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Vom fruchtlosen und fruchtbaren Leben

Einmal sprach ich mit einem evangelistisch aktiven jungen Mann über seinen Dienst. Er war traurig, weil sich in letzter Zeit trotz intensiver Bemühung niemand bekehrt hatte. Er meinte, sein Dienst sei ohne Frucht und begann, an sich und an Gott zu zweifeln. Ähnliches hört man immer wieder. Es gibt nicht wenige Christen, die den Sinn ihres Lebens allein darin sehen, ob und wie viele sie zum Glauben geführt haben. Und sie werden traurig, wenn das nicht der Fall war. Ich denke, dass sich hier ein falsches Verständnis von „Frucht“ eingeschlichen hat, das unbedingt korrigiert werden sollte.

Fruchtloses Leben

Am Ende seines Briefs an Titus gibt Paulus eine letzte, abschließende Ermahnung weiter: „Lass aber auch die Unseren lernen, sich hervorzutun mit guten Werken, wo sie nötig sind, damit sie kein fruchtloses Leben führen“ (Tit 3,14). Es gibt also durchaus die Gefahr, dass Christen ein fruchtloses Leben führen. Man kann voller Glaube sein, aber an seinen Nächsten, die in Nöten sind, teilnahmslos vorübergehen. Der Priester und der Levit in Jesu Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Luk 10) sind Beispiele dafür. Sie kümmern sich lieber um die Vertikale als um die Horizontale ihres Lebens. Ein solches Leben ist gefährlich. Im Weinstockgleichnis, das innerhalb seiner Abschiedsreden an die Jünger steht (Joh 15), warnt Jesus eindringlich vor einem fruchtlosen Leben. „Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird er wegnehmen“ (Joh 15,2).  Es geht also bei unserer Frage nach Fruchtlosigkeit und Fruchtbarkeit unseres Lebens um viel.

Es gibt im Protestantismus eine verhängnisvolle Scheu vor guten Werken. In einer falsch verstandenen Lutherinterpretation will man allein durch den Glauben selig werden, ohne Werke, und man vergisst, dass beides zusammengehört. Wenn Bodelschwingh und Wichern so gedacht hätten, dann wären ihre Liebeswerke nie entstanden. Aus einer solchen grundsätzlichen Abwertung der guten Werke entspringt dann oft eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Nächsten und seinen unmittelbaren Anliegen. In vielen Gemeinden kann man das erleben. Ein Freund erzählte uns jetzt von einem Besuch einer evangelikalen Gemeinde in Haifa. Sie nahmen ohne sich vorher angemeldet zu haben an einem Gottesdienst teil. Anschließend standen sie ziemlich verloren herum. Niemand kam auf sie zu, niemand lud sie ein zu bleiben. Leider ist das keine Einzelerfahrung, wie ich aus vielen Besuchen landeskirchlicher und freikirchlicher Gemeinden weiß. Hier können evangelische Christen noch viel lernen.

In der evangelischen Kirche gibt es anerkanntermaßen viel Fernstenliebe und diakonischen Einsatz. Brot für die Welt ist nach wie vor ein Renner, der viele Menschen mobilisiert. Aber an bestimmten sozialen Brennpunkten warten die Menschen vergeblich auf kirchliche Zeichen der Nächstenliebe. Die ungewollt schwanger gewordene Frau kann zwar in den evangelischen Beratungsstellen das gesetzlich vorgeschriebene Beratungsgespräch in Anspruch nehmen, aber die eigentliche christliche Solidarität erfährt sie nicht. Die würde nämlich darin bestehen, ihr die letzte Entscheidung über Leben und Tod ihres Kindes nicht zuzumuten, ihr den hohen Wert des menschlichen Lebens in Gottes Augen ins Gewissen zu legen und ihr alle nur denkbaren praktischen Hilfen für das Neugeborene bis hin zur Adoptionsvermittlung anzubieten. Die Ausstellung des sog. Beratungsscheines, der die Abtreibung auf Kosten des Steuerzahlers ermöglicht, kann jedenfalls nicht als „gutes Werk“ im Sinn von Tit 3,14 gelten. Vielmehr ist das ein Akt des geistlichen Desinteresses an der Frau, eine Verbeugung vor dem falschen Götzen der Selbstbestimmung, und es ist eine Verweigerung des Evangeliums. Denn das Evangelium zeigt uns die Allmacht Gottes, der immer helfen kann, auch in scheinbar ausweglosen Situationen, und es zeigt uns die Barmherzigkeit Gottes, die sich der Not der Menschen annimmt, die ihn um Hilfe anflehen. Mit ihrer hochproblematischen Beratungspraxis trägt die evangelische Kirche dazu bei, dass in unserer Gesellschaft der Wert des ungeborenen Lebens immer mehr abnimmt. Ein aktuelles Beispiel: In Stadthagen will jetzt die Klinik Agaplesion ihre Arbeit aufnehmen. In ihren Satzungen steht, dass sie sich dem christlichen Menschenbild verpflichtet sieht. Abtreibungen nach der sog. sozialen Indikation soll es in dieser Klinik nicht geben. Seit Oktober 2016 gab es gegen diese Zielvorgabe öffentliche Angriffe, und zwar quer durch alle im Kreistag vertretenen Parteien und viele öffentliche Gruppen. Die Lokalpresse sprach von einem „Skandal“ und „rückständigem Weltbild“. Auf ein Wort der Solidarität mit dieser mutigen Haltung der Klinik seitens der evangelischen Kirche wartet man bis heute vergeblich.

