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Mann und Frau – gottgewollt verschieden und doch eins in Christus. Über einige Irrtümer der Gender-Theologie.

1. Ein Widerspruch im Neuen Testament?

Es gibt im Neuen Testament zwei Aussagen über Mann und Frau, die sich auf den ersten Blick zu widersprechen scheinen. Im Brief an die Epheser in der sog. Haustafel (5,22-33) wird die Verschiedenartigkeit von Mann und Frau betont. Die Ehefrauen werden ermahnt, sich ihren Männern unterzuordnen, was auf ein Dominanzstreben der Frau gegenüber dem Mann hindeutet. Die Ehemänner werden ermahnt, bei Christus uneigennützige Liebe zu lernen, was wiederum auf eine männliche Selbstverliebtheit schließen lässt. Der Mann wird „Haupt“ genannt, was nichts anderes meint als seine Verpflichtung vor Gott, für seine Frau und Familie Verantwortung zu übernehmen. Die Frau wird mit einem Leib verglichen, um den sich der Kopf sorgt und der wiederum mit all seinen Funktionen dem Kopf beisteht und hilft. Die Verschiedenartigkeit von Mann und Frau in punkto Ausstattung und Aufgaben ist hier nicht zu übersehen, von allen biologischen Unterschieden einmal abgesehen.

Die andere Aussage steht im Galaterbrief (3,26-28) und scheint alle Unterschiede zwischen Mann und Frau wieder aufzuheben. Wer durch den Glauben an Jesus Christus ein Kind Gottes geworden ist und durch die Taufe in Christus hineingetaucht wurde, hat ihn angezogen und ist zusammen mit allen Gläubigen und Getauften Glied einer großen geistlichen Korporation geworden, die Paulus an anderer Stelle „Leib Christi“ und hier „einer in Christus Jesus“ nennt. Was ist damit gemeint? Durch den Glauben an Christus ändern sich die Lebenswirklichkeit und das Lebensziel eines Menschen. Die äußeren Bedingtheiten seines Lebens wie z.B. seine Volkszugehörigkeit, sein sozialer Status und sein Geschlecht sind nicht mehr seine einzige Lebenswirklichkeit. Er lebt nun zusätzlich in einer geistlichen Wirklichkeit, er hat Frieden und Freude in Christus gefunden. Und er hat ein neues Lebensziel, nämlich ganz bei Christus zu sein. Selbstverständlich bleibt er, was seinen Leib und sein äußeres Leben betrifft, Angehöriger eines bestimmten Volkes, hat einen bestimmten sozialen Status und ein bestimmtes Geschlecht. Aber das alles bestimmt nicht mehr sein geistliches Leben oder, um mit Gal 3,28 zu sprechen, es ist für das geistliche Leben nicht mehr existent. Die Aussage ist also: Christus schweißt alle Gläubigen und Getauften zu einer geistlichen Segens-Körperschaft zusammen, völlig unabhängig von den Rahmenbedingungen ihres äußeren Lebens.

Versteht man die beiden Texte in diesem Sinn, dann sind sie nicht nur kein Widerspruch, sondern ergänzen sich aufs Beste. Christen sind dankbar, dass sie für die Gestaltung ihrer Geschlechtlichkeit, ihres Mann- und Frauseins in den Haustafeln wertvolle Hinweise haben, die ihnen helfen, ihre unterschiedliche Bestimmung zu finden und zu gestalten. Und sie sind gleichzeitig dankbar, dass sie völlig unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit, von ihrem sozialen Status und ihrem Geschlecht Anteil an der ewigen Herrschaft Christi haben, die sich äußert in Frieden und Freude im Heiligen Geist (Röm 14,17).

2. Der neuzeitliche Protest gegen die Ungleichheit. Zur Genesis der Gender-Ideologie.

Die Reformation hat der Kirche Jesu Christi nicht nur den unmittelbaren Bezug zum Wort Gottes und zu ihrem Herrn und Heiland wieder eröffnet, sondern hat den Christen auch ihre doppelte Lebenswirklichkeit neu erklärt. In der geistlichen Lebenswirklichkeit habe ich Anteil an allen Gütern und Gaben Christi. In meinem äußeren Leben muss ich meinen Glauben in tätiger Liebe bewähren. Das führt Luther in seiner Schrift ‚Von der Freiheit des Christen‘ überzeugend aus. Auf unsere Geschlechtlichkeit bezogen heißt das: Wir bekommen als Männer und Frauen von Christus in gleicher Weise Vergebung, Frieden, Freude und Weisheit geschenkt, aber in unserem praktischen Leben müssen wir täglich unser Mann- und Frausein am Evangelium und am Maßstab der Liebe neu ausrichten, um als Männer und Frauen zur Ebenbildlichkeit Gottes hinzuwachsen. So entsteht im Leben der Christen immer wieder eine Balance zwischen Zuspruch und Anspruch Gottes.

Diese von der Reformation neu eröffnete christliche Lebensbalance verlor – kultur- und geistesgeschichtlich gesehen – in der Neuzeit ihre gesamtgesellschaftliche Prägekraft. Die von Paulus gepredigte doppelte Lebenswirklichkeit der Christen büßte im Abendland ihre Attraktivität ein. Der Einfluss des so gelebten Christentums ging zurück. Die Folge war, dass im Lebensgefühl des neuzeitlichen Menschen die äußeren Lebensbedingungen immer maßgeblicher und die in Gal 3,28 genannten Unterschiede im Menschsein immer belastender wurden. Anstatt sie in Liebe anzunehmen, zu gestalten und zu überbrücken, konzentrierte man sich auf die Durchsetzung der Eigeninteressen. Die Unterschiede wurden zu Gegensätzen und Kampffeldern. So wurde die abendländische Geschichte mehr und mehr geprägt von Auseinandersetzungen: Volk gegen Volk, Reich gegen Arm und Arm gegen Reich, Mann gegen Frau, Frau gegen Mann.

Von diesen drei Spannungsfeldern kam der Geschlechterunterschied erst relativ spät in den öffentlichen Fokus. Zwar hatte schon die Französische Revolution das Schlagwort „Gleichheit“ auf ihre Fahnen geschrieben und August Bebel in seinem Buch „Die Frau und der Sozialismus“ (1883) der Frau eine „unwürdige“ Stellung in Gesellschaft und Familie diagnostiziert, aber zu einer organisierten Frauenrechts- und Emanzipationsbewegung kam es erst im 20. Jahrhundert. Ging es ihr am Anfang hauptsächlich noch um gleiche Rechte wie das allgemeine Wahlrecht (das 1919 in die Weimarer Verfassung aufgenommen wurde), nahm sie seit den 50er Jahren immer mehr kämpferische gesellschafts- und familienkritische und gegen den Mann gerichtete Züge in sich auf. Die hauptsächlichen Ideengeber waren und sind: 1.) die familienkritischen Schriften der Frankfurter Schule (M. Horkheimer, H. Marcuse), 2.) der französische Existenzialismus, insbesondere Simone de Beauvoir mit ihrem Buch „Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau“ (1949), 3.) die philosophische Utopie Ernst Blochs („Das Prinzip Hoffnung“, 1954-1959), 4.) die amerikanische Frauenbefreiungsbewegung mit ihrer Protagonistin Shulamith Firestone („The Dialectic of Sex“, 1970), 5.) der amerikanische Feminismus mit seinen verschiedenen Flügeln einschließlich der sog. androgynen Richtung, 6.) die Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 und 7.) die Gender-Ideologie mit ihren Protagonisten Michel Foucault und Judith Butler (J. Butler, Gender Trouble – Feminism and the Subversion of Identity“, 1990)

Die Gender-Ideologie ist zweifellos die derzeit einflussreichste Emanzipationsbewegung. Mit ihrer revolutionären Hauptthese, dass es entgegen allem Augenschein ein biologisches Geschlecht gar nicht gebe, sondern nur ein gesellschaftsbedingtes und damit veränderbares Geschlechtsverhalten („gender“), hat diese Ideologie schon längst in den politischen Spitzengremien der Europäischen Union und der Bundesregierung sowie in den Lehrplänen und Schulbüchern einiger Bundesländer Fuß gefasst. [1] [1]

3. Die Kapitulation der evangelischen Kirche vor der Gleichheitsideologie

Es ist erstaunlich und bestürzend, wie schnell die Gender-Ideologie in der evangelischen Kirche aufgenommen wurde. Bis heute gibt es aus der EKD und den evangelischen Landeskirchen kein offizielles Dokument, das die völlig unchristlichen Gender-Ziele zurückweist und mit der biblischen Ehelehre konfrontiert. Im Gegenteil, die EKD hat 2013 das 1994 in Gelnhausen gegründete „Frauenstudien- und –bildungszentrum der EKD“ in das „Studienzentrum für Genderfragen in Kirche und Theologie“ umgewandelt und es 2014 in Hannover eröffnet.

Die drei folgenden genderhörigen und ehefeindlichen Textbeispiele aus dem Bereich der evangelischen Kirche sollen die geistliche Kapitulation vor der Gender-Ideologie belegen. Im Handbuch „Das alles ist möglich! Gender Projekte in nordelbischen Kirchengemeinden“ (2007) wird im theologischen Vorwort der Einsatz für „Geschlechtergerechtigkeit“ in einer Linie mit den alttestamentlichen Propheten und der „Verkündigung Jesu von Nazareth“ gesehen. Jesus wird in Anspruch genommen für „eine Aufhebung patriarchaler Herrschaftsstrukturen in der neuen Gemeinschaft“. „Die Gemeinschaft der Nachfolge hebt die Ansprüche der patriarchalen Familie auf und begründet eine neue Familiengemeinschaft, die keine Väter in ihrem Kreis zulässt“. „Geschlechtergerechtigkeit bedeutet in letzter Konsequenz die Überwindung des bipolaren Geschlechterkonstrukts hin zu einem Bild, das alle Möglichkeiten, die sich zwischen den Idealen von Männlichkeit und Weiblichkeit auftun, umfasst“. In der Schrift „Familien heute. Impulse zu Fragen der Familie“, herausgegeben von der Evang. Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche (2012), heißt es: „Die Partnerschaft von Mann und Frau ist nicht auf bestimmte soziologische Formen festgelegt…Auch die Polarität von Mann und Frau kann in der Vielfalt der Individuen durch andere Gemeinschaftsformen ‚ersetzt‘ werden“. In der EKD-Schrift „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“ (2013) wird ähnlich wie im nordelbischen Handbuch der Ruf Jesu in die Nachfolge umgedeutet als Aufhebung der Ehe. Es wird behauptet, „dass wir vor Gott weder auf unser Mann- oder Frausein noch auf unsere soziale Stellung festgelegt sind“ und dass „Christinnen und Christen die Freiheit“ haben, „die Schicksalhaftigkeit familiärer und sozialer Bindungen aufzulösen“.[2] [2]

Die Beispiele zeigen, dass die Verfasser und die Gremien, die solche Texte genehmigen, von der biblischen Ehelehre nichts begriffen haben.

Angesichts der massiven Verkennung der Ehe in den zitierten „gegenderten“ Texten ist es ein großer Trost zu wissen, dass die Ehe als göttliche Stiftung, die schon so viele Angriffe und Infragestellungen überstanden hat, garantiert auch die Genderbewegung überdauern wird. Gott hat die Ehe eingesetzt, er wird sie auch erhalten.

Pastor Dr. Joachim Cochlovius

Quelle: CA – Confessio Augustana III/2015

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[1] [3] Zur ersten Information ist nach wie vor der grundlegende Artikel von Volker Zastrow „Politische Geschlechtsumwandlung“ in der FAZ vom 19.6.2006 gut geeignet. (www.gemeindenetzwerk.de/?p=296 [4]). Empfehlenswert sind auch der Artikel „Menschenversuch“ von Dr. Dieter Müller von 2009 (www.gemeindenetzwerk.de/?p=186 [5]) und die Broschüre von Manfred Spreng und Harald Seubert, Vergewaltigung der menschlichen Identität – Über die Irrtümer der Gender-Ideologie, Ansbach 2011. Über die neueste Entwicklung informiert Gabriele Kuby, GENDER – Eine neue Ideologie zerstört die Familie, Kißlegg 2014.

[2] [6] Zur Auseinandersetzung mit der EKD-Familienschrift vgl. die kleine Broschüre „Was ist die Ehe wert [7]?“, die der Gemeindehilfsbund herausgegeben hat und die bei der Geschäftsstelle des Gemeindehilfsbundes bestellt werden kann (bis 20 Ex. kostenlos): Mühlenstr. 42, 29664 Walsrode; info@gemeindehilfsbund.de.