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Die Freude Gottes (Predigt über das Gleichnis vom verlorenen Sohn; Luk 15,11-32)

Wenn wir dem Gleichnis vom verlorenen Sohn auf die Spur kommen wollen, müssen wir den Zusammenhang beachten. Vor diesem Gleichnis stehen zwei ganz ähnliche, vom verirrten Schaf und vom verlorenen Silbergroschen. In allen drei Gleichnissen geht etwas verloren, ein Schaf verirrt sich, eine Frau verliert ein Geldstück , ein Mensch verirrt sich in seiner falschen Lebensplanung, und jedes Mal bricht beim Finder eine große Freude aus, wenn das Verlorene wieder da ist. Und jedes Mal werden unter großem Aufwand andere aufgefordert sich mitzufreuen.

In keinem dieser drei Gleichnisse wird Gott direkt genannt, und doch ist es ganz klar, dass es letztlich um ihn geht und um seine Freude als Finder. Er freut sich von Herzen über jeden Verirrten, der den Weg zu ihm findet. Und er freut sich noch mehr, wenn sich möglichst viele mitfreuen. Wir lernen hier Gott von einer ganz neuen Seite kennen. Er kann sich unbändig freuen. „Und sie fingen an, fröhlich zu sein“ (V. 24). Über diese Freude Gottes wollen wir ein wenig nachdenken.

Dreimal ist in der Bibel ausdrücklich von der Freude Gottes die Rede. Worüber freut er sich eigentlich? Drei Antworten werden uns gegeben.

Die erste haben wir hier im 15. Kapitel des Lukasevangeliums. Gott freut sich, wenn ein Mensch zu ihm umkehrt. „Umkehren“ heißt im griechischen Neuen Testament „neu denken“. Das wird schon am Wortlaut des Gleichnisses ganz klar. „Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger. Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen“. So hatte er bisher nicht gedacht. Das ist ein Neudenken, ein Umdenken. Wenn ein Mensch in seinem Elend nicht mehr um sich schlägt, sondern in sich, und Gott um Hilfe bittet, dann denkt er neu, dann kehrt er um zu Gott. Und darüber freut sich Gott unendlich. „So wird auch Freude sein im Himmel über einen Sünder, der umkehrt“.

Worüber freut sich Gott? Die zweite Antwort finde ich in den Abschiedsreden Jesu im Johannesevangelium. Dort spricht Jesus davon, wie sehr er sich darüber freut, wenn seine Nachfolger immer mehr in die wahre, göttliche Freude hineinwachsen, die er selber hat. „Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde“ (Joh 15,11). Erstaunlich. Kurz vor seinem Tod spricht der Sohn Gottes von seiner Freude, und er wünscht sich, dass alle, die ihm vertrauen und glauben, diese göttliche Freude für Zeit und Ewigkeit empfangen.

Eine dritte Antwort gibt der Schöpfungspsalm 104. Nachdem dieser Psalm die Schöpfungswerke Gottes bestaunt und gepriesen hat, heißt es „Die Herrlichkeit des Herrn bleibe ewiglich, der Herr freue sich seiner Werke!“ Wie hat Gott eigentlich den siebenten Schöpfungstag verbracht? Er hat gefeiert und sich über seine gelungenen Schöpfertaten gefreut. „Siehe, es war sehr gut“. Auch das ist eine Freude Gottes. Und auch diese Freude können wir erleben. Ps 111,2 heißt es „Groß sind die Werke des Herrn, wer sie erforscht, der hat Freude daran“.

