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Das Christentum in Deutschland pfeift aus dem letzten Loch

Donnerstag 20. Oktober 2016 von Gatestone Institute


Gatestone Institute

„Zeitgenössische Historiker … haben nicht ein einziges historisches Beispiel einer Gesellschaft finden können, die säkularisiert wurde und ihre Geburtenrate über nachfolgende Jahrhunderte beibehielt“, so der frühere britische Oberrabbiner Jonathan Sacks. „Die fallende Fruchtbarkeit ist so eng mit der massiven Säkularisierung zusammen aufgetreten, dass wir zumindest fragen müssen, ob die beiden Phänomene verwandt sind, auch wenn sie nicht direkt zusammenhängen“, so der Gelehrte Philip Jenkins. Das gilt auch für Deutschland.

Der Ratzinger-Schülerkreis besteht aus 41 ehemaligen Alumni von Papst Benedikt XVI (geb. Joseph Ratzinger), die sich einmal im Jahr mit ihrem ehemaligen Professor treffen, um ein bestimmtes Thema zu diskutieren. Dieses Jahr hat Papst Benedikt die „geistige Krise Europas“ gewählt. Ehrengast war der amerikanische Jurist Joseph Weiler, der den Ausdruck „Christophobie“ prägte und der das Kruzifix in italienischen Schulen vor dem höchsten Tribunal der EU verteidigte. Als Papst verstand Benedikt die kulturelle und religiöse Krise Europas, und der ehemalige deutsche Professor sieht sein Vaterland als Lackmustest für die Zukunft des europäischen Christentums.

In Deutschland, wo Präsident Joachim Gauck ein evangelischer Pfarrer war und Bundeskanzlerin Angela Merkel die Tochter eines Pfarrers im Land der liberalen Theologen – wie Hans Küng, Uta Ranke-Heinemann und Eugen Drewermann, die intensive Kritik an der Vatikanischen Hierarchie in Bezug auf kirchliches Zölibat, Geburtenkontrolle, die Rolle der Frauen und der Sakramente für Geschiedene betrieben haben – pfeift das Christentum aus dem letzten Loch.

1963 wurden in Deutschland 400 neue Priester ordiniert. 1993 wurden 238 neue Priester ordiniert. Im Jahr 2013 fiel die Zahl auf 98. Im Jahr 2015 fiel die Zahl auf ein historisches Tief von 58. Dies wurde von der Süddeutschen Zeitung, Deutschlands größte nationale Abonnements-Tageszeitung, veröffentlicht im mehrheitlich-katholischen Bayern: „Die katholische Kirche in Deutschland steht vor einem dramatischen Priestermangel.“ Nie zuvor sind so wenige Männer in Deutschland katholische Priester geworden wie heute.

Die deutschen Diözesen planen, auf diese Krise zu reagieren, indem sie Kirchgemeinden fusionieren, Kirchen schließen und Priester aus Afrika einstellen. Die katholische Kirche in Deutschland hat in den letzten zehn Jahren bereits 515 Kirchen geschlossen, während die evangelische Kirche 340 geschlossen hat. Die Zahl der Kirchengemeinden ist von 13.300 im Jahre 1995 auf 10.800 im Jahr 2015 zurückgegangen. Was einst die katholische St. Peter-Kirche in Mönchengladbach war, ist heute eine Indoor-Kletteranlage – eine von mehreren „Kletterkirchen“.

Die Agonie des deutschen Katholizismus zeigt sich auch bei den Gläubigen, die „entkommen“. Deutsche haben die katholische Kirche in Scharen verlassen. Im Jahr 2015 wählten 181.925 Deutsche formal die Apostasie. Zum Vergleich: Nur 2.685 Menschen haben zum Katholizismus konvertiert. Die Zahl der Babytaufen ist ebenfalls um ein Drittel gesunken, von 260.000 Getauften 1995 auf 167.000 im Jahr 2015. Die Situation ist noch trostloser bei Hochzeiten. Vor zwanzig Jahren heirateten 86.456 Paare in einer Kirche. Im vergangenen Jahr sank die Zahl um fast die Hälfte: in einer Nation von 80 Millionen Menschen schworen nur 44.298 Paare ewige Liebe in einer Kirche. Der Anteil der Kirchenbesucher in der Bevölkerung ist von 18,6% im Jahr 1995 auf 10,4% im Jahr 2015 zurückgegangen.

Dieser Trend heißt „der neue Atheismus“. Nach Detlef Pollack, einem Professor für Religionssoziologie an der Universität Münster, besuchen nur 4% der ostdeutschen Protestanten regelmäßig die Kirche, verglichen mit 15% in den 1950er Jahren. Eine kürzlich durchgeführte Studie des Professors der University of Chicago, Tom W. Smith, ergab, dass die Bürger der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik mit Abstand „die höchste Atheismusrate der Welt“ haben.

Diese Tendenz wird in Deutschland zur Norm. Andreas Püttmann, Forscher der Konrad-Adenauer-Stiftung, nannte es in seinem gleichnamigen Buch „Gesellschaft ohne Gott“. „Der langfristige Trend zeigt eine epochale Implosion“, schreibt Püttmann in dem Buch.

Vor ein paar Wochen feierte ein evangelischer Pfarrer in der Marienkirche, mitten auf dem Berliner Alexanderplatz, Deutschlands erste schwule Hochzeit vor einem Altar. Der Autor Peter Hahne fragte in seinem Buch „Schluss mit lustig! Das Ende der Spaßgesellschaft“, ob Deutschland „noch als christliches Land bezeichnet werden kann oder ob es nicht akkurater wäre, zu sagen, dass Deutschland ein überwiegend atheistisches Land mit religiösen Minderheiten ist.“

Der Fall des deutschen Christentums hinterlässt eine Leere, die vermutlich von einer multikulturellen und islamischen Gesellschaft ausgefüllt wird. Deshalb forderte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble die Schaffung eines „Deutschen Islam“. Der mächtige Verbündete Merkels verknüpfte den Aufstieg eines deutschen Islam mit der nationalen demographischen Katastrophe. „Der demografische Wandel ist eine unserer großen Herausforderungen“, sagte Schäuble. Deutschland beherbergt heute Europas größte muslimische Gemeinschaft.

Der jüngste Jahresbericht des Sachverständigenrats der Deutschen Stiftungen für Integration und Migration erklärt, dass Deutschland aufgrund des Rückgangs der Zahl der Christen in einer Zeit der Masseneinwanderung aus islamischen Ländern demografisch ein multireligiöses Land geworden ist. Christen in Deutschland, so „Die Welt“, werden in 20 Jahren eine Minderheit.

Dem religiösen Verfall folgt gewöhnlich ein demographischer. Der in London ansässige Think Tank, das Institut für Wirtschaft, hat vor kurzem die „demographische Zeitbombe Europas“ („Europe’s demographic timebomb“) aufgezeigt. In ihrem Bericht „Von leeren Bänken zu leeren Wiegen“ („From empty pews to empty cradles“) erklären drei amerikanische Gelehrte, Eli Berman, Laurence Iannaccone, Giuseppe Ragusa, dass in vielen europäischen Ländern der plötzliche Rückgang der religiösen Praxis einen demografischen Selbstmord ausgelöst hat. Das ist nicht nur eine Frage des religiösen Glaubens, sondern auch des Optimismus über die Zukunft. Wenn die derzeitigen Geburtenraten anhalten, wird Deutschland von einem Höchststand von 82 Millionen Menschen im Jahr 2002 auf 74,5 Millionen im Jahr 2050 zurückgehen. Griechenland würde mit einem Verlust von 29% seiner Bevölkerung von 11 Millionen auf weniger als 7 Millionen Bewohner sinken. Polen, mit einem Rückgang von 25%, würde von 38 Millionen auf 29 Millionen zurückgehen.

Die Projektionen zeigen, dass Deutschland im Laufe des nächsten halben Jahrhunderts mehr als 64 Millionen Todesfälle und weniger als 40 Millionen Geburten erfahren wird. Die sinkende Geburtenrate wird ein Stück Deutschland verschwinden lassen, das größer ist als das ehemalige kommunistische Ostdeutschland. Es wird zu einem demografischen Verlust führen, der der Bevölkerung der Städte Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt zusammengenommen entsprechen würde.

Es ist eine neue Situation. Seit 1972 hat Deutschland kein einziges Jahr gesehen, in dem die Zahl der Neugeborenen die Zahl der Todesfälle überschritten hat. Damals begannen die Familien in Westdeutschland aus der Mode zu gehen. Nun spricht man von vielen kleinen Gemeinden in Deutschland, die zu Geisterdörfern werden könnten.

Im Jahr 2003, auf dem Höhepunkt des US-Kriegs gegen den Irak, kritisierte der Verteidigungsminister Donald Rumsfeld die deutsche und französische Opposition gegen die Militärkampagne als Symptom des „alten Europas“. Rumsfeld würde später sagen: „Manche Leute haben empfindlich auf meine Bemerkung reagiert, weil sie dachten, es sei eine abwertende Art, demographische Realitäten hervorzuheben, und anscheinend fühlten sie, dass es ein Scheinwerferlicht auf eine Schwäche in Europa richtet – eine alternde Bevölkerung. Europa hat sich seit dem zweiten Weltkrieg ein Stück davon entfernt, Europa zu werden.“

Deutschlands Niedergang heute ist in der Tat auch ein militärischer. Die Bundeswehr war während des Kalten Krieges die erste Verteidigungslinie gegen eine sowjetische Invasion; Jetzt zerfällt die Armee. Die Bundeswehr hat im vergangenen Jahr 428 Millionen Euro für verschiedene Operationen im Zusammenhang mit Migranten ausgegeben. Es war die teuerste Mission innerhalb deutscher Grenzen, die die Bundesrepublik Deutschland jemals unternommen hat. Während ukrainische Truppen pro-russische Separatisten an den östlichen Grenzen Europas bekämpften, beteiligte sich ein deutsches Bataillon an einer NATO-Übung in Norwegen. Die Deutschen hatten keine Waffen und benutzten Besen als simulierte Waffen. Die Bundeswehr hat heute Hubschrauber, die nicht fliegen können und Panzer, die nicht schießen können. Das ist eine kulturelle Entscheidung.

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Deutschen zum harten Kern der Pazifisten geworden und genießen ihre Rolle am Rand globaler Konflikte. Die Bundeswehr wurde dann zur humanitären Organisation. Um Journalist und Autor Henryk Broder zu zitieren: „Der Pazifismus ist deutscher Lifestyle geworden“ – nicht nur für Deutschlands Führung, sondern auch für die Gesellschaft.
Schon heute ist einer von 20 Deutschen – 5% der Bevölkerung – über 80 Jahre alt. Bis 2050 wird es einer von sechs. Europas größte und reichste Nation wird ein Land für alte Männer. Ein Viertel der deutschen Männer sagte „Nein“ zu Kindern. Es ist eine so schreckliche Ironie, dass das Nazi-Deutschland, das den Kontinent auf der Suche nach Lebensraum verwüstete, heute eine Nation für altersschwache, entwaffnete und säkularisierte Menschen ist. Und bald auch islamisiert.

Um Ursula von der Leyen, deutsche Verteidigungsministerin (und Mutter von sieben Kindern), zu zitieren: Wenn Deutschland seine abgestürzte Geburtenrate nicht umkehrt, dann „müssen wir das Licht ausmachen“.

Giulio Meotti, Kulturredakteur für Il Foglio, ist italienischer Journalist und Autor.

Quelle: www.gatestoneinstitute.org vom 18.10.16

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 20. Oktober 2016 um 15:46 und abgelegt unter Demographie, Gesellschaft / Politik.