr braucht, ist gegenwärtig, mitten unter uns ist er getreten (3/55). Wir dürfen aus dem Glauben kein „Muss“ machen. Dies ist ein schmaler Grat zwischen den Geboten und dem uns froh machenden Evangelium. Das Evangelium darf niemals als Forderung verkündet werden (3/55).

(8) Vergebung ist etwas Letztes, wovon her wir leben und sterben. (4/70)

(9) Ein Theologe hat einmal gesagt: „Wir müssen unsere Nacktheit anerkennen, zusehen, wie der göttliche Stellvertreter an unserer Stelle unsere schmutzigen Lumpen trägt und ihm erlauben, uns mit seiner eigenen Gerechtigkeit zu bekleiden.“ (6/209). Dies empfinden wir Menschen als Zumutung und können den Gedanken kaum ertragen. Deswegen meinen wir, die Rettung des Menschen bestünde in Christi Verdienst und des Menschen Leistung. Dies wird von den luth. Bekenntnisschriften als „fromme Beseitigung Christi“ bezeichnet, weil der Mensch an die Stelle der Vergebung das Werk seiner Besserung setzt und an die Stelle der Gerechtigkeit Gottes die Gerechtigkeit vor Menschen und vor sich selbst. (5/132)

In Bezug auf den Freispruch weist der Theologe Edmund Schlink auf folgenden Unterschied hin: „Ein menschliches Gericht darf nur den unschuldig Angeklagten freisprechen. Gott aber erklärt den Schuldigen schuldlos, den Sünder gerecht. Gott sieht an der Stelle des Schuldigen seinen schuldlosen Sohn an, nachdem er seinen Sohn zur Sünde gemacht hat an unserer Statt.“ (5/139)

8. Der SĂĽnder wird gerechtfertigt allein durch den Glauben

Luther hatte sich immer wieder in die biblischen Schriften vertieft, vorrangig in die Psalmen, den Römer- und Galaterbrief und den Brief an die Hebräer. Er hat dem Gebet eine große Bedeutung beigemessen. Nach einem längeren Prozess war für ihn klar:

Das Thema der gesamten Rechtfertigungslehre heiĂźt:

a) Allein aus Glauben, nicht aus Werken und

b) Gott schenkt uns seine Gerechtigkeit

Durch die Gerechtigkeit Gottes erhalten wir auch wieder Gemeinschaft mit Gott. Luther erkannte auch, dass diese neue Erkenntnis nicht das Ergebnis rationaler Bemühungen ist, sondern ein Geschenk Gottes durch den Heiligen Geist.

Gott schenkt uns seine Gerechtigkeit

Luther spricht in diesem Zusammenhang von dem vierfachen „Allein“:

 –  Allein Jesus Christus

–  Allein durch den Glauben

–  Allein aus Gnade

–  Allein durch die Schrift

Hieraus ergibt sich folgendes: Wenn wir uns in die biblischen Schriften vertiefen, im Gebet den Zusagen Gottes glauben, wird er uns seine Gerechtigkeit und die Gemeinschaft mit ihm schenken. Das ist Glaube an das Evangelium. Auch unser Verhältnis zu den Geboten Gottes wird dann ein anderes. Wir werden durch den Heiligen Geist befähigt, seine Gebote zu lieben und zu halten. Es erfolgt dann wie bei Luther eine Veränderung bzw. Wandlung in uns. Die Gebote werden uns damit Wegweiser für unser Leben.

9. Luthers Lehre von der „bleibenden Sünde“

Der Theologe H.-J. Iwand nennt hierzu u. a. folgende  Aspekte (3/70):

(1) Die Sünde wird vergeben, aber nicht aufgehoben. Sie bleibt und bleibt doch nicht. Sie hebt nur an zu weichen. („Gerecht und Sünder zugleich“ bzw. „Simul justus et peccator“)

(2) „Es gibt wirklich Vergebung, aber es gibt keine Hinwegnahme der Sünde, es sei denn in der Hoffnung.“

Iwand: „Lebte bis dahin der Mensch bewusst oder unbewusst unter dem Gericht seiner Werke, so lebt er jetzt aus dem Glauben, dass Gott dem Sünder gnädig ist. Bis dahin war er ein Mensch, der meinte, dass Gott nur dem Guten, dem Gerechten gnädig ist, jetzt aber glaubt er, das heißt, jetzt lebt er aus der Gnade und darum ist die Sünde, die an sich Sünde ist und bleibt, nicht Sünde. Es ist Sünde da auch nach der Vergebung, aber sie wird nicht zugerechnet.“

 Iwand (weiter): „Dieses Leben ist nicht eine Frömmigkeit, sondern ein Fromm werden, nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Wesen, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung, wir sind’s noch nicht, wir werden’s aber“. (3/74)

 Dies geschieht durch den Heiligen Geist, der durch das Wort Gottes vermittelt wird.