Zunächst geht es in unserem Gleichnis ganz sachlich zu. Der Vater teilt seinen beiden Söhnen ihr Erbe zu. Der Ältere bekommt zwei Drittel, der Jüngere ein Drittel. Das war damals die Sitte. Kurze Zeit später zieht der jüngere Sohn ins Ausland. Das war der übliche Gang der Dinge. Etwa im Alter von 60 Jahren teilte z. Zt. des Neuen Testaments der Hofeigentümer seinen Kindern ihr Erbe zu. Im Allgemeinen konnte eine Hofstelle nicht alle Kinder ernähren, und so zogen einige in der Regel fort. Von Freude ist hier noch nicht die Rede, sie wäre höchstens bei dem Sohn zu vermuten, der sich sein Erbteil auszahlen ließ. Wer ein Erbe antreten kann, freut sich im Allgemeinen, zumindest solange, bis er von der Höhe der Erbschaftssteuer erfährt.

Dann wird die Geschichte plötzlich dramatisch. Der Sohn im Ausland baut sich keine eigene Existenz auf, sondern übt sich im Geldausgeben. Eines Tages ist alles aufgebraucht. Zum selbstverschuldeten Unglück kommt noch ein weiteres: eine Inflation macht die Leute arm. Der Mann lernt, wohl zum ersten Mal in seinem Leben, echten Hunger kennen. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als einen Billigjob anzunehmen, er wird Schweinehirt, für einen Juden alles andere als erstrebenswert. Vor lauter Hunger will er Schweinefutter haben, aber niemand gibt es ihm. Es ergeht ihm schlechter als den Schweinen.

Jetzt wird es ergreifend. Der Mann wird ehrlich vor sich selber und gesteht sich ein, dass seine bisherige Lebensplanung und Lebensführung falsch war. Er beschließt, wieder nach Hause zu gehen und auf dem väterlichen Hof zu arbeiten. Er will seinem Vater sagen, dass er sein Leben falsch gelebt hat, dass er in Schuld gefallen ist vor Gott und vor ihm, und dass er sich nicht mehr seinen Sohn nennen will, sondern künftig als Tagelöhner arbeiten möchte.

Offensichtlich war der Vater gut informiert über das Ergehen seines Sohnes. Jedenfalls sieht er ihn schon von weitem kommen. Seine große Freude drückt er in siebenfach aus.

1.) Er hat Mitleid. Keine Vorwurfsgedanken, keine innere Genugtuung darüber, dass der Sohn seine Lebenspleite endlich eingesehen hat. 2.) Der Vater läuft seinem Sohn entgegen. Das macht man nur, wenn man sich unbändig freut. Man kann erahnen, wie oft der Vater an den Sohn gedacht hat. 3.) Er fällt seinem Sohn um den Hals und küsst ihn. Persönlicher kann man seine Freude nicht äußern.

Nun bekennt der Sohn, dass er vor Gott und vor seinem Vater falsch gehandelt hat und verzichtet auf seine Sohnesrechte. Der Vater hört das, aber Näheres will er überhaupt nicht hören. Kein Vorwurf, keine Bitte um Erläuterungen, überhaupt keine verbale Antwort. Stattdessen lässt er drei Geschenke kommen, durch die er die Sohnesrechte erneuert, Nr. 4 bis 6 seiner Freudenerweise.

4.) Die standesgemäße Kleidung, 5.) den Siegelring, mit dem der Sohn volle Rechtsgeschäfte im Namen des Vaters tätigen kann, 6.) die Schuhe, die ihn als freien Mann kennzeichnen im Unterscheid zu den Sklaven, die barfuß gehen mussten. 7.) Und schließlich: Ein Festessen wird arrangiert als stärkster Ausdruck der Vaterfreude. Wieder zeigt sich der Vater gut informiert über das bisherige Leben des Sohns. Er stellt fest, dass er tot und verloren war, d.h. verirrt in der eigenen falschen Lebensplanung, ohne Sohnesvorrechte. Nun aber erklärt er ihn für lebendig und für gefunden, d.h. sein Leben ist wieder lebenswert geworden, die Sohnesrechte hat er wied

Die Gleichnisse der Bibel wollen gedeutet, verstanden und im eigenen Leben angewendet werden, sonst bleiben sie bloße Lebensweisheiten, wie man sie in jedem Abreißkalender findet. Wir können hier nicht alle Züge unseres Gleichnisses deuten. Aber die siebenfache Freude des Vaters, die sollten wir verstehen. Denn sie öffnet uns einen weithin unbekannten Blick auf die Freude unseres himmlischen Vaters. Sehen wir uns die sieben Reaktionen des Vaters auf die Heimkehr seines Sohnes noch einmal näher an, als Blicköffner für Gott und sein Wesen.