Ein ähnliches Versagen der evangelischen Kirche sehe ich in ihrer Untätigkeit, Unwilligkeit und Unfähigkeit, gleichgeschlechtlich empfindenden Menschen, die eine normale, aufs andere Geschlecht bezogene sexuelle Empfindung anstreben, Hilfestellungen anzubieten. Mir ist keine einzige Einrichtung der evangelischen Kirche bekannt, die eine solche Zielsetzung hat. Ich frage mich, warum keine evangelische Synode, weder der Landeskirchen noch der EKD, für ein solches Projekt Mittel zur Verfügung stellt. Natürlich würde man mit solch einer Anlaufstelle für gleichgeschlechtlich empfindende aber Veränderung suchende Menschen nicht das gesamtgesellschaftliche Problem lösen können, das Christa Meves schon in den 90er Jahren mit dem Stichwort der „Homosexualisierung Europas“ bezeichnet hat, aber man hätte wenigstens ein Angebot, das auf der biblischen Zuordnung von Mann und Frau aufbaut und ein Zeichen echter christlicher Nächstenliebe wäre, weil es konkrete Nöte anderer Menschen ernstnimmt. Auch das wäre ein „gutes Werk“ im Sinn von Tit 3,14.

Aber wie sieht es bei uns selber aus? Sind wir bereit und willig zu spontanen Taten der Nächstenliebe? Es war vor vielen Jahren, in der Zeit des Aufbaus des Geistlichen Rüstzentrums Krelingen durch Pastor Kemner, als H. Kemner aufs Herz gelegt bekam, etwas für die Drogenabhängigen zu tun. Dazu brauchte es ein entsprechendes Haus. Ein Bauer war bereit, sein Anwesen zu verkaufen, das direkt neben dem damaligen Gelände des Rüstzentrums lag. Doch woher das Geld nehmen? Gott wusste des Ausweg. Eines Tages bekam Pastor Kemner Besuch eines in Norddeutschland bekannten Unternehmers. Er wollte ihn unbedingt sprechen, nachdem er eine Ansprache Kemners über den Unterschied von Frucht und Erfolg gehört hatte. Er erklärte, dass er mit Gottes Hilfe einen großen geschäftlichen Erfolg habe, dass er aber vor Gott Frucht haben möchte. Und so übergab er einen Scheck mit genau der Summe, die zum Kauf des Hauses noch fehlte. Da hatte jemand die Gefahr eines fruchtlosen Lebens gespürt und ein „gutes Werk“ getan, genauso wie Paulus es in Tit 3,14 gefordert hat. Fruchtlosigkeit war zur Fruchtbarkeit geworden.

Möge uns der Herr bewahren vor geistlicher Fruchtlosigkeit! Wir müssen niemand bekehren. Aber wir brauchen ein Gespür für die Nöte unserer Nächsten und sollen ihnen dort nach Kräften beistehen. Dann wächst aus unserem Leben Frucht.

