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Zur „Homo-Ehe“

Donnerstag 12. November 2015 von Dr. Jürgen-Burkhard Klautke


Dr. Jürgen-Burkhard Klautke

Anmerkungen zu einem Vortrag von Siegfried Zimmer: Die schwule Frage

Zur gesellschaftspolitischen Lage

Es ist etwas mehr als zwanzig Jahre her, dass in Deutschland der Homosexualitätsparagraph (§ 175 StGB) ersatzlos gestrichen wurde. Als das Parlament im Jahr 1994 diesen Beschluss fasste, rechtfertigten konservative Politiker den Entscheid damit, dass niemand die Absicht habe, das Grundgesetz anzutasten. Im Grundgesetz ist nämlich zu lesen, dass Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt sind (§ 6,1). Volksvertreter anderer Parteien erklärten allerdings schon damals, dass die Straflosigkeit homosexueller Verbindungen nur ein Etappenziel sei.

Tatsächlich setzte die rot-grüne Regierung im Jahr 2001 die „eingetragene Partnerschaft“ („Lebenspartnerschaftsgesetz“) für gleichgeschlechtliche Paare durch. Die Erklärung lautete, es handele sich dabei lediglich um einen Minderheitenschutz. Allerdings setzte kurz darauf die Modifizierung der Bildungspläne ein. Die betreffenden Ministerien in den Ländern erhoben die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ zum Bildungsziel.

Als vor wenigen Wochen in Irland die Homo-Ehe beschlossen wurde, nahmen deutsche Politiker diesen Volksentscheid zum Anlass, um auch hier die völlige Gleichstellung mit der Ehe von Mann und Frau zu fordern. Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, prognostizierte: „Die Merkel-Union wird die Debatte um die Ehe für alle nicht einfach aussitzen können.“ Als die Ministerpräsidentin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), es kürzlich wagte, sich ablehnend gegenüber der Homo-Ehe zu äußern, wurde sie von Homo-Lobbyisten mehrfach angezeigt: Sich gegen die Homo-Ehe zu äußern sei „unsensibel“, „respektlos“, „intolerant“, „diskriminierend“, „volksverhetzend“. Im Internet wurde sogar die Frage aufgeworfen, ob eine derartige „homophobe“ Geisteshaltung überhaupt noch „satisfaktionsfähig“ sei. Mit anderen Worten: Jeder, der Vorbehalte gegenüber der Homo-Ehe äußert, sei im Grunde nicht für voll zu nehmen, sodass man sich mit solchen Leuten am besten gar nicht argumentativ auseinandersetzen soll. Allenfalls seien sie zu bedauern.

Die Bundesfamilienministerin, Manuela Schwesig (SPD), fordert schon seit längerem eine völlige Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften mit der Ehe. Ausdrücklich will sie dabei das Adoptionsrecht einschließen: „Wer diesen Paaren das Adoptionsrecht verweigert, beschneidet das Recht der betroffenen Kinder auf Adoptiveltern.“

Halten wir einmal kurz inne und machen uns klar, was damit eigentlich im Blick auf das Eheverständnis vor sich gegangen ist. Es ist rund 150 Jahre her, dass in Deutschland der damalige Reichskanzler Bismarck die Zivilehe eingeführt hatte. Zunächst hieß das Folgendes: Im Kern ist die Ehe nichts Anderes als eine bürgerliche Standesänderung. Selbstverständlich steht es im Belieben jedes Einzelnen, diese Standesänderung zu feiern, zum Beispiel durch eine festliche Ergänzung. Als stimmungsvolle Überhöhung steht es beispielsweise jedem frei, eine kirchliche Zeremonie vor dem „Traualtar“ durchführen zu lassen.

Schon wenige Jahrzehnte später geriet die Zivilehe jedoch voll in den Würgegriff gesellschaftspolitischer Vorgaben. Im so genannten Dritten Reich waren es die Arierparagraphen, die aufgrund der damals herrschenden Ideologie bestimmten, wer wen (nicht) heiraten dürfe und wann eine Ehe als „Rassenschande“ zu gelten habe.

Nach dem Zusammenbruch dieses Regimes bestimmt nunmehr ein libertinärer Humanitarismus das Gesellschaftsbild Deutschlands.[1] Bei der Ehe führt das unter anderem zu einer immer weiter gehenden rechtlichen Gleichstellung von unverheiratet zusammenlebenden Paaren („wilde Ehe“) mit den vor dem Standesamt geschlossenen Ehen.

Und nun also hat es den Anschein, dass die staatlichen Instanzen bei der Ehe für alle angelangt sind. Bei der Forderung nach der Ehe für alle gilt den Gesellschaftspolitikern als einzige Vorgabe die „gegenseitige Fürsorge“.

Wenn man als Voraussetzung zur Eheschließung dieses Kriterium ernst nimmt, drängt sich natürlich die Frage auf, warum nicht auch polygame Verbindungen eingeschlossen werden können. Schließlich waren sie seit jeher im Islam üblich, und diese Religion, so sind wir belehrt worden, gehöre inzwischen zu Deutschland. Im Tibet trifft man auf die Polyandrie. Wenn man das bei der Ehe für alle ausschließen wollte, diskriminiert man dann nicht andere kulturbereichernde Traditionen? Im Iran waren seit jeher auch zeitlich befristete Ehen bekannt. Auch in unseren Breiten wurde bereits die Forderung nach einer Ehe auf Zeit erhoben (übrigens wohl zum ersten Mal als Witz in einer Fernseh-Kabarettaufführung). Mittlerweile aber hört man den Vorschlag einer seriellen Monogamie aus dem Munde Sachverständiger: Bei rechtlicher Einführung eines Lebensabschnittsgefährten ließe sich eine Menge gerichtlicher Scheidungskosten sparen.

Wer wollte unter der alleinigen Maßgabe der „gegenseitigen Fürsorge“ kategorisch Kinderehen ausschließen. Es ist zwar nicht zu erwarten, dass die Partei der Grünen, die ja momentan ihre Kindersex-Vergangenheit aufarbeitet, diese Forderung allzu schnell stellt. Aber mit welcher Begründung will man das prinzipiell ausschließen, wenn alles Ehe ist, was als gegenseitige Fürsorgebeziehung erfahrbar ist?

Der geistige Schwung, mit dem man versucht, momentan die Homo-Ehe durchzudrücken, scheint dazu zu führen, dass man sämtliche damit implizierten rechtlichen Folgen ausblendet. Müsste man homosexuellen Paaren nicht auch die Leihmutterschaft ermöglichen? Im Augenblick wird uns von Politikern noch versichert, dass solche Praktiken zutiefst menschenunwürdig seien. Aber wäre es nicht Diskriminierung, Homo-Paaren das Recht auf eigene (oder so ungefähr) Kinder vorzuenthalten? Die Bundesfamilienministerin stellte erst kürzlich öffentlich die Forderung auf, dass die staatliche, über die Krankenkassen finanzierte Förderung für künstliche Befruchtungen nicht länger nur Ehepaaren zukommen dürfe. Sie kann nämlich „nicht verstehen, warum wir es Paaren so schwer machen, die sich nichts sehnlicher als ein Kind wünschen“. Die Behandlung nur den Ehepaaren zu bezahlen, gehe „total an der Lebenswirklichkeit vorbei“, denn auch Paare ohne Trauschein wollten Kinder.

Kurzum: Die Richtung, in die unsere Gesellschaft geistig treibt, erscheint voraussehbar.

Zur kirchlichen Lage

Als vor zweitausend Jahren das Evangelium in die Welt trat, beharrte die christliche Kirche unnachgiebig auch auf der Botschaft, dass es Gott ist, der in der Ehe Mann und Frau zusammengefügt hat (Mt. 19,6). Von daher sah sie sich von Anfang an gerufen, die Würde der biblischen Ehe, so wie sie Gott in und durch die Schöpfung geschenkt hat, aus Beziehungsanarchismen und -zwängen zu befreien. Es ist hier nicht der Ort, die Kirchen- und Missionsgeschichte unter diesem Blickwinkel abzuklopfen. Aber anhand zweier Beispiele sei der oft unerbittlich harte Kampf für die Ehe in Erinnerung gerufen.

Im Römischen Reich, in dem in der Kaiserzeit das Konkubinat gang und gäbe war, ließ die Kirche niemanden zur Taufe zu, der in einem Konkubinat lebte.[2] Damit riskierte sie nicht nur schwere Konflikte mit der römischen Gesellschaft, sondern sie nahm auch innerkirchliche Auseinandersetzungen in Kauf.[3] Aber sie blieb dabei: Es gibt keine schillernden Zwischenformen zwischen Ehe und Nicht-Ehe, zwischen Verheiratetsein und Nicht-Verheiratetsein. Die Abschaffung des Konkubinats in der staatlichen Gesetzgebung erfolgte erst im fünften und sechsten Jahrhundert. Aber immerhin: Die Kirche hatte mit ihrer Haltung gegenüber der Gesellschaft gesiegt, wenn auch erst nach Jahrhunderten.

Als im frühen Mittelalter Bonifatius in Germanien missionierte, bestand ein Großteil seiner Aktivitäten im Kampf gegen die damals weit verbreitete Vetternehe. Das waren von den Eltern arrangierte Zwangsehen, bei denen es vorrangig um Sicherung ihrer eigenen Altersversorgung ging, sodass die Zusammenlegung oder die Erhaltung des Ackerlandes vorrangiges Ziel war. Die Braut wurde praktisch nie gefragt, der Bräutigam selten. Um der Achtung der von Gott eingesetzten Ehe willen stemmte Bonifatius sich mit großer Entschiedenheit gegen diesen gesellschaftlichen Morast.[4] Angesichts der bäuerlichen Sturheit erzielte darin die Kirche erst im Spätmittelalter halbwegs durchgreifende Erfolge.

Im Lauf der Kirchengeschichte gelang es wahrlich nicht immer, die von Gott gegebene Ehe in ihrer großartigen göttlichen Bestimmung hochzuhalten. Immer wieder drohte sie den hartnäckigen Wünschen der „hochwohlgeborenen“ Landes[kirchen]fürsten und den Ansprüchen und Forderungen der jeweiligen Modeströmungen zu unterliegen.

Aber trotzdem: Wenn man das über die Jahrhunderte währende zähe Ringen um die Würde der Ehe verfolgt und mit heutigen Verlautbarungen zu dieser Thematik vergleicht, ist die gesellschaftliche Totalanpassung der heutigen Volkskirche überdeutlich. Anstatt auch nur ansatzweise die Ehe als Schöpfungsordnung und als herrliches Geheimnis des Abbilds der Liebe zwischen Christus und seiner Gemeinde zu bezeugen (Eph. 5,22-33), liest man in den betreffenden Veröffentlichungen viel schale Psychosoziologie, bei der von einer „Lebenswirklichkeit“ ausgegangen wird, hinter die man nicht zurückkönne. Natürlich erhebt sich hier die Frage, wozu eine Kirche eigentlich da ist, wenn die gesellschaftliche „Lebenswirklichkeit“ ihr letzter Bezugspunkt ist.

Aber lassen wir jetzt einmal das Elend der Ehescheidungen, der Alleinerziehungshaushalte und der Patchworkfamilien außer Acht. Gehen wir auch einmal über die tiefen persönlichen Wunden hinweg, die Derartiges mit sich bringt, sowie über die damit verbundenen Zersetzungserscheinungen in unserem Gemeinwesen insgesamt. Konzentrieren wir uns auf die Homo-Ehe.

Dazu erklärte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, dass Grundorientierungen, die zur Überwindung von Diskriminierung jeder Art ermutigen, schwerer zu wiegen hätten als einzelne Bibelstellen, die Homosexualität kritisieren. Außerdem, so versichert er, werde die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau dadurch nicht geschmälert. Lediglich beim Adoptionsrecht sieht er insofern Diskussionsbedarf, als der entscheidende Gesichtspunkt hier nicht der Wunsch von Erwachsenen, sondern das Wohl der Kinder sein müsse. (Übrigens gilt dieses Kriterium seit jeher auch bei der Adoption von Kindern durch heterosexuelle Ehepaare.)

Die „EKD-Botschafterin“ Margot Käßmann vertritt die Überzeugung, dass die Homo-Ehe christlich und konservativ begründet werden könne: „Wenn zwei sich lieben und aus dieser Liebe heraus heiraten wollen, sich binden, füreinander einstehen, wer will das einschränken oder gar verurteilen?“ Bei den Bibelstellen, die Homosexualität verurteilen, so weiß Käßmann, handele es sich um eine Mahnung zu verantwortlicher Sexualität, die nicht mit Erniedrigung, Beliebigkeit oder gar Gewalt einhergehe, sondern mit Liebe und gegenseitigem Respekt.