1.) „Es jammerte ihn“. Wie schnell messen wir unseren himmlischen Vater an den Erfahrungen, die wir mit unseren irdischen Vätern gemacht haben. Ich kannte einen Vater, der nach einer innerfamiliären Enttäuschung einmal zu seinem Sohn gesagt hat ‚Du bist nicht mehr mein Sohn’. So etwas sollten wir als Eltern nie denken und schon gar nicht aussprechen. An diesem Gleichnis sehen wir: Ein Mensch kann sich in schwere und schwerste Verfehlungen verstrickt haben – wenn er ehrlichen Herzens sein Leben mit Gott ins Reine bringen will, dann wird er einen barmherzigen Gott finden, der sich freut über jeden, der kommt. Ja, hier kann man Vatersein lernen. Eine kleine Frage: Sind wir schon einmal als Väter auf die Idee gekommen, unsere Kinder um Entschuldigung zu bitten für unsere Erziehungsfehler?

2.) „Er lief“. Manchmal stellen sich die Menschen die Umkehr zu Gott als ein problematisches und schwieriges Unterfangen vor. Muss ich jetzt alles beichten? Muss ich jetzt immer artig und lieb sein? Muss ich ab sofort auf meine Hobbies und Leidenschaften verzichten? Muss ich meine bisherigen Freunde aufgeben? Zu Wilhelm Busch, dem Jugendevangelisten kam einmal ein junger Mann, und sagte: Herr Pastor Busch, ich will erst noch etwas von meinem Leben haben, bevor ich mich bekehre. Darauf Pastor Busch: Warum bist du so bescheiden und willst nur etwas vom Leben haben? Jesus gibt dir das Leben schlechthin, in Fülle. Deine Ängste sind unnötig. Die Umkehr zu Gott führt nicht in neue Zwanghaftigkeiten. Gott selber kommt uns entgegen und hilft uns, unser Leben neu zu ordnen.

3.) „Er fiel ihm um den Hals und küsste ihn“. So sehr freut sich Gott über die Umkehr eines Menschen, dass er ihm seine Liebe unverwechselbar und persönlich zeigt. Wir spüren es, wie sein Frieden über uns kommt, wie sich festgefahrene Verhältnisse lockern, wie Freude und Zuversicht uns erfrischen und erneuern. Eine wunderbare Erfahrung, die Küsse Gottes! Ich hoffe, darf ich das einmal ganz persönlich so sagen, dass du heute schon einen Kuss Gottes gespürt hast.

4.) „Bringt schnell das beste Gewand her“. Die standesgemäße Kleidung vor Gott ist ein weißes Gewand, bildlich gesprochen. Der Schmutz unserer Vergangenheit ist abgewaschen. Unsere Vergangenheit ist wirklich „vergangen“. Christen sind im Grunde die einzigen Menschen, deren Vergangenheit voll und ganz „vergangen“ ist. Welch eine Wohltat, das zu wissen! Eines der größten Probleme unserer säkularisierten Gesellschaft ist die Last der Schuld. Ich meine hier die Last der unvergebenen Schuld. Sie steht zwischen Ehepartnern, Eltern und Kindern, Geschwistern, ehemaligen Freunden, Arbeitskollegen. Sie vergiftet Verhältnisse, sie macht krank an Leib und Seele. Wer jedoch umkehrt zu Gott, kriegt seine Vergangenheit los. Welch ein Geschenk!

