Verfolgung als Kampf um die Definierung christlicher Identität – Betrachtungen aus der Türkei
Mittwoch 10. Februar 2016 von Wolfgang Häde
In der Türkei kann ein beachtliches Ausmaß an Vorurteilen gegenüber Christen festgestellt werden. Die Meinungsmacher nationalistischer und islamistischer Ideologien benutzen und vertiefen bestehende Vorurteile, um christliche Identität in einer Weise zu definieren, die zu gewalttätigeren Formen der Verfolgung und einem falschen Selbstbild der Christen führen kann. Darum ist der Kampf um die Definierung christlicher Identität ein wichtiges Element von Verfolgung in der heutigen Türkei. Als Antwort auf falsche Definitionen müssen die Christen sich auf ihre wahre christliche Identität besinnen. Der erste Petrusbrief spricht in eine ähnliche Situation hinein, in der Christen Verfolgung und Ausgrenzung erlitten. Der Brief stellt die Bekräftigung wahrer christlicher Identität in den Mittelpunkt sowie die Ermahnung, dass Christen nicht durch unangebrachtes Verhalten falsche Definierungen provozieren sollen.
Wenn 1 Petr 4,16 feststellt, dass ein Jünger Jesu ώς Χριστιανος („als ein Christ“) leiden kann, und es für nötig hält, die Ermahnung anzuschließen „so schäme er sich nicht“ (LÜ 1984; μὴ αἰσχυνέσθω),[1] so ist es wahrscheinlich, dass „Christ“ hier, wie auch in der Apostelgeschichte (11,26; 26,28), in einem feindlich gesinnten Kontext als Bezeichnung für die Nachfolger Jesu verwendet wird, und nicht als eine Art Kosename gemeint ist, sondern als Beleidigung bzw. Verleumdung (vgl. Green 2007:159).
Im zweiten nachchristlichen Jahrhundert wurde der Begriff „Christ“ immer mehr „zu einem negativen Stereotyp, das mit Atheismus, Inzest und Kannibalismus verbunden wurde“ (so Holloway 2009: 55 über Justins Apologie II).
Eine wichtige Facette von Christenverfolgungen ist der Versuch, den „Namen der Christen“ falsch zu definieren, wobei es nicht nur um den Begriff geht, sondern auch um die Identität der Christen. Am Beispiel der Türkei möchte ich die Quellen („wer?“), die Zielgruppen („wen?“) und die Inhalte („wie?“) solcher falschen Definitionen beschreiben.
In der heutigen Türkei ist die Haltung zu Christen für gewöhnlich durch Vorurteile und Stereotypen geprägt. Einerseits geben die bestehenden Vorurteile Nährstoff für falsche Definitionen. Andererseits erzeugen und verfestigen diese Definitionen Vorurteile.
Die neuere Forschung bestätigt, dass die Autoren der neutestamentlichen Schriften sich mit dem Verhältnis zwischen Verfolgung und christlicher Identität beschäftigten.[2] Insbesondere im ersten Petrusbrief ist ein starkes Bemühen des Autors zu erkennen, christliche Identität in Antwort auf falsche Definierungen durch die Gegner zu definieren. Der erste Petrusbrief ist daher von hoher Relevanz für unser Thema, weil „Vorurteile mit all ihren verstörenden Folgen den unmittelbaren Anlass des ersten Petrusbriefes darstellen“ (Holloway 2009:73). Womit der Apostel Petrus[3] sich hier auseinandersetzt, ist noch keine „formale Verfolgung“ (Green 2007:225), sondern vor allem Vorurteile, Verleumdung und Ausgrenzung.
Ich werde versuchen aufzuzeigen, dass es in der Türkei ebenso wie im Kontext des ersten Petrusbriefes um einen Kampf um die Deutungshoheit geht, d. h. um das Recht, zu definieren wer und was Christen sind.
1. Verfolgung und christliche Identität in der heutigen Türkei
1.1 Das spezielle Identitätsproblem türkischer Christen[4]
Die Frage der Identität ist problematisch in der Türkei, insbesondere unter türkischen Christen. Als die westeuropäische Idee der nationalen Identität begann, das vorwiegend muslimisch geprägte, aber dennoch multinationale und multireligiöse Osmanische Reich zu beeinflussen, schlugen alle Versuche fehl, eine multireligiöse „osmanische Nation“ zu gründen (Lewis 1968:333). Muslimische Denker fingen an, Nation und Islam zusammen zu sehen. Daraufhin suchten die Christen im Reich, die tendenziell noch stärker von europäischen Gedanken beeinflusst waren, umso mehr nach einer Identität als „christliche Nationen“. Das führte zu Aufständen und Unabhängigkeitskriegen. Einige christliche Völker errangen ihre eigenen Nationalstaaten (z. B. Griechenland 1829, Serbien 1878 und Bulgarien 1908). Während die christlichen Nationen das Reich verließen, strömten die Muslime, die mit Gewalt aus diesen neuen Staaten vertrieben wurden, nach Anatolien, dem Herzland des Reiches, und veränderten so die dortige demografische und religiöse Landschaft (vgl. Kreiser/Neumann 2009:315).
Als Mustafa Kemal (später bekannt als Atatürk) 1923 die türkische Republik gründete, versuchte er die Türkei nicht auf einer muslimischen, sondern auf einer türkischen Identität aufzubauen. Der rechtliche Status der in diesem Land verbliebenen Christen war „auf dem Papier höher als je zuvor“ (Lewis 1986: 351), ihre faktische Bedeutung in der Republik jedoch geringer denn je. Viele Muslime gaben den Christen die Schuld am Niedergang und endgültigen Zerfall des Osmanischen Reiches.
1.2 Das geringe Ansehen der Christen in der Türkei
Der PEW Global Attitudes Survey unter Menschen aus 24 Ländern, darunter sechs mit einer muslimischen Mehrheit und zwei weitere mit einem großen muslimischen Bevölkerungsanteil, hat gezeigt, dass der Anteil der Menschen, die eine „in gewissem Grade negative“ oder „sehr negative“ Meinung über Christen haben, in der Türkei größer war als in irgendeinem anderen Land der Umfrage (The Pew Global Attitude Project 2008:51-52).[5] Für dieses verblüffende Ergebnis in gerade dem Land, das ja eigentlich enger mit dem Westen verbunden ist als jedes andere mehrheitlich muslimische Land, können verschiedene Gründe angeführt werden.