Beim Evangelischen Kirchentag in Stuttgart (3.-7. Juni 2015), so war aus Presseberichten zu erfahren, wurden allerdings diejenigen mit bedenklich wenig „Liebe und gegenseitigem Respekt“ bedacht, die von solcher Bibelauslegung nicht überzeugt waren.

Auch in Freikirchen scheint die Zeit vorbei zu sein, in der ein unzweideutiges Nein zu homosexuellen Verbindungen gelehrt wird. Horst Afflerbach, der Leiter der Biblisch-Theologischen Akademie im Forum Wiedenest, vertritt laut idea Spektrum folgende Position: Die Bibel sage nichts zu homosexueller Orientierung und lehne homosexuelle Menschen an keiner Stelle ab. Auch Jesus Christus habe sich nicht zur Homosexualität geäußert. Afflerbach plädiert dafür, den zeit- und kulturgeschichtlichen Zusammenhang von Bibeltexten zu betrachten, die literarische Gestalt des Textes zu erforschen und nach der Absicht der biblischen Autoren zu fragen. Wenn man darauf hinweise, dass gleichgeschlechtlicher Sexualverkehr vor Gott ein Gräuel sei, dürfe man nicht außer Acht lassen, dass das Wort 117 Mal in der Bibel vorkomme und sich auch auf Götzendienst, Kinderopfer, Zauberei, Wahrsagerei, Toten- und Geisterbeschwörung, Ehebruch, Inzest, den Verzehr von Hasen- und Schweinefleisch, das Tragen von Männerkleidung bei Frauen und die Wiederheirat geschiedener Frauen beziehe: „Es gibt viele Dinge in der Bibel, die heute für Christen nicht mehr relevant sind.“ Manche biblischen Äußerungen verstünden Christen heute anders als früher, etwa jene zu Sklaverei, zum Rassismus und zum Schlagen von Kindern. Afflerbach folgert daraus, dass sich die Spannung zwischen Gottes Heiligkeit und seinem Erbarmen nicht auflösen lasse: „Es gibt klare Ordnungen, und Gott macht Ausnahmen, die die Rechtgläubigen auf die Palme gebracht haben.“ Schon Jesus Christus habe mit dem Vorwurf leben müssen: „Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen.“ Afflerbach: „Das ist ein Kompliment.“ Daran gelte es sich zu orientieren. Ausdrücklich wandte er sich gegen eine selektive Bibelstellen-Theologie.[5]

Wie gesagt, was hier über die Auffassung des Leiters einer freikirchlichen Ausbildungsstätte referiert wurde, entstammt dem Nachrichtenmagazin idea-Spektrum. Afflerbachs Rede liegt im Wortlaut nicht vor. Jeder, der schon einmal mit Journalisten zu tun hatte, weiß, wie diese Leute einen Redner – nennen wir es einmal – missverstehen können. Aber die auf der Homepage von Wiedenest zu findende Stellungnahme zu dem idea-Artikel ist nicht wirklich hilfreich. Hier wird von „Irritationen“ gesprochen, und es wird von der Bitte um „Ergänzungen“ und „Aktualisierungen“ geschrieben und darauf hingewiesen, dass der „Fokus“ von Afflerbachs Rede ein anderer gewesen sei.[6] Lassen wir es damit aber bei einer nicht im Wortlaut veröffentlichten Rede auf sich bewenden.

So viel sei jedoch gesagt: Wenn das nur halbwegs stimmt, was idea-Spektrum mitteilt, wird man in den nächsten Jahren studieren können, wie schnell eine (Frei-)Kirche irrelevant wird, die sich von der Gesellschaft transformieren lässt.

Vergleichbare Vorträge von anderen Rednern sind jedoch zugänglich. Im Februar dieses Jahres hielt beispielsweise der emeritierte Ludwigsburger Professor für Religionspädagogik, Siegfried Zimmer, im Rahmen der Organisation „Worthaus“ einen Vortrag, der „einen unverstellten Blick auf die biblischen Texte“ verspricht. Zimmer arbeitet sowohl in landeskirchlichen als auch in freikirchlichen Kreisen. Wie mir wiederholt berichtet wurde, wird er von jungen Leuten aus evangelikalen Gemeinden häufig und gern gehört. Sein Vortrag über Homosexualität kursiert im Internet unter dem Titel Die schwule Frage – Die Bibel, die Christen und das Homosexuelle.[7]

Im Folgenden wollen wir uns mit seinen Ausführungen inhaltlich auseinandersetzen. Von daher erscheint es sinnvoll, sich zunächst diesen Vortrag anzuschauen. Es mag sein, dass nicht wenige der Leser es als Zumutung empfinden, wenn sie hören, wie er über die „Bibeltreuen“ herzieht. Ohne Zweifel ist das abstoßend. Zum Beispiel stellt er sie mit den Zeugen Jehovas, den Mormonen und sogar mit Putin auf eine Ebene. Ja, er scheut sich nicht, sie in die Nachbarschaft der Salafisten zu rücken.

Trotzdem: Obwohl im Folgenden die Kernthesen Zimmers stets referiert werden, sodass man auch ohne den Vortrag gehört zu haben, Zimmers Darlegungen nachvollziehen kann, ist es ratsam, sich seinen Vortrag im Original anzuhören. Schon das Studium seiner Körpersprache, zum Beispiel bei welchen Gelegenheiten er einschüchternd seinen Zeigefinger erhebt, ist erlebenswert.

Siegfried Zimmer: Die schwule Frage – Die Bibel, die Christen und das Homosexuelle

1.  Begrifflichkeit

Obwohl der Begriff „das Homosexuelle“ im Titel seines Vortrags vorkommt, lehnt Zimmer den Begriff „Homosexualität“ ab. Seine Begründung lautet, dieser Begriff sei zu „klinisch“, er stamme aus der „Psychiatrie“, der „Psychologie“, er sei eine „weiße Kittelsprache“, eine „Pinzettensprache“, eine „Laborsprache“. Zimmer erläutert, „wenn einer sage, die Homosexualität ist aber …,“ dann wisse er sofort, dass so jemand überhaupt „keinen Kontakt mit Schwulen und Lesben hat“. Er selbst befürwortet die mittlerweile in die Umgangssprache eingegangenen Begriffe „schwul“ und „lesbisch“.

Allerdings wird nicht deutlich, ob er diese Ausdrücke allein auf diejenigen bezogen wissen möchte, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft „fürsorglich miteinander umgehen“ oder ob er auch apersonale, homosexuelle Formen darunter fasst. Wenn er sie allein auf die erstere Gruppe bezieht – und dafür sprechen manche Aussagen in seinem Vortrag – dann jedenfalls würde er die Begriffe „schwul“ und „lesbisch“ nicht so verwenden, wie sie heutzutage üblicherweise gebraucht werden. Denn auch Vertreter von Veranstaltungen wie dem Christopher Street Day, bei denen promiskuitive Partnerschaften öffentlich lautstark angepriesen werden, nehmen diese Begriffe für sich in Anspruch.

2.  Zur Anzahl der biblischen Zitate

Zimmer findet in der Bibel nur fünf Stellen, in denen überhaupt über Schwulsein gesprochen werde. Es handele sich um zwei Stellen aus dem Alten Testament: 3Mose 18,22 und 3Mose 20,13 und drei Stellen aus dem Neuen Testament: Römer 1,26.27; 1Korinther 6,9; 1Timotheus 1,10. Im Alten Testament, so versichert er, komme weder in den Geschichtsbüchern, noch in den Weisheitsbüchern oder bei den Propheten die Homosexualität vor.

Nun, stellen wir einmal den Bericht über Sodom und Gomorra zurück (1Mos. 19,1-10). Darüber später. Aber selbst dann kann man bei den alttestamentlichen Geschichtsbüchern auf Richter 19,22-28 hinweisen, bei den Weisheitsbüchern ist zumindest die Aussage in Hiob 36,14 erwägenswert, und im Blick auf Aussagen bei den Propheten besteht kein Grund, Habakuk 2,15 aus den Bibelstellen auszuschließen, in denen es um schwule Verhaltensweisen geht.

Wenn man sich aber auf die von Zimmer gefundenen Stellen beschränkt, wird man nüchtern feststellen können, dass das keineswegs wenige Aussagen sind. Bei zahlreichen ethischen Fragen, die heutzutage unter Christen erörtert werden, stehen oft wesentlich weniger oder gar keine direkten biblischen Aussagen zur Verfügung. Bleiben wir nur einmal bei der Sexual- und Eheethik. Wie viele Stellen kennt Zimmer zu Fragen wie: Eheversprechen, Familienplanung, Sterilisation?

In der christlichen Ethik wurde niemals ernsthaft die Ansicht vertreten, es sei allein die Anzahl der zur Verfügung stehenden Bibelstellen für das Gewicht einer ethischen Thematik ausschlaggebend. Immer dann, wenn man christliche Ethik verantwortlich bedenkt, fragt man nach dem Bezugsrahmen, in dem die jeweilige Thematik einzuordnen ist. Das gilt bis hin zu Themen, die logischerweise überhaupt nicht direkt in der Bibel vorkommen (können), wie zum Beispiel Gentechnologie oder Ethik des Massenmedienkonsums. Aber halten wir fest: Es gibt keinen Grund, sich über den Mangel an biblischen Aussagen zur Homosexualität zu beklagen. Fragen wir nun, wie Zimmer mit den von ihm gefundenen Stellen umgeht.

 3.  3Mose 18,22 und 20,13

Bei der Besprechung von 3Mose 18,22 und 3Mose 20,13 stellt Zimmer gleich einleitend an seine Hörer die Frage, ob überhaupt Einzelsätze, wie sie hier begegnen, „die richtige Ebene sind, um ein Problembewusstsein für einen weitverzweigten Sachverhalt zu bekommen“.

Der Redner versucht also sogleich den Eindruck zu erwecken, der zu besprechende „Sachverhalt“ sei „weitverzweigt“. Dem ist zunächst einmal entgegenzuhalten, dass sowohl im Judentum als auch in der fast zweitausendjährigen christlichen Theologie diese Bibelstellen im Rahmen der von Gott gegebenen Ordnungen verstanden wurden. Weil vom Boden der Schöpfungsordnungen aus die Polarität zwischen Mann und Frau bei jeder sexuellen Begegnung unverzichtbar hinzugehört, bestand traditionell überhaupt kein Anlass, „weitverzweigt“ zu argumentieren und etwa zwischen homosexuellem „fürsorglichen Verhalten“ und einem homosexuellen „apersonalen Lustgewinnstreben“ zu unterscheiden.

Im Licht der durch die Heilige Schrift vermittelten Schöpfungsordnung war immer klar, dass es „Liebe“ gibt, die Sünde ist. Auch dann, wenn ein Mann und eine Frau außerhalb der Ehe sich in gegenseitiger Zuneigung zueinander hingezogen fühlen und miteinander sexuell verkehren, verurteilt die Bibel das als Hurerei oder als Ehebruch.

Prof. Zimmer sucht durch weitere Fragen seine Hörer in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken: „Wann habt ihr in eurem Hauskreis das letzte Mal das dritte Buch Mose behandelt? Haltet ihr das für das zentrale Buch für christliche Identität?“ Der Redner gibt selbst die Antwort, indem er das dritte Buch Mose zu einem „jüdischen Buch“ erklärt, das für die „priesterlichen Juden die wichtigste Schrift“ ist.

Dazu ist Folgendes zu sagen: Es ist unstrittig, dass das dritte Buch Mose zahlreiche Opfergesetzgebungen enthält (3Mos. 1-7) und detaillierte Ausführungen zum Priesterdienst macht und auch Bestimmungen für den Großen Versöhnungstag (3Mos. 16) gibt. Das Neue Testament lehrt, dass alle diese Gesetze (Kultgesetze) das Heilswerk Christi vorschatten und mit dem Kommen Christi und seinem vollbrachten Sühnewerk erfüllt sind (Hebr. 8-10).