5.) „Gebt ihm einen Ring an seine Hand“. Es geht um den Siegelring, um die Einsetzung in die vollen Sohnesrechte. Wir dürfen nun als Kinder Gottes im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes beten und handeln. Und das Schönste: wir sind mit der Sohnschaft auch in die Erbschaft Gottes eingesetzt. Wir werden einen unvergänglichen Herrlichkeitsleib erben, wenn unser Herr Jesus Christus als Richter und König wiederkommt. Und in diesem neuen Leib wird keine Krankheit mehr sein, kein Tod wird ihm etwas anhaben können, und es wird keine Sünde mehr in ihm wohnen.

6.)  „Gebt ihm ihm Schuhe an seine Füße“. Das ist das Zeichen der Freiheit. Ich sagte schon, dass es im Leben als Christ nicht um neue Zwanghaftigkeiten geht. Christus hat uns zur Freiheit befreit, sagt Paulus. Wer zum himmlischen Vater umkehrt, bekommt als wichtigste Gabe Christus, und Christus bringt den Heiligen Geist mit, und der Heilige Geist hilft uns, im Glauben und in der Liebe zu leben. Das müssen wir nicht aus eigener Kraft tun.

7.) „Lasst uns essen und fröhlich sein“. Das ist das Bild für die dauerhafte frohe Gemeinschaft, die uns Gott mit sich selbst schenkt. Im Johannesevangelium sagt uns Jesus, dass er und der Vater dauerhaft Wohnung bei uns nehmen werden (Joh 14,23). Etwas Besseres gibt es nicht.

Da wird also fröhlich gefeiert, und plötzlich kommt der ältere Sohn von seiner Feldarbeit zurück und hört, dass sein Bruder heimgekommen ist und dass der Vater ein großes Festmahl arrangiert hat. Er kann sich nicht mitfreuen und wird zornig auf seinen Vater. Wir können uns jetzt nicht ausführlich mit diesem Sohn beschäftigen. Mir fällt aber ein Spruch ein, der hier passt „Zufriedenheit liegt nicht darin, zu bekommen, was man will, sondern zu wollen, was man hat“. Dieser Mann war der Haupterbe. Ihm gehörten schon zwei Drittel des gesamten Besitzes. Es ging ihm gut. Er hatte täglich Gemeinschaft mit seinem Vater. Die ganze siebenfache Freude des Vaters, wie sie sich in seiner siebenfachen Reaktion zeigte, galt selbstverständlich auch ihm. Aber zufrieden war er nicht. Wie arm sind wir dran, wenn wir nicht das wollen, was wir als Christen haben!

Aber unser Thema ist die Freude Gottes. So wie der Vater im Gleichnis sich seine Festfreude von seinem unzufriedenen Sohn nicht trüben lässt und ihn herzlich zum Festmahl einlädt, so lässt sich auch Gott seine Freude über die Umkehr eines Menschen von seinen unzufriedenen Christen nicht nehmen. Im Gegenteil: Er kommt auf uns zu und lädt uns zur Mitfreude ein. „Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein“. Steigen wir also aus aus aller Unzufriedenheit Gott gegenüber. Denken wir an seine siebenfache Freude, die er ja auch mit uns täglich teilt, und lasst uns fröhlich sein mit ihm. Wilhelm Busch, der oft über dieses Gleichnis gepredigt hat, weist einmal besonders auf den Wortlaut von V. 24 hin „Und sie fingen an, fröhlich zu sein“. Er stellt fest, dass hier zwar von einem Anfang, nicht aber von einem Ende die Rede ist. Dieser Hinweis gefällt mir. Ja, die Freude Gottes hat kein Ende, und unsere Freude hat ebenso kein Ende, wenn sie aus Gott ist. Gott schenke uns einen großen Anteil an seiner Freude!

Predigt im ERF-Fernsehgottesdienst vom 21. Juni 2015, der aus der Evang.-luth. St. Jakobi-Gemeinde in Itzehoe übertragen wurde. Der Gottesdienst kann auf der Website  des Gemeindehilfsbundes unter www.gemeindehilfsbund.de angehört werden.