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Der Bekenntniskampf in Schweden und die Arbeit der Missionsprovinz

Mittwoch 15. Juli 2015 von Pastor Jakob Okkels


Pastor Jakob Okkels

Vortrag beim Kongress „Die Gemeinde in der ZerreiĂźprobe zwischen Nachfolge und Verweltlichung“

Sicher erinnern Sie sich wie Paulus von den Juden verklagt wurde und wie er sich vor dem Hohen Rat verantworten musste. Sie schlugen ihn, und danach stand der Herr bei ihm und sagte: „Sei getrost! Denn wie du für mich in Jerusalem Zeuge warst, so musst du auch in Rom Zeuge sein!“ (Apg 23,11) Ich spüre, wie wenig ich über die Verhältnisse hier in Deutschland und speziell in kirchlichen Fragen weiß. Aber deshalb freue ich mich auch, hier zu sein, um zu sehen und zu hören. Umgekehrt ist es vielleicht auch so für Sie, wenn es um Schweden geht. Sicher kennen Sie Michel aus Lönneberga und Pippi Langstrumpf. Vielleicht haben Sie einmal in einem kleinen roten Ferienhaus die Sommerferien verbracht. Vielleicht wissen Sie auch schon einiges über Kirche und Gesellschaft in Schweden. Jedenfalls sind Bischof Roland Gustafsson und ich hier, um Ihnen Anteil an unserer Geschichte zu geben und Fragen, die für Sie relevant sind, zu beantworten.

Als ich das Thema dieses Kongresses gesehen habe, habe ich mich gefreut: Die Gemeinde – die Kirche hat Christus selber gegründet. Er baut sie auf dem Bekenntnis, das Gott dem Apostel Petrus offenbarte! Aber in Matthäus 16 erzählt Jesus den Jüngern auch von seinem Leiden und vom Kreuz Nachfolge. Der Herr Jesus, unser König, hat uns das gesagt, bevor er in den Tod ging und an unserer Stelle starb. Dieser Konflikt wird uns deutlich, wenn wir die Verfolgung der Christen z.B. in Syrien, Pakistan oder Nord-Korea sehen. Menschen sterben dort wegen ihres Glaubens an Christus. Die Machthaber der Diktaturen, die Vertreter der politischen Religionen und manchmal auch die Politiker des säkularisierten Westens zeigen uns, dass dieser Konflikt real ist und etwas kostet! Wir dürfen diese leidenden Bekenner nicht vergessen. Wie könnten wir das? Wir sind ja Teil derselben Körperschaft. Wir dürfen aber auch aus ihrem Bekenntnis Kraft schöpfen. Wir dürfen getrost sein, wie Paulus getrost sein sollte, als er in Jerusalem als Zeuge Christi litt – denn (!) er sollte auch ein Zeuge in Rom werden (Apg 23,11).

Die Missionsprovinz in Schweden – Hintergrund

Ein Pfarrer im Ruhestand hat neulich einen Brief vom Bischof in Göteborg und seinem Konsistorium mit folgender Frage bekommen:„Haben Sie den Gottesdienst da und dort geleitet (d. h. in einer Gemeinde der Missionsprovinz)? Sei das der Fall, müssen wir Ihnen vielleicht die Pfarrrechte wegnehmen!“ Man merke: Der Pfarrer ist im Ruhestand, er ist nicht Buddhist oder Muslim geworden, sondern er hat in einer evangelisch-lutherischen Gemeinde gepredigt und den Menschen das heilige Abendmahl gereicht! Das ist sein Auftrag und Amt – so sagt es die Confessio Augustana Art. V. Was die Folgen dieses Vorfalls sein werden, wissen wir noch nicht.

Wenn man Theologie studiert, um Pfarrer zu werden, hat man normalerweise mit dem Bischof in der schwedischen Kirche Kontakt. Man führt Gespräche, und das ist ein gutes Prinzip. Ein begabter Student, der für das Bistum sehr interessant war, erklärte dem Bischof, warum er nicht mit einer ordinierten Frau zusammenarbeiten könne. Der Bischof und sein Ratgeber empfahlen ihm, einen Psychologen aufzusuchen…

Wie kam es dazu?