Einen dieser Gründe hat die Türkei mit anderen mehrheitlich muslimischen Ländern gemeinsam, nämlich die negative Sicht der Christen in der islamischen Theologie. Obgleich es natürlich Zeiten relativer Harmonie zwischen Christen und Muslimen im Osmanischen Reich sowie in anderen Ländern mit muslimischer Regierung gab, so enthält doch der Koran und die frühe islamische Tradition Sichtweisen über Christen und ihren Glauben, die christliche Identität ganz anders definieren, als Christen sich selbst verstehen. Entsprechend dieser Sichtweisen halten die Christen an einem Glauben fest, der zwar Schutz genießen kann, aber überholt und unterlegen ist im Vergleich zu der „letzten Offenbarung“ im Islam. Aber nicht nur das: Weil die Christen sich Mohammeds Botschaft und Autorität widersetzten, betrachtet der Islam sie als Lügner und Betrüger (vgl. Schirrmacher 2009:41-42).[6]
Die besondere Lage des Osmanischen Reiches, das „an der Grenze zwischen Islam und Christentum geboren wurde“ (Lewis 1986:42), die historischen Entwicklungen (siehe Kapitel 2.1) und das historisch verfestigte negative Bild von westlichen „christlichen Nationen“, die versuchen das Osmanische Reich zu beherrschen und endgültig zu spalten, tragen zu der auffällig negativen Sicht der Christen in der Türkei bei.
Eine eher neue Entwicklung ist die erhebliche Anzahl von Muslimen, die zum Christentum konvertieren und kleine türkische christliche Gemeinden bilden. Die Existenz von ethnischen Türken mit muslimischem Hintergrund, die Christen werden, zu akzeptieren, ist eine große Herausforderung für die Familien[7] und für die Gesellschaft.
1.3. Können Voreingenommenheit und Ausgrenzung als Verfolgung betrachtet werden?
Als im April 2007 drei Christen in Malatya in der Osttürkei brutal ermordet wurden (vgl. Häde 2009), war ein Grund für die laute Empörung im Westen, dass es gerade keine alltägliche Erfahrung in der Türkei ist, dass Menschen um ihres Glaubens willen getötet werden. Verfolgung in der Türkei geschieht hauptsächlich durch Vorurteile, üble Nachrede und Ausgrenzung. Können wir diese „harmloseren“ (Schirrmacher 2011:103) Formen des christlichen Leidens als eine Verfolgung im vollen Sinne des Wortes betrachten? Feststeht, dass diese verbalen Formen, durch die Leid zugefügt wird, Teil des größeren Zusammenhangs von Verfolgung sind (vgl. Cochran 2010:87, wo zurecht auf Mt 5,11 verwiesen wird).
Insbesondere in dem kulturellen Kontext der Türkei mit der zentralen Bedeutung von Ehre und Schande sollte die Bezeichnung als Lügner, Verräter oder Bürger zweiter Klasse besser nicht als „harmloser“[8] bezeichnet werden. Obgleich Schläge, Verhaftung und Mord eine andere Qualität der Verfolgung darstellen, ist auch der Angriff auf die Identität des einzelnen Christen oder der christlichen Gemeinschaft eine sehr schwerwiegende Form der Verfolgung.[9]
2. Ein Kampf um die Definierung christlicher Identität in der Türkei
Die verbalen Angriffe auf Christen in der Türkei sind ein Versuch, christliche Identität zu definieren, nämlich der Öffentlichkeit zu erzählen, wer die Christen sind und was man von ihnen zu erwarten hat. Wie schon in der Einleitung bemerkt, müssen wir fragen, wer hier versucht zu definieren, an wen diese Definition sich richtet und welchen Inhalt sie hat.
2.1 Wer versucht zu definieren?
Wenn wir über Versuche sprechen, christliche Identität in der Türkei zu definieren, dann müssen wir zunächst einmal einräumen, dass jeder, der irgendwie über jemand anderes redet, in gewisser Weise die Identität des anderen bestimmt. Wenn ich von einem Kampf um die Definition christlicher Identität spreche, dann meine ich damit Personen, die die öffentliche Meinung entscheidend beeinflussen, wie z. B. Journalisten, Politiker, Theologen, Intellektuelle, also die Meinungsmacher der türkischen Gesellschaft.
Christliche Identität zu definieren kann, aber muss nicht immer ein bewusster Akt „psychologischer Kriegsführung“ sein. Wie wir in Kapitel 3.2 sehen werden, sind die intendierten Adressaten oft gar nicht die Christen selbst. Doch die Meinungsmacher sind sich im Allgemeinen bewusst, welche Wirkung ihre Worte haben können, insbesondere wenn es darum geht, eine Minorität zu definieren.
2.2 An wen richtet sich die Definition?
Ich arbeite zur Zeit an einem Forschungsprojekt über die Wahrnehmung von Christen in fünf türkischen Zeitungen mit unterschiedlichem ideologischen Hintergrund.[10] Kolumnisten in Tageszeitungen sind sehr effektive Meinungsmacher in der Türkei. Aber sie schreiben hauptsächlich für Menschen mit einem ähnlichen Weltbild wie das ihre. Die Vorliebe für eine Zeitung hängt in der Türkei im Allgemeinen eng mit dem jeweiligen Weltbild zusammen. Auch wenn Politiker oder Theologen versuchen, Menschen anderer Ideologien für ihre Ideen zu gewinnen, so erreichen doch auch sie meist nur ihre Klientel.
Wenn daher Meinungsmacher versuchen, zu bestimmen, was und wie Christen sind, dann versuchen sie zunächst einmal Menschen zu belehren und zu warnen, die ihr eigenes Weltbild teilen. Sie halten es für nötig, ihnen ihre „Wahrheit“ über Christen zu erzählen, weil sie fürchten, dass ihre Klientel von Christen beeinflusst oder gar angezogen wird, wenn sie in Kontakt mit der Definition von Christsein kommen, die Christen sich selbst geben.
