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Das dreifache Handeln des Heiligen Geistes an der Welt (Joh 16,8-11)

Die große Leidenschaft des Heiligen Geistes ist es, in der Gemeinde Jesus Christus zu verherrlichen. Wenn uns Jesu Name immer wichtiger wird, wenn unsere Liebe zu ihm immer brennender wird und das Wort Gottes immer wichtiger, dann können wir gewiss sein, dass wir den Heiligen Geist haben. So handelt kein anderer Geist. Aber es gibt auch Aktivitäten des Heiligen Geistes an der Welt, und die nimmt Jesus hier in seinen Abschiedsreden in den Blick.Manche verstehen dieses Handeln an der Welt im missionarischen Sinn, so als ob sich der Heilige Geist als Evangelist und Missionar betätigt. Aber in Joh 16,8 ist ausdrücklich das überführende Handeln des Geistes gemeint. Das ist geradezu eine staatsanwaltliche Tätigkeit. Die Welt wird angeklagt. Wie und wodurch? Indem der erhöhte und im Geist gegenwärtige Christus sich aus der Welt seine Gemeinde beruft und sie mit vielen himmlischen Segnungen erfüllt (vgl. Eph 1,3). Dadurch, dass es das Wunder der christlichen Gemeinde überhaupt gibt, wird die Welt, die von Christus nichts wissen will, angeklagt und ihrer Sünde überführt.

Unser Abschnitt macht deutlich, dass die Welt böse ist und böse bleibt und dem Gericht Gottes entgegengeht. Von einer allmählichen Verchristlichung der Welt oder gar von einem allgemeinen Gerettetsein oder Gerettetwerden aller kann nicht die Rede sein. Nein, seit Pfingsten wird die Gottlosigkeit der Gottlosen erst richtig erkennbar. Ihr Selbstbezug und ihre Lieblosigkeit steht nun durch die bloße Existenz der Gemeinde permanent unter Anklage. Ein Mensch, der Jesus in sein Leben aufnimmt und sich mit Gott versöhnen lässt, ist eine unausgesprochene lebendige Anklage all derer, die sich der Liebe Gottes verweigern.

In dem Buch „Vergib mir, Natascha“ des ehemaligen Sowjetsoldaten Sergej Kourdakov wird eine Szene geschildert, wie Sergej in treuer Pflichterfüllung seines Soldatendienstes eine geheime Versammlung von Christen im Wald aushebt und auf die Christen einprügelt, u.a. auf das Mädchen Natascha. Sie wehrt sich nicht, sondern sieht ihn mit liebevollen Augen an und vergibt ihm sein Tun. So überführt der Heilige Geist die Welt. Wunderbar, wie dann in dem Buch weiter geschildert wird, wie Sergej von diesem liebevollen Blick nicht mehr loskommt und sich selber nach der Kraftquelle der Christen fragt und eines Tages ebenfalls Christ wird.

Jesus spricht hier von einer dreifachen Überführung der Welt.

Erstens wird sie ihrer Sünde und ihrer Sünden überführt. Die Welt hat nur sich selbst und macht sich selbst zu Gott. Der große Sündenfall der nachsintflutlichen Menschen bestand darin, dass sie nicht die Erde bevölkerten, wie Gott es geboten hatte, sondern im fruchtbaren Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris blieben. Aus diesem Ungehorsam entsprang ihre Angst vor der Einsamkeit, weswegen sie sich alle in einer riesigen Stadt zusammentaten. Mit dem Turm, der bis zum Himmel reichen sollte, also bis zu Gott, erklärten sie, dass sie keinen unsichtbaren Gott brauchen, sondern sich ihre eigenen Götter machen wollen. So verfielen sie dem götzendienerischem Mondkult, und Ur wurde die erste Hochburg der gottlosen Menschheit.

Seitdem taumelt die Welt von einem Götzendienst in den anderen. Ein Handwerker erklärte mir neulich, dass er an die Sonne glaube. Sie sei der eigentliche Lebensspender, und sie sei sein Gott. Die tiefste Tragik der Welt ist ihre Ablehnung Jesu. „Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1,11). Jesus sagt, dass die eigentliche Sünde der Gottlosen ihre Weigerung ist, an ihn als ihren einzigen Erretter zu glauben. Sie wollen nicht, dass er über ihr Leben herrscht. Uns als Gemeinde bleibt da oft nur der Jeremiaruf „Land, Land, Land, höre des Herrn Wort“ (Jer 22,29).