Kirchenkampf gab es immer. Schon Christus hat uns davor gewarnt. Aber man kann sagen, dass der heutige Kirchenkampf seinen Startpunkt in den späten 50er Jahren hatte. Man hat damals in der Schwedischen Kirche die Frage der Frauenordination diskutiert. Diese Neu-Ordnung war ein Vorschlag zur Synode der Kirche in 1957. Allerdings war die Mehrzahl der Delegierten dagegen! Der damalige Minister für kirchliche Fragen reagierte schnell. Er forderte eine neue Synode in 1958, und weil das politische System so eng mit dem kirchlichen verzahnt war, hat man versucht, Delegierte zu wählen, die für diese Neu-Ordnung stimmen würden. Und genauso kam es. Dieser Vorgang machte deutlich, dass die höchste Autorität in der Schwedischen Kirche nicht das ewige Wort Gottes war, sondern die politische Macht jener Zeit. Schon damals haben manche gesagt, dass jetzt alles passieren könne. Andere waren phlegmatisch und pragmatisch und sagten, dass die Gegner der Frauenordination ja nicht zur Zusammenarbeit gezwungen würden, sondern immer noch in der Kirche tätig sein könnten. Man hatte eine Gewissensklausel in den Beschluss aufgenommen und dadurch eine Art Ruhe erreicht.

Doch alle waren damit nicht zufrieden. Bo Giertz – der hier sicher einigen bekannt sein dürfte – damals Bischof in Göteborg – sammelte schon 1958 mit anderen zusammen viele Leute in einer Bekenntnis-Initiative. „Die Kirchliche Sammlung um Bibel und Bekenntnis“– ähnliches gab es in Dänemark und Norwegen und auch in Bayern und Nord-Deutschland. Man bekannte sich zur Bibel als der höchsten Autorität und berief sich auf die lutherischen Bekenntnisschriften, die biblische Lehre von Kirche und Amt und das Verhältnis zwischen Kirche und Staat! Vielen Menschen und Gemeinden ist dadurch geholfen worden, aber einen größeren Einfluss in der Öffentlichkeit oder im kirchlichen Leben hat man nicht bekommen. Für eine Weile hat man einen gewissen Spielraum gehabt.

Der Kirchenkampf in Schweden kann mit dem Begriff der Salamitaktik beschrieben werden. Und auch in Deutschlandscheint es so zu sein. Denjenigen, die mehr oder weniger bewusst der Schwedischen Kirche als Lutheraner angehörten, wurde immer wieder etwas weggenommen. Vielleicht viel – aber eben nicht zu viel…! 1982 wurde die Gewissens-Klausel weggenommen. In manchen Gemeinden hatte das keine praktische Bedeutung, weil dort nur ein Pfarrer diente. Aber das Prinzip war gebrochen, und ein Ordinierter konnte sich nicht mehr auf die Gewissensklausel berufen.

Eine weltliche Ideologie wurde mit der biblischen Lehre über das Amt vermischt, und die Treue in der Nachfolge wurde herausgefordert…Als Antwort bildete man dann die sogenannte „Freie Synode der Schwedischen Kirche“, eine Art Schattenstruktur der Kirche. Doch der Raum war noch enger geworden! 1993 sagten die Bischöfe, dass alle Ordinandi die Frauen-Ordination akzeptieren müssten. Wir nennen das „Ordinations-Stopp“. Bo Giertz wäre im Jahr 1994 also nicht ordiniert worden! Viele wollten das nicht und ich habe von vielen Kandidaten gehört, die den Kompromiss nicht eingehen konnten. Die Bischöfe dagegen wollten sicher sein und forderten, dass der Ordinandus das heilige Abendmahl aus der Hand einer Pfarrerin nehmen müsste!