Meine Forschung beschäftigt sich mit einem Zeitraum, der von einer lebhaften Debatte über christliche missionarische Aktivitäten gekennzeichnet war.[11] Ich stellte dabei fest, dass jede Zeitung, wenn auch in unterschiedlichem Grade, die Debatte über christliche Missionare für ihre eigene politische Agenda nutzte. Die extremen Nationalisten versuchten zu beweisen, dass die islamische Regierung nicht die Souveränität des Landes verteidigte, die moderaten Islamisten nutzen die Verwirrung über Missionare, um zu behaupten, dass es ein Fehler der Säkularisten sei, Koran-Kurse zu verhindern usw.
Gleichwohl beeinflussen diese öffentlich verbreiteten Meinungen über Christen auch zutiefst die Christen selbst. Sie werden womöglich täglich mit der Mehrheitsmeinung konfrontiert, die von den Meinungsmachern beeinflusst ist. Auch wenn sie nicht direkt angesprochen werden, so nehmen sie doch Botschaften wahr, wie „du solltest dich schämen“, „du hast falsche Motive“, „du gehörst nicht wirklich zu diesem Land, du bist sogar gefährlich für es.“
2.3 Wie wird christliche Identität definiert?
Ich möchte unterstreichen, dass es Meinungsmacher gibt, insbesondere in dem liberal-demokratischen Segment der türkischen Gesellschaft, die die Agitation gegen Christen und andere Minoritätsgruppen verurteilen. Es gibt andere (auch wenn diese immer weniger werden), die den Erfolg des Westens bewundern und diesen zum Teil dem Einfluss des Christentums zuschreiben. Da ich jedoch über Definition von Identität als Teil von Verfolgung schreibe, werde ich mich hier auf negative Definitionen konzentrieren, ohne damit verleugnen zu wollen, dass es diese anderen Stimmen auch gibt.
2.3.1 Gegen Christen oder gegen Missionare?
Im Mittelpunkt der Debatte über das Christentum in der Türkei in den Jahren von ca. 2002 bis 2007 standen Missionare und missionarische Aktivitäten. Die extreme Kritik an Missionaren wurde manchmal (nicht immer) durch die Bemerkung abgemildert, dass die Kritik sich nicht gegen alle Christen richte, auch nicht gegen alle Missionare, sondern gegen diejenigen, die unethische Methoden gebrauchten.
Auf den Vorwurf unethischer Methoden müssen ernsthafte Christen natürlich eingehen. Meiner Meinung nach ist jedoch der Versuch, die Identität der Missionare negativ zu definieren, ein Angriff gegen alle Christen. Einerseits ist es in der heutigen Türkei nicht politisch korrekt, negativ über Christen im Allgemeinen zu sprechen. Ein türkisches Sprichwort sagt: „Meine Tochter, ich sage dies zu dir. Meine Schwiegertochter, verstehe, was ich damit meine.“[12] Darum scheint die Kritik, die sich an Missionare richtet, sehr oft als Kritik und Warnung gegenüber jedem Christen gemeint zu sein.
Andererseits geben Christen, die aufhören zu evangelisieren, ein unverzichtbares Element ihres Glaubens auf. Die besondere Rolle der Christen im frühen Islam als dhimmi (vgl. Bosworth1982) und später im Osmanischen System religiös getrennter millet (religiös definierter Gesellschaftsgruppen) zwangen die Christen, sich der Mission unter Muslimen zu enthalten. Daraus entwickelte sich eine „Minderheitenpsyche“ (vgl. Tamcke 2008:41-48), die bei den meisten Christen unter muslimischer Herrschaft die aktive Mission aus dem Horizont geraten ließ.
Die scharfe Kritik an missionarischen Aktivitäten scheint manchmal ein Versuch zu sein, diejenigen Christen, die sich weniger in der Evangelisation engagieren, gegen diejenigen aufzubringen, die sich aktiv an Mission beteiligen. Dahinter steht das alte Prinzip divide et impera.
2.3.2 Religiöse Definitionen
Christen religiös zu definieren, bedeutet in der Türkei, sie entsprechend des islamischen Verständnisses zu definieren. Natürlich ist der Islam in der Türkei keine einheitliche Größe. Daher unterscheiden sich auch die religiösen Definitionen christlicher Identität. Aber selbst 2007 kann in einem Buch, das in dem Verlag des offiziellen Diyanet İşleri Başkanlığı (Präsidium für religiöse Angelegenheiten) erschienen ist, eine sehr traditionelle islamische Sicht über Christen stehen: „Das Volk des Buches [die Bezeichnung für Christen im Koran] hat außer vielen anderen schlechten Eigenschaften Dinge wie ‚Unglaube, Verleugnung und Lüge’ sozusagen zu seinem Beruf gemacht.” (Kesler 2007: 118).[13] „Unglaube, Verleugnung und Lüge“ beziehen sich auf die Reaktion der Christen gegenüber dem Anspruch des islamischen Propheten.[14]
Dass Christen als Lügner betrachtet werden, gründet offensichtlich auf der Voraussetzung, dass nur unwahrhaftige Menschen den Propheten und seine Religion ablehnen können (vgl. Kapitel 2.2). Darüber hinaus werden die Christen beschuldigt, ihre eigene Heilige Schrift gefälscht zu haben. Die Vermutungen, dass Christen nicht ehrlich seien, dass Missionare ihre wahren Motive verbergen würden und dass Betrug eine weitverbreitete Methode der Mission sei, sind in der Türkei weit verbreitet – nicht nur unter Islamisten, sondern auch unter extremen Nationalisten (wenn auch hier mit anderen Konnotationen).