10. Das Evangelium ist das Wort der Vergebung, durch das Gott den SĂĽnder um Christi willen rechtfertigt (5/150)

(1) Das Evangelium ist die VerheiĂźung der Vergebung und der Rechtfertigung. (5/151)

(2) Evangelium bedeutet auch nicht nur die Verkündigung eines historischen Faktums, sondern das Verdienst Christi ist im Evangelium Gegenwart. „Durch das Evangelium wird so der Sünder dem Kreuzestode Jesu Christi gleichzeitig. Durch das Evangelium wird er versöhnt, wenngleich das Werk der Versöhnung bereits im Kreuzestode Christi vollbracht ist.“ (5/151 u. 5/152)

 (3) Alles, was auf dieser Erde verbrochen wurde und noch verbrochen wird, ist vom Versöhnungsopfer auf Golgatha umschlossen. Alle Sünden dieser Weltzeit wurden am Karfreitag vor ca. 2000 Jahren gesühnt durch Jesus Christus. (1/101 u. 1/102)

(4) Der frühere schwedische Bischof Bo Giertz sagte einmal: „Der seligmachende Glaube ist nicht der Glaube an irgendetwas Beliebiges, nicht einmal ein Glaube an Gott, sondern ein Glaube an den Erlöser, der meine Sünden durch seinen Tod gesühnt hat, und der gerade durch den Glauben mein ganzes Wesen und meine ganze Existenz in sich aufnimmt und mich an all dem teilnehmen lässt, was zu Leben und Seligkeit dazugehört.“ (1/108)

(5) „Das Evangelium ist die Botschaft von Christi Werk, der Zuspruch der Vergebung, das Mittel, durch das der Glaube entsteht und darüber hinaus die Kraft, die den alten Menschen erneuert und aus Verderbtheit neuen Gehorsam macht.“ (5/153)

(6) Dies geschieht durch den Heiligen Geist, der durch das Wort Gottes vermittelt wird.

Zusammenfassung:

1. Luther und seine Zeit

2. Luther ging zunächst davon aus, dass er selbst vor Gott gerecht sein müsse, um Gott zu gefallen. Die Einhaltung der Gebote war für ihn zwingend.

3. Die Reaktion des Menschen auf die Forderungen Gottes in den Geboten ist Ablehnung bis hin zur Rebellion.

4. Durch Jesu Leiden und Sterben am Kreuz schenkt Gott uns seine Gerechtigkeit. Unsere SĂĽnde wird uns vergeben und uns nicht zugerechnet (Stellvertretung!)

5. Wir Menschen als Sünder werden gerechtfertigt allein durch den Glauben. Gebet und Wort Gottes ermöglichen durch den Heiligen Geist den Glauben.

6. Wir Christen sind „Gerecht und Sünder zugleich“ (simul justus et peccator)

7. Das Evangelium ist das Wort der Vergebung, durch das Gott den SĂĽnder um Christi willen rechtfertigt.

Nachtrag: Bis hierhin wurde die Rechtfertigungslehre i.e.S. vermittelt.

In einem weiteren Teil vermitteln die lutherischen Bekenntnisschriften die Auswirkungen der Rechtfertigung mit Einzelheiten zum „Neuen Gehorsam“ (Glaube, Wiedergeburt, Erneuerung und gute Werke); s. Literaturangabe zu 5.

Literaturhinweise

1 = Bo Giertz, Die groĂźe LĂĽge und die groĂźe Wahrheit, a.a.O.

2 = Fausel, Heinrich, D. Martin Luther, Leben und Werk 1483 bis 1521, Band 1, a.a.O.

3 = Iwand, Hans Joachim, Nachgelassene Werke, Bd. 5: Luthers Theologie, a.a.O.

4 = Iwand, Hans Joachim, Glaubensgerechtigkeit (Lutherstudien), a.a.O.

5 = Schlink, Edmund., Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften, a.a.O.

6 = Stott, John, Das Kreuz – Zentrum des christlichen Glaubens, a.a.O.

7 = Gremels, Georg, Ein Mensch namens Luther, a.a.O.

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Verfasser: Helmut Kind (Prof. Dipl.-Kfm.), 26723 Emden

Kontakt: Helmut.Kind@t-online.de

Emden, im April 2017

 

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 26. April 2017 um 10:15 und abgelegt unter Kirche, Theologie.