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Theologischer Mumpitz

Montag 30. Oktober 2006 von Dr. Werner Führer


Theologischer Mumpitz
Ein Oberkirchenrat: Die „gerechte Sprache“ taucht die Sache der Bibel ins Dunkel

Nun ist sie also erschienen, die „Bibel in gerechter Sprache“. Die gerechte Sprache erweist sich freilich als ideologisierte Sprache. Am schwersten wiegt, daß die „Sache“ der Bibel, ihr eigentlicher Inhalt, der dreieinige Gott, ins Dunkel getaucht ist. Das muß große Mühe gekostet haben, wenn man bedenkt, daß die Sache der Bibel im Licht steht, daß sie klar ist und sich selbst auslegt (Luther).

Anonymisierung Gottes

In der „Bibel in gerechter Sprache“ ist nicht mehr von Gott als „Herr“ die Rede, beim Vaterunser heißt es „Vater und Mutter“. Wenn aber der Name Gottes nicht mehr das Band ist, das die Schriften der Bibel zusammenhält, wird die Bibel zu einem Buch ohne Person- und Sachmitte und vermag niemanden anzureden. Man pickt sich dann aus ihr heraus, was man braucht. Genau diese Anonymisierung Gottes liegt jetzt vor.

Wenn Thomas bekennt: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh. 20,28), dann ist darin das ganze Osterbekenntnis enthalten. Der Titel Kyrios (Herr) umschließt Person und Werk Jesu Christi: Jesu Sein bei Gott vor der Zeit (Joh. 1,1.18) sowie sein die Sünde der Welt tragendes Werk (1,29). Daher wird dieser Titel zum unverzichtbaren Bestandteil des Grundbekenntnisses der Kirche: „Herr ist Jesus“ (Röm. 10,9). Mit diesem Bekenntnis ist der Gottesname des Alten Testaments auf Jesus Christus übertragen worden: Jesus trägt den Namen, „der über alle Namen ist“ (Phil. 2,9); „In keinem anderen ist das Heil“ (Apg. 4.12). Dieser grundlegende Sachzusammenhang ist in der „Bibel in gerechter Sprache“ vollständig getilgt. Der Titel Kyrios wird nicht wiedergegeben, sondern zu umschreiben versucht, obwohl er an Klarheit nichts zu wünschen übrig läßt. Die Umschreibungen verdunkeln ihn vielmehr. Luther gibt das Tetragramm der hebräischen Bibel (JHWH) sachgerecht mit HERR wieder. In der griechischen Ãœbersetzung steht Kyrios; in der lateinischen Dominus; in der englischen Lord. Das hat sich in allen Hochsprachen durchgesetzt. Die gesamte Literatur, nicht nur die kirchliche Unterweisung, geht davon aus. Was soll Adonaj, das nicht dasteht, in europäischen Sprachen, nachdem HERR oder Lord seit Jahrhunderten in Gebrauch ist? Es dient nicht der Erhellung, sondern der Verunklarung und Verdunklung.

Ideologiegeleitete Verfälschung

Diese Verdunklung beruht auf feministischer Ideologie. Neben „Herr“ soll „Vater“ u.a. aus der Bibel verschwinden oder umgedeutet werden. Wo die Bibel Vater (pater) schreibt, lesen wir jetzt gegen ihren Wortlaut „Vater und Mutter“ – sogar im Vaterunser. Aber diese Erweiterung ist kein Interpretament, sondern eine Verfälschung. Denn Gott ist Vater; das steht im Zentrum der Botschaft Jesu. Und er ist Vater in sich selbst, er wird es nicht erst durch die Menschwerdung des Sohnes. Peinlich, nämlich wie ein verzweifelter Zugriff auf die Apostolizität der Kirche wirken die Hinzufügungen von „Jüngerinnen“ und „Apostelinnen“ gegen den Wortlaut der Bibel.

Für den praktischen Gebrauch ist die ideologisierte Bibel gänzlich ungeeignet; der Taufbefehl in Matth. 28,19 lautet z.B. „Taucht sie ein in den Namen Gottes, Vater und Mutter für alle, des Sohnes und der heiligen Geistkraft.“

Die „Bibel in gerechter Sprache“ ist theologischer Mumpitz, wie es der „arische Jesus“ vor 70 Jahren war, wenn er auch aus entgegengesetzter Ecke gekommen ist. Es ist eine Taktlosigkeit des Protestantismus, alles, was mit dem Reformator unvereinbar ist, auf Luther zurückzuführen. Die „Bibel in gerechter Sprache“ teilt die reformatorischen Denkvoraussetzungen nicht, sondern sucht um der größeren Breitenwirksamkeit willen nur diesen Anschein zu erwecken. Was die Sprache betrifft, so hat man nicht dem Volk aufs Maul, sondern nur auf sich selbst geschaut. Das Gebot der Stunde ist daher: Zurückweisung aus Treue zur Sache und Sprache der Bibel statt Anpassung und verlogenes Gutheißen dessen, was schlecht ist.

Werner Führer (Bückeburg), ist theologischer Oberkirchenrat der Evang.-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe und hat im Kirchenamt der EKD an der Revision des Neuen Testaments der Lutherbibel (1984) mitgearbeitet. (idea 30.10.06)

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 30. Oktober 2006 um 15:59 und abgelegt unter Rezensionen, Theologie.