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Isaac Newton – Ein Mann mit Kopf und Herz

Wir schreiben das Jahr 1665. In England wütet die Pest. Die Universität Cambridge schließt ihre Tore. Der Mathematikstudent Isaac Newton flieht aufs Land in sein Heimatdorf Woolsthorpe. Während die Seuche Zehntausende dahinrafft, macht der 23-Jährige die Entdeckung seines Lebens: das Gravitationsgesetz. Newtons Vater, ein Schafzüchter, stirbt kurz vor der Geburt seines Sohnes. Isaacs vorzeitige Geburt und seine von zahlreichen Krankheiten geprägte Kindheit sind alles andere als die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Leben.

Neun Jahre lang lebt er getrennt von seiner Mutter bei seiner Großmutter in Woolsthorpe – Großmütter, die Heldinnen ihrer Zeit! Isaac Newton geht im King’s College im nahegelegenen Grantham zur Schule. Anstatt wie andere Jungs draußen Fußball zu spielen, zieht er es vor, Modelle von Einrichtungen und Apparaten wie Windmühlen oder Karren zu basteln. Diese haben nicht nur genau die richtigen Proportionen, sondern auch funktionierende Mechanismen. Isaac Newtons nächste Station ist das Trinity College der Universität Cambridge. Er trägt sich in der Absicht, Pfarrer der Church of England zu werden. Aber die Dinge laufen anders. Um die Kosten des Studiums zu decken, muss er nebenher hart arbeiten.

In jener Zeit sind die unterschiedlichen Disziplinen Politik, Religion und wissenschaftliche Bildung sehr ineinander verwoben. So kann man nur als Ordinierter der Church of England am Trinity College lehren. Newton studiert letztlich „nur“ Mathematik und Optik. Er steht einer Verstrickung politischer mit religiösen Angelegenheiten kritisch gegenüber. So stimmt er als hingegebener Christ nicht mit allen Lehren seiner Kirche überein, weshalb es ihm sein Gewissen nicht erlaubt, die Ordination anzunehmen. Er riskiert mit seiner gelebten Überzeugung seine Stellung. Deren Erhalt wird nur dadurch möglich, dass König Karl II. eine Ausnahme bei ihm macht.

Wende zum Erfolg

Isaac Newton sieht seine schwierige Jugend nie als Entschuldigung für eventuelle Fehlentwicklungen. Er ist schließlich erwachsen genug und packt sein Leben an. Ob die Geschichte mit dem Apfel stimmt, der ihm während einer Ruhepause mitten ins Gesicht gefallen sein soll, sei einmal dahingestellt. Aber die Grundüberlegungen des Gravitationsgesetzes sind daran anschaulich festzumachen. Der Apfel fällt zu Boden, weil ihn die Erde anzieht. Das führt zur elementaren Frage: Wie weit reicht diese Anziehungskraft? Reicht sie bis zum Mond? Ist es gar die irdische Schwerkraft, die den Mond auf seiner Umlaufbahn hält, indem sie seine Fliehkraft kompensiert?

Verdachtsmomente von astronomischer Tragweite!

Newton kehrt 1667 an die Universität zurück. Er verschweigt zunächst seine Überlegungen, die irdische Physik auf himmlische Gegebenheiten anzuwenden. Erst als er 1684 Professor der Mathematik wird, vertraut er sich Edmond Halley mit seinen Ideen an. Es kommt zur ersten Veröffentlichung seiner Gedanken: „Die mathematischen Prinzipien der Naturphilosophie.“ Die Wirkung der Schwerkraft kann Newton mathematisch beschreiben. Ihr Ursprung bleibt jedoch rätselhaft.

Isaac Newton ist wegen seiner Genialität bekannt. Er verknüpft sie harmonisch mit einem schlichten, hingegebenen Glauben an Christus – was leider nicht so bekannt ist – und hat seine persönlichen Glaubenseinsichten über seine Karriere gestellt. Sein Leben zeigt: Man kann Spuren von Gottes Handeln in dieser Welt erkennen, wenn man sein Handeln nicht von vornherein ausschließt und die Welt nur unter der Prämisse, dass es keinen Gott gibt, betrachtet. Letzteres tut die heutige Naturwissenschaft mit ihrem methodischen Atheismus. Unsere Wirklichkeit, unsere Erfahrungen beinhalten weit mehr als das, was sich mit rein naturwissenschaftlichen Methoden erforschen lässt. Die Naturwissenschaften befassen sich mit „Wie-Fragen“ und lassen sämtliche „Sinn-Fragen“ unberührt. Deshalb muss für Newton auch die Frage nach der Natur der Gravitation offen bleiben. Es ist Albert Einstein, der hier mit seinen Überlegungen ein Vierteljahrtausend später anschließt, worauf ich noch zu sprechen komme.