Die historische Erfahrungen mit westlichen „christlichen“ Ländern (vgl. Kapitel 2.1) haben in der Türkei zu dieser Art der Wahrnehmung und der Definition christlicher Identität beigetragen. Jedoch nutzen muslimische Fundamentalisten offen den Koran und die frühe islamische Tradition für ihre Definition von Christen, und viele Menschen in der Türkei scheinen von diesem Bild beeinflusst zu sein.[15]
2.3.3 Nationalistische Definitionen
In nationalistischen Kreisen wurde die Theorie der Türkisch-Islamischen Synthese insbesondere in den 1970ern und 1980ern lebhaft diskutiert (vgl. Kurt 2010). Gemäß dieser Ideologie fanden die Türken ihre Identität einst im Islam und haben sie noch heute eben dort. Darum können extreme Nationalisten einen türkischen Muslim, der zum Christentum konvertiert, nur als Verräter definieren. Diese Denkweise ist sogar unter Leuten, die nicht sehr vertraut mit ihrem muslimischen Glauben sind, so verbreitet, dass viele türkische Konvertiten von ihrer Familie mit dem Vorwurf konfrontiert werden, Verräter zu sein (vgl. Häde 2009).
Nach dieser Denkweise muss jeder Versuch ausländischer oder einheimischer „Missionare“, Türken für ihren Glauben zu gewinnen, als Angriff auf die Einheit und Sicherheit des Landes betrachtet werden.[16]
Eng verbunden mit diesen nationalistischen Definitionen christlicher Identität sind politische Definitionen:
2.3.4 Politische Definitionen
Missionare werden als Spione für andere Länder bezeichnet;[17] sie sind eine Gefahr für die Einheit der türkischen Republik. Sie stehen im Verdacht, eine politische und keine religiöse Agenda zu haben.[18]
Diese Art des Denkens kann manchmal zu Äußerungen führen wie, „Jede missionarische Aktivität ist ein terroristischer Akt.“[19]
2.3.5 Historische Definitionen
Historisch werden Christen, insbesondere Christen aus dem Westen, als Fortsetzung der Kreuzzüge und des Kolonialismus verstanden. Während die fundamentalistischen Islamisten der Millî Gazete mehr „die Gefahr der Angriffe durch Christen“ betonen, sehen die moderaten Islamisten der Yeni Şafak die Versuche des Westens, Muslime zu beeinflussen, als Verteidigungsstrategie gegenüber der eigentlichen Überlegenheit des Islam.[20]
Auch wenn Christen die Fehler und die Schuld der Vergangenheit nicht leugnen können und dürfen, so ist doch der Versuch, sie und ihre missionarischen Aktivitäten alleine mit diesen historischen Paradigmen zu definieren, Rufschädigung und daher eine Form der Verfolgung.
2.3.6 Definitionen der Minderwertigkeit
Weil es für viele türkische Meinungsmacher eine religiöse und nationalistische Undenkbarkeit ist, dass sich ethnisch türkische Muslime dem Christentum zuwenden, konstruieren sie eine weitere Form der Definition, indem sie die Minderwertigkeit derer herausstellen, die einen solchen Schritt tun.
Türken, die Christen werden, hätten entweder keine Ahnung vom wirklichen Islam, seien mit Dollars bestochen worden, hätten sich mit Versprechen von Heirat oder Studium im Ausland kaufen lassen, seien sowieso unzuverlässige Menschen,[21] oder hätten christliche Vorfahren.[22]
Es muss wohl nicht weiter ausgeführt werden, dass solche Behauptungen für türkische Konvertiten schwer zu ertragen sind.
2.3.7 Die Notwendigkeit, dass Christen auf diese Definitionen reagieren
Warum sollten Christen in der Türkei reagieren, wenn andere versuchen, ihre Identität falsch zu definieren? Ich sehe zwei Gründe für ausgewogene und gut begründete Antworten auf diesen Aspekt der Verfolgung:
Einerseits müssen Christen ihre eigene Wahrnehmung christlicher Identität schützen. Neue Christen könnten sonst ebenso eine „Minderheitenpsyche“ mit all ihren negativen Implikationen entwickeln (vgl. Kapitel 3.3.1). Sie könnten den Mut verlieren, positiv zur Gesellschaft beizutragen und sich selbst für minderwertig halten. Oder aber Christen könnten eine sektiererische Haltung entwickeln und versuchen, in ihrem eigenen sozialen Getto zu leben und sich insgeheim „den anderen“ überlegen fühlen.
Der zweite Grund für einen aktiven Kampf gegen falsche Definitionen ist die Tatsache, dass in der Geschichte der Christenheit[23] und in der türkischen Wirklichkeit Vorurteile und Ausgrenzung mit großer Wahrscheinlichkeit zu solchen Akten der Verfolgung führen, die nicht nur den Geist,[24] sondern auch den Körper der Christen angreifen.[25]
Als Antwort darauf, dass als Teil der Verfolgung ihre Identität falsch definiert wird, müssen Christen sich ihrer Identität bewusst werden und diese selber definieren.
3. Eine christliche Antwort nach dem ersten Petrusbrief: Die Vergewisserung christlicher Identität
Der erste Petrusbrief richtet sich nicht nur an Christen, die in römischen Provinzen lebten, die alle innerhalb des Gebietes der heutigen Türkei liegen. Noch wichtiger ist: Der Brief scheint ein guter Entwurf für die Christen in der Türkei zu sein, wie sie ihre eigene Identität bestimmen können. Eine Besonderheit des ersten Petrusbriefes ist, dass Aussagen über das Leiden im Vergleich zu anderen Schriften des Neuen Testaments „ungewöhnlich häufig“ (Feldmeier 1992:105 Fußnote 1) vorkommen. In der Tat ist der Grund, der Petrus zum Schreiben dieses Briefes veranlasste, dass er die Christen mit guter Theologie ausrüsten wollte, die ihnen helfen kann, mit dem Leiden als Christ zurechtzukommen (vgl. Feldmeier 1992:105 und Fußnote 2). Dieses Leiden bestand jedoch noch nicht in einer systematischen Verfolgung durch den Staat. Vielmehr erlebten die Christen üble Nachrede, falsche Anschuldigungen und Ausgrenzung vonseiten der Gesellschaft.
3.1 Das Erschaffen einer Identität oder die Vergewisserung der Identität?
Die Tatsache, dass Petrus wie auch andere neutestamentliche Autoren im Kontext des christlichen Leidens damit reagieren, dass sie die christliche Identität definieren, ist in der gegenwärtigen Forschung weithin unbestritten.[26] Sogar Autoren, die Identität nicht zu ihrem Hauptthema machen, sondern im ersten Petrusbrief nach der „controlling metaphor“ suchen (Mbuvi 2004:42), gehen indirekt auf christliche Identität ein, wenn sie bestimmte Metaphern der petrinischen Beschreibung der Christen zuordnen, sei es „Christen als Fremdlinge“ (Feldmeier 1992), die Identifikation mit der alttestamentlichen Exilserzählung (Mbuvi 2004) oder mit dem eschatologischen Volk des Messias (Dubis 2002).