Der Ordinations-Stopp war ein entscheidender Einschnitt und wurde der eigentliche Startpunkt der Missionsprovinz. Man fragte sich, wie die Gemeinden überleben sollen. „Wie sollen sie hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden?“ (Röm 10,14). Viele hatten Theologie studiert, und einige Gruppen und Gemeinden haben die Berufung zum Pfarramt erkannt, doch was sollten sie tun? 1997 wurde das sogenannte „Freie Konsistorium der Schwedischen Kirche“ etabliert, um die Berufungen zu überprüfen. Ich fürchte, diese Entwicklung kam viel zu spät! Einige Kandidaten gaben auf. Es ist zu befürchten, dass geistliche Gaben, die eigentlich für den Dienst in der Gemeinde bestimmt waren, verlorengingen. Im Jahr 2000 hat die Synode der Schwedischen Kirche den Ordinations-Stopp in der Kirchenordnung kodifiziert. Als die Kirche vom Staat getrennt wurde, übten die politischen Parteien nur noch mehr Macht in der Kirche, den Synoden und Gemeinden aus. Einige Pfarrer sind „freigekauft“ worden. Man hat das Geld der Kirche verwendet, um bibeltreue Pfarrer loszuwerden. Viele Gespräche fanden zwischen verschiedenen Bekenntnis-Gruppierungen statt, und manche waren bereit, etwas für die Gemeinden zu tun. Außerdem wurde eine „Gemeindefakultät“ gebildet – eine Theologenschule, die dem lutherischen Bekenntnis verpflichtet ist. Die Bischöfe waren aber nicht an Gesprächen interessiert. Vielleicht hätten wir in irgendeiner Arbeitsgruppe an der salamitaktischen Arbeit teilnehmen können, aber wir hatten dafür keine Zeit mehr.

Die Missionsprovinz in Schweden – Heute

Im Jahr 2003 wurde die Missionsprovinz in Schweden gebildet mit dem Ziel, Bischöfe zu weihen, um wieder Pfarrer ordinieren zu können – um der Gemeinden willen. Und als einige Pfarrer und Delegierte aus 6 kleinen Gemeinden die Grunddokumente unterschrieben, haben die Glocken des Göteborger Domes geläutet. Von uns ganz ungeplant. Mit der Hilfe von Bischof Obare aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kenia (ELCK) wurde am 5. Februar 2005 ein Pfarrer i.R., Arne Olsson, als Bischof geweiht, und unmittelbar danach ordinierte er drei Pastoren. Einer von ihnen wurde für den Dienst in Finnland geweiht, wo man mit denselben Problemen zu kämpfen hatte. Das war für uns ein großer Tag. Wir konnten wieder atmen! Die Leute, die damals alles vorbereiteten, bemühten sich sehr, die Kontinuität mit der Schwedischen Kirche zu bewahren und zu unterstreichen. Diese Geschichte war und ist Teil unserer Identität! Wir haben durch die Schwedische Kirche und ihre Geschichte viel Gutes empfangen, das in der gemeinsamen kirchlichen Kultur immer noch enthalten ist und das unserem kollektiven Bewusstsein hoffentlich nicht verloren geht: die Agende, die christlichen Lieder und Choräle, die wir miteinander teilen, u.v.m.

Zu den Konsequenzen gehört es, dass unsere Bischöfe und der Generalsekretär nicht mehr in der Schwedischen Kirche dienen dürfen. Die kirchlichen Rechte sind ihnen genommen worden. Dies gilt auch für einige Pfarrer im Ruhestand, die sich in der Missionsprovinz engagieren. Dagegen steht aber, dass der Student, der Psychologengespräche „benötigte“, nach der Prüfung im Konsistorium der Missionsprovinz ordiniert worden ist. Zwanzig Männer sind in Schweden ordiniert worden, einige für den Dienst in der Mission, aber die Mehrzahl für den Dienst in den zwölf Gemeinden der Missionsprovinz und ein Dutzend anderen affiliierten Gemeinden in Schweden. Die meisten unserer Pfarrer sind nur zum Teil in den Gemeinden angestellt. Sie müssen auch anderen Tätigkeiten nachgehen. Aber jetzt ist die Missionsprovinz seit zwölf Jahren da. Das ist in der Kirchengeschichte eine kurze Zeit. Wir sind jetzt zwölf Gemeinden in der christlichen Gemeinschaft des Bistums unter der Leitung des Bischofes. Außerdem gibt es noch weitere Gemeinden, die sich auf die Missionsprovinz zubewegen. Die eine liegt rund 2000 km im Norden des Landes, wo die Schweden auch finnisch reden. Wir möchten den Überrest sammeln und neue Gemeinden pflanzen. Wir hoffen, dass wir in fünf Jahren in den zwanzig größten Städten Gemeinden haben.

