- Gemeindenetzwerk - https://www.gemeindenetzwerk.de -

Aktion für das Leben

Benjamin Lassiwe
Aktion für das Leben
„Evangelisches Tagebuch“
Ausgabe 31 vom 30.7.2009

Auch Protestanten wollen aus der Schwangerschaftskonfliktberatung aussteigen. Theologisch konservative Vertreter haben innerhalb der Kirche eine Unterschriftensammlung gestartet. Sie fordern die EKD-Synode auf, dafür zu sorgen, dass kirchliche Beratungsstellen keine Scheine für eine straflose Abtreibung mehr ausstellen.

„20 000 Unterschriften wären nicht schlecht“, sagt Joachim Cochlovius. Der niedersächsische Pfarrer ist Vorsitzender des in Walsrode beheimateten Gemeindehilfsbundes, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, evangelischen Christen und Gemeinden „im kirchlichen Lehrpluralismus seelsorgerliche Hilfe und biblisch-theologische Orientierung“ anzubieten. Innerhalb des Protestantismus ist der Gemeindehilfsbund am äußersten konservativen Rand zu finden: Viele seiner Stellungnahmen drehen sich um die Reizthemen Homosexualität und „Gerader Mainstreaming“, der theologische Kurs ist evangelikal. Doch mit der Unterschriftensammlung könnte die 550 Mitglieder zählende Organisation aus der Lüneburger Heide einen großen Treffer landen.

Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass auch Leitungspersönlichkeiten der evangelischen Kirche mit der hohen Zahl der Abtreibungen unzufrieden sind. „Im Jahr 2005 sind in Deutschland 676 000 Kinder geboren worden“, schreibt etwa der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber, in seinem 2006 im Berliner Wichern Verlag erschienenen Büchlein „Familie haben alle“. „Hätten nur die statistisch erfassten Schwangerschaftsabbrüche sich vermeiden lassen, wären es über 800 000 Kinder gewesen.“ Und weiter: „Dass sich in unserer reichen und auch mit Hilfsmöglichkeiten gut versorgten Gesellschaft nicht eine größere Zahl von Schwangeren zum Austragen ihres Kindes entschließt und dass die Zahl der Abtreibungen nicht deutlicher zurückgeht, ist bedrückend.“

Es wäre indes falsch, läse man diese Äußerungen des Bischofs als Beleg für eine Unterstützung des Gemeindehilfsbundes. So sind und waren sie nicht gemeint. Denn auch Wolfgang Hoher sprach sich stets für eine ergebnisoffene Beratung aus. „Wir sind davon überzeugt. dass ungeborenes Leben niemals gegen, sondern nur mit der Mutter geschützt werden kann“, schreibt er an gleicher Stelle.

Auch Cochlovius rechnet nicht mit schnellen Erfolgen. „Wir wissen, dass ein innerkirchlicher Bewusstseinswandel bei diesem Thema Zeit braucht. Aber irgendwer muss einmal damit anfangen.“ Die Mitglieder des Gemeindehilfsbundes jedenfalls seien wie die katholischen Bischöfe überzeugt, dass es mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar sei, Scheine auszustellen, die eine Abtreibung ermöglichten. „Wir wollen nicht, dass die EKD aus der Beratung für Schwangere aussteigt“, betont der Pfarrer aus der Lüneburger Heide. „Wir wollen, dass sie aus der Scheinvergabe aussteigt.“ Zweifellos gehöre es zum seelsorgerlichen Grundauftrag der Kirche, ungewollt Schwangere zu beraten. Aber eben nicht durch die Unterstützung bei einer Abtreibung. „Wir wollen eine Beratung zum Leben hin“, sagt Cochlovius. „Wir wollen, dass evangelische Beratungsstellen den Frauen helfen, ihr Kind zu bekommen – selbst wenn sie es am Ende dann nicht behalten wollen und zur Adoption freigeben.“

Rheinischer Merkur 31 (30.7.2009)