Zweitens ist seit Pfingsten klar, was „Gerechtigkeit“ ist. Von Anfang des Menschengeschlechts an ist der Mensch davon überzeugt, dass er selber gut und alle anderen böse sind. Er hat eine ausgezeichnete Sündenerkenntnis – was die anderen betrifft. Als Adam von Gott gefragt wurde, warum er vom Erkenntnisbaum gegessen hat, kommt er nicht auf die Idee, seinen Ungehorsam zu bekennen und Gott um Vergebung zu bitten. Im Übrigen hören wir auch später nichts davon, dass er und seine Frau Gottes Vergebung gesucht haben. Aber schnell war er dabei, die Schuld bei Gott und bei seiner Frau zu suchen. „Die Frau, die du mir gegeben hast…“ (1 Mose 3,12).

So ist es bis heute geblieben. Die Welt glaubt an ihre eigene Gerechtigkeit, an ihr Gutsein. Genau diesen Irrglauben hält Paulus den frommen Juden vor. Sie streben danach, „ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten“ (Röm 10,3). Ein Musterstück erleben wir in diesen Wochen in Wolfsburg. Es wird recherchiert und recherchiert, auf wen man die Schuld beim Abgasbetrug wohl am besten abwälzen kann. Eine ganze Weltmarke gerät ins Zwielicht, nur weil jeder an seiner eigenen Gerechtigkeit festhält.

Seit Pfingsten gibt es eine andere Melodie. Seitdem der Heilige Geist da ist, wissen die Christen endgültig, dass es überhaupt keine eigene Gerechtigkeit vor Gott gibt. Keiner ist da, der von sich behaupten könnte, dass er sein ganzes Leben konsequent nach der Bergpredigt lebt. Alle sind in die Sünde hineingeboren, alle leben in der Trennung von Gott und haben keine Aussicht, die Herrlichkeit Gottes zu gewinnen, auch nicht mit dem edelsten Leben (Röm 3,23). Aber Christus ist da, der zum Vater gegangen ist und nun im Heiligen Geist bei allen lebt, die im Geheimnis des Glaubens ihm angehören. Ihnen gibt er „Leben und volle Genüge“ (Joh 10,10), ihnen überträgt er seine eigene Gerechtigkeit. Das ist die Hoffnung, mit der jeder Christ lebt und sterben kann, dass Christi Gerechtigkeit sein Schmuck und Ehrenkleid ist.

Drittens überführt der Heilige Geist die Welt hinsichtlich der Machtfrage und des Gerichts. Die Gottlosen glauben nicht an die Allmacht Gottes und rechnen nicht mit Gottes Gericht. Sie sind dem Fürsten der Welt hörig und bauen sich ihre eigenen Machtpositionen. In ihrem Verführtsein vom Teufel meinen sie, nach dem Tod sei alles aus. Meine Frau blickt immer wieder einmal auf die Todesanzeigen in der Tageszeitung. Ist es nicht erschreckend, wieviel Hoffnungslosigkeit und absolute Diesseitigkeit aus vielen Nachrufen spricht? Man muss nicht lange suchen, wenn man Anzeichen für die Säkularisierung unserer Gesellschaft finden will. Ein solcher Blick in die Tageszeitung genügt.

Der Heilige Geist gibt der Gemeinde eine ganz andere Sicht. Sie weiß, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Das ist prophetisches Futur, d.h. die Formulierung nimmt ein zukünftiges Ereignis als jetzt schon geschehen vorweg. Wir wissen, dass Satan noch sehr wohl seine schlimme Ernte einholt, dass er Menschen verblendet, verführt und besiegt. Aber in gleicher Weise wissen wir auch, dass er im endgeschichtlichen Geschehen aus dem Himmel geworfen wird (Offb 12,9), dass der wiederkommende Christus ihn 1000 Jahre gefangen halten wird, während die Toten gerichtet werden, und dass er dann endgültig gerichtet werden wird (Offb 20,1-4 und 7-10).

Für die Gemeinde ist die Machtfrage geklärt. Wenn Satan sie bedroht, hat sie ihre Zuflucht im Wort Gottes. „Ein Wörtlein kann ihn fällen“, hat Luther in seinem Trutzlied formuliert. Die Welt, die jetzt noch Spielball finsterer Mächte ist, die nicht damit rechnet, dass sich einst die Allmacht Gottes durchsetzen wird und die weiterhin so lebt, als ob es kein Gericht gibt, wird bei Jesu Wiederkunft eines anderen belehrt werden. Dann muss sie zur Kenntnis nehmen, dass vor Christus sich alle Knie beugen müssen, ob sie wollen oder nicht (Phil 2,10). Wohl dem, der schon jetzt sein Vertrauen auf den König aller Könige setzt. Er ist ein lebendiges Beispiel dafür, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.