Fruchtbares Leben

Martin Luther hat in einer Auslegung zu Titus 3 sehr einprägsam auf den Punkt gebracht, was er unter guten Werken versteht. „Demzufolge ist nicht nur das dein gutes Werk, dass du ein Almosen gibst oder betest, sondern wenn du dich deinem Nächsten von Herzen zuwendest und ihm dienst, nämlich mit allem, was er braucht und wie du es kannst. Das können Almosen sein, aber auch Beten, Arbeiten, Fasten, Ratschläge, Trösten, Lehren, Ermahnen, Strafen, Entschuldigen, Kleiden, Speisen und – sollte es dazu kommen – auch durch Leiden und Sterben für ihn. Sag mir: Wo findet man jetzt solche Werke in der Christenheit?“

Ein geistlich fruchtbares Leben definiert sich also nicht an der Zahl derjenigen, die ein Christ bekehrt, sondern an seiner praktischen Nächstenliebe, an dem, was er aus Liebe für den anderen tut. Luther zählt hier ein Fülle von Betätigungsfeldern auf. Das korrespondiert mit dem, was der Apostel Paulus in Galater 5 über die Frucht des Geistes ausführt. Sehen wir uns die bekannte Stelle Gal 5,22-23 einmal etwas näher an.

Die Trias Liebe, Freude, Frieden

Zuerst stellt der Apostel fest, dass die Liebe die eigentliche Voraussetzung für ein fruchtbares Leben ist. Ohne die göttliche Liebe läuft nichts, was zur Frucht werden kann. Müssen wir da nicht täglich um Liebe bitten? Ich denke nicht. Das Lied „Gib mir Liebe ins Herz, lass mich leuchten“ ist zwar nett zu singen, aber es macht nicht ernst mit den biblischen Tatsachen. In Röm 5,5 heißt es, dass der Heilige Geist die göttliche Liebe, die Agape, in das Herz aller Christen ausgegossen hat. Was da ist, muss ich anwenden, aber ich muss nicht immer neu darum bitten. Unser Enkelkind Janosch hat zu Weihnachten ein Puppenhaus bekommen. Wie seltsam wäre es, wenn er sich zu seinem nächsten Geburtstag ein Puppenhaus wünschte! Nicht umsonst steht die Liebe hier an erster Stelle. Wie so oft bei Paulus, bildet das erste Glied einer Aufzählung die zusammenfassende Überschrift. Die Liebe ist also keine „Frucht“, denn sie wird jedem Christen unmittelbar vom Heiligen Geist gegeben. Sie ist sozusagen das Startkapital, das der Heilige Geist uns allen, die wir Jesus nachfolgen, mit auf den Weg gibt.

Auch die beiden nächsten Wirklichkeiten „Freude“ und „Frieden“ sollte man nicht zur Frucht zählen, denn sie sind unmittelbare Mitbringsel des Heiligen Geistes. In Röm 14,17 heißt es sinngemäß „Die Herrschaft Gottes manifestiert sich in unserem Leben als Christ nicht dadurch, dass Gott für unseren Leib sorgt (denn das macht er auch bei den Nichtchristen), sondern dadurch, dass wir die göttliche Gerechtigkeit empfangen, im Frieden mit Gott leben dürfen und vollen Anteil an der Freude am Herrn bekommen.“

Die Trias Liebe, Freude, Frieden zeichnet unser Wesen als Christen aus. Ein Christ, der die in ihm existierende Liebe nicht zu praktischer Nächstenliebe werden lässt, der im Unfrieden mit Gott lebt, weil er sich der Sündenvergebung nicht gewiss ist, und der nicht immer wieder zur Freude am Herrn durchbricht – wie soll der Frucht bringen? Wir merken, bevor wir uns mit den praktischen Liebestaten beschäftigen, die uns aufgetragen sind, muss die geistliche Trias Liebe, Frieden und Freude uns durchströmen und bestimmen.

Viele Menschen plagen sich mit Angina pectoris herum, der Verengung der Herzkranzgefäße. Die Innenwände der Arterien sind rauh geworden und lassen das Blut nur mit Mühe und  manchen Ablagerungen durch. So kann es zu kompletten Verschlüssen der Gefäße kommen und schließlich zu Infarkten. Vor vielen Jahren lag ich mit der Diagnose auf Angina pectoris im OP-Saal eines Krankenhauses. Zum Glück reichten zwei Stents, um die Gefäße etwas zu weiten. Dann klärte mich ein Freund über die Ursachen der Arterienverkalkung auf und riet mir zu Arginin, einem Nahrungsergänzungsmittel, das in der Lage sei, die Arterieninnenwände wieder geschmeidig und durchlässig zu machen. Seit vielen Jahren nehme ich Arginin und hatte seitdem nie mehr Angina pectoris-Probleme. Warum erzähle ich das? Der geistliche Kreislauf in unserem Leben versorgt uns immer wieder mit Liebe, Freude und Frieden. Wenn dieser Kreislauf aber ins Stocken kommt, dann müssen wir dringend etwas dagegen unternehmen. Was das Arginin in meinem Beispiel bewirkt, das bewirkt die tägliche Bitte um Sündenvergebung im geistlichen Leben. Liebe, Freude und Frieden müssen fließen, und sie fließen, wenn unser Verhältnis zum himmlischen Vater in Ordnung ist.

