Öffnung der Ehe für alle?
Montag 29. Juni 2015 von Pfr. Dr. Hans-Gerd Krabbe
Offener Brief an den Ratsvorsitzenden der EKD
Betr.: Öffnung der Ehe ›für alle‹
Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender und Landesbischof,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Bedford-Strohm,
Zunächst: ich freue mich über Ihre klarstellende Position (Zitat): „In den biblischen Quellen liegt für die evangelische Kirche alle Lebensorientierung und Norm begründet, an der wir unsere Werte, Normsetzungen und Entscheidungen immer neu zu prüfen und zu bewähren haben. Dies vor dem jeweiligen Zeithintergrund und den Herausforderungen der Gegenwart. Blickt man auf die biblischen Aussagen zur Homosexualität, so muss man feststellen, dass nach diesen Aussagen homosexuelle Praxis dem Willen Gottes widerspricht. Zugleich muss man feststellen, dass die Frage nach einer ethisch verantwortlichen Gestaltung einer homosexuellen Beziehung vom Liebesgebot her an keiner dieser Stellen thematisiert wird. Im Zentrum des Interesses steht allein die homosexuelle Praxis als solche, die – in Ãœbereinstimmung mit den allgemeinen biblischen Aussagen zum Menschenbild und zur Sexualität – als dem ursprünglichen Schöpferwillen Gottes widersprechend qualifiziert wird. Deswegen ist dem Wortlaut der biblischen Schriften auch nicht zu entnehmen, was sie zu der Gestaltung gleichgeschlechtlicher Beziehungen vom Liebesgebot her für eine Auffassung vertreten.“ (Zitat Ende).Darf ich hierauf entgegnen, dass sowohl in den Zeugnissen des Ersten wie des Zweiten Testaments in großer Deutlichkeit auf die Ehe von Mann und Frau abgehoben wird mit der Offenheit für Kinder – um sich gerade dadurch (!) von anderen, damals ebenso praktizierten Lebensformen im gesellschaftlichen Umfeld abzusetzen? Diese anderen Lebensformen werden auf indirekte Weise kritisiert, dadurch, dass Ehe und Familie besonders herausgestellt werden, um sie eben so von anderen Lebensformen zu trennen!
Jesus von Nazareth hätte in diesem Kontext wohl sagen können: »So soll es unter euch nicht sein!« (Mt. 20,26a) Man vergesse nicht: Jesus konnte sehr wohl in heiligen Zorn geraten, Er verhielt sich alles andere als ›stromlinienförmig‹ – ein ›Softie-Jesus‹, der alles gutheißt, wäre wohl nicht gekreuzigt worden … Man denke an den Apostel Paulus in Ephesus, der im Theater auftrat, unweit der Bibliothek mit dem Durchgang zum angrenzenden Freudenhaus. Zu unterstellen, ein Paulus hätte andere Lebensformen nicht gekannt und sich nicht deutlich davon distanziert, wird einem Paulus nicht gerecht.
Das Liebesgebot aus dem Ersten wie aus dem Zweiten Testament heranzuziehen, Jesu ›goldene Regel‹ aus Mt. 7,12 oder Paulus´ Worte aus Gal. 3,28 nach dem jeweiligen Wunschdenken zurechtzubiegen, um damit verschiedenste Lebensformen zu sanktionieren, also in Konsequenz: Öffnung der Ehe ›für alle‹ denkbaren und praktikablen Lebensformen (sogar auch für die der Pädophilie etwa?) – wird der Liebeserklärung Gottes ebenso nicht gerecht. Konkret: Mit der viel beschworenen und viel strapazierten vermeintlichen ›Liebe Jesu‹ müsste schlussendlich alles, aber auch alles akzeptiert und sanktioniert werden – nur: Eine solche Denkweise verkennt, dass Jesus von Nazareth eben nicht alles billigt und (ab-) segnet, sondern durchaus deutliche Grenzen zieht, gerade auch in ethischen Fragestellungen. Nicht ohne Grund unterscheidet Er zwischen Sünde(n) und Sünder(n): »Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr …« (Joh. 8,11).