Umstrittener ist die Frage, ob die Verfasser des Neuen Testaments angesichts des Leidens die Christen der Identität vergewissern, die sie in Christus bereits haben, oder ob sie dazu beitragen, eine neue Identität zu erschaffen. Hart versucht in seiner Untersuchung zum ersten Thessalonicherbrief aufzuzeigen, dass Paulus und andere frühe Christen ein Narrativ der Verfolgung instrumentalisierten, um eine christliche Identität zu formen (Hart 2008). Dunning (Dunning 2005:iv) möchte zeigen, dass dieselbe Realität der Verfolgung im ersten Petrusbrief und in anderer frühchristlicher Literatur genutzt wurde, um bei der Ausformung verschiedener Identitäten zu helfen.
Ohne dass ich hier weiter ins Detail gehen kann, würde ich dem zustimmen, dass die Leidenserfahrungen der Christen in Kleinasien Petrus veranlasst haben mögen, neu zu fragen, was die Identität der Christen sei. Die neue Situation verlangte nach einer Interpretation. Doch die Theologie von Petrus ist tief mit den anderen Schriften des Neuen Testamentes verwoben (vgl. Green 2007:226-238), und Petrus macht in seiner Interpretation des Christseins reichlich vom Alten Testament Gebrauch. Darum komme ich zu der Schlussfolgerung, dass Petrus geleitet von Gottes Geist die Wahrheit des Wortes Gottes und die Botschaft von Jesus auf die Situation der verfolgten Gläubigen anwandte. Die Intention des Apostels Petrus war zumindest nicht, eine neue Identität zu erschaffen oder auch nur zu formulieren, sondern durch die Interpretation des Alten Testamentes und des Evangeliums die Christen der Identität zu vergewissern, die sie bereits in Christus und gemäß dem Zeugnis der Schrift hatten.
3.2 Falsche Definitionen der Identität korrigieren
Wie nun korrigiert Petrus die falschen Definitionen christlicher Identität?
Die Gegner „befremdet es“ (ξενίζονται, 4,4), was die Christen tun, sie „reden Böses“ wie „von Übeltätern“ (ὡς κακοποιῶν, 2,12), sie gebrauchen Schimpfwörter (λοιδορία, 3,9) und Verleumdungen (3:16). Christen werden „geschmäht“ (εἰ ὀνειδίζεσθε, 4,14).
Dagegen erinnert Petrus sie an ihre Identität als Erwählte Gottes (1,2 ἐκλεκτὸν; 2,4; 2,9). Sie sind nicht ein seltsamer und unwichtiger Teil der Gesellschaft, sondern sie spielen eine so wichtige Rolle in Gottes Plan, dass sogar die Propheten des Alten Testaments ihnen zu dienen hatten (1:12). Der Apostel erinnert sie daran, dass sie „gehorsame Kinder (1,14), „lebendige Steine“ (2,4) sind, aus denen der neue Tempel gebaut ist, sowie ein „königliches Priestertum“ (2,9).[27] Petrus stellt nicht nur den falschen Behauptungen die richtigen Fakten entgegen. In einem Kontext, wo Leiden als berechtigter Grund angesehen wurde, um Schande zu empfinden, stellt Petrus „die Interpretation auf den Kopf“ (Green 2007:226). Leiden „um des Namens Christi willen“ (4,14) sind kein Grund, sich zu schämen, sondern stolz zu sein (4,16). Beleidigt zu werden ist vielmehr ein Beweis dafür, dass „der Geist der Herrlichkeit und Gottes auf euch ruht“ (4,14).[28]
Die Gläubigen wirken nicht nur fremd für ihre Nachbarn (ξενίζονται, 4,4), sondern sie sollen tatsächlich „Fremdlinge in der Welt“ sein (1,1, hier παρεπιδήμοι), weil Gott sie dazu berufen hat (1,1).
3.3 Identität durch das Einordnen der christlichen Existenz in das biblische Narrativ
Petrus Haupt-„Instrument“ für die Definition christlicher Identität ist, die Existenz der Gläubigen in das alttestamentliche Narrativ einzuordnen (vgl. Kapitel 3.1 zur „controlling metaphor). 1 Petr 2,9 bezieht die Christen mit in die Geschichte Israels ein, indem es Lev 19,6 und Jes 43,21 auf die neutestamentliche Kirche anwendet (vgl. 2,10).[29]
Motive aus dem alttestamentlichen Exodus-Narrativ (vgl. 1,13 mit Ex 12,12; 1,19 mit Ex 12,5; 1,16 mit Lev 19,2) und dem Exil-Narrativ (vgl. insbesondere die Bemerkung, dass Christen Fremde sind und unter Heiden leben: 1, 1; 2,11-12) definieren christliche Identität als Teil des alten, großen Planes Gottes.
Ich würde nicht soweit gehen wie Lai, der in dem „jesajanischen Neuen Exodus“ das „zugrunde liegende Thema des ganzen Briefes“ sieht (Lai 2009:152). Jedoch ist es für die Identität der christlichen Gläubigen bedeutungsvoll, dass sie als Gemeinschaft im Exil betrachtet wird, die einen Restorationsprozess erlebt (vgl. Lai 2009:152), und somit als Fortsetzung des Volkes Gottes, das im Exil unter Feinden lebte.
Die Art und Weise, wie Petrus das alttestamentliche Narrativ gebraucht, um die Situation der Nachfolger Jesu zu interpretieren, ist ein weiterer Beweis dafür, dass für den Apostel christliche Identität etwas ist, das schon gegeben ist und nicht neu kreativ erschaffen werden muss. Zugleich zeigt dies, dass die Apostel und die christliche Gemeinschaft wahrscheinlich durch die Notwendigkeit, auf die Verfolgung zu reagieren, zu einem tieferen Verständnis der Stellung der Gläubigen im alttestamentlichen Kontext gelangten.
