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Eindrücke vom „Marsch für das Leben“ am 19.9.2015


Unser Bus startete um 7.00 Uhr am Morgen des 19. September in Verden an der Aller. Nach einem Zwischenstopp an der Geschäftsstelle des Gemeindehilfsbundes in Düshorn, wo weitere Teilnehmer einstiegen, fuhren wir mit über 40 Personen nach Berlin. Dort begann die Kundgebung des diesjährigen Marsches für das Leben pünktlich um 13.00 Uhr am Bundeskanzleramt. Eine Band begrüßte uns mit schwungvollen Liedern aus vergangenen Zeiten. Sie setzte sich zusammen aus Jung und Alt, aus Behinderten und Nicht-Behinderten, und gab so ein Zeugnis für Lebensfreude und liebevollen Umgang untereinander.

Die Kundgebung war gefüllt mit zum Teil sehr bewegenden Zeugnissen von Menschen, die entweder mit dem Thema Abtreibung, mit Behinderung oder auch mit einem Selbstmordversuch sehr schmerzhafte Erfahrungen gemacht haben. Diese Berichte wurden sehr offen und ehrlich vorgetragen und immer wieder kam zum Ausdruck, dass der lebendige Gott durch Jesus Christus Auswege eröffnet, wo menschlich gesehen keine Hoffnung mehr ist, dass er Schuld vergibt, wo schwerste Schuld drückt und der Tod, auch wenn er sich als barmherzige Tat tarnt, niemals eine Antwort auf die Nöte und Fragen von Menschen am Anfang oder am Ende des Lebens sein kann. Für alle Betroffenen war klar: Wir brauchen eine Gesellschaft, die sich schützend vor das Leben des ungeborenen Kindes im Mutterleib und vor das Leben der Alten und Schwachen am Lebensende stellt.

Doch auch Argumente für den Lebensschutz wurden weitergegeben. So klärte z. B. eine Hebamme über den Umstand auf, dass ein ungeborenes Kind schon ab der 8. Woche Schmerz empfinden könne. Eigentlich müsse man also bei einer Abtreibung Schmerzmittel verabreichen. Diese Information sei wichtig, weil so deutlicher werde, dass wir es hier von Beginn an mit einem Menschen und nicht mit einem Zellklumpen zu tun hätten. Sie fragte, warum die Grünen sich gegen das Schlachten trächtiger Kühe und damit für den Schutz ungeborener Kälber einsetzten, dieselbe Partei aber nichts für den Schutz des ungeborenen Menschen unternehme.

Es fiel auf, dass insbesondere katholische Würdenträger Grußworte geschickt hatten oder sogar selbst anwesend waren. Selbst Papst Franziskus grüßte die Teilnehmer des Lebensmarsches und hatte gegenüber Martin Lohmann, dem Vorsitzenden des Bundesverbands Lebensrecht, die Wichtigkeit unseres Anliegens betont. Martin Lohmann wandte sich in seiner Ansprache direkt an Bundeskanzlerin Angela Merkel und forderte eine Willkommenskultur auch für ungeborene und geborene Kinder. Erfreulich war, dass einige Bundestags-, Landtags-, und Europaabgeordnete am Marsch für das Leben teilnahmen.

Beschämend war wie in den vergangenen Jahren wieder die Haltung der EKD. Nur Bischof July (Stuttgart) und Bischof Rentzing (Dresden)  hatten ein Grußwort geschickt. Pastor Ulrich Parzany, Teilnehmer des Marsches, sagte in seinem persönlichen Grußwort, er sei zornig über die Haltung der EKD. Wir wollen an dieser Stelle seine eindringlichen Worte stellvertretend für viele andere gute Beiträge wiedergeben:

„Es macht Mut zu sehen, dass so viele aufstehen für das Leben. Mit vielen evangelischen Christen bin ich allerdings auch enttäuscht und ich sage ganz offen auch zornig, dass nicht die Kirchenleitungen der evangelischen Kirchen eindeutig hinter diesem Tag mit ihrer Zustimmung stehen. Es ist auch erschreckend, dass wenn man einstehen will für den Schutz des Lebens, einem so viel Feindschaft und Hass entgegenschlägt. Doch wir dürfen unser Verhalten nicht von den Gegnern bestimmen lassen. Gott der Schöpfer und Liebhaber des Lebens hat uns die Wegweisung gegeben in der Heiligen Schrift: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem“. Wir können das, weil wir den Mann vom Kreuz im Kreuz haben. Der ist für uns gestorben. Dessen Liebe macht uns stark. Er hat gebetet am Kreuz für seine Feinde: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Feindesliebe ist die Waffe des Liebhabers des Lebens, unseres Gottes. Wir leben von der Liebe des gekreuzigten Jesus. Wir werden sie brauchen im Kampf, und um Widerstand zu leisten. Wir stehen dafür. Das Gebot Gottes gilt: „Du sollst nicht töten!“ Und wir rufen mit dem Propheten Jeremia: „O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort“!