Isaac Newton: Der Optiker – und die Konsequenzen

Zur Zeit Newtons ist die beobachtende Astronomie dadurch behindert, dass die Linsenteleskope Licht unterschiedlicher Wellenlängen unterschiedlich brechen. Das ist zwar heute auch noch so, man hat aber in der Zwischenzeit raffinierte Korrekturmöglichkeiten geschaffen. Er stellt verschiedene Untersuchungen mit Licht an und hat dabei die Vorstellungen der Griechen von der Natur des Lichtes widerlegt.

Wenn er auch nicht der Einzige ist, der anstelle einer Linse einen gewölbten Spiegel einsetzt, so ist er doch der Erste, der 1672 erfolgreich ein fortan nach ihm benanntes Spiegelteleskop baut.

Im Jahr 2005 habe ich versucht, dieses Prinzip mit einem 360 mm großen Hauptspiegel umzusetzen. Ein schematisches Bild des Aufbaus ist in Abbildung 1 zu sehen.

spiegelteleskops

Abbildung 1: Prinzip des Newtonschen Spiegelteleskops

Ich war fast mein ganzes Berufsleben in der Weltraumerkundung tätig und man baute dort auch hochfeine Geräte. Wenn sie aber fertig entwickelt und getestet waren, dann wurden sie zum Mond oder sonst wohin geschossen. Jedenfalls standen sie nicht mehr zur direkten Verfügung. Das wollte ich durch meinen eigenen Teleskopbau ändern. Auf meiner Homepage sind Schritte dieser Entwicklung ein wenig dokumentiert: http://www.amazingspace.de/nightviews.html [1]

Natürlich kann man solche Teleskope auch kaufen. Aber es geht nichts über den Eigenbau! Man braucht nicht viel mehr, als ein bisschen Platz im Keller. Es hat mich fasziniert, wie man mit relativ überschaubaren Mitteln das Prinzip des Newtonschen Spiegelteleskops umsetzen kann, und es hat mich gereizt, ein Prinzip aus dem Jahre 1672 im 21. Jahrhundert nachzubauen. Es hat mir geholfen, dass ich beruflich die Aufgabe bekam, eine hochstabile, leichtgewichtige Technologie für opto-mechanische Komponenten zu entwickeln. Das Grundmaterial war geschreddertes Holz, das verkokst, am Ende siliziert und damit zu einer Kohlenstoff-basierten Keramik wurde. Einer dieser Keramik-Prototypen-Spiegel war nicht innerhalb der Spezifikation, weshalb er mir freundlicherweise überlassen wurde. Ich habe ihn privat nachgeschliffen, ihn dadurch aufgehübscht und so zu meinem Hauptspiegel für mein Newton-Teleskop gemacht. Nun, wenn schon der Spiegel bereits auf Leichtgewichtigkeit getrimmt war, durfte die Gesamtstruktur dem nicht nachstehen. Ich verwendete einen Kohlefaser-verstärkten Kunststoff (CFK). Kleine Teile verklebte ich in der Backröhre unserer Küche – bis ich dort sanft, aber bestimmt von meiner lieben Frau hinauskomplimentiert wurde. Größere Teile härtete ich in unserer Sauna aus. Gut, der Weg war manchmal abenteuerlich, aber am Ende führte er zu einem ansehnlichen Ergebnis. Beispiele von Fotos, die mit dieser Konstruktion geschossen wurden, finden sich auf der oben angegebenen Homepage.

Vieles an diesem Teleskop-Typ fasziniert mich und hat mich zu weiterführenden Gedanken inspiriert: Die neu entwickelte Spiegelkeramik mit ihrer Leichtgewichtseigenschaft und der hohen Formstabilität bei unterschiedlichen Temperaturen. – Sie war erst durch eine Neuentwicklung zu erreichen. Leichtigkeit und Formstabilität – was sind das für Lebensqualitäten! Sie sind mir jedenfalls nicht automatisch zugewachsen. Ich darf aber heute als engagierter Christ mit einer neu gewonnenen Leichtigkeit – trotz aller Beschwernisse eines (Berufs-) Lebens – rechnen. Trotz mancher Hitze meines Alltags wahre ich die Form.

Optik

Optik hat mich während meiner Ausbildung nur so weit getroffen, wie es in der Vorlesung anstand. Deshalb war es mir eine große Hilfe, einen versierten Optiker-Kollegen bei der Veredelung meines Hauptspiegels an der Hand zu haben, der zudem auch die raffinierte Messmethode nach dem Foucaultschen Schneidentest beherrschte. Mit dieser Methode kann man, wenn man’s denn kann, mit einfachsten Hilfsmitteln, sozusagen auf dem Küchentisch, optische Oberflächen bis auf Bruchteile von Wellenlängen vermessen. Abbildung 2 zeigt den Testaufbau.