Wenn die EKD in ihrer zu Recht umstrittenen Orientierungshilfe: »Zwischen Autonomie und Angewiesenheit …« (2013) die Ehe und die eingetragene Lebenspartnerschaft als einander »gleichwertige« Lebensformen einstuft, so ist dieser Kundgabe zu widersprechen. Auch das Bundesverfassungsgericht weiß zu unterscheiden und spricht von einem »aliud«, beurteilt Ungleiches also eben nicht als gleich. Der Gleichheitsanspruch entspringt der Gender-Ideologie, die es zu entlarven, bloßzustellen und der es in aller Entschiedenheit zu widersprechen und zu wehren gilt. Bis heute wird Gender in weiten Kreisen unserer Gesellschaft immer noch mit Emanzipation / Gleichstellung / gleicher Lohn für gleiche Arbeit assoziiert – Gender aber meint mehr und erheblich anderes! Das müsste man / frau wissen!
In der Frage homosexueller Lebenspartnerschaften geht es eindeutig nicht darum zu diffamieren, in des Wortes eigener Bedeutung aber sehr wohl darum zu diskriminieren, nämlich zu unterscheiden. Es geht darum, zu respektieren, wenn auch nicht gefordert werden kann, dass jede(r) alles akzeptiert und für sich als gleichwertig, als gleich-gültig übernehmen muss (Stichwort: Toleranz). Der Gesetzgeber hat mit gutem Grund zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft unterschieden, eine volkstümlich sog. ›Homo-Ehe‹ gibt es (bisher) also de iure nicht. Seitens der Kirchen sollten diese Differenzen Beachtung finden (etwa in der Unterscheidung zwischen ›kirchlicher Trauung‹ und ›kirchlicher Verpartnerung‹), gerade angesichts gelegentlich vorgebrachter, zahlenmäßig marginaler Wünsche nach ›Homo-Segnung‹ oder gar ›Homo-Trauung‹. Biblisch begründen lassen sich beide denkbaren Kasualien jedoch nicht, zudem entsprächen sie nicht dem Segensverständnis nach Num. 6, 22-27. Wenn nun aber protestantische Landeskirchen den Weg freimachen für ›Homo-Segnung‹ und ›Homo-Trauung‹, so hat dies nicht zuletzt empfindliche Auswirkungen für die Ökumene mit der römisch-katholischen Kirche und mit den orthodoxen Kirchen, heißt: protestantische Kirchen stellen sich selbst ins innerchristliche Abseits. Kann dies gewollt sein in einer Zeit, wo Christen noch viel enger zusammenstehen müssten?
Zu wünschen und im Gebet zu erbitten ist,
- dass sich die EKD innerkirchlich und gesamtgesellschaftlich für die Stärkung von Ehe und Familie mit größter Entschiedenheit einsetzt, dass sie Mut macht und Freude weckt zu Ehe und Familie –
- dass die EKD am tradierten Begriff von Ehe und Familie als Leitbild festhält und der Auflösung dieser geprägten Begriffe und Lebensformen mit Entschiedenheit wehrt –
- dass sich die EKD gegen ein denkbares Adoptionsrecht für Homosexuelle ausspricht und gegen die daraus folgende Leihmutterschaft –
- dass sich die EKD nicht von der Gender-Ideologie vereinnahmen lässt, sondern sich davon absetzt – und
- dass sich die EKD nicht dem (Bildungs-) Programm der »sexuellen Vielfalt« (angefangen in Kindertagesstätten und Schulen als durchgängiges Leitprinzip) verschreibt, sondern entschlossen dagegen vorgeht mit Blick auf das Kindeswohl.
Mit freundlichem Gruß!
Pfarrer Dr. Hans-Gerd Krabbe
26.6.2015
Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 29. Juni 2015 um 10:35 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Gesellschaft / Politik, Kirche, Sexualethik.