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„Reiche sind seit 1830 steuerfrei“

Vergebliche Liebesmüh: Die Reformvorgaben für Griechenland können nicht funktionieren, weil die politische Kultur des Landes sich grundsätzlich von der westeuropäischen unterscheidet. Parteien sind nur dem Namen nach Parteien. Das sagte der frühere Professor für griechische und zypriotische Zeitgeschichte, Heinz Richter, im Deutschlandfunk.Heinz Richter kennt das moderne Griechenland so gut wie wenig andere Wissenschaftler. Er gilt als einer der führenden Experten in Deutschland. Dutzende Bücher hat er über Land und Leute geschrieben. Was er sagt, könnte auch in Brüssel und Berlin durchaus von Interesse sein. Denn seiner Einschätzung nach, können die Reformvorgaben, so wie sie in den vergangenen Jahren für das hoch verschuldete Griechenland formuliert wurden, gar nicht funktionieren.

Die politische Kultur in Griechenland unterscheide sich grundsätzlich von der in Westeuropa, sagte Richter im Deutschlandfunk. Ein Ausdruck des Ganzen sei zum Beispiel: „Zunächst einmal sind die Reichen schon immer, seit es den griechischen Staat gibt, seit 1830, immer steuerfrei gewesen.“ Ursache dafür sei der Klientelismus im Land – als die Verflechtung von ungleichen Personen in Staat und Gesellschaft. Der Klientelismus in Griechenland sei nicht vergleichbar mit dem, was wir beispielsweise hier in Deutschland von der FDP und den Hoteliers, den Zahnärzten kennten. In Griechenland stelle der Klientelismus ein in sich geschlossenes Gesamtsystem dar. Deshalb funktionierten die Rezepte in Westeuropa dort nicht.

Richter zufolge liegen die Wurzeln bereits in der osmanischen Zeit; Griechenland gehörte etwa vier Jahrhunderte lang zum Osmanischen Reich. Entstanden sei das klientelistische System, so wie man es heute kenne, dann aber im Befreiungskampf zwischen 1821 und 1830. Demnach seien Parteien in Griechenland „nur dem Namen nach Parteien. Tatsächlich sind es klientelistische Pyramiden“, erläuterte Richter, der an Universität Mannheim lehrte. Diese Pyramiden bestünden aus einem „Führer, einigen Granden und dann Sub-Netzwerken“. Zusammengehalten würden diese Pyramiden durch Gefälligkeiten. Das könnten Geld, entwendet aus der Staatskasse, sein oder Pöstchen in Behörden, Armee und Justiz.

Quelle: Deutschlandfunk, Sendung „Information und Musik“ 22.2.2015