Anders als sonst wurde die Kundgebung nicht von Gegendemonstranten gestört. Das war merkwürdig. Auch als der Marsch dann begann, waren es anfangs nur vereinzelte Autonome, die ihre bekannten Parolen riefen: „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat“, „Pille, Spirale, Linksradikale“, „Hätt‘ Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben“, und Ähnliches. Im Laufe des Marsches wurden es dann immer mehr Autonome, die aber von der Polizei wirksam unter Kontrolle gehalten wurden, so dass es bei den verbalen und optischen Angriffen blieb.

In der Straße Unter den Linden ging es dann aber mit einem Mal überhaupt nicht mehr weiter. Der lange Demonstrationszug kam zum Stehen. Die Gegendemonstranten hatten eine Sitzblockade installiert. Die Haltung der Teilnehmer des Marsches war bewundernswert: Während die Menschen im Zug fast zwei Stunden gut gelaunt ausharrten, Loblieder sangen und sich unterhielten, arbeitete die Polizei deeskalierend und brauchte viel zu lange, um den Weg freizuräumen. Dabei kam dann aber wohl auch Tränengas zum Einsatz. 14 Polizisten wurden durch Linksradikale verletzt. Schließlich konnten wir doch noch unseren Weg fortsetzen und kamen zu einem Zeitpunkt am Lustgarten an, an dem wir eigentlich schon im Bus und auf dem Rückweg sein wollten.

Die Gegendemonstranten meinten, sie hätten einen Sieg errungen, weil sie uns zwei Stunden aufgehalten haben. Tatsächlich erreicht haben sie aber, dass unsere Demonstration viel mehr Beachtung fand, als wenn wir nach einer guten Stunde den Innenstadtbereich wieder verlassen hätten. Das Anliegen unseres Marsches, die 1.000 Kreuze, viele Schilder und Banner und auch die Loblieder blieben auf diese Weise für viele Passanten viel länger als geplant sichtbar und hörbar. Die Teilnehmer haben das bei guter Moral ausgehalten. Dank dem Herrn!

Als der Gottesdienst vor dem Berliner Dom begann, kam auch der Regen. Es goss in Strömen. Viele suchten Schutz in den Kolonnaden des Alten Museums, viele saßen oder standen mehr oder weniger beschirmt im Regen. Aber sie harrten aus und der gesamte Gottesdienst fand wie vorgesehen statt. Liturg war Pfarrer Philip von Preußen. Die nüchterne und klare Predigt hielt Weihbischof Thomas Maria Renz.

Es war schon fast Mitternacht, als wir von einem anstrengenden, abenteuerlichen und sehr gesegneten Tag zurückkehrten. Laut Polizeiangaben waren wir 7.000 Teilnehmer und damit 2.000 Personen mehr als im vergangenen Jahr. 1.800 linksradikale Störer und Randalierer schrien dumpfe Parolen und brachten keine Argumente. 900 Polizisten mussten uns vor diesem Mob schützen und verdienen dafür unseren besonderen Dank.

Eine kritische Anfrage geht an die Politik. Wie kann es sein, dass die Vorsitzende der Partei „Die Linke“ auf der Internetseite ihrer Partei dazu aufruft, den Marsch für das Leben zu blockieren? Offensichtlich sind Katja Kipping Artikel 5 (Meinungsfreiheit) und Artikel 8 (Versammlungsfreiheit) nicht bekannt. Diese Artikel gelten eben nicht nur für linke, sondern auch für christliche Positionen. Die im Bundestag vertretene Partei „Die Linke“ stachelt einen radikal-staatsfeindlichen Mob dazu auf, Christen daran zu hindern, ihre Grundrechte ungestört auszuüben und im stillen Protest an den hunderttausendfachen Mord an ungeborenen Kindern zu erinnern. Das ist ein Skandal, und es ist ebenso skandalös, dass weder Politiker noch Kirchenvertreter dies zur Sprache bringen und anprangern. Lesen Sie hierzu auch die Kolumne von Gunnar Schupelius in der Berliner Zeitung [1].

Wir sind gespannt auf den „Marsch für das Leben“ im nächsten Jahr. In den vergangenen Jahren ist die Teilnehmerzahl stetig gestiegen. Werden wir 2016 die 10.000-Marke erreichen? Schreiben Sie sich schon heute den 17. September 2016 in Ihren Kalender. Auf ein Wiedersehen in Berlin!

„Mit ihm ist ein fleischlicher Arm, mit uns aber ist der Herr unser Gott, dass er uns helfe und führe unseren Streit.“ (2. Chronik 32,8a)

Astrid Borower und Johann Hesse am 21.9.2015