3.4 Identität durch Identifizierung mit Christus
Das stärkste Argument, mit dem Petrus den Christen erklärt, wer sie im Leiden sind, ist, dass Leiden ein unvermeidbares Element der Berufung zur Nachfolge Christi ist, denn Christus selbst litt (2,22-25). Ripken bestätigt, wie wichtig diese Identifizierung für die leidenden Christen ist: „One of the greatest gifts that can be given to believers in the midst of persecution is for the believing community to assure them that what they are experiencing is for Christ’s sake and for no other reason“ (Ripken 2004:34).
Dubis (Dubis 2002;150-157) interpretiert zurecht τοῦ Χριστοῦ παθήματα in 4,13 als messianische Leiden, an denen der Messias selbst und seine Nachfolger Anteil nehmen.
3.5 Falsche Interpretationen christlicher Identität vermeiden
Petrus schließt an keiner Stelle aus, dass Christen zurecht als „Übeltäter“[30] angeklagt werden könnten (4,15). Daher können die Definitionen von Christen durch Außenstehende eine Herausforderung sein, umso mehr alles zu vermeiden, was anderen Grund geben könnte, sie zu Recht anzuklagen (vgl. 2,1; 2,12). Es gibt ein Leiden als Folge falschen Verhaltens. Christen sollten solches Verhalten vermeiden (vgl. 2,14.20; 3,17; 4,15).
Das Anliegen, Außenstehenden keinen berechtigten Anlass zu geben, christliche Identität falsch zu definieren, ist wahrscheinlich der besondere Grund dafür, dass Petrus in diesem Zusammenhang die Unterordnung unter die Regierung (2,13-17), unter Vorgesetzte (2,18-20) und Ehemänner (3,1-6) nennt. Der Hinweis des Apostels, dass die Regierenden von Gott gesandt sind (2,14) oder dass Sara sich Abraham unterordnete (3,6), lässt es sehr unwahrscheinlich erscheinen, dass Petrus Unterordnung nur als taktisches Mittel lehrt, mit dem man Leute beeindrucken kann. Sein Hauptanliegen mit diesen Bemerkungen scheint jedoch tatsächlich zu sein, „der Unwissenheit törichter Menschen das Maul zu stopfen“ (2,15).
4. Schlussfolgerungen
Die Form der Verfolgung, die Christen gegenwärtig in der Türkei erleben, besteht hauptsächlich darin, dass sie Vorurteilen, Verleumdungen und Ausgrenzung begegnen. Mein Ziel war herauszustellen, dass dies schwerwiegende Facetten von Verfolgung sind, die sehr ernst zu nehmen sind, weil sie versuchen, die Identität der Christen zu bestimmen. Auch wenn die Motivation derjenigen, die diese Definitionen aufstellen, sehr verschieden sein mögen, so beeinflussen doch die falschen Definitionen nicht nur die nicht christliche Mehrheit in der Türkei, sondern auch das Selbstbild der Christen.
Die These, dass ein Teil der Verfolgung ein Kampf um die Definition von Identität ist, wird durch die Tatsache bestätigt, dass die neutestamentlichen Verfasser als Antwort auf Verfolgung großes Bemühen zeigen, christliche Identität richtig zu definieren. Der erste Petrusbrief stellt einerseits christliche Identität in den Rahmen des alttestamentlichen Narrativs und zeigt so die hohe und wichtige Stellung, die Christen im Plan Gottes haben. Gleichzeitig ermahnt Petrus die Christen, schlechtes Verhalten zu vermeiden, damit sie keinen Grund für falsche Definitionen von Christsein geben.
Verfolgung, insbesondere verbale Verfolgung, als Angriff auf christliche Identität zu sehen und an geeigneten Strategien zu arbeiten, um Christen über ihre wahre Identität zu belehren, scheint eine große Hilfe für Christen in der Türkei und in ähnlichen Situationen zu sein. Weitere Forschung ist notwendig, um diesen Aspekt von Verfolgung zu untersuchen und geeignete Antworten zu finden.
Wolfgang Häde
Wolfgang Häde (Jahrgang 1958) ist seit Abschluss seines Studiums an der STH Basel (MTh equiv.) gemeinsam mit seiner türkischen Frau in der Gemeindegründungsarbeit in der Türkei tätig. Er arbeitet in der theologischen Ausbildung in dem türkischen Zweig des Martin Bucer Seminars und schreibt an einer Dissertation (DTh) über die Darstellung des Christentums in türkischen Zeitungen (University of South Africa). Email: whaede@swissmail.org.
Quellennachweis:
Aydın, Mehmet (ed.) 1996. Türkiye’de Misyonerlik Faaliyetleri [Missionsarbeit in der Türkei], Ankara: Diyanet İşleri Başkanlığı Yayınları.
Bosworth, C.E. 1982. The concept of Dhimma in early Islam, in Christians and Jews in the Ottoman Empire, Braude, Benjamin & Lewis, Bernard (ed.). New York: Holmes, p. 37-51.
Campbell, Barth L. 1998. Honor, shame and the rhetoric of 1 Peter in Society of Biblical Literature: Dissertation Series 160, Atlanta, Georgia: Scholars Press. (Ursprünglich verfasst als Dissertation für PhD, Fuller Theological Seminary, Pasadena, CA 1995.
Campbell, William S. 2006. Paul and the creation of Christian identity. London: T&T Clark International.
Cochran, Gregory Charles 2010. New Testament persecution and the inception of Diokology through the application of the Regnal Righteousness Dynamic. Dissertation für PhD, Southern Baptist Theological Seminary.
Dubis, Mark 1998. Messianic woes in First Peter: Suffering and eschatology in 1 Peter 4:12-19. Diss. für PhD, Union Theological Seminary, Richmond, VI (2002 mit demselben Titel veröffentlicht in New York: Peter Lang – Studies in Biblical Literature; 33).
Dunning, Benjamin Harrison 2005. Aliens and sojourners: Self as other in the rhetoric of early Christian identity. Dissertation für PhD (Religion), Harvard University.
Feldmeier, Reinhard 1992. Die Christen als Fremde: Die Metapher der Fremde in der antiken Welt, im Urchristentum und im 1. Petrusbrief. Tübingen: Mohr. (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 64).
