Ein „judenfreier“ Katechismus
Mittwoch 23. September 2015 von Heinrich W. Hebeler
Über das einstige „Entjudungsinstitut“ in Eisenach
Am 6. Mai 1939 wurde im Gasthof der Wartburg bei Eisenach ein „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das kirchliche Leben des deutschen Volkes“ gegründet. Ein Förderkreis mit Mitgliedern aus dem gesamten Deutschen Reich unterstützte die Arbeit finanziell. Die elf Gründer- und Trägerkirchen waren: Altpreußen, Sachsen, Nassau-Hessen, Schleswig-Holstein, Thüringen, Mecklenburg, Pfalz, Anhalt, Oldenburg, Lübeck und die neudeutsche Evangelische Kirche in Österreich – also keineswegs nur die Repräsentanten der sogenannten „Deutschen Christen“. Der Sitz des Instituts war im evangelisch-lutherischen Predigerseminar: Eisenach, Bornstraße 11.
„Judenreines Gesangbuch“
In zahlreichen Arbeitskreisen waren fast zweihundert haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter tätig – unter ihnen Professoren, Pfarrer, Lehrer und Schriftsteller, die teilweise auch aus jenen Landeskirchen stammten, die ursprünglich die Institutsgründung nicht unterstützt hatten. Hauptziel aller Veröffentlichungen war es, ein neues „deutsches Christentum“ zu begründen – auf der Basis der germanischen Rasse und Religiosität.
Bereits Anfang März 1940 lagen beachtliche Arbeitsergebnisse vor. In einer öffentlichen Arbeitstagung mit 600 Teilnehmern in der Lutherstadt Wittenberg wurde in der Lutherstube ein „entjudetes“ Neues Volkstestament übergeben mit dem Titel „Die Botschaft Gottes“. Die erste Auflage umfasste 200.000 Exemplare. Darin war keine Rede mehr vom „Sohn Davids“, von der „Stadt Davids“, vom „jüdischen Land“ und vom Stammbaum Jesu.
Theologische Kritiker stellten damals zwar eine ganze Reihe fachlicher Fehler fest. Doch sogar von einem bekannten Führer der „Bekennenden Kirche“ gab es Lob für jenes Machwerk. Die Apostelbriefe wurden darin neu zusammengestellt: Die Auswahl der Briefe war so gehalten, dass positive Aussagen über das Judentum gestrichen, polemische Äußerungen aber vollständig zitiert wurden.
Nach einer Fülle von Aufsätzen und Studien wurde im Juni 1941 in einer Wartburgkapelle das „judenreine“ Gesangbuch vorgestellt – eine Produktion der Thüringer „Deutschen Christen“, die das Institut übernommen hatte. Unverzichtbare alte und vertraute Kirchenlieder, die alttestamentliche oder hebräische Worte und Wendungen enthielten, wurden durch Umdichtung „judenrein“ gemacht.
Man wollte weitermachen…
Schließlich gab es 1941 folgerichtig auch einen neuen judenfreien Katechismus mit dem Glaubensbuch „Deutsche mit Gott“. Dazu musste freilich ein neues Glaubensbekenntnis verfasst werden. Die 10 Gebote wurden ersetzt durch die Neuschöpfung von 12 Geboten. So wurde beispielsweise im Gebot 11 gefordert: „Ehre Führer und Meister!“
Weitere große überregionale Arbeitstagungen fanden statt in Eisenach 1941 und in Nürnberg 1942. Das Institut konnte 1942 sogar seine Arbeit international mit der Eröffnung einer Zweigstelle in Rumänien ausweiten. Ebenfalls gab es eine enge Zusammenarbeit mit schwedischen Wissenschaftlern an der Universität Lund.
Kurz vor Kriegsende erschien die letzte Veröffentlichung dieses Institutes, eine Denkschrift von zehn Seiten Umfang. Sie war eine unverschämte Rechtfertigung des menschenverachtenden und gotteslästerlichen Tuns von damals und widmete sich sogar noch der Frage der Umorganisation des bisherigen Institutes; man wollte weiterarbeiten.
Es ist erschütternd zu erfahren, dass die führenden Mitarbeiter dieser unseligen Einrichtung bald nach Kriegsende im Osten und im Westen wieder an maßgeblichen Stellen innerhalb der Kirche zu finden waren. Für kaum einen Mitarbeiter gab es einen Karriereknick. So durften sie als Professoren weiter Studierende unterrichten. Einer erhielt sogar das Bundesverdienstkreuz.
Dieses „Entjudungsinstitut“ bleibt ein dunkles Kapitel der deutschen Kirchengeschichte, das nach weiterer Aufarbeitung ruft.
Heinrich W. Hebeler
Quelle: Evangelisches Sonntagsblatt in Bayern, Nr. 33 vom 20.8.2006
Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers.
Heinrich W. Hebeler war Konrektor und Kreisbildstellenleiter und hält Vorträge über das obige Thema sowie weitere „Israel-Themen“: Israel-Vortragsdienst, Heinrich und Luise Hebeler, 91217 Hersbruck, Tel. 09151/94445.
Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 23. September 2015 um 8:06 und abgelegt unter Allgemein.