Dann wird im dritten Buch Mose auch manches angeordnet, das dem Leser vor Augen führt, dass diese Schöpfung nicht mehr in Ordnung ist. Seit dem Sündenfall geht durch diese Welt ein tiefer Riss. Im dritten Buch Mose wird diese Zwiespältigkeit veranschaulicht zum Beispiel durch die Unterscheidung zwischen rein und unrein. Denken wir an die Speisegebote (3Mos. 11). Darüber lehrt das Neue Testament, dass diese Gebote insofern aufgehoben sind, als wir im Neuen Bund alles essen dürfen, was Gott geschaffen hat. Es wird nun dadurch geheiligt, dass wir es vom Schöpfer mit Danksagung empfangen (1Tim. 4,3.4).

Aber das heißt keineswegs, dass im Neuen Bund alles erlaubt ist. Es gibt nach wie vor Bereiche, die auch das Neue Testament als „unrein“ beurteilt (Röm. 1,24; 6,19; 2Kor. 6,17; 12,21; Gal. 5,19; Eph. 5,5; 1Thess. 4,7). Das betrifft alles, was gegen die Schöpfung und gegen die damit gegebenen Ordnungen gerichtet ist.

In 3Mose 18,22 und 20,13 wird das Liegen eines Mannes neben einem Mann, wie man neben einer Frau liegt, als Gräuel bezeichnet. Zimmer leitet seine diesbezüglichen Ausführungen mit einer Frage ein: „Was meint ihr, wie dieses Wort von heranwachsenden Schwulen und Lesben, die in evangelikalen Gemeinden aufgewachsen sind, was das für Gewissenskämpfe hervorgerufen hat? Höllische. Das ist ein Gräuel.“

Den Begriff „Gräuel“ bezieht er also auf diejenigen, die ihn so verwenden, wie er sich aus den beiden Bibelstellen ergibt. Das aber, so Zimmer, ist „nicht bibeltreu, sondern bibelverkorkst“. Denn, so führt er aus, Gräuel sei ein „kultischer Fachausdruck“.

Dazu ist zu sagen, dass Gräuel durchaus in kultischem Sinn vorkommt, zweifellos auch im dritten Buch Mose. Aber aus dem Begriff selbst ist nicht ersichtlich, ob das überall der Fall ist. Wenige Sätze später räumt Zimmer das auch selbst ein, indem er auf das Buch der Sprüche verweist, in dem Gräuel nicht in einem kultischen Sinn vorkommt. Gleich im Anschluss an diese Bemerkung fügt er jedoch hinzu: „Aber das Wort [Gräuel] im Buch Levitikus, da könnt ihr ganz sicher sein, ist ein kultischer Ausdruck.“

Nun, wenn wir prüfen wollen, ob im dritten Buch Mose Gräuel überall, also ausschließlich, in kultischem Sinn vorkommt, müsste man jede einzelne Stelle exegetisch untersuchen. Aber selbst in dem Fall, dass man in sämtlichen anderen Aussagen in den Büchern Mose zu dem Ergebnis käme, Gräuel sei kultisch zu verstehen und deswegen seien die Gebote für uns überholt, wäre damit noch nicht ein wasserdichter Beweis erbracht, dass dies auch bei den Homosexualitätsverboten der Fall ist. Der hier gemachte Fehlschluss kann vielleicht am besten anhand des folgenden Syllogismus veranschaulicht werden: „Alle Kühe haben vier Beine; mein Hund Bello hat auch vier Beine; also ist Bello eine Kuh.“ Aus solchen Gedankenführungen wird Demagogie gestrickt.

Aber lassen wir die fragwürdige, hier gebotene Logik einmal auf sich beruhen: Nicht nur im Buch der Sprüche, sondern auch bei Mose haben wir mehrere Aussagen zu Gräuel, die unstrittig nicht in einem kultischen Zusammenhang stehen, zum Beispiel in 5Mose 24,4 oder 25,13-16.

Aber nicht nur dort ist Gräuel in einem nichtkultischen Sinn zu finden. Vielmehr ist das in 3Mose 18 selbst der Fall. In den Versen 26 bis 30, werden sämtliche (!) in diesem Kapitel aufgezählten sexuellen Vergehen als Gräuel bezeichnet. Unstrittig sind viele der dort aufgeführten Gebote nicht kultisch.

Es ist eben nicht wahr, dass das dritte Buch ein durchweg jüdisches Kultbuch ist. Ausgerechnet in diesem Buch steht das größte Gebot für uns Christen (neben dem Gebot der Gottesliebe), nämlich das Gebot der Nächstenliebe. Dieses Gebot steht zwischen den beiden uns hier beschäftigenden Kapiteln, in 3Mose 19,18 (vergleiche dazu im Neuen Testament Mt. 5,43; 19,19; 22,39; Mk. 12,31.33; Luk. 10,27; Röm. 13,9; Gal. 5,14; Jak. 2,8). Auch sonst finden wir in 3Mose 19 zahlreiche Anweisungen, die neutestamentlichen Geboten haargenau entsprechen: 3Mose 19,13 (Jak. 5,4); 19,15 (Jak. 2,9); 19,17 (Mt. 18,15).

Aber auch aus den uns hier interessierenden Kapiteln, 3Mose 18 und 20, wird im Neuen Testament zitiert, und zwar als Aussagen, die weiterhin Geltung beanspruchen. Ich nenne als Auswahl nur folgende Stellen:

Der Apostel Petrus führt in 1Petrus 1,16 ein Zitat aus 3Mose 20,26 an: Seid heilig, denn ich bin heilig. Er bringt damit die bleibende Botschaft des dritten Buches Mose für uns Christen auf den Punkt. Ähnlich macht es der Apostel Paulus, wenn er fragt: Wie stimmt der Tempel Gottes mit Götzenbildern überein? Denn ihr seid ein Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: ‚Ich will in ihnen wohnen und unter ihnen wandeln, und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein‘ (2Kor. 6,16; siehe dazu 3Mos. 26,11.12).

Aber nicht nur das: Im Neuen Testament werden verschiedene der hier gegebenen Gebote als nach wie vor gültig vorausgesetzt. Johannes der Täufer wandte sich gegen Herodes, weil dieser König sich über ein hier gegebenes Gesetz hinweggesetzt hatte (Mt. 14,4; Mk. 6,17-18, vergleiche dazu 3Mos. 18,16). Bekanntlich kostete dieses Zeugnis gegenüber seiner Obrigkeit den Täufer den Kopf.

Jesus selbst besteht gegenüber den Theologen seiner Zeit auf der bleibenden Gültigkeit dieser Gebote. Als die Pharisäer und Schriftgelehrten das Gesetz Gottes auf ihre Bedürfnisse hin verbiegen und uminterpretieren wollten, wies der Herr sie scharf zurück mit Hinweis auf 3Mose 20,9 (Mt. 15,4; Mk. 7,10).

Auch die von Paulus in 1Korinther 5,1 verurteilte Verfehlung (Jemand hat die Frau seines Vaters) ist kaum ohne den Hintergrund des entsprechenden Verbots in 3Mose 18,8 und 3Mose 20,11 nachvollziehbar. Natürlich verlangt der Apostel in der neutestamentlichen Kirche für dieses Vergehen nicht den Vollzug der Todesstrafe. Aber er fordert Gemeindezucht (1Kor. 5,2-8), und zwar mit dem erklärten Ziel, dass dieser Hurer nicht dem ewigen Tod ausgeliefert wird. Bei dieser Maßnahme geht es um seine Rettung.

Es kann hier nicht detailliert erörtert werden, wie das dritte Buch Mose im Neuen Bund auszulegen ist, namentlich für die Ethik. Aber Prof. Zimmer kann „ganz sicher“ sein, dass sich die Aussagen über Unreinheit und Gräuel in den Kapiteln 18 und 20 nicht aushebeln lassen durch die Bemerkung, es handele sich um jüdische Kultgesetze.

Worum geht es in diesen beiden Kapiteln? Es geht um das Einhalten sexueller Grenzen durch ansonsten recht eng beieinander Wohnender. Denken wir an die Situation während der Wüstenwanderung: Obwohl häufig mehrere Generationen auf sehr engem Raum zusammenlebten, oft in einem einzigen Zelt, hatte man im Blick auf Eltern, Schwiegerfamilie und Kinder Grenzen einzuhalten. Mit den gelegentlich wohl auch im Zelt herumstreunenden Tieren durfte man sich ebenfalls nicht sexuell abgeben. Das Thema dieser Kapitel ist, dass die Menschen, die zum Volk Gottes gehören, mit ihrer Geschlechtlichkeit anders umgehen sollen, als die Völker aus ihrer Umwelt es zu tun pflegten (3Mos. 18,1-5 vergleiche 20,23.24).

Die Behauptung, das Alte Testament, namentlich das dritte Buch Mose, sei für eine christliche Ethik ohne jede Bedeutung, wird durch die neutestamentlichen Zitate überdeutlich widerlegt. Mit einer solchen Ansicht würde man sich auch in eine gefährliche Nähe zu der frühkirchlichen Häresie des Marcionismus begeben. Über ein von Gott inspiriertes Buch als von einem „jüdischen Buch“ zu sprechen, könnte sogar Gedankenverbindungen an ein tiefdunkles Kapitel deutscher Kirchen- und Theologiegeschichte wachrufen. Allerdings scheint das bei Zimmer ganz sicher nicht der Fall zu sein. Denn der gleich darauf folgende Appell richtet sich nicht an das „gesunde deutsche Volksempfinden“, sondern sein Aufruf lautet wörtlich folgendermaßen: „Also ich appelliere an die Fairness und Sachbezogenheit aufgeschlossener Christen, dass sie diesen Tatbestand angemessen würdigen.“ (Der Begriff „Tatbestand“ für seine exegetischen Ergebnisse kommt übrigens im Lauf seines Vortrages nervenaufreibend häufig vor.)

Noch eine Anmerkung zu der Behauptung, die Homosexualitätsverbote seien Kultgesetze. In der Altorientalistik ist es bis zum heutigen Tag keineswegs unumstritten (um es vorsichtig zu sagen), ob es in der kanaanitischen Fruchtbarkeitsreligion überhaupt so etwas wie homosexuelle Kult-Prostitution gegeben hat. Manche Theologen möchten es gerne so sehen, und Prof. Zimmer baut offensichtlich auf diese auf.[8] Aber Altorientalisten sowie zahlreiche sauber arbeitende Alttestamentler sind sich da keineswegs so sicher. Sie machen nicht nur auf die Widersinnigkeit eines homosexuellen [!] Fruchtbarkeitskults [!] aufmerksam, sondern sie weisen auch darauf hin, dass zum Beispiel das Wort, das im Alten Testament von Luther mit „Buhler“ (oder auch mit „Tempelhurer“) übersetzt worden ist (1Kön. 14,24; 15,12; 22,47; 2Kön. 23,7; Hos. 4,14), auch im Kanaanitischen (Ugaritischen) vorkommt. Dort allerdings hat der Begriff keinerlei sexuelle Assoziationen. Er meint lediglich Priester oder Tempeldiener. Auch in der babylonischen Religion waren die männlichen Geweihten Eunuchen, die als geschlechtslose, mythische Wesen verkleidet an Prozessionen teilnahmen.[9]

Falls es im Alten Orient gar keine homosexuelle Kultprostitution gab, stürzt die immer und immer wieder zu hörende Behauptung, in 3Mose 18 und 20 sei es um kultische Homosexualität gegangen, in sich zusammen. Aber selbst wenn derartige Kulte vorkamen, ist darauf zu bestehen, dass in 3Mose 18 und 20 die Gebote über Homosexualität in einem nichtkultischen Zusammenhang stehen: Es geht um sexuelle Beschirmung der Familie. Auch der Hinweis auf den Molochdienst (3Mos. 18,21; 20,4) ist kein Argument, die beiden Kapitel kultisch deuten zu wollen. Denn auch bei dem Verbot dieses Götzendienstes geht es um den Schutz der Familie.

Neben Zimmers Behauptung, in den Homosexualitätsverboten gehe es um kultische Verordnungen, weil das Wort Gräuel in den Versen vorkomme, sucht Zimmer noch auf einem anderen Weg diese beiden Gebote durch Hinweis auf die damalige Umwelt zu relativieren. Er erklärt, sie seien „tatorientiert“ („aktorientiert“). Damit meint er, dass es bei den Verboten nicht um „längerfristige“ Einstellungen bei den Männern gegangen sei, sondern um Akte innerhalb von „Geschlechterrollen“.