Graser, Aaron 2011. Leiden im ersten Petrusbrief: Ursprünge, Formen und Strategien der Bewältigung. MTh-Dissertation, University of South Africa, Pretoria.
Green, Joel B. 2007. 1 Peter. The Two Horizons New Testament Commentary. Grand Rapids, MI: Eerdmans.
Häde, Wolfgang 2009. Mein Schwager, ein Märtyrer – Die Geschichte des türkischen Christen Necati Aydin. Schwarzenfeld: Neufeld.
Hart, Patrick 2008. Persecution and identity-building among early Christ (sic!) associations: 1 Thessalonians as a test case. Dissertation für MA (Religious Studies), University of Alberta, Edmonton.
Holloway, Paul A. 2009. Coping with prejudice – 1 Peter in social-psychological perspective. Tübingen: Mohr Siebeck. (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 244).
Johnson, Luke Timothy [1986] 2002. The Writings of the New Testament, 2. überarb. Aufl., London: SCM.
Kesler, Fatih M. [1991] 2007: Kur’an’da Yahudiler ve Hrıstiyanlar – Kurân-ı Kerim’de Ehl-i Kitab [Juden und Christen im Koran – Die Leute des Buchs im Heiligen Koran], 6. Aufl. Ankara: Türkiye Diyanet Vakfı. (Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları 124. İlmi Eserler Serisi 31).
Khoury, Adel Theodor [1992] 1998. Der Islam – sein Glaube, seine Lebensordnung, sein Anspruch. 5. Aufl. Freiburg: Herder. (Herder-Spektrum Taschenbücher 4167)
Kreiser, Klaus and Neumann, Christoph K. [2003] 2009. Kleine Geschichte der Türkei 2. Aufl. Stuttgart: Reclam.
Kurt, Ümit 2010. The doctrine of “Turkish-Islamic synthesis” as official ideology of the September 12 and the “Intellectuals’ hearth – Aydınlar Ocağı” as the ideological apparatus of the State, in European Journal of Economic and Political Studies 3 (2) 2010, accessed on March 15, 2012 from http://ejeps.fatih.edu.tr/docs/articles/110.pdf
Lai, Kenny Ke-Chung 2009. The Holy Spirit in First Peter: A study of Petrine Pneumatology in light of the Isaianic New Exodus. Dissertation für PhD, University of Dallas.
Lewis, Bernard [1961] 1968. The emergence of Modern Turkey. 2. Aufl. London: Oxford University Press.
Mbuvi, Andrew Mutua 2004. Temple, exile and identity in 1 Peter. Dissertation für PhD, Westminster Theological Seminary, Philadelphia.
Ripken, Nik 2004. Servants in the crucible: Findings from a global study on persecution and the implications for sending agencies and sending churches. Unveröffentlicht.
Schirrmacher, Christine 2009. Christen im Urteil von Muslimen: Kritische Positionen aus der Frühzeit des Islam und aus der Sicht heutiger Theologen. In Spuler-Stegemann, Ursula (Hrsg.) [2004] 2009. Feinbild Christentum im Islam: eine Bestandsaufnahme. 3. überarb. Aufl., Freiburg/Breisgau: Herder, p. 35-54.
Schirrmacher, Thomas 2011. Christenverfolgung geht uns alle an: Auf dem Weg zu einer Theologie des Martyriums. Bonn: VKW (überarbeitete Fassung der 2001 erschienenen Idea-Dokumentation 15/99).
Tamcke, Martin 2008. Christen in der Islamischen Welt – Von Mohammed bis zur Gegenwart. München: C.H. Beck.
The Pew Global Attitudes Project 2008. September 17, 2008 – Unfavorable views of Jews and Muslims on the increase in Europe, Washington. Zugriff am 19. März 2012: http://www.pewglobal.org/files/ 2008/09/Pew-2008-Pew-Global-Attitudes-Report-3-September.pdf
Tran, Nha Trong 2006. A theology of the first epistle of Peter: God in threefold revelation. Dissertation für Ph.D., Fuller Theological Seminary. Pasadena.
[1] Bibelzitate nach LÜ 1984, wenn nicht anders vermerkt.
[2] Vgl. zu diesem Thema z. B. Campbell 2006, Hart 2008, Mbuvi 2004.
[3] Ich gehe von Petrus als Autor des ersten Petrusbriefes aus. Da es hier nicht möglich ist, auf die viel diskutierte Frage der Verfasserschaft einzugehen, verweise ich auf die gelehrte Darstellung aller Gegenargumente gegen die petrinische Verfasserschaft und ihre Widerlegung in der Dissertation von Tran (Tran 2006:10-28).
[4] Vgl. für dieses Kapitel besonders Lewis 1986:317-355.
[5] „Sehr negativ“ 62%, „im gewissen Grade negativ“ 12%, „sehr positiv“ 2%, „im gewissen Grade positiv“ 8%. Wir müssen hier ergänzen, dass zwischen den Umfragen von 2004 und 2008 eine bemerkenswerte Entwicklung zum Negativen stattgefunden hat. Vielleicht lag das daran, dass der Krieg im Iran von vielen Türken als Invasion „christlicher“ Nationen in ein muslimisches Land wahrgenommen wurde.
[6] Vgl. zur Sicht des frühen Islams von den Christen auch Khoury 1998:219-225; Tamcke 2008:20-61.
[7] Als ein Beispiel für einen türkischen Muslimen, der Christ wird, vgl. das Leben von Necati Aydın in Häde:2009.
[8] Was Campbell 1998:333 über den Ersten Petrusbrief bemerkt hat auch Relevanz für die heutige Türkei: „Peter’s concern is predominantly with honor, the primary cultural value of the ancient Mediterranean world.“ Schirrmacher 2011:103 hat „harmloseren“ allerdings auch in Anführungszeichen gesetzt.