Damit sind wir bei der „Frucht“. Das sind die Taten, die wir als Christen aus göttlicher Liebe heraus tun. In ihnen und durch sie erweisen wir uns als die wahren Alternativen, als die „Kinder des Lichts“. Zunächst: Wir enthalten uns jeglicher Unzucht, jeglicher Habgier und jeglicher feindseligen Rede. Das betont Paulus mehrmals in seinen Briefen (siehe 1 Kor 6 und Eph 5). Aber diese Enthaltsamkeit sind noch nicht die „guten Werke“, zu denen wir aufgerufen sind. Die treten uns vor Augen, wenn wir uns die sechsfache Frucht in Gal 5,22-23 ansehen. Und sie öffnen uns die Tür zu einem geistlich fruchtbaren Leben.

Als erstes werden wir zu  Taten der „Geduld“ („hypomonä“) aufgerufen, zu Taten der geistlichen Tragkraft, die uns hilft, missliche Lagen auszuhalten. Christen müssen nicht ausrasten, wenn es in ihrem Leben anders läuft als sie denken und erbitten. Ich habe viel gelernt an Ps 50,15. Gott bevorzugt es, unsere Gebete „zu unserer Errettung“ zu erhören. Und weil wir im allgemeinen diesen weiten Horizont nicht haben, ist es gut, dass Gott nicht alle Gebete so erhört, wie wir sie meinen. Diese Einsicht gibt „Geduld“, „Tragfähigkeit“, eine wunderbare Frucht des Heiligen Geistes. Ein Christ, der in den letzten Jahren viel Krankheitsleiden durchzumachen hatte, sagte mir neulich am Telefon: Ich habe gelernt, ewigkeitsbewusst zu leben. Ich bin jetzt täglich bereit, dass der Herr mich holt.

Die geistliche Freundlichkeit ist mehr als Nettigkeit und Hilfsbereitschaft. Sie vermag den anderen als „Freund“ zu sehen, auch wenn er selber nichts Freundliches an sich hat. Auch eine wunderbare Frucht des Heiligen Geistes. Die Welt denkt im Freund-Feind-Schema. Christen können im anderen, wie absurd er sich auch gebärdet und wie gemeingefährlich er vielleicht auch sein mag, immer auch den von Gott geliebten Menschen sehen. Das schließt nicht aus, ihm in Härte zu begegnen, wo es nicht anders geht. Ein herausragendes Beispiel für diese geistliche Freundlichkeit ist Dr. Friedrich Wilhelm Baedeker (1823-1906). Nach seiner persönlichen  Erweckung wirkte er viele Jahre in Rußland. Vom Zar erhielt er eine Extraerlaubnis zum Besuch der Bleiwerke Sibiriens, wo die schlimmsten Verbrecher schufteten. Für sie, die oft weder lesen noch schreiben konnten, ließ er die „Bibel ohne Worte“ drucken, die nur aus vier Seiten mit den Farben schwarz, rot, weiß und golden bestand. An diesen vier Farben erläuterte er das ganze Evangelium. Damit tat er eine gesegnete Arbeit. Seine Freundlichkeit, die ihn immer wieder nach Sibirien führte, wurde sprichwörtlich. Georg Müller segnete ihn für diesen außergewöhlichen Dienst.

Die Güte ist eine weitere Frucht. Taten aus Güte dürfen nicht verwechselt werden mit bloßer humanistischer Hilfe. „Güte“ kommt von „gut“. Die geistliche Güte orientiert sich immer an dem, was in Gottes Augen gut und richtig ist. In unseren Eheseminaren versuchen wir, den biblischen Hilfsbegriff in 1 Mose 2,18 zu erklären. Die wahre Hilfe besteht nicht darin, dass die Frau ihrem Mann jeden Wunsch von den Lippen abliest, sondern dass sie ihm das gibt an Ermutigung und Ermahnung, was er aktuell braucht, um zu einem verantwortungsfähigen Ehemann und Familienvater zu werden. In unserer Zeit, wo ein intaktes Vaterbild in vielen Familien zur Mangelware wird, trägt die Frau eine ganz besondere Verantwortung für ihren Mann. Sie braucht viel Weisheit, damit sie ihrem Mann wirklich so gegenübertreten kann, dass er ihren Rat und ihre Hilfe annimmt.

Dann kommen wir zur Treue. Ein treues Verhalten und ein treues Verhältnis ist Gold wert. Jeder von uns braucht Grunderfahrungen von Treue, Heimat und Geborgenheit. Menschen, die treu zu mir stehen, die sich nicht scheuen, mir bei Fehlentscheidungen kräftig aber liebevoll ihre Meinung zu sagen, auf deren treue Fürbitte ich mich verlassen kann, werden in unserer Zeit der zunehmenden unverbindlichen Verhältnisse immer wichtiger. Wohl dem, der solche Christen in Ehe, Familie, Gemeinde und Freundeskreis hat. Ich weiß von einem über 90jährigen Christen, der in treuer, täglicher Fürbitte für unsere Familie und für die Dienste des Gemeindehilfsbundes betet. Eine wunderbare Frucht des Heiligen Geistes!

Die Sanftmut ist keine Weichlichkeit, die alle Fünfe gerade sein lässt. Jesus war sanftmütig, als er nicht zurückschlug, als man ihn schlug, aber er behielt trotzdem die gesamte Entwicklung des Passionsgeschehens hundertprozentig in seiner Hand, und er ging seinen Weg mit festen Schritten. Wer in seinen geistlichen Arterien Liebe, Freude und Frieden hat, kann es sich leisten, sanftmütig zu reagieren und trotzdem fest zu bleiben. Als der Widerständler Helmuth Graf James von Moltke vor Roland Freisler stand und die übelsten Beschimpfungen über sich ergehen lassen musste, hatte er Sanftmut. Ruhig und sachlich antwortete er, dass er als Christenmensch nur einen Führer anerkennen könne, nämlich Jesus Christus. Das muss einen ungeheuren Eindruck auf alle Versammelten gemacht haben. In einer solchen Lage sanftmütig zu bleiben, das ist aus eigener Kraft unmöglich, das ist eine Frucht des Geistes.

Die Keuschheit als letzte hier genannte geistliche Frucht wird in unserer sexualisierten und pornographisierten Zeit immer wichtiger. In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde das Generalverbot unzüchtiger Schriften und Bilder vom Deutschen Bundestag gekippt. Seitdem ergießt sich mit zunehmender Wucht ein Schmutz-Tsunami ungeahnten Ausmaßes durch das Internet in die Herzen insbesondere der Männerwelt. Pornographie verschweißt Bilder und Schriften fremder Sexualität in den Seelen der Männer. Viele können nicht mehr unterscheiden zwischen Fremdbild und ihrem aktuellen Bezug zum anderen Geschlecht. Die Sexualität als erster Schöpfungssegen für die Menschenwelt verkommt zur egoistischen Triebbefriedigung, die keine wirkliche Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau mehr aufkommen lässt. Und nun sollen auch noch die Kindergarten- und Schulkinder in die sog. sexuelle Vielfalt hineingeholt werden. Was hier an den Kinderseelen angerichtet wird, das kommt dann in 20-30 Jahren als unangenehme Quittung zurück. Die Menschen werden beziehungsunfähig, der Wert der Ehe wird nicht mehr empfunden. Kinder werden immer mehr als Last angesehen werden. Die durch die Pornographie entwürdigte Frau wird sich immer mehr vom Mann zurückziehen und ihre eigenen Wege gehen. Aber Gott hat uns als Gemeinde Jesu mitten in diese Welt gestellt und will uns heilig machen und heilig erhalten. Geht das überhaupt? Ja, es geht. Denken wir nur an Hiob. Auch dieser Gottesmann hatte sexuelle Anfechtungen. Aber er blieb nicht bei ihnen stehen, sondern er machte vor Gott einen Bund mit seinen Augen, damit er keine Jungfrau mehr lüstern anblickte (Hiob 31,1). Was er von Gott daraufhin empfing, war nichts anderes als die Keuschheit als geistliche Frucht. Und die gilt uns genauso.

Ich wünsche allen Lesern in diesem Sinn von Gal 5,22 und 23 ein fruchtbares Leben.