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Die Debatte um die Beihilfe zur Selbsttötung

Montag 21. Dezember 2015 von KALEB


KALEB

Wir haben mit vielen anderen Initiativen und Persönlichkeiten gekämpft um zu erreichen, dass die nächste verhängnisvolle Entscheidung für unser Land abgewendet werden kann, siehe z.B. den Flyer Warum Beihilfe zur Selbsttötung verboten sein muss (kann weiterhin bestellt werden, die Argumente veralten nicht), www.keine-lizenz-zum-toeten.de oder www.kein-assistierter-suizid.de. Aber vor wenigen Wochen, am 6.11.2015, zeigte die Abstimmung im Bundestag, dass alle Appelle an die Volksvertreter nichts genutzt haben: Ganze 37 von 630 Stimmen bekam der aus unserer Sicht einzig richtige und konsequente Gesetzentwurf Sensburg/Dörflinger.

Der als „kleineres Übel“ oder „guter Kompromiss der Mitte“ aufgefasste Brand/Griese- Entwurf konnte letztendlich die deutliche Mehrheit von 360 Stimmen auf sich vereinen. Nun lautet der neue § 217 StGB:

(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahe steht.

Nicht erreicht wurde die grundsätzliche Strafbarkeit der Beihilfe an der Selbsttötung als klarer und einfacher Rechtsschutz für alle Bürger, wie er in 14 anderen europäischen Ländern besteht.

Was hoffentlich erreicht wurde, ist die Strafbarkeit der geschäftsmäßigen, d.h. auf Wiederholung angelegten Förderung der Selbsttötung – für einen einzigen Verein in Deutschland und wenige namentlich bekannte Ärzte! Wir dürfen gespannt sein, wie sie sich zu wehren versuchen werden.

Was aber in Wirklichkeit erreicht wurde, ist die Agenda der eigentlich im Parlament abgelehnten liberalen Gesetzesentwürfe Künast und Hinze:

1. Die staatliche Billigung der ärztlich begleiteten Lebensbeendigung im Einzelfall nach Gewissensentscheidung!

Durch die Beschränkung auf das Verbot nur der „geschäftsmäßigen“ Beihilfe und die in der Begründung des Gesetzesentwurfs ausdrücklich erwünschte Ermöglichung der Straffreiheit für medizinisches Personal „im Einzelfall und nach Gewissensentscheidung“ heißt § 217 Abs. 1 nämlich frei übersetzt: „Wer als Arzt oder Pflegekraft in der Absicht, hin und wieder die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu mit gutem Gewissen die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird nicht bestraft.“

2. Die Straffreiheit der Hilfe zur Selbsttötung für Angehörige und Nahestehende!

Durch die ausdrückliche Ausnahme vom Verbot für Angehörige und Nahestehende, denen in der Begründung des Entwurfs grundsätzlich eine Motivation aus Mitleid und Mitgefühl unterstellt wird, bedeutet § 217 Abs. 2 frei formuliert: „Als Tötungs-Assistent aus Mitleid darf man gelegentlich tätig werden und einem Verwandten, Freund oder guten Bekannten helfen, sich selbst zu töten.“

Damit ist wieder einmal in Deutschland das Țtungstabu ganz offiziell vom Staat aufgebrochen worden Рnun auch am Lebensende!

  • Ein Verbot der Beihilfe zum Suizid ist politisch ausdrücklich nicht gewollt.
  • Medizinische Fachleute und sogar Privatpersonen werden ausdrücklich von Strafe ausgenommen. Der Rechtsstaat kapituliert wie in der Abtreibungsdebatte vor 40 Jahren: Da es sowieso geschieht und angeblich von vielen Bürgern gutgeheißen wird, sollen es am besten doch gleich die Fachleute machen.
  • Die Liberalisierung der Beihilfe zur Selbsttötung wurde mit Selbstbestimmung und Nächstenliebe begründet, damit wiederholt sich im Grunde die Bejahung des Gnadentods.
  • Es gibt keinerlei Festlegungen über Beratung, Ethikkomitees, Kontrolle – weder vorher noch nachher. Der Staat verzichtet ausdrücklich auf Einmischung und möchte von nichts wissen.
  • Ebenfalls bewusst ausgeklammert: Die Klärung der Suizid-Präparate-Beschaffung für Laien, denn das „Vor-die-U-Bahn-Schubsen“ haben die Abgeordneten vermutlich nicht befördern wollen, und das Präparat Pentobarbital darf in Deutschland nur zum Einschläfern von Tieren verwendet werden.

Vielleicht werden wir schon in wenigen Jahren die Folgen ausbaden müssen. So wie beim Abtreibungsgeschehen mindestens zwei Opfer zu beklagen sind, werden wir vielleicht eines Tages von einer neuen Variante der posttraumatischen Belastungsstörung sprechen müssen, dem „PSS“, „Post-Suicide-Syndrome“, wenn Menschen mit ihrer Gewissenslast der Beteiligung trotz „sorgfältiger und selbstbestimmter Entscheidung“ plötzlich doch nicht mehr zurecht kommen…

Wir sind in diesem Jahr Zeugen einer erneuten gewaltigen Verschiebung unserer ethischen Gewichtung geworden. Die Tragik ist, dass konservative und kirchliche Kreise diesen vergifteten Sieg nicht sehen wollen und des Lobes voll für die neue, „ausgewogene“ Regelung sind: Man habe doch den „Geschäftemachern mit dem Tod“ das Handwerk gelegt! Siehe gemeinsame Erklärung der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz sowie des Zentralkomitees der Katholiken und des Evangelischen Arbeitskreises in der CDU. (www.ekd.de/synode2015_bremen/presse/pm208_2015_erklaerung_sterben_in_wuerde.html) Zumindest für die Evangelische Kirche ist dies nicht verwunderlich, da nun im 14-köpfigen Leitungsgremium der EKD gemeinsam sitzen: Bischof Heinrich Bedford-Strom als Vorsitzender der EKD, Thomas Rachel, CDU-MdB als Vorsitzender des EAK, Kerstin Griese, SPD-MdB als Mitverfasserin des Gesetzes. Die überwältigende Mehrheit der Union hat für den Brand/Griese-Entwurf gestimmt, einschließlich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Fraktionsvorsitzendem Volker Kauder. Alle gemeinsam beugen sich dem in Meinungsumfragen vermeintlich ermittelten Befund: Das Volk will es so!

Gerhard Steier, Geschäftsführer

Quelle: Kaleb e.V., Weihnachts-Rundbrief vom 1.12.2015

Der Kaleb e.V. (www.kaleb.de) ist Mitglied im Bundesverband Lebensrecht (www.bv-lebensrecht.de)

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 21. Dezember 2015 um 16:04 und abgelegt unter Lebensrecht, Medizinische Ethik.