[9] Ich möchte hier ein längeres Zitat aus Johnson 2002:483-484 über den Ersten Petrusbrief wiedergeben, weil es sehr passend die Schmerzen beschreibt, die soziale Ausgrenzung verursachen kann: „Suffering is no less real, however, just because it does not lead to death. Since scorn and contempt are slow-working acids that corrode individual and community identity, social alienation should not be viewed as a trivial form of suffering. Persecution may bring death, but the martyr has the advantage of dying with meaning. Societal scorn, however, threatens meaning and identity.“
[10] Diese Tageszeitungen sind Yeniçağ (extrem nationalistisch), Millî Gazete (islamisch fundamentalistisch), Yeni Şafak (gemäßigt islamistisch), Milliyet (liberal demokratisch), Cumhuriyet (laizistisch in enger Anlehnung an Atatürk).
[11] November 2004 bis Januar 2005.
[12] „Kızım sana söylüyorum, gelinim sen anla!“
[13] Ehl-i kitap pekçok kötü özelliklerinin yanı sıra ‚İmansızlık, inkâr ve yalan’ gibi şeyleri âdetâ bir meslek haline getirmişlerdi.
[14] Vgl. Khoury 1998:219-224 über die Frage, welche Christen im Koran als „gut“ und welche als „schlecht“ angesehen werden.
[15] Wenn Mehmet Şevket Eygi, ultraislamistischer Kolumnist der Millî Gazete, die „bösen Christen“ als „Misyonerler, Haçlılar, Teslisçiler” (Missionare, Kreuzzügler, Trinitarier) kennzeichnet (Millî Gazete, 6. Januar 2005, S. 2), dann zeigt das, wie grundlegend theologische Differenzen und historische Erfahrungen Hand in Hand gehen.
[16] Vgl. die ganzseitige Serie von Artikeln an zwölf aufeinander folgenden Tagen gegen missionarische Aktivitäten in der türkischen Tageszeitung Yeniçağ: Yüksel Mutlu. „Dünden günümüze belgeleriyle … Misyonerler“ („Missionare: Von gestern bis heute dokumentiert“) vom 4. – 15. Januar 2005.
[17] Yeniçağ, 6. Januar 2005, S. 2: „Es fällt auf, dass jeder bei der christlichen Propaganda tätige Missionar gleichzeitig ein Spion ist.“ („Hıristiyanlık propagandası yapan misyonerlerin aynı zamanda birer casus olduklarına dikkat çekiyor.“)
[18] Vgl. z. B. Yeniçağ, 6. Januar 2005, S. 8: „Burada amaç Türkiye’yi parçalayarak bölgeye hakim olmaktır“ („Die Absicht ist hier, die Türkei zu zersplittern, um die Region zu beherrschen.“)
[19] Hasan Demir in Yeniçağ, 11. Januar 2005, S. 9: „Her misyoner faaliyet bir terör eylemidir.“
[20] Vgl. Yusuf Kaplan in Yeni Şafak, 24. November 2004, S. 10: „Bugün Batılıların yapmak istediği iki şey var: Türkiye’nin İslâm medeniyeti iddialarına sahip çıkmasını önlemek ve dünyanın, özellikle Batı dünyasının kitleler halinde Müslümanlaşma ihtimâlini ortadan kaldırmaktır.“ („Es gibt zwei Dinge, die Westler heute machen wollen: die Türkei davon abhalten, darauf zu bestehen, einen Anspruch auf die islamische Zivilisation geltend zu machen, und die Möglichkeit zu beseitigen, dass in der Welt und besonders im Westen Menschen massenweise zu Muslimen werden.“)
[21] Vgl. Aydin 1996:15: „…dies sind Typen, die den Islam nicht kennen, die sich von nationalen und geistlichen Werten entfernt haben, die Furcht haben, ohne Selbst-Bewusstsein und ängstlich sind.“
[22] Wie schwerwiegend selbst diese „Beschuldigung“ sein kann, veranschaulicht eine beinahe lustige Episode. 2008 sprach ein Parlamentarier der Oppositionspartei CHP von seinen Informationen darüber, dass Präsident Abdullah Gül armenische Vorfahren habe. Die Folge war, dass der Präsident ein Gerichtsverfahren gegen diese Behauptung um eine symbolische Entschädigungszahlung eröffnete. Vgl. den Artikel “Gül’den Arıtman’a 1 YTL’lik tazminat davası”(Entschädigungsklage für 1 YTL von Gül gegen Arıtman”) in Yeni Şafak, 22. Dezember 2008. Zugriff am 15. März 2012: http://yenisafak.com.tr/Politika/?t=22.12.2008&i=157772.
[23] Vgl. das Zitat von G.E.M. de Ste Croix in Holloway 2009:72-73, das über „the atmosphere of hostility, liable to turn at any moment into active persecution“ spricht.
[24] Hier muss erwähnt werden, dass Vorurteile und Ausgrenzung niemals eine rein verbale Form der Verfolgung bleiben. Denn Konvertiten, die nicht mehr von ihrer Familie akzeptiert werden, können in schwere ökonomische Probleme gebracht werden. Kleine Geschäftsleute können ihre Kunden verlieren. In manchen Situationen kann er für einen bekennenden Christen schwieriger sein, Arbeit zu finden.
[25] Vgl. dazu die Rolle, die die Medienkampagne dabei gespielt hat, um den Nährboden für die Morde an Andrea Santoro und den Märtyrern von Malatya vorzubereiten (vgl. Häde 2009:78-81, Kapitel „Saat und Ernte des Unheils“).
[26] Vgl. z. B. Campbell 2006; Dunning 2005; Graser 2011:155-163; Hart 2008; Holloway 2009; Mbuvi 2004.
[27] Vgl. Graser 2011:155-163, Kapitel „Rekonstruktion des Selbstkonzepts“.
[28] Vgl. auch Green 2007:226: „…suffering is a sign of the genuineness of one’s faith, an affirmation of one’s identity before God“.
[29] Vgl. Green 2007:269: „Peter is in identity-formation mode as he inscribes the community of Christians, mostly Gentiles, into the history of Israel, giving them strong roots in antiquity.“
[30] So übersetzen die LÜ 84 und andere deutsche Übersetzungen κακοποιὸς. Die Neue evangelistische Übersetzung trifft den Sinn mit „anderer Verbrecher“ wohl noch exakter.
Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 10. Februar 2016 um 9:08 und abgelegt unter Christentum weltweit, Weltreligionen.