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Wirklich kein Gender-Wahn?

Die Ideen der Evangelischen Kirche überschlagen sich. Zu Beginn des Kirchenjahres im Luther-Jubiläum hat die EKD eingeladen zu einer Tagung in der derzeit weltweit beachteten Hamburger Hafencity über die Fragen: „Wie positionieren kirchliche Funktionsträger_innen sich angemessen? Wie können kirchliche Stellen sich gegen Hassattacken wappnen? Wie können wir den zunehmenden Stammtischparolen begegnen?“ Bei diesem Hilferuf geht es um Strategien gegen die Anti-Genderbewegung, also Unterstützung von Gender Mainstreaming.

Die EKD verfügt über ein Gender Kompetenzzentrum, dessen Kompetenz zunehmend in Frage gestellt wird. Ihre „Vision einer inklusiven Gemeinschaft“, „der Vielfalt und Gleichwertigkeit“ ist in Verruf geraten. So sprechen renommierte Wissenschaftler geradezu abfällig von einer „Ideologie“. Nach der Einordnung des Biologieprofessors Kutschera handelt es sich gar um eine „Irrlehre“, um Esoterik, letztlich um „Okkultismus“. Verstößt das Konstrukt wirklich nicht gegen die Barmer Erklärung? Der italo-amerikanische Politikwissenschaftler Guido Preparata erachtet Gender Mainstreming als „Ideologie der Tyrannei“, wobei Sozialwissenschaften das Interesse der politischen Klasse auf Randfragen von Minderheiten ablenken sollen. Die Gender-Sympathisanten haben es sehr schwer, nach dem Traumstart mittels der Brüsseler Bürokratie sowie undemokratischen Vorgehens der Bundesregierung, heute respektiert zu werden. Der öffentliche Diskurs wurde im Hinblick auf die politische Brisanz vermieden, letztlich um die intellektuelle Insuffizienz nicht ruchbar werden zu lassen. Nachdem die Soziologen es nicht geschafft haben, Gender Mainstreaming wissenschaftlich zu untermauern, ist die Evangelische Kirche eingesprungen und hat mit ihrem Gender-Institut eine Kompensation versucht: Mit emotionalen Sentenzen, Diskriminierung von Kritikern sowie bürokratischer Implantation hat man ein Imperium geschaffen, das den Anschein der Diskursunfähigkeit und Alternativlosigkeit erweckt. Der ideologische Charakter ist so offensichtlich, dass man unwillkürlich an eine Ersatzreligion denken muss; boshaft formuliert: Man kreierte quasi das Goldene Kalb, das die Gemeindeglieder anbeten sollen. Um dem Anliegen Nachdruck zu verleihen, wurden eine lesbische Theologieprofessorin als Vorsitzende eingesetzt sowie ein homosexueller Propst zum Vizepräsidenten der EKD erkoren. Das gleichgeschlechtliche Empfinden als Teilaspekt der Gender-Lehre sollte mit der Schöpfung eines Pfarrdienstgesetzes untermauert werden.

Die Bemühungen hatten Erfolg in den vielfältigen Installationen von beruflichen Positionen zur Geschlechtergerechtigkeit. Das Studienzentrum der EKD für Genderfragen in Kirche und Theologie hat große Schwierigkeiten, dessen Existenz theologisch zu begründen. Durch allzu freie und großzügige Interpretation von Galater 3, 28 soll die als unmündig behandelte Gemeinde von der Bibeltreue des Gendergedankens überzeugt werden. Eindeutig bleibt doch die gesamtbiblische Aussage, fußend bereits auf 1. Mose 1, 27. Luther war wichtig: „Wer dem Wort glaubt, der achtet nicht auf die Person, die das Wort saget, und ehret auch nicht das Wort um der Person willen.“ Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Gender-Beauftragten sich tief gekränkt fühlen, wenn man ihre Position in Frage stellt. Kritiker erfahren regelmäßig Hate-Speech, wie eine Journalistin und Mutter von vier Kindern, welche von Gender-Wahn spricht und den Begriff „Gender Gaga“ verbreitet hat. Es herrscht, so empfindet es die Gender-Kritiker, eine erschreckende Intoleranz gegenüber Andersdenkenden. Die Institutsleiterin Frau Professor Janssen hat Birgit Kelle in ihrem Eingangsstatemant bei der Gründung des Zentrums quasi in die Nazi-Ecke gestellt. Der Verfasser dieses Artikels hat es selbst erlebt, wie neben anderen kirchlichen Mitarbeitern etwa der Beauftragte für Geschlechtergerechtigkeit der Nordkirche Thomas Schollas (auch ein Verantwortlicher der Tagung in der Hafencity) ihn in strafrechtlich relevanter Weise wegen eines genderkritischen Aufsatzes in der Ausgabe Juli/August 2015 der „Evangelischen Stimmen“ diskreditiert hat. Die Gender-Ideologen kennen nur Meinungsdelikte ihrer geistigen Gegner. Sie fordern geschlechtersensible Sprache von ihren Mitmenschen, erscheinen selbst aber eher als gewalttätig, vor allem extrem intolerant; als Jurist könnte man, wenn keine Buße erfolgt, über eine Entlassung nachdenken. Die Gender-Verantwortlichen kennen faktisch nur „ganz falsch“ oder „ganz richtig“.

Das ist typisch für Radikale und Fanatiker. Darauf hat der Oxford-Professor Timothy Ash aufmerksam gemacht („Sternstunde“ vom 27.11.2016 in 3sat): Heute fühlten sich Menschen zunehmend vorschnell gekränkt, wenn ihre Glaubensrichtung kritisiert wird; es fehle die robuste Zivilisität gegen das Beleidigtsein: Zu schnell unterstelle man die Hasssprache und verweigere die offene Diskussion. Ähnliches wurde in der „Zeit“ vom 06.10.2016 angeprangert. Man kann sich nur schwer des Eindrucks erwehren, dass Gender Mainstreaming den Charakter einer Ersatzreligion gewonnen hat. Fanatiker zeigen niemals Humor, wie etwa die Beauftragten für Geschlechtergerechtigkeit der Nordkirche bewiesen haben: Ein von Frauen der Kirchengemeinde Neumünster-Tungendorf erstellter Flyer mit kritischen Anmerkungen zur Gender-Lehre erhielt von den zuständigen kirchlichen Mitarbeitern ein Prädikat, das an Bosheit kaum zu überbieten ist: „Ab in den Papierkorb“ (eine Aufforderung des Landeskirchenamts an die Pröpste!). Sind die Kirchensteuern für EKD-Zentrum und Gleichstellungsbeauftragte wirklich verantwortbar? Werden dadurch staatliche Maßnahmen wie die mehr als 200 Professorinnen in den Gender-Instituten der Universitäten nicht gesellschaftsschädigend  unterstützt?

Als Jurist lässt sich Gender Mainstreaming ohne Weiteres als verfassungswidrig deklarieren. Bereits gegen Artikel 1 des Grundgesetzes wird verstoßen: Es sei nicht mehr die Würde des Menschen unantastbar, sondern nur noch die Würde der Frau; es erfolgt quasi die Vertreibung der Männer aus dem Paradies des Menschlichen (Bernhard Lassahn, bekannt durch „Käpt’n Blaubär“). Indirekt werden damit auch Frauen diskriminiert, denn ihnen wird ein Aufmerksamkeitsdefizit unterstellt, etwa durch die postulierte Endung „innen“. Man könnte seitenlang über Gender Mainstreaming spotten. Erwähnenswert ist vielleicht noch, was die Ex-Bischöfin und Lutherbeauftragte Margot Käßmann äußerte, dass sie Gott von der geschlechtlichen Fixierung befreien wolle, indem sie ihn zur Abwechslung als ihre „Freundin“ ansah. Man könnte insofern derartiges als „Narretei“ abtun; juristisch würde es zu weit führen, hier den Gotteslästerungsparagrafen einzubeziehen, allerdings verstößt die Genderlehre eindeutig gegen Artikel 6 Grundgesetz. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Familie „die umfassende Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern“. Die mit der Gender-Theorie verbundene Verlagerung ins „soziale Geschlecht“ widerspricht eindeutig unserer Verfassung. Man könnte im Kontext mit der kirchlichen Gender-Propaganda gar von Verfassungsfeindlichkeit sprechen, zumal die Gleichberechtigung voll und umfassend in Artikel 3 Grundgesetz verankert ist.

Als Fazit lässt sich Folgendes empfehlen: Unsere kirchlich Verantwortlichen sollten die unevangelisch wirkende Tagung in Hamburg absagen und dafür – z. B. mit dem Theologieprofessor Rainer Mayer – über ein Familienkompetenzzentrum nachdenken. Damit würden sie mehr in Erinnerung an die goldenen Zeiten des Protestantismus investieren. Man könnte direkt von einer kleinen Reformation sprechen.

Christian Hausen, Rechtsanwalt, Neumünster, 02.12.2016