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Predigt „Ich glaube“ (Apostelgeschichte 24,14)

Liebe Freunde,

Jesus hat den Leuten nie Honig ums Maul geschmiert. Der hat sie nie harmonisiert. Der hat sie provoziert und dadurch polarisiert. Und wenn Jesus gepredigt hat, da haben sich meistens zwei Gruppen gebildet. Die einen wollten ihn zum König machen, und die anderen wollten ihn zur Schnecke machen. Die einen hoben die Arme vor Begeisterung, und die anderen haben sich nach Steinen gebückt um ihn zu steinigen. Es hat ja mal eine Zeit gegeben in seinem Leben, da war er bei den Massen beliebt. Das war als er mal 5000 Leuten zu Essen gegeben hat. Da waren sie natürlich alle von ihm begeistert. Da war er der Held des Tages. Da wollten sie ihn zum König machen, und dann merkten die aber, der hat von uns auch was verlangt. Der gibt uns nicht nur was, sondern der will auch was von uns, nämlich dass wir an ihn glauben.

Im Johannesevangelium Kapitel 6 wird das beschrieben. In Vers 40 heißt es: „Mein Vater will, dass jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt, das Ewige Leben hat, und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage.“ Und nach diesem Satz beginnt der Protest. Da heißt es hier: „Da entrüsteten sich die Zuhörer über ihn und sagten: „Ist das nicht der Jesus, der Sohn des Josef? Seine Eltern kennen wir doch?“ Solange der ihnen kostenlos zu essen gab und sie sich bei ihm durchschlauchen konnten, da war denen völlig egal, aus welcher Familie der stammte. Aber jetzt, als er Glauben verlangt, da heißt es plötzlich: „Na, den kennen wir doch. Das ist doch der Sohn vom Zimmermann Josef. In dessen Werkstatt haben wir doch immer für unsere Meerschweinchen das Futter geholt. Und seine Frau, die Marie, das ist doch diejenige, die bei Aldi immer aushilft. Und mit seinen Schwestern, da sind wir doch in der Tanzstunde gewesen. Mit dem haben wir doch, als wir junge Männer waren, auf dem Dorfplatz Fußball gespielt. Wie kommt der dazu, jetzt zu behaupten, er käme vom Himmel, und wir sollten an ihn glauben?“

Ihr seht, es ist schon immer schwierig gewesen, an Jesus zu glauben. Das war damals nicht anders als heute. Heute, im Zeitalter des Wassermanns, wo alles verwässert wird, da steht Jesus wie so ein Pfeiler im Strom der Zeit, an dem sich die Fluten teilen, und Gischt und Geifer der empörten Widerstände emporspritzt. Was gewünscht wird, das ist so ein Brötchengeber, ein Semmel-Jesus, aber kein Sterbender, der selbst sich verleugnet und Selbstverleugnung verlangt. Als die Massen das merkten, der gibt uns nicht nur Brot, sondern der will, das wir an ihn glauben, da heißt es in Vers 60: Viele seiner Jünger, die hörten was der sagte und redeten, das geht zu weit. Also, so etwas kann man doch nicht mit anhören!

Und jetzt ist mal interessant, wie Jesus auf diesen Protest reagiert hat. Er hätte ja sagen können: „O, das tut mir aber leid! Also, ich wollte keinem von euch zu nahe treten. Natürlich braucht ihr das alles nicht so für bare Münze zu nehmen, was ich so sage, und wenn ihr von Opfer und Gehorsam und Leiden und Gericht und so nichts hören wollt, dann werde ich in Zukunft ein bisschen sanfter predigen.“

So macht es ja die Kirche bei uns an vielen Punkten. Aus lauter Angst, irgend jemanden zu nahe zu treten, tritt sie leise. Aus lauter Angst, irgend jemanden zu verlieren, verliert sie kein Wort mehr möglichst über solche Themen wie Sünde und Hölle und Gericht und Verdammnis und so weiter. Aus lauter Angst, jemanden vor den Kopf zu stoßen, da entfernt sie alles Anstößige aus ihrer Botschaft und verhökert ihre Dienste zu herabgesetzten Preisen. Neuerdings wird sogar das, was die Bibel als Gräuel vor Gott bezeichnet, als Teil seiner guten Schöpfung verkauft. Der Ausverkauf der Kirche ist in vollem Gange. Jesus jedenfalls hat sich niemals so billig verkauft. Und der ist nie auch nur einen Millimeter von dem Satz abgewichen, den er hier in Vers 47 sagt: „Wer an mich glaubt, hat das Ewige Leben.“

Und als die anrücken und sagen, das geht zu weit, man kann das ja gar nicht mit anhören, was du hier erzählst, da sagt er nicht, nun gut, dann korrigier ