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Die EU-Kommission will die „Ehe für alle“

Am 24. Juni feierten die schwul-lesbischen Interessenvertreter „ILGA Europa“ in Brüssel ihre erste „European Equality Gala“. Das ist an sich nichts ungewöhnliches, denn auch in Brüssel feiert man Feste, wie sie fallen, mit Politikprominenz und oft subtilen politischen Ansagen. Beim „Europäischen Gleichheitsball 2015“ hielt der Erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, die Festrede. Das gesprochene Wort kann man auf der Webseite der EU-Kommission nachlesen. Dabei wird offensichtlich, dass die Juncker-Kommission bei gesellschaftspolitischen Fragen sich von der Vorgänger-Kommission kaum unterscheidet. Sie macht die institutionelle Steuerung von Normen und Werten zum eigenen politischen Programm – auf Kosten der Institutionen Ehe und Familie.In seiner Festrede nun freut sich der Erste Vizepräsident der EU-Kommission über das Referendum in Irland und die Situation in Polen zur „Erlösung von der immerwährenden Unterdrückung der katholischen Kirche“ in Familienfragen. Das ist schon eine erstaunliche Bemerkung. Sie bringt zum Ausdruck, was viele in Brüssel denken: Die Kirchen seien in der Gesellschaftspolitik „Unterdrücker“. Aber der Kommissions-Vize darf ungehemmt die Kirche und ihre Positionen verunglimpfen. Timmermans spielt in seiner Rede „Homophobie“ und „Heterophobie“ gegeneinander aus, und lässt dabei das Mode-Konzept „Hassrede“ bewusst unklar. Unverblümt erkennt der Erste Vizepräsident der EU-Kommission ein allgemeines Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare an. Seine politischen Ankündigungen namens der Juncker-Kommission sind eindeutig: „Die EU-Kommission wird für LGBTI-Rechte in allen internationalen Gremien global kämpfen: in den Vereinten Nationen, der OSZE, im Europarat und überall dort, wo LGBTI-Rechte noch nicht akzeptiert sind. Ich glaube auch, dass die EU-Kommission weiter darauf bestehen sollte, dass alle EU-Mitgliedstaaten die Homo-Ehe vorbehaltlos anerkennen. Auch wenn manche Mitgliedsstaaten die gleichgeschlechtliche Ehe in ihrem eigenen Land nicht eingeführt haben, sollten sie zumindest den Anstand haben, die Homo-Ehe anderer Länder anzuerkennen.“ Anders ausgedrückt: Das EU-Grundprinzip der Arbeitnehmerfreizügigkeit kombiniert mit der Politik der gegenseitigen diskriminierungsfreien Anerkennung von Personenstands-Urkunden (beispielsweise standesamtlichen Hochzeitsurkunden) wiegt höher als das nationale Recht der Mitgliedsstaaten, eigenständig über die Anerkennung der Homo-Ehe in ihrem Land zu befinden.

Frans Timmermans weiter: „Ich möchte konkrete Maßnahmen. … Die EU-Kommission wird Ihre Arbeit (der schwul-lesbischen Interessengruppen) unterstützen, um die Diskriminierung von LGBTI-Personen in der EU zu bekämpfen. Dazu werden wir besonders das Flaggschiff-Programm „Rechte, Gleichstellung und Unionsbürgerschaft“ (2014–2020) nutzen, um konkrete Finanzhilfen für die drei europäischen Dachverbände „ILGA-Europa“, „Transgender-Europa“ und die ILGA-Jugendorganisation „IGLYO“ bereitzustellen.“ Über sich selbst sagt Frans Timmermans: „Ich bin katholischer Christ. Ich fühle mich sehr wohl dabei, dass ich mit dem Papst in ziemlich allen Fragen nicht übereinstimme. Der Papst bestimmt nicht, wie ich als Katholik zu sein habe. Das ist meine eigene Entscheidung. Und diese Beziehung pflege ich auch zu Gott.“ Und so beschreibt der Erste Vizepräsident der EU-Kommission sein Demokratieverständnis: „Wir wollen unsere Sichtweise nicht denjenigen Europäern aufzwingen, die unsere Sichtweise nicht teilen. Aber wir glauben inbrünstig daran, dass das, was bereits in einigen Nationen Europas entdeckt wurde, allen anderen Nationen nicht vorenthalten werden darf.“

Das lässt zumindest Fragen über die Meinungsfreiheit und –vielfalt im Denken der EU-Kommission zu. Von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kam bislang weder Kommentar noch Dementi. Sein Schweigen überrascht nicht und ist auch nicht der gewiss arbeitsintensiven Griechenland-Verhandlungen geschuldet. Es kann als stilles Einverständnis von höchster Stelle gelten, denn Junckers Partei winkte das Gesetz zur Einführung der „Ehe für Alle“ in Luxemburg mit voller Überzeugung durch.

Politische Rückendeckung erhält die Brüsseler Kommissions-Elite von der von ihr selbst ins Leben gerufenen Grundrechteagentur mit Sitz in Wien. Sie verkörpert das dritte supranationale Parallel-Engagement der Mitgliedsstaaten in diesem Politikbereich auf dem europäischen Kontinent. Seit 1949 (also noch lange vor Gründung der Europäischen Gemeinschaft) besteht der Europarat in Straßburg, der mit seinem eigenen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte über die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention wacht. Seit 1975 wirkt die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) an der Friedenssicherung und Stabilisierung durch Demokratie und Menschenrechte. Da brauchte auch die EU ihr eigenes Grundrechteinstrument (die Charta der Grundrechte der EU), und eine eigene Agentur zur Überwachung der Anwendung dieser Grundrechtecharta. Bislang wurde die Grundrechteagentur bislang nur bei Außenseiter-Themen tätig.

Juristische Rückendeckung kommt allerdings auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte des Europarats in Strasbourg. Noch 2010 urteilten die Straßburger Richter, dass die Europäische Menschenrechtskonvention keinen Staat verpflichte, das Recht zur Eheschließung auf homosexuelle Paare auszuweiten, auch nicht in Bezugnahme auf das Menschenrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Fünf Jahre später urteilt derselbe Gerichtshof, dass Italien gegen das Menschenrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verstoße, wenn homosexuelle Partnerschaften rechtlich nicht anerkannt würden. Italien wurde deshalb im Juni 2015 zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften aufgefordert.

Juristisch mag es subtile Feinheiten zwischen „Ehe“ und „Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften“ geben. Aber was bedeuten sie noch im politischen und medialen Alltag in Brüssel, wenn sogar der Erste Vizepräsident der EU-Kommission offen für die „Ehe für Alle“ eintritt und diese Position allen anderen Staaten in der EU aufdrängen will?

Quelle: IDAF Brief aus Brüssel Juli 2015

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