Die Herausforderungen sind groß, obwohl wir die Politisierung der Schwedischen Kirche nicht mitgemacht haben. Wir sehen uns aber als Teil dieser Kirche, und wir sind verpflichtet, eine biblische Stimme in ihr zu sein. Wir müssen Jesus als Retter in die Ewigkeit bekennen und auf ihn hinweisen, denn immer mehr Menschen kennen ihn nicht. Die Schwedische Kirche redet lieber von den Fragen dieser Zeit: die sozialen, die kulturellen Fragen, die Gender-Ideologie usw. Als man das Eheverständnis in der Gesellschaft und in der Schwedischen Kirche verändern wollte, haben wir einen Hirtenbrief geschrieben. Wir sandten 2.500 Briefe an die Regierung, den König, die Synode, an Bischöfe und Pfarrer. Recht und Praxis sind jedoch verändert worden, und wir arbeiten an einer Strategie, was wir in dieser Situation denken, tun und bekennen sollen.

Zusammenfassung

Die Frauenordination war eigentlich nie die entscheidende Frage. Das Hauptproblem ist, dass man das Wort Gottes nicht als Autorität in der Kirche sieht. Wir, die Pfarrer und die Gemeinden, sind eigentlich nicht Opfer, sondern die Wahrheit ist ein Opfer der Lüge. Die Wahrheit ist das Opfer – man hat Christus gekreuzigt! Wir wissen nicht was mit dem oben erwähnten Pfarrer im Ruhestand geschehen wird, der einen Brief vom Bischof bekam. Er ist kein Opfer. Er ist Nachfolger Christi und Zeuge der Wahrheit. Und das ist, was wir tun müssen: Uns in die Wahrheit vertiefen! Wir müssen als getaufte Christen zum Wort Gottes zurückkehren. Wir müssen das Wort Gottes im heiligen Abendmahl suchen und aus der Hand des Herrn entgegennehmen. Wir müssen Gemeinde sein und als Gemeindeleben. Der besagte Pfarrer i. R. ist vielleicht nicht das Hauptziel des Bischofs und des Konsistoriums. Ich fürchte, dass man andere ähnlich denkende Pfarrer im Dienst der Kirche einschüchtern möchte. Aber das Bekenntnis dieses Pfarrers und das Bekenntnis der verfolgten Christen sagen mir und sagen hoffentlich auch Ihnen:

„Sei getrost! Denn wie du für mich in Jerusalem Zeuge warst, so musst du auch in Rom Zeuge sein!“

Pastor Jakob Okkels, Schweden

Vortrag beim Kongress des Gemeindehilfsbundes am 21. März 2015 im Geistlichen Rüstzentrum Krelingen. Alle Vorträge, Seminarbeiträge und Predigten der Kongresse in Krelingen vom 20.-22.3. und in Zavelstein vom 27.-29.3. werden in einer Dokumentation veröffentlicht. Diese kostet 5,00 € zzgl. Versand und kann in der Geschäftsstelle des Gemeindehilfsbundes vorbestellt werden (info@gemeindehilfsbund.de).

Die Audio CDs der Kongresse sind hier erhältlich.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 15. Juli 2015 um 14:23 und abgelegt unter Christentum weltweit, Gemeinde, Kirche.