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Abbildung 2: Aufbau zur Anwendung des Foucaultschen Schneidentests

Ecken und Kanten, die stören, müssen abgeschliffen werden. Es war mir ein treffendes Bild dafür, wie hilfreich und notwendig Gemeinde ist, um für die sinngebende Ausrichtung meines Lebens lebenserfahrene Christen an der Hand zu haben, die mir, orientiert an Gottes Wort, mit Rat und Tat zur Seite standen, wenn es galt, das eine oder andere abzuschleifen oder aufzupolieren.

Polierung

Meine polierte Keramik spiegelte bereits. Ich konnte mich darin sehen. Um die Reflektivität der Oberfläche aber weiter zu erhöhen, wurde eine dünne Aluminiumoxydschicht aufgedampft. Weitere Veredelung. Sicher, der Spiegel hatte bereits seine endgültige parabolische Form. Auch was die Rauigkeit der Oberfläche betraf, wurde beim Polieren auf Reduktion der Oberflächenrauigkeit geachtet, weil diese ansonsten Streulicht erzeugt. Ich habe, weil ich oft ungeduldig bin, dennoch mit dem noch unbedampften Spiegel bereits Nachtbeobachtungen gemacht. Aber die Bilder sahen vernebelt aus, wie in einer Waschküche. Deshalb ist es unabdingbar, dass am Leben eines Christen durch Wachstum und Reifung eine „Veredelung“ stattfindet, die ihn ein klares Licht in dieser Welt sein lässt.

Justage

Sobald die Oberfläche der Spiegel auf Bruchteile von Wellenlängen genau geschliffen und poliert und die Ausrichtung der optischen Elemente korrekt justiert waren, konnte ich Dinge sichtbar machen, die mir ansonsten verborgen waren.

Für die Justage meines Lebens ist das ein treffendes Bild. Es geht um die zentralen Aspekte meines Lebens und dessen Ausrichtung – sobald ich mich um eine sinngebende Ausrichtung meines Leben bemühe, begegnen mir Dinge, die ich sonst nicht wahrgenommen hätte.

Finetuning

Um mir das zeitaufwändige Ausrichten des Teleskops auf den Polarstern vor jeder Nachtsitzung zu ersparen, installierte ich eine Gartensäule: In einer Grube von ca. 1 m³ verbaute ich eine Stahlsäule in Beton, die meine parallaktische Go-to-Nachführung trägt (siehe Abbildung 3). Nun kann ich mein Teleskop jederzeit einfach darauf befestigen und eine Feinausrichtung an zum Beispiel drei gegenüberliegenden Sternen durchführen. So kompensiert die Nachführung zuverlässig die Rotation der Erdbewegung für Belichtungen bis zu ca. 150 Sekunden. Für längere Belichtungszeiten ist es unabdingbar, ein Leitfernrohr einzusetzen, das sich an einem benachbarten hellen Stern „festhält“ und so mein Teleskop pixel-genau automatisch nachführt. Ohne stetes Finetuning gelingt keine Langzeitbelichtung. Ein Leben – einmal auf Christus ausgerichtet – ist ein guter Start. Zum Ankommen reicht es nicht. Die lebendige Beziehung zu ihm und die Verbindung zu seiner Gemeinde will hier das stete Finetuning für gelingendes Leben herstellen. Diese permanente Ausrichtung gleicht derjenigen des Leitfernrohrs an einem entsprechenden Leitstern und die so gewährleistete Orientierung bringt Langzeitstabilität.

In diesem Sinne war der Blick zum Himmel meinem Glauben zuträglicher als meinem Wissen.

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Abbildung 3: Mein Newton-Teleskop ist fertig und auf der Gartensäule hinter dem Haus montiert. Die Nachtsitzung kann beginnen.

Isaac Newton wurde mit Kratern auf dem Mond und auf Mars verewigt. Mit meinem Newtonschen Selbstbau-Teleskop wäre es ein schönes Ziel gewesen, Newtons Krater auf dem Mond auszumachen. Aber leider ist er nahe des lunaren Südpols nicht einfach von der Erde aus zu fotografieren. Abbildung 4 zeigt die Formation zusammen mit der Einschlagsstelle der Mondsonde LCROSS (Lunar CRater Observation and Sensing Satellite), die man im Oktober 2009 gezielt hier abstürzen ließ. Newtons Krater auf dem Mars habe ich dagegen nie gesehen. Aber da helfen uns die Raumsonden (siehe Abbildung 5). Schließlich braucht Raumfahrt ja auch ihre Berechtigung.