Wenn man fragt, warum Zimmer so großen Wert auf die „Tatorientierung“ legt, lautet die Antwort, dass er die Verbote im Rahmen eines sozio-ökonomischen Abhängigkeitsverhältnisses sehen möchte. Es sei hier verboten, dass sich ein „reicher Bonze“ an seinem Sklaven oder seinem Knecht homosexuell vergeht. Gleich darauf fügt er mit großer Vehemenz hinzu, dass das zum ABC der Kenntnis der antiken Lebenswelt gehöre. Wenn man diese „Lebenswelt“ ausblende, „kann man so fürchterlich danebenliegen“. Außerdem würden Männer, die sich homosexuell betätigen, in eine „Weiberrolle“ schlüpfen. Dadurch aber würden sie in der damaligen „Macho-Gesellschaft“ verachtet werden.

Natürlich taucht bei dem interessierten Hörer hier die Frage auf, wie Zimmer, der eben gerade noch in diesen Geboten „ganz sicher“ Kultverbote erkannte, weil das Wort Gräuel vorkommt, nun plötzlich dieselben Gebote im Kontext einer Vergewaltigung von Abhängigen versteht. Kann es daran liegen, dass er von seiner Kultgebote-Argumentation selbst nicht so ganz überzeugt ist?

Außerdem stellt sich die Frage, warum der „reiche Bonze“ bei einer homosexuellen Tat mit einem ihm gegenüber Untergebenen in eine „Weiberrolle“ schlüpft, sodass ihn deswegen die Verachtung der anderen „Macho-Männer“ treffen müsse.

Aber weder die beiden Verse selbst noch der Zusammenhang, in dem diese Verbote stehen, legt es in irgendeiner Weise nahe, dass hier allein homosexuelle Vergewaltigung verboten ist. Ãœberall dort, wo aus diesen Kapiteln im Neuen Testament zitiert wird, geht es um das angemessene sexuelle Verhalten innerhalb des Volkes Gottes.

Um nicht missverstanden zu werden: Homosexuelle Zwangsprostitution wird es zweifellos im Orient gegeben haben. Aber worum es hier geht, ist, dass diese Frage nicht im Fokus der Verbote von 3Mose 18 und 20 steht.

Zu der von Zimmer so wichtig genommenen „Tatorientierung“ sei bemerkt: Auch sämtliche anderen Verbote in diesem Kapitel sind „tatorientiert“: Du sollst dich nicht nahen…; du sollst nicht aufdecken (entblößen)... Ja, in der gesamten Bibel haben wir bei Geboten eine „Tatorientierung“: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, du sollst nicht töten, nicht ehebrechen, nicht falsch Zeugnis reden usw.“ Sämtliche Gebote sind tatorientiert, sodass Zimmers Entdeckung in 3Mose 18,22 und 3Mose 20,13 nun auch wieder nicht so erstaunlich ist, wie er bei seinen Hörern offensichtlich den Anschein erwecken will.

Allerdings ist in der Heiligen Schrift stets unstrittig, dass das Tun des Menschen aus seinem Herzen kommt (1Mos. 6,5; Spr. 4,23; Mt. 15,19). Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die „tatorientierten“ Zehn Gebote in das Verbot des Begehrens einmünden, also in eine Herzenseinstellung (Röm. 7,7-10).

Kurzum: Die Bibel verbietet, sich mit Tieren sexuell abzugeben (2Mos. 22,18; 3Mos. 18,23; 20,15). Nirgendwo aber spricht sie von Bestialitas. Die Heilige Schrift erwähnt nirgends den Begriff Alkoholismus. Sie verbietet jedoch übermäßigen Alkoholkonsum und weist auf die schrecklichen Konsequenzen des Missbrauchs hin (Spr. 23,30-35).

Wenn Zimmer aus den Homosexualitätsstellen eine ausschließliche Tatorientierung ableiten möchte, und sich sogar in die Behauptung versteigt, im Alten Orient habe es eine „schwule Existenz“ gar nicht gegeben, man habe sie „nicht gekannt“, dann ist das schneller behauptet als belegt. Ein derartig mit keckem Schwung dahingeworfener Satz mag manche Hörer beeindrucken. Aber von renommierten Altorientalisten wird – ich formuliere es in bewusstem Kontrast zu Zimmer zurückhaltend – ernsthaft erwogen, dass unter dem babylonischen (akkadischen) Begriff pilpilânu ein homosexuell Lebender, also eine „schwule Existenz“ zu verstehen ist.[10]

In diesem Zusammenhang sei noch auf zwei Aussagen aus dem Neuen Testament hingewiesen. In 1Timotheus 1,10 und 1Korinther 6,9 findet man im Griechischen das Wort arsenokoitäs. Luther übersetzt dieses Wort mit Knabenschänder. Es ist in Kommentaren heute unumstritten, dass es hier nicht um Päderastie geht. Etymologisch meint das Wort nichts anderes, als dass ein Mann bei einem Mann liegt. Ausleger der Heiligen Schrift haben sich gefragt, woher Paulus den Begriff arsenokoitäs hat. Denn in der Zeit vor Paulus, im antiken und hellenistischen Griechisch scheint er nicht vorgekommen zu sein. Hier aber können 3Mose 18,22 und 20,13 weiterhelfen. Denn in der griechischen Übersetzung des Alten Testamentes, der Septuaginta, findet man in diesen beiden Stellen genau diese Worte (arsenos koitän). Wenn Paulus in seiner Ausdrucksweise auf die Gebote aus dem dritten Buch Mose zurückgreift, legt das den Schluss nahe, dass der Apostel an die entsprechenden Aussagen aus dem dritten Buch Mose mit seinem Urteil über Homosexualität anknüpft. Derselbe Paulus, der die Kultgesetze in Christus erfüllt sieht (Kol. 2,16.17), würde dann bei dem Verbot homosexueller Beziehungen die Gültigkeit des dritten Buches Mose implizit unterstreichen.

Die Homosexualitätsverbote in 3Mose 18 und 20 zielen weder direkt auf ein Verbot, an (Fruchtbarkeits-)Kulten teilzunehmen, noch auf das Verbot, sozio-ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse brutal auszunutzen. Auch Zimmers mit großer Vehemenz vorgetragene These, homosexuelle Handlungen seien deswegen im Alten Testament verboten, weil es in der Antike unbekannt gewesen sei, dass der männliche Same immer wieder neu produziert wird, spiegelt nichts Anderes als sein reichlich holzschnittartiges Bild über den alten Vorderen Orient wider. Nun könnte man dies bei einem Religionspädagogen mit gewisser Nachsicht übergehen, wenn er nicht immer und immer wieder im gleichen Atemzug auf die „engstirnigen“ „Fundamentalisten“ meint einhauen zu müssen, die keine Ahnung von der „antiken Lebenswelt“ hätten.

Dass es bei den Geboten in 3Mose 18 und 20 um das Einhalten sexueller Grenzen geht, haben wir bereits festgestellt. Es stellt sich aber noch die Frage, warum sämtliche der genannten Gebote, im Fall, dass sie übertreten werden, mit dem Tod bestraft werden sollen (3Mos. 18,29; 20,9 und öfters). Für unser Empfinden ist das sehr hart.

Aber wenn wir Gott aus seinem Wort kennenlernen wollen, kann und darf unser Empfinden nicht ausschlaggebend sein. Vielmehr haben wir ehrfürchtig zu fragen, was der Grund für die jeweilige Bestimmung ist. Dann erkennen wir, dass diese Bestimmungen dazu gegeben sind, dass du durch das Halten dieser Gebote lebst (3Mos. 18,5). Tatsächlich sind wir damit auf der richtigen Spur. Denn die Begründung für die sehr harten Sanktionen nennt Gott selbst: „damit das Land euch nicht ausspeie“ (3Mos. 18,28; 20,22).

Um diese Aussage zu verstehen, ist es sinnvoll, sich zunächst über den eigenen kulturellen Standort klar zu werden. Unsere westliche, abendländische Kultur ist von einem Rechtsverständnis geprägt, das aus dem römischen Denken stammt. Von daher kennt unsere Zivilisation die sehr starke Betonung des Privateigentums: Mit dem, was einem gehört, kann man machen, was man will. Niemand hat einem da hineinzureden. Entsprechend hat es in unseren Breiten traditionell zur zentralen Aufgabe der staatlichen Institutionen gehört, das Privateigentum zu schützen.

Wenn man diese Rechtsauffassung mit der von Gott in der Heiligen Schrift gegebenen vergleicht, ist unschwer zu erkennen, dass das Wort Gottes den Akzent anders legt. Als Gott nach der Sintflut dem Menschen die Schwertgewalt übertrug, erfolgte das nicht (in erster Linie), damit das Privateigentum gegenüber dem anderen geschützt werde. Vielmehr ging es vorrangig um den Schutz des menschlichen Lebens. Gott gab den noachitischen Bund, damit der Mensch seinen mit der Schöpfung erhaltenen Auftrag, Seid fruchtbar und mehret euch auch unter den Bedingungen der gefallenen Welt erfüllt. Es waren schlussendlich sexuelle Perversionen, die zur Sintflut geführt hatten (1Mos. 6,1-7). Nun überträgt Gott dem Menschen die Schwertgewalt, damit das Leben geschützt wird (1Mos. 9,1-7).

Dieser Lebensschutz-Tenor durchzieht die gesamte Heilige Schrift. Wir finden ihn auch im dritten Buch Mose. Aus dieser Perspektive wird verständlich, warum nach unserem Empfinden Gott zum Beispiel die Eigentumsfrage recht locker handhabt (3Mos. 25). Demgegenüber belegt er die Übertretungen, bei denen Menschen, die den mit der Schöpfung gegebenen Segensauftrag an Mann und Frau, Seid fruchtbar und mehret euch, verachten oder ihn schänden, mit harten Strafen. Die kanaanitischen Völker sollten deswegen aus dem verheißenen Land vertrieben werden, weil sie die Schöpfungsgabe ihrer Sexualität missbraucht hatten und dadurch „das Land verunreinigt“ hatten (3Mos. 18,24-30; vergleiche 20,22-24).

Von daher wird verständlich, warum im Blick auf die in 3Mose 18 und 20 gegebenen Gebote die Todesstrafe erfolgen soll. Es geht dabei um die Bewahrung des vom Schöpfer gegebenen Segensgebotes. Es geht um den Schutz des Lebens. Gott warnt: Wenn ein Volk dieses Gebot verschmäht oder verspottet, dann geht es zugrunde. Es wird „ausgespien“ (3Mos. 18,28; 20,22). Was das konkret heißt, kann das Volk Gottes am Untergang der Kanaaniter lernen. Die Todesstrafe für jedes der dort genannten sexuellen Vergehen bezeugt dem Volk, dass Gott mit seinem bei der Schöpfung gegebenen Segen nicht mit sich spaßen lässt.

Zusammenfassend können wir Folgendes festhalten: Zimmers Behauptung, es handele sich bei den Homosexualitätsverboten um Kultverbote, und auch seine weitere Erklärung, es sei um Aktivitäten mit Abhängigen gegangen, wie auch seine vorgetragene Vorstellung, Homosexualität sei deswegen hier verboten worden, weil die Menschen damals noch nicht wussten, dass sich der männliche Samen reproduziere, lässt sich biblisch in keiner Weise untermauern. Seine Ausführungen erinnern bedenklich stark an den Aphorismus Goethes: „Im Auslegen seid frisch und munter. Legt ihr‘s nicht aus, dann legt was unter.“ Wenn er anderen vorwirft, sie würden nicht „bibeltreu, sondern bibelverkorkst“ arbeiten, fällt dieses Urteil auf ihn selbst zurück.

Aber damit ist nicht alles gesagt. Die Weise, in der Zimmer mit der Heiligen Schrift historisch-kritisch umgeht, kann geradezu als Musterbeispiel dafür dienen, wie heutzutage die Bibel in der Ethik zugunsten einer begehrten Wunschvorstellung zum Schweigen gebracht wird. Dabei lassen sich drei Schritte unterscheiden:

Erstens redet man in (pseudo-)wissenschaftlicher Manier von dem kulturellen Kontext, der zu beachten sei. Nun musste man bedauerlicherweise bei Zimmer feststellen, dass er sich hier keineswegs um harte Fakten bemüht, sondern dem Hörer ein Phantasiebild vorgaukelt. Solche Geschichtsbilder werden in der Theologie seit mindestens zweihundert Jahren nach den jeweils vorhandenen Bedürfnissen produziert. In dem von Hegel bestimmten 19. Jahrhundert sahen die Geschichtskonstruktionen anders aus, als sie heutzutage erforderlich erscheinen. Heute, in der Epoche des Gender, finden Leute wie Zimmer überall in der Bibel ein Gesellschaftsbild „machohafter Ausbeuterei“.

Zweitens: Nachdem man dieses Bild als das einzig wissenschaftliche mit großer Vehemenz vorgetragen hat, folgt als zweiter Schritt, dass die biblischen Aussagen mit Hinweis auf den damaligen, nunmehr überholten kulturellen Kontext relativiert werden: Das war damals so, glücklicherweise leben wir heute in einer anderen, besseren Zeit. Wir haben inzwischen den großen Durchblick.

Drittens beantworten Theologen dann, nachdem die Aussagen der Bibel ausgehebelt worden sind, die jeweils aktuellen ethischen Frage durch Anpassung an die augenblicklich geltende Lebenswirklichkeit. Selbstverständlich nennt man das nicht Anpassung, sondern man etikettiert heute dieses Unterfangen mit Begrifflichkeiten wie „Liebe“, „Toleranz“, „Antidiskriminierung“, „Befreiung“ oder Ähnlichem. Das klingt besser. Aber es fällt schon auf, dass Theologen bei dieser Methodik in ihren ethischen Ergebnissen immer dort landen, wo sich die Gesellschaft bereits befindet. Ja, gegenwärtig scheint die Theologie ihre Aufgabe sogar darin zu sehen, Vorhut und Vorkämpferin für die Durchsetzung der von der Gesellschaft angesagten Trends zu sein. Wie das praktisch aussieht, kann man bei Zimmer studieren.

 4.  1Mose 19,1-12

Bei dem Bericht über Sodom und Gomorra bedauert Zimmer einleitend, dass dieser Abschnitt eine „ungeheure Wirkungsgeschichte“ gehabt habe. Seine Version zu diesen Versen verläuft folgendermaßen: Diese Städte lagen in einer „kargen, abgelegenen Landschaft“, in der „Fremdenfeindlichkeit“ gedieh. Sie lebten „abgeschlossen wie in einer Burg“. Als nun die beiden Männer nach Sodom kamen, ging es der „fremdenfeindlichen“ Bevölkerung darum, „diese Fremden psychisch kaputt zu machen“.

Diese Darlegung sucht Zimmer gleich darauf mit eindrucksvoller Drohgebärde festzuklopfen: Wer das Vergehen der Sodomiter nicht in Fremdenfeindlichkeit sehe, begehe „schwerste Bibelmanipulation“. So jemand sei – hier wiederholt er sich – nicht „bibeltreu, sondern bibelverkorkst“. Dies, so versichert Zimmer, habe die „moderne Bibelwissenschaft“ zweifelsfrei nachgewiesen. Weil man das zweitausend Jahre nicht so gesehen habe, sei es zur Verfolgung der Schwulen gekommen, die „verbrannt und aufgehängt“ wurden. Darüber müssen Christen Buße tun. Er verlangt, dass an bibeltreuen Ausbildungsstätten endlich einmal die Geschichte der Verfolgung von Schwulen und Lesben aufgearbeitet werden solle.

Das, was Zimmer hier verbal inszeniert, ist auf sprachlicher Ebene durchaus beeindruckend. Gehen wir aber seine Aussagen der Reihe nach inhaltlich durch.

Zunächst ist darauf aufmerksam zu machen, dass die Bibel ausdrücklich berichtet, dass die beiden Städte nicht in einer „kargen, abgelegenen Landschaft“ lagen, sondern das Gegenteil war der Fall: Vor dem Gerichtsschlag Gottes war die Gegend um Sodom herum „wie der Garten des Herrn“ (1Mos. 13,10).

Dass es sich bei dem Vergehen gegen die beiden hereinkommenden Männer auch um Schändung des Gastrechtes handelte, ist, soweit ich sehe, niemals bestritten worden. Die Bibel selbst sagt dies deutlich (Mt. 10,14.15; Luk. 10,10-12). Aber dass es bei der Sünde der Sodomiter nur um Fremdenfeindlichkeit ging, wurde zuerst im 20. Jahrhundert von D.S. Bailey behauptet.[11]

Abgesehen von interessegeleiteten, prohomosexuellen Verlautbarungen ist nicht zu erkennen, dass sich diese These in der biblisch-exegetischen Forschung durchsetzt. Bereits in 1Mose 13,13 wurde Sodom wegen seiner Verderbtheit angeklagt („die Leute von Sodom waren böse und große Sünder vor dem Herrn“), also nicht erst als die Fremden in die „karge, abgelegene Stadt“ kamen. Es werden über diese Stadt auch weitere nichtsexuelle Sünden berichtet (Hes. 16,49.50, vergleiche auch Jes. 3,9; Jer. 23,14). Aber der ausschlaggebende Grund für das Gericht Gottes an dieser von Kanaanitern bewohnten Stadt waren die Vergehen auf sexuellem Gebiet (2Petr. 2,6-10). Sowohl der Ausdruck „zügellos“ [ausschweifend] (2Petr. 2,7) weist auf promiskuitives Verhalten hin als auch der Ausdruck „unreine Lust“ [Befleckung des Fleisches] (2Petr. 2,10). Auch Judas 7 spricht im Blick auf Sodom von sexueller Unzucht.[12]

Dass Lot den Bewohnern Sodoms, die die Männer vergewaltigen wollten, seine beiden Töchter anbot (1Mos. 19,7-9), zeigt, dass bei ihnen das bestimmende Motiv die lüsterne, apersonale Gier war. Es war für sie nebensächlich, was für ein Stück Fleisch sie zur Befriedigung ihrer Lüste vorgesetzt bekamen: je abnormer, desto geiler.

Von einer entsprechenden Vergewaltigung wird uns in Richter 19,22-28 berichtet. Das entscheidend Neue in diesem Bericht ist, dass sich das perverse sexuelle Verhalten innerhalb des Volkes Gottes vollzog. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass in diesem Fall Gott nicht Feuer vom Himmel fallen ließ, sondern dass dieses Gericht Menschen vornahmen (Ri. 20). Auf dieses Ereignis geht Zimmer überhaupt nicht ein.

5.  Jesus zur Frage der Homosexualität

Schließlich kommt Zimmer zum Neuen Testament. Im Blick auf die Evangelien ist er sehr schnell fertig, indem er erklärt, Jesus habe kein Wort zur Homosexualität gesagt.

Tatsächlich spricht Jesus über diese Thematik nicht ausdrücklich. Aber was ist damit bewiesen? Dort wo im frühen Judentum zu Homosexualität und Lesbismus etwas gesagt wird, werden derartige Verhaltensweisen unzweideutig verworfen.[13] Wenn Jesus nun zu dieser Thematik schweigt, legt dieser Befund die Folgerung nahe, Jesus hat deswegen nicht ausdrücklich etwas zu dieser Thematik gesagt, weil es in dieser Frage zwischen ihm und den Juden keinen Dissens gab. Jedenfalls müsste der, der das Umgekehrte behauptet, es beweisen.

Aber auf noch etwas ist hinzuweisen: Auch in den Evangelien steht die gesamte Sexualethik im Rahmen der Schöpfungsordnungen. Der Sohn Gottes betont: wie es von Anfang der Schöpfung war (Mk. 10,6; Mt. 19,8).

Als Pharisäer zu Jesus kamen und ihn wegen der Ehescheidung befragten, beantwortete Jesus diese Frage nicht unverzüglich. Stattdessen wies er zunächst auf die Schöpfung. Dabei betonte er, dass Gott von Anfang an die Menschen als Mann und als Frau erschaffen hatte, bzw. als männlich und weiblich (Mt. 19,4; Mk. 10,6). Man könnte hier Jesus entgegenhalten, dass die Pharisäer ihn dazu überhaupt nicht befragt hatten. Ihre Frage nach der Ehescheidung habe er damit doch gar nicht beantwortet. Das ist richtig.

Auch in seiner folgenden Aussage geht der Sohn Gottes bezeichnenderweise (noch) nicht direkt auf die Thematik der Ehescheidung ein. Vielmehr spricht er über die Ehe. Seine Botschaft lautet: Eine Ehe besteht aus einem Mann und einer Frau. Die beiden werden ein Fleisch sein (Mt. 19,5.6a; Mk. 10,7.8). Erst im Anschluss daran behandelt Jesus die Frage der Ehescheidung (Mt. 19, 6b-9; Mk. 10,9).

Indem Jesus die ehe- und sexualethischen Fragen ausdrücklich in den Rahmen der von Gott geschaffenen Polarität von Mann und Frau stellt und die Ehe explizit verstanden wissen will als eine monogame Einrichtung zwischen einem Mann und einer Frau (so wie es von Anfang war), hat der Herr damit jede andere Eheform ausgeschlossen, wie zum Beispiel die Polygamie oder eben auch die Homo-Ehe.

 6.  Römer 1,26.27

Wie man es von Prof. Zimmer inzwischen gewohnt ist, will er auch die Aussage über Homosexualität in Römer 1,26.27 aus dem „damaligen Lebensraum“ verstehen. Er stellt fest „Diese Sache hat eine wesentlich genauere, die Bibel viel ernster nehmende, wirklich genaue Untersuchung geklärt“. Als Kernaussage von Römer 1 ist bei Zimmers „wesentlich genauerer“ Untersuchung das Folgende herausgekommen: „Die Menschen interessieren sich für die Schöpfung, für das, was die Schöpfung alles an Freude und Wonne bietet. Aber den Schöpfer verleugnen sie. Sie ziehen die Schöpfung dem Schöpfer vor. Das ist Gottlosigkeit.“

Im Anschluss an dieses Untersuchungsergebnis stellt er seinen Hörern erneut eine Suggestivfrage: „Meint ihr wirklich – wir wissen heute ziemlich sicher, vier bis fünf Prozent der Männer sind schwul und drei Prozent Frauen sind lesbisch, interkulturell auf allen Erdteilen, seit der Steinzeit, seit der Antike, das scheint eine Schöpfungskonstante zu sein, selbst da wo Todesgefahr ist, man kann es halt nicht ausrotten… Meint ihr wirklich, dass Paulus die Gottlosigkeit der Menschheit demonstrieren will, das drei bis vier Prozent der Männer und zwei bis drei Prozent der Frauen betrifft? Meint ihr, dass das ein sattes Beispiel wäre, das ist so ein kleines Minderheitenproblem, das wäre komisch…“.

Achten wir auf die Antwort, die er selbst auf seine Frage gibt: Paulus habe mit seiner Kritik an Homosexualität die Oberschicht Roms im Auge, die alles „durchprobiert“ habe. Paulus denke hier an die Senatoren, an die „römische Schickeria“: Die Senatoren seien alle verheiratet gewesen, es sei denn die Frau war gerade gestorben, und er ist Witwer. Aber dann, so weiß Zimmer, „hat er gleich die Nächste“. „Aber jetzt also, die haben doch 10 Kinder daheim, aber da gibt es schon die süßen, wohlgeformten Knaben, 16- bis 17jährige aus der Unterschicht…“.

Zimmer versteht also die Ausführungen des Apostels Paulus in Römer 1 als Sozialkritik an der heterosexuellen, römischen „dekadenten Schickeria“, die Jugendliche aus dem Prekariat homosexuell ausbeutet.

Es ist inzwischen deutlich geworden, dass es Zimmers methodologisches Steckenpferd ist, in der Bibel Gesellschaftskritik gegenüber den Mächtigen zu finden. Das Problem dabei ist, dass diese seine „Ergebnisse“ seiner „viel ernster nehmenden, wirklich genaueren Untersuchung“ im Römerbrief nicht zu finden sind. Nirgendwo spricht der Apostel auch nur ansatzweise von römischen Senatoren oder sonstigen Reichen, die sich junge Leute aus den Unterschichten nehmen, um sie sexuell auszunutzen und zu missbrauchen. Natürlich kam so etwas Furchtbares vor. Aber den Beweis dafür, dass Paulus sich auf diese Form homosexueller Betätigung fokussiert, bleibt Zimmer exegetisch schuldig.

Aus dem, was in Römer 1 geschrieben steht, geht etwas Anderes hervor. Der Apostel spricht von Frauen, die mit Frauen und von Männern, die mit Männern Schande treiben. Wenn er in diesem Zusammenhang von schändlichen Leidenschaften spricht, dann geht es ihm um (gleich-)geschlechtlichen Verkehr in jeder Form. Es kann sein, dass dieses Urteil des Römerbriefes Prof. Zimmer nicht gefällt. Aber man sollte deswegen bitte nicht das, was hier geschrieben steht, solange verbiegen, bis es dem eigenen Wunschbild entspricht. Es geht Paulus hier nicht um (homosexuelle) Vergewaltigung oder um gleichgeschlechtliche Zwangsprostitution. Der Apostel schreibt das Gegenteil: Sowohl die Frauen als auch die Männer machen Derartiges aus eigenem (An-)Trieb.

Das, was der Apostel im ersten Kapitel des Römerbriefes mitteilt, ist viel radikaler, viel tiefgreifender als ein Protest gegen homosexuelle Ausbeutung durch die römische Oberschicht.

Im Römerbrief ist zwar häufig von Gerechtigkeit die Rede, so zum Beispiel bereits in Römer 1,17. Aber es geht dabei nicht um Gesellschaftskritik. Die Gerechtigkeit Gottes, von der das Neue Testament spricht, wird überhaupt nicht durch Menschen aufgerichtet, sondern das tat Gott, der Vater, in seinem Sohn. Diese Gerechtigkeit wird durch Glauben dem Menschen zuteil, damit er im Endgericht nicht verdammt wird. Diese frohe Nachricht von der Rechtfertigung legt der Apostel ausführlich von Römer 3,21 an dar. Damit aber diese Botschaft in ihrer Herrlichkeit überhaupt verstanden wird, schildert er davor die grauenvolle Lage, in der sich jeder Mensch ohne den Glauben an dieses Evangelium befindet.

Man könnte sagen: Paulus verkündet hier zunächst die schlechte Nachricht. Sie besteht darin, dass ausnahmslos alle (nicht nur die dekadenten, sich an Lustknaben vergreifenden römischen Senatoren) ohne diese Gerechtigkeit, die Gott in und durch Jesus Christus geschaffen hat, vor Gott nicht bestehen können.

Den Grund, warum sich das so verhält, führt der Apostel ab Römer 1,18 aus. Was er hier schildert, demaskiert nicht nur die gesamte damalige römisch-späthellenistische Kultur, sondern auch unsere heutige Zeit. Um zu verstehen, was mit den Aussagen über Homosexualität zum Ausdruck kommt, macht es unbedingt Sinn, sich die Gedankenführung insgesamt vor Augen zu führen. Zum besseren Verständnis untergliedere ich die Ausführungen des Apostels in sechs Punkte.

Erstens verkündet der Apostel, dass Gott über die Menschen zürnt (Röm. 1,18a). Unzweifelhaft haben das die Menschen in der damaligen hellenistisch-römischen Kultur nicht akzeptiert. Noch weniger scheint diese Botschaft in die Wohlfühlbedürfnisse heutiger Hörer zu passen. Aber egal, ob wir das hören wollen oder ob wir uns darüber lustig machen: Der Zorn Gottes erstreckt sich über alle Menschen.

Zweitens: Auf die Frage, warum eigentlich über allen Menschen der Zorn Gottes steht, lautet die Antwort des Apostels: weil Gott sich in und durch die Schöpfung allen Menschen geoffenbart und ihnen dadurch seine ewige Kraft und Gottheit kundgetan hat. Aber diese Offenbarung haben die Menschen bewusst unterdrückt (Röm. 1,18b-20).

Auch diese Aussage stieß damals auf Empörung und Unverständnis. Man denke an den Hohn, der Paulus in Athen auf dem Areopag entgegenschlug (Apg. 17,32). Auch heutzutage findet diese Botschaft wenig Zustimmung. Wie gerne möchte man stattdessen J.J. Rousseau Glauben schenken, der von den „unschuldigen Heiden“ sprach.

Vielfach will man diese Offenbarung Gottes auch falsch deuten. Zum Beispiel so, als ob Paulus die Menschen dazu auffordern würde, einmal anzufangen, über die Frage nach der Denkbarkeit oder Erfahrbarkeit Gottes theoretisch nachzudenken. Es trifft zwar zu, dass es Evidenzen für die Existenz Gottes gibt. (Darauf wird man gegenüber Gottesleugnern wie Richard Dawkins bestehen müssen.) Aber dem Apostel geht es hier nur sehr am Rande um abstrakte erkenntnistheoretische Überlegungen zur Existenz Gottes.

Drittens: Wenn es Paulus aber nicht so sehr um theoretische Gotteserkenntnis geht, worum geht es ihm bei dieser Schöpfungsoffenbarung? Das erläutert der Apostel im Folgenden: Gott zu erkennen heißt, ihm Dank darzubringen, ihn zu verehren (Röm. 1,21). Andersherum heißt das: Der Mensch will Gott deswegen nicht erkennen, weil er ihm nicht Dank darbringen will, weil er den Schöpfer nicht ehren will. Das Kernproblem des Menschen ist nämlich nicht sein theoretischer Intellekt, sondern es ist sein Herz.

Viertens: Paulus macht darauf aufmerksam, dass der Mensch, der Gott nicht erkennen und ihn nicht anbeten will, gar nicht in der Lage ist, sich in einen lupenreinen Agnostizismus kraft seiner theoretischen Vernunft zurückzuziehen. Vielmehr muss er dann etwas Anderes in seinem Sinn haben und dementsprechend auch verehren.

Diejenigen, die Gott nicht kennen wollen, müssen sich notgedrungen Bilder über Gott und die Wirklichkeit machen (Röm. 1,22.23). Paulus verweist im Blick auf die damalige römisch-hellenistische Kultur auf die Verehrung verweslicher Menschen und Tiere. In der Neuzeit können wir bei den Bildern an Ideologien und Weltanschauungen denken, deren unerhörte Faszinationsgewalt über die Menschen in den beiden vergangenen Jahrhunderten unübersehbar ist.

Im Grunde sagt der Apostel damit auch, dass es in Wahrheit so etwas wie einen Atheisten gar nicht gibt. Denn der Mensch, der Gott nicht kennen will, muss Gott in ein selbstgemachtes Bild vertauschen (Röm. 1,23) und dieses sein selbstgemachtes Bild als Gott anbeten. Er, der im Bild Gottes geschaffen ist, muss sich, wenn er sich von Gott abwendet, den von ihm gemachten Bildern und Modellen zuwenden und wird von ihnen in den Griff genommen.

Wie das, was Paulus hier darlegt, praktisch aussieht, können wir uns anhand eines missionstheologisch aufschlussreichen Ereignisses veranschaulichen. Als der Apostel während seiner ersten Missionsreise nach Lystra kam, wurden die dortigen Bewohner auf Paulus und Barnabas aufmerksam, nachdem ein Lahmer geheilt worden war (Apg. 14,8-10). Die heidnische Bevölkerung ordnete das, was sie sah, in ihren Verstehenshorizont ein. Für diese Götzendiener hieß das, dass sie die beiden Apostel für Zeus und Hermes hielten, und logischerweise musste man ihnen dann Opfer darbringen (Apg. 14,11-13). Natürlich widersetzten sich Paulus und Barnabas diesem Unterfangen. Um die Menschen aus ihren falschen geistigen Bildern und Vorstellungen zu befreien, verkündete Paulus den Heiden den Gott, der alles geschaffen hat (Apg. 14,14-16). Diese Botschaft mündete in die Erklärung, dass der Gott, der ihnen gerade verkündet wird, nicht ein Fremder für sie ist, sondern bereits seit jeher in das Leben eines jeden Zuhörers getreten war: Er tat ihnen Gutes, gab ihnen Regen, Essen und Frohsinn (Apg. 14,17).

Genauso dürfen auch wir den Menschen heute den Gott verkündigen, der nicht irgendwo weit weg ist, sondern der als Schöpfer und Erhalter seit jeher mit dem Leben eines jeden Menschen zu tun hat. Dabei stoßen auch wir auf Menschen, die nicht neutral sind und lediglich informiert werden müssen, sondern deren Herz gegen Gott eingestellt ist, deren Geist von widergöttlichen geistigen Bildern, Vorstellungen und Denkmodellen erfüllt und erfasst ist. Wegen der Verfinsterung ihrer Herzen stößt darum die Verkündigung der frohen, herrlichen Botschaft von Christus auf Widerstand. Das Evangelium zu verkündigen ist immer ein Geisteskampf. Und wenn ein Mensch die Wahrheit Gottes erfasst, sodass er Gott, den Schöpfer, anbetet, ist es immer ein Wunder, das der Heilige Geist wirkt.

Fünftens: Aber Paulus geht noch einen Schritt weiter. Der Abfall von Gott lässt den Menschen nicht nur in den Bilderdienst versinken. Es kommt auch zu moralisch-ethischen Abirrungen: „Gott hat sie dahingegeben“ (Röm. 1,24). Diese Aussage ist ein Gerichtswort. Dasselbe Wort verwendet Paulus für Jesus, den Gott für uns dahingab (Röm. 8,32).

Wenn wir normalerweise an Gerichte Gottes denken, stehen uns Hungersnöte, Erdbeben, Tsunamis oder Seuchen vor Augen. Ohne Zweifel sucht der allmächtige Gott Menschen durch Naturkatastrophen und Missgeschicke heim. Aber hier sagt der Apostel, dass Gott noch einen anderen Weg hat, die Menschen zu richten. Sein Zorn enthüllt sich keineswegs nur in Ereignissen, die wir als Unglücke oder Desaster erfahren. Vielmehr zeigt sein Zorn sich auch darin, dass Gott den Menschen seinen selbstgewählten Weg laufen lässt. Gott lässt ihn in das hineinrennen, was dem Sünder gefällt, was ihm zusagt, was ihn reizt (vergleiche Spr. 1,31.32; 5,22; Jer. 2,19; Hes. 11,21; 2Petr. 2,12.13). Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen (Hebr. 10,31). Hier aber werden wir darauf hingewiesen, dass es genauso furchtbar ist, wenn Gott uns von unseren eigenen Wegen nicht zurückhält, sondern uns diese gehen lässt. Das Gericht Gottes besteht hier darin, dass die Menschen in ihre eigenen Sünden rennen, ohne dass sie davon zurückgehalten werden.

Die Aussage, Gott hat sie dahingegeben, findet sich dreimal (Röm. 1,24.26.28). In Römer 1,24 spricht der Apostel von dem Schänden der Leiber untereinander. Offensichtlich handelt es sich dabei um heterosexuelle Verirrungen. Im Licht dieser Aussage ist die so genannte Enttabuisierung der Sexualität, wie sie seit einem halben Jahrhundert über unser Volk hinwegschwemmt, nicht nur einfach Sünde und Schuld. Das ist sie auch. Sie ist aber auch Gottes Gericht. Dass uns der Missbrauch der Geschlechtlichkeit, dieser herrlichen Schöpfungsgabe Gottes, nahezu überall in den Medien vorgeführt wird – und im Internet die Pornographie nur wenige Klicks entfernt ist – ist auch Gericht über uns. Es ist Gericht über ein Volk, das Gott nicht kennen will, das Gott nicht verehren will, sodass Gott es in ihre eigenen Begierden versinken lässt. Gott, der den Menschen durch das Geschenk der Sexualität würdigt, an seiner eigenen Schöpfungskraft Anteil zu haben, ihn dadurch am Wunder der Entstehung neuen, unvergänglichen Lebens beteiligt, richtet die Menschen, die von ihm abgefallen sind, dadurch, dass sie ihre Leiber entehren.

Wenn Paulus sich diesen Abfall und diese Verachtung Gottes durch die Menschen vergegenwärtigt, kann er nicht sachlich bleiben. Er wendet sich unverzüglich in Anbetung an diesen wunderbaren Schöpfer, der gelobt ist in Ewigkeit (Röm. 1,25).

Gleich im Anschluss an die heterosexuellen Verirrungen kommt Paulus auf das Thema der Homosexualität zu sprechen. Wie gesagt: Zimmers Behauptung, der Apostel kritisiere hier reiche Frauen, die mit armen jungen Mädchen Schande treiben und Senatoren, die arme Jünglinge sexuell ausbeuten, ist durch nichts in diesem Abschnitt belegbar. Angesichts des hier von Paulus geschilderten Totalabfalls der Menschen von ihrem Schöpfer zeugt ein solcher Tunnelblick geradezu von Niveaulosigkeit. Natürlich schließt niemand aus, dass auch damals in Rom Verbrechen wie Pädophilie oder Päderastie vorgekommen sind. Aber eine Gesellschaftskritik angesichts von Sex mit Abhängigen ist hier ganz und gar nicht das Thema.

Der Apostel hatte gerade auf den ewigen Schöpfer hingewiesen und ihn ausdrücklich gelobt. Wenn Paulus nun über die Leidenschaften der Frauen spricht, die er als entehrend (schändlich) bezeichnet, und weiter von der Schande, wenn Männer sexuell miteinander umgehen, ist der Boden, von dem aus er spricht, die Schöpfungsordnung. Dies wird dadurch überdeutlich, dass der Apostel im Blick auf die Frauen hinzufügt, dass sie den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen vertauscht haben (Röm. 1,26). Auch im Blick auf die Männer wird das offenbar, wenn er über sie sagt, dass sie den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen haben (Röm. 1,27).

Der Begriff vertauscht begegnete uns bereits in Römer 1,23 und 25. Dort führte Paulus aus, dass die Menschen, die Gott nicht kennen und nicht verehren wollen, „die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauscht haben mit einem Bild, ja dass sie die Wahrheit Gottes in Lüge vertauscht haben…“. Der Mensch hat die ihm übertragene Bestimmung als Gottes Bild ihn in dieser Schöpfung zu repräsentieren, pervertiert. Er, der über die Tiere herrschen sollte, hat Gott in ein Bild dieser Tiere verkehrt und damit Wahrheit in Lüge vertauscht. Dieses Vertauschen zeigt sich auch darin, dass der Mensch, den Gott mit dem Auftrag gesegnet hat, fruchtbar zu sein und sich zu mehren, seine Geschlechtlichkeit in etwas Widernatürliches verdreht.

Indem Paulus dieses aufzeigt, geht es ihm nicht um ein geringfügiges Minderheitenproblem. Er hat hier nicht wenige Prozent der Menschen im Auge. Das Gegenteil ist der Fall. Anhand der bilderdienerischen und der (homo-)sexuellen Praktiken argumentiert Paulus transkulturell. Er spricht hier umfassend, universal. Der Apostel zeigt auf, wie weit die Menschen von Gott und dem von ihm in 1Mose 1,26-28 gegebenen Auftrag abirren.

Kurzum: Im Licht der vom Schöpfer gegebenen Ordnungen beurteilt das Wort Gottes jede Form gleichgeschlechtlicher Handlungen als ein Schande Treiben, egal ob sie von zwei Frauen oder von zwei Männern durchgeführt werden, egal ob gezwungen oder freiwillig. Bei homosexueller Betätigung wird nicht zwischen apersonaler Promiskuität und fürsorglichem Miteinander unterschieden. Beides widerspricht dem Willen des Schöpfers.

Natürlich lässt sich graduell zwischen verschiedenen Praktiken differenzieren. Genau wie sich nicht jeder Nichtchrist vor Tiergötzen niederwirft, sondern manche sich in hochgeistigen Zirkeln mit Erkenntnissen höherer Welten beschäftigen, so gibt es auch bei homosexuellen Beziehungen Unterschiede. Aber Paulus spricht hier prinzipiell: Schau auf diese Vertauschungen, dann erfasst du, wo hinein eine Menschheit gerät, die den Schöpfer nicht kennen will.

Genauso wie bei den heterosexuellen Sünden (Röm. 1,24) weist Paulus auch bei den homosexuellen Sünden darauf hin, dass Gott die Menschen sich in ihre eigenen Wege verrennen lässt. Der Apostel ergänzt sogar noch, wie diese Gerichtsspirale weiter verläuft: „…und sie haben den verdienten Lohn ihrer Verirrung an sich selbst empfangen“ (Röm. 1,27).

Möglicherweise kann man bei dem Lohn auch an sexuell übertragbare Krankheiten denken. Aber in diesem Abschnitt geht es um geistiges Abirren. Von daher legt die Bemerkung „gebührender Lohn ihrer Verirrung“ nahe, nicht (nur) an die physischen Folgen zu denken. Vor allem scheint es Paulus darum zu gehen, dass derjenige, der homosexuelle Handlungen begeht, dadurch in eine entsprechende Orientierung gerät.

Zimmer spricht von einer „schwulen Persönlichkeitskonstante“. Traditionell würde man seit Aristoteles von „Charakter“ sprechen. In unserer westlichen Tradition sind uns derartige Begrifflichkeiten geläufig. Aber die Bibel weiß von solchen Kategorien nichts. Die Heilige Schrift hat eine andere Lehre vom Menschen. Sie bezeugt, dass alle Menschen durch den Fall Adams in den Stand von Sündern gesetzt sind. Das heißt: Ausnahmslos alle stehen unter der Herrschaft der Sünde (Röm. 5,12-19). Diese Herrschaft der Sünde kann sich bei Menschen unterschiedlich auswirken bis hinein in tiefe Verstrickungen. Bei jemandem, der ohne einen bestimmten Alkoholspiegel nicht auszukommen meint, spricht man in unserem Kulturkreis von einem Alkoholiker oder von einem Alkoholkranken. Die Bibel würde hier eher davon sprechen, dass jemand an den Alkohol versklavt ist (Röm. 6,12-23).

Entsprechend verhält es sich bei allen Süchten, egal ob man an Kleptomanie, Bulimie, Spielsucht oder Sexsucht denkt. Zum Beispiel spricht das Wort Gottes davon, dass Menschen von einem Geist der Hurerei erfüllt sind, sodass sie offensichtlich gar nicht mehr anders können als nur noch in hurerischen Kategorien zu empfinden und zu denken (Hos. 4,10-12; 5,4).

Das Wort Gottes weist in diesem Zusammenhang auf das Gesetz von Saat und Ernte: „Irrt euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er auch ernten. Wer auf das Fleisch sät, der wird vom Fleisch Verderben ernten…“ (Gal. 6,7.8). Die Bibel weiß, dass Menschen sehr, sehr tief gebunden sein können. Viel, sehr viel kann dadurch im Leben eines Menschen kaputtgehen. Nirgendwo behauptet das Wort Gottes, dass Befreiung leicht ist. Das Neue Testament spricht vom Kampf zwischen Geist und Fleisch, vom Kreuzigen der fleischlichen Lüste (Gal. 5,16-26), vom Töten der Handlungen des Leibes (Röm. 8,13). Aber – und darum geht es – die Bibel weiß im Blick auf Bindungen nichts von einem unveränderlichen, unumkehrbaren Charakter, erst recht nicht spricht sie in diesem Zusammenhang von „Schöpfungskonstanten“. Vielmehr lehrt sie, dass man aus derartigen Zwängen frei werden kann, sodass man ein neues Leben führt.

Dass der Mensch veränderbar ist, wird, wenn ich recht sehe, im Augenblick bei sehr vielen Süchten und Bindungen anerkannt. Es werden auch zahlreiche Psycho- oder Seelsorgetherapien angeboten. Aber wenn es zur Homosexualität kommt, wird heutzutage in der Öffentlichkeit weitgehend eine Veränderung rigoros ausgeschlossen: Diese Empfindungen seien „Natur“, gehörten zum „Wesen“ des Betreffenden, seien sein „Charakter“ oder seine „Disposition“. Demjenigen, der sich trotzdem bemüht, einem homosexuell Empfindenden zu helfen, sodass er frei wird, kann es passieren, dass ihm vorgeworfen wird, er vergewaltige Menschen. Allein der Versuch sei bereits ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Damit ergibt sich für unsere Gesellschaft ein geradezu grotesker Befund: Häufig dieselben Menschen, die lautstark die Genderideologie vertreten und erklären, die Geschlechtlichkeit von Mann und Frau sei etwas sozial Anerzogenes und gesellschaftlich Bedingtes und lasse sich durch entsprechende Umerziehungsmaßnahmen ändern, tabuisieren bei Homosexuellen lautstark jeden Umpolungsversuch.

Es ist nicht beabsichtigt, im Rahmen dieses Artikels detailliert auf die Änderbarkeit der Homosexualität einzugehen.[14] Aber so viel sei gesagt: Das Neue Testament weiß davon, dass Homosexuelle genau wie Unzüchtige, Götzendiener, Ehebrecher, Diebe, Trinker, Räuber frei werden können. Der Apostel Paulus spricht davon, dass diese Menschen abgewaschen, geheiligt und gerechtfertigt worden sind in dem Namen des Herrn Jesus und in dem Geist unseres Gottes (1Kor. 6,9-11).

Sechstens: Paulus bleibt bei der Aufzählung der Wege, in die Gott Menschen dahingibt, die sich von Gott losgesagt haben, nicht bei sexuellen Sünden stehen. Er zählt im Folgenden eine Liste von 21 weiteren Sünden auf, die die verworfene Gesinnung (Röm. 1,28) der Menschen zum Ausdruck bringen.

Bei der Skizzierung des Abfalls von Gott hat Paulus also keineswegs ausschließlich (homo-)sexuelle Sünden im Blick. Aber auf diese Taten legt der Apostel vergleichsweise ausführlich den Finger. Denn darin zeigt sich, wie sehr das Menschsein des Menschen, der Gott nicht kennen will, pervertiert werden kann. Denn der Mensch ist nun einmal als geschlechtliches Wesen geschaffen. Gott hat ihn geschaffen in der Polarität von männlich und weiblich, um eine Ehe einzugehen (1Mos. 1,27.28; 2,23.24, Mt. 19,4-6; Mk. 10,6-9).

7.  Zur Bibel insgesamt

Man kann mit den Aussagen der Bibel in dreifacher Hinsicht umgehen.

Die erste Möglichkeit ist, dass man erklärt, was die Bibel über Homosexualität sage, sei falsch, uninteressant oder überholt. Paulus und die anderen biblischen Schreiber hätten noch nicht so genau gewusst, was wir heute über die „schwule Existenz“ herausgefunden haben. Eine solche Einstellung entspricht dem, was die Menschen mit der Offenbarung Gottes seit jeher getan haben. Sie haben sich über sie erhoben.

Die zweite Möglichkeit besteht in der Auffassung, Juden und Christen aller Konfessionen hätten zweitausend Jahre lang die Bibel missverstanden. Erst seit Siegfried Zimmer und andere Theologen gekommen sind, sei herausgefunden worden, dass die Bibel lediglich homosexuelle Kultprostitution und Ausbeutung verbiete, aber keinesfalls ein fürsorgliches Miteinander. Es war die Absicht dieser Auseinandersetzung mit dem Vortrag Zimmers, aufzuzeigen, dass dies kein redlicher Umgang mit dem Wort Gottes ist.

Die dritte Möglichkeit besteht darin, vom Boden der Heiligen Schrift die eigene Zeit zu beleuchten und entsprechend Folgerungen zu ziehen. Zum Beispiel die, dass Gott, der Schöpfer, die Homo-Ehe nicht will.

Wenn das hier so vorbehaltlos gesagt wird, sei ausdrücklich betont, dass nirgendwo in der Bibel über Homosexuelle mit der Absicht geschrieben ist, diese Menschen in eine hoffnungslose Verzweiflung zu stürzen. Gerade Paulus macht das nicht. Darum sei erneut daran erinnert, dass Römer 1 gewissermaßen das Eingangsportal bildet, um anschließend das Evangelium als Kraft Gottes zur Errettung (Röm. 1,16) herauszustellen. Aber im Licht dieser Rettungsbotschaft ist es nicht lieblos oder empathielos, auf den Zorn Gottes hinzuweisen.

Paulus selbst war ein Mörder. Er mordete aus tiefster Überzeugung. Als vor Damaskus der Sohn Gottes in sein Leben trat, hörte er nicht die Botschaft: „Ich tröste dich in deinem mörderischen Lebensstil.“ Vielmehr brachte der Herr ihn von seinem Irrweg zur Umkehr.

Vergessen wir auch nicht, dass es Jesus selbst ist, der auf Folgendes den Finger legt: Am Tag des Gerichts wird es dem Sodomer Land erträglicher ergehen als Kapernaum, also einer Stadt, die das Evangelium von sich wies (Mt. 11,23.24). Diese Botschaft haben alle Homosexuellen und Nichthomosexuellen zu hören und gleichermaßen zu verinnerlichen.

8.  Geschichtsbild

Abschließend greift Zimmer aus der Geschichte einige Details heraus und verkündet sie unter dem Blickwinkel, was Christen den Homosexuellen angetan haben.

Unzweifelhaft ist vieles durch Christen geschehen, was nicht akzeptabel ist und uns mit tiefer Scham erfüllen muss. Dabei sollte man sich allerdings vor Pauschalurteilen hüten. Man sollte hier auch die unverdächtigen Untersuchungen von John Boswell zur Kenntnis nehmen.[15] Dieser entschiedene Befürworter homosexueller Lebensweise macht darauf aufmerksam, dass die groß angelegten Verfolgungen der Homosexuellen nicht in der christlichen Antike und auch nicht im angeblich so finsteren Mittelalter erfolgten, sondern in der Neuzeit, also in einer Zeit, in der derartige Aktionen nicht mehr (allein) durch christliche Überzeugungen motiviert waren (ähnlich wie auch die weitaus meisten Hexenverbrennungen nicht im Mittelalter erfolgten, sondern in der Frühen Neuzeit). Auch die Verfolgung Homosexueller durch den Nationalsozialismus muss selbstverständlich jeden tief beschämen. Aber das, was durch diese antichristliche Weltanschauung angerichtet worden ist, wird man nicht den Christen ankreiden dürfen.

Wenn Zimmer seinen Vortrag aber mit einem Zitat beschließt, mit dem er den Eindruck zu erwecken sucht, die „Fundamentalisten“ würden nur deswegen ein Homosexualitätsverbot mit der Bibel zu belegen suchen, weil sie keine Homosexuellen „mögen“, dann hat er mit einer solchen Aussage sich selbst von jedem argumentativen Dialog ausgeschlossen.

9.  Erlebnisse und Erfahrungen

Zimmer rundet seinen Vortrag ferner mit Erlebnissen ab. In einer Geschichte will er seine Hörer glauben machen, er habe mit einem Ehepaar Kontakt, in der nach vierzig Jahren Ehe die Frau bei einem Spaziergang beobachtete, dass ihr Mann anderen Männern hinterher geschaut habe, und bei einem kurz darauf folgenden Gespräch sei herausgekommen, dass ihr Mann seit jeher homosexuell veranlagt sei.

Nun hat jeder seine Erlebnisse und macht seine Erfahrungen. Andere Seelsorger müssen stets bei Gesprächen mit Homosexuellen in tiefe, sehr häufig multiple Bindungen und Süchte hineinblicken.

Um zu zeigen, dass Änderung möglich ist, möchte ich auf einen ausländischen Erfahrungsbericht hinweisen. Er stammt von einer Frau, die als engagierte Feministin selbst lesbisch war und an der Universität, an der sie beruflich tätig war, als Genderbeauftragte arbeitete und für Women studies zuständig war: R. Butterfield. Heute ist diese Frau Christin und frei. Ihr Bericht ist eindrucksvoll.[16]

Bekanntlich setzte die neuzeitliche Freigabe der Homosexualität im angelsächsischen Raum ein. Aus England stammen auch viele der exegetischen Ansichten, die Zimmer in seinem Vortrag auftischt, um dadurch nachzuweisen, dass die Bibel, wenn überhaupt dann nur einige Formen homosexueller Perversion untersagt.[17] Es ist geradezu erquickend, zur Kenntnis zu nehmen, dass ausgerechnet im angelsächsischen Bereich ein Nach- und Umdenken im Blick auf die Homosexualität angefangen hat. Man beginnt dort tatsächlich, was im deutschsprachigen Raum noch unvorstellbar ist, eine Sexualethik innerhalb der Grenzen eines postmodernen Konstruktivismus als Fallstrick und als Irrweg zu erfassen.[18]

Nein zur Homo-Ehe

Was heißt das, was wir in Auseinandersetzung mit Zimmer aus der Heiligen Schrift erkannt haben, für die aktuelle Ausgangsfrage der Homo-Ehe? Ich formuliere abschließend fünf Thesen:

  1. Der dreieine Gott gab in und mit der Schöpfung die Ordnung der Ehe als eine Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau. Jede andere „Eheform“, wie zum Beispiel die Homo-Ehe entsprechen nicht dem Willen des Schöpfers („wie es von Anfang war“). Erfolgen sie wider besseren Wissens, sind sie Ausdruck der Verachtung des allmächtigen Gottes.
  2. Gott gab nach der Sintflut eine Institution, die Schöpfungsordnungen schützen sollte. Heute kommt dieser Erhaltungsauftrag dem Staat zu.

Es gebührt Gott Dank, dass nach den furchtbaren Erfahrungen des nationalsozialistischen Totalitarismus das Grundgesetz in Deutschland die staatlichen Institutionen zu dem Auftrag verpflichtet, Ehe und Familie zu schützen (§ 6,1).

  1. Die Ehe ist als Schöpfungsordnung eine vor- und überstaatliche Einrichtung. Darum ist keine staatliche Instanz befugt, zu bestimmen, was Ehe ist und was nicht.
  2. Die Propagierung der Homo-Ehe ist nicht als Einzelphänomen verstehbar. Bereits das vergangene Jahrhundert war von einem Prozess durchzogen, der die Ehe und die Familie in den Würgegriff der jeweiligen gesellschaftlichen Modelle und Vorstellungen zu zwängen suchte.

Natürlich bestehen Unterschiede zwischen damals und heute. Die volksbiologischen Maßnahmen verschiedener Rassenzuchtgesetze,[19] die Gründung des Lebensborns e. V. (durch den die „Vermehrung“ als Wert über, neben und gegen die Familie gestellt wurde) und die Zwangsindoktrinationen in den zur Staatsjugend erhobenen Jungvolk‑ und Hitlerjugendorganisationen[20] waren etwas Anderes als die gegenwärtige Genderideologie oder die heutigen staatlich beaufsichtigten Aufzuchtbatterien (die politisch korrekt als Krabbelstuben, Zwergenhorte, Wickel-Sharing-Gruppen, Kinderkrippen, Kleinkinderläden, Kindertagesstätten usw. etikettiert werden) Auch Bildungspläne, in denen „sexuelle Vielfalt“ propagiert wird und jetzt also die am gesellschaftspolitischen Horizont auftauchende Ehe für alle kamen in der nationalsozialistischen Weltanschauung nicht vor.

Aber bei allen Ungleichheiten im Detail: Das Gemeinsame ist, dass die Schöpfungsgaben von Ehe und Familie durch staatliche Vorgaben systematisch unterwandert und zerstört werden. Diesem Unterfangen wird sich die Gemeinde Gottes im Glauben widersetzen.

  1. Die Gemeinde Gottes ist in dieser Welt ein Fremdkörper. Sie ist nicht von dieser Welt. Jesus wirkte niemals mit den Zeloten zusammen. Auch die Reformatoren wiesen strikt jegliche Gesellschaftstransformationsidee als Wahn zurück.[21]

Aber die Gemeinde Gottes wird aufzuwachen haben. Sie wird sich von einer neuheidnischen Gesellschaft nicht vorschreiben lassen dürfen, was als Ehe zu gelten hat und was nicht. Vielmehr wird sie sich auch dazu als einzige Grundlage an das unfehlbare Wort Gottes, die Heilige Schrift, binden. Dann aber wird sie nicht umhin können, sich ernsthaft darüber Gedanken zu machen, was die sich abzeichnenden gesellschaftlichen Entwicklungen für eine christliche Eheschließung und Ehe heißt, von der ihr unter anderem geboten ist, dass sie im Herrn erfolgen soll (1Kor. 7,39) und zu ehren ist in allem (Hebr. 13,4).[22]

Jürgen-Burkhard Klautke

Quelle: Bekennende Kirche, Nr. 61 (Juli 2015) (www.bekennende-kirche.de)

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[1]) Siehe dazu die scharfsichtigen Analysen von Arnold Gehlen, Moral und Hypermoral. Frankfurt [Athenäum] 1969; letzte Neuauflage: Wiebelsheim [Aula] 2014.

[2]) Hippolyt, Refutatio omnium haeresium IX, 12,24.

[3]) Der harte Streit zwischen Hippolyt und Calixt I. kann das veranschaulichen. Siehe dazu: Crook, I., Law and Life of Rome 90 B.C.- A.D. 212. 1967, S. 102. Neue Auflage: Ithaca [Cornell University Press] 1984.

[4]) Hauck, A., Kirchengeschichte Deutschlands. Leipzig [Hinrichs Verlag] 1925, Bd. I, S. 368ff.

[5]) http://www.idea.de/frei-kirchen/detail/evangelikaler-theologe-die-bibel-lehnt-homosexuelle-nicht-ab-90732.html.

[6]) http://www.wiedenest.de/nachrichten/artikel/stellungnahm.html

[7]) https://www.youtube.com/watch?v=VLf-umCdAkg.

[8]) So argumentiert zum Beispiel D.S. Bailey, Homosexuality and the Western Christian Tradition. London 1955; Reprint: Hamden 1975. S. 30ff und 50ff.

[9]) Siehe hierzu ausführlich mein Buch Gegen die Schöpfung – Homosexualität im Licht der Heiligen Schrift. Neuhofen [Evangelisch-Reformierte Medien] 1998, S. 44-48. Eine Kurzfassung dieses Buches erschien in mehreren Auflagen unter dem Titel Homosexualität – Orientierung oder Desorientierung. Lage [Logos-Verlag] 2000ff, S. 33-38.

[10]) Siehe Von Soden, Wolfram, Akkadisches Handwörterbuch. Bd. 2. Wiesbaden [Harrassowitz] 1972. S. 863. Ich verdanke diesen Hinweis dem Altorientalisten Mario Tafferner.

[11]) D.S. Bailey, Homosexuality and the Western Christian Tradition. London 1955; Reprint: Hamden 1975.

[12]) Bei Judas 7 ist exegetisch allenfalls strittig, ob bei dem Ausdruck „fremdes Fleisch“ an sexuellen Verkehr mit Tieren (Bestialitas; Zoophilie) oder an Homosexualität zu denken ist. Dass Derartiges in Sodom vorkam, berichtet auch Josephus. Siehe dazu: R. Wolf, A Commentary on the Epistle of Jude. Grand Rapids 1960, S. 76f.

[13]) Siehe dazu, dass man sich im Judentum auch mit dem Lesbismus beschäftigte: Talmud Traktat Yebamoth 76a. Diesen Hinweis verdanke ich Mario Tafferner.

[14]) Vergleiche dazu mein Buch, Gegen die Schöpfung – Homosexualität im Licht der Heiligen Schrift. Neuhofen [Evangelisch-Reformierte Medien] 1998, S. 57-79. Siehe dort auch die Literaturhinweise.

[15]) Boswell, J., Christianity, Social Tolerance, and Homosexuality: Gay People in Western Europe from the Beginning of the Christian Era to the Fourteenth Century. Chicago [University of Chicago Press]. 1980.

[16]) Siehe Butterfield, R. Secret Thoughts of an Unlikely Convert. Pittsburgh [Crown & Covenant Publications] 2012. Auf Deutsch findet sich darüber ein kurzer Bericht: http://zeltmacher.eu/rosaria-butterfield-lesbische-linke-wurde-christin/.

[17]) Wegweisend war hier: D.S. Bailey, Homosexuality and the Western Christian Tradition. London 1955; Reprint: Hamden 1975.

[18]) Zum Beispiel ist hier zu nennen: George Hobson, The Episcopal Church – Homosexuality and the Context of technology. Eugene, Oregon [Pickwick Publication] 2013.

[19]) Siehe als Beispiel den am 28.10.1939 erlassene „SS-Befehl für die gesamte SS und Polizei“.

[20]) Man höre Adolf Hitler im Originalton: „Wir allein sind befugt, das Volk als solches ‑ den einzelnen Mann, die einzelne Frau ‑ zu führen. Die Lebensbeziehungen der Geschlechter regeln wir. Das Kind bilden wir!“ Bei anderer Gelegenheit erklärte er, dass die Kinder „den Müttern genauso gehören wie im selben Augenblick auch mir“. Siehe dazu Joachim Fest, Das Gesicht des Dritten Reiches. Profile einer totalitären Herrschaft. München [Piper] 2002, 10. Auflage, besonders das Kapitel: Deutsche Frau und Mutter, S. 364ff.

[21]) Entsprechende [post]millenialistische Auffassungen waren zu ihrer Zeit zum Beispiel bei den Wiedertäufern in Münster aufgebrochen.

[22]) Meines Erachtens wird der Minimalprotest, sozusagen der konkrete Anfangsschritt gegen die gesellschaftliche Entwicklung hin zu einer Ehe für alle darin bestehen müssen, dass die Braut, wenn sie vom Pastor zum Ja-Wort aufgefordert wird, mit ihrem Mädchennamen angesprochen wird. Der Staat kann eine Ehe nicht konstituieren, er kann sie lediglich registrieren (unter anderem aus steuerlichen und sozialgesetzlichen Aspekten). Es ist Gott, der eine Ehe zusammenfügt, und was Gott tut, das tut er in seiner Gemeinde.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 12. November 2015 um 16:13 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Kirche, Sexualethik, Theologie.