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Abbildung 4: Lage des Newton-Kraters am Südpol des Mondes (NASA)

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Abbildung 5: Details des Newtonschen Marskraters aufgenommen vom Mars Reconnaissance Orbiter MRO; zu erkennen sind gewisse Strukturen, sogenannte Flows, die möglicherweise mit flüssigem Wasser zu tun haben (NASA)

 

Albert Einstein und Newtons Gravitation

Albert Einstein hatte sich irgendwie in die Gravitation verbissen, während sein Umfeld sich fragte: Brauchen wir eine neue Theorie, nachdem sich die Newtonsche Sichtweise dazu über ein Vierteljahrtausend hinweg bestens bewährt hat?

Isaac Newton beschrieb die Schwerkraft in Form einer „Fernwirkung“: Zwei Körper wie Erde und Mond sind wie durch unsichtbare Fäden miteinander verbunden. Albert Einsteins Bild von der Schwerkraft ist gänzlich anders. Sie ist eine Eigenschaft der Raumzeit: Die Materie krümmt den Raum, in dem sie sich bewegt und der gekrümmte Raum zwingt die Materie zu bestimmten Bewegungen. So umkreist der Mond die Erde nicht wegen unsichtbarer Kraftlinien, sondern weil Erde und Mond den sie umgebenden Raum eindellen wie Stahlkugeln ein gespanntes Gummituch. In diesen Mulden bewegen sich die Massen wie Murmeln in den Rillen einer Murmelbahn. Einstein hat damit zwar der Gravitation ein neues, detaillierteres Bild unterlegt, aber ohne sie wirklich zu klären, denn in der Naturwissenschaft „irren wir uns nur empor“.

Stephen Hawking und Isaac Newton

Im Gegensatz zu Isaac Newton stellt Stephen Hawking die These auf, die Entstehung des Universums habe der Hand Gottes nicht bedurft: „Weil es das Gesetz der Schwerkraft gibt, kann und wird sich ein Universum selbst aus dem Nichts erschaffen.“ Selbst wenn das stimmen sollte, fragt er leider nicht gründlich genug – nämlich, woher dieses Gesetz wohl kommt. Damit bleibt er – im Gegensatz zu Isaac Newton – nur an der Oberfläche.

Isaac Newton war einer der vielen herausragenden Naturwissenschaftler, die gleichzeitig überzeugte Christen waren. Ein Gegensatz zwischen diesen beiden Positionen ist bei ihnen nie sichtbar geworden. Oft war es gar so, dass die entdeckten Raffinessen in der Natur den erklärten Atheismus einzelner Forscher nachhaltig erschütterten – und fairerweise haben sie das auch bekannt. Ein bekanntes Beispiel ist Fred Hoyle. Er bekannte, dass nichts seinen Atheismus mehr erschüttert habe, als die Feinabstimmung in der Synthesekette der Kohlenstofferzeugung!

Wir sollen – gerade, weil wir an Gott glauben – diese Welt erforschen: „Groß sind die Taten des Herrn, zu erforschen von allen, die Lust an ihnen haben“ (Psalm 111,2).

Isaac Newton blieb trotz seines Genies zeitlebens ein einfacher Mann. Das belegt ein schlichtes Zitat: „Die wunderbare Einrichtung und Harmonie des Weltalls kann nur nach dem Plane eines allwissenden und allmächtigen Wesens zustande gekommen sein. Das ist und bleibt meine letzte und höchste Erkenntnis.“

Dr. Norbert Pailer

Norbert Pailer ist promovierter Astrophysiker. Er war bis Ende 2014 Programmleiter für wissenschaftliche Raumfahrt bei Astrium, Co-Investigator und technischer Manager für mehrere Weltraumexperimente und arbeitete mit NASA, ESA und DLR im Rahmen mehrerer internationaler Weltraummissionen mit. Zusätzliche Forschungstätigkeiten hatte er als Gastwissenschaftler an der Washington University St. Louis, Missouri. Norbert Pailer ist Autor mehrerer Bücher zum Thema Weltraum. Heute betreibt er seinen Beruf als Hobby: In kalten und klaren Winternächten sieht man ihn durch seinen Garten in Stetten bei Meersburg huschen. Dort baut er sein Teleskop auf und versucht selbst, zumindest optisch dem Himmel wieder ein Stück näher zu kommen.

Quelle: Das Fundament – Zeitschrift des Deutschen Christlichen Techniker-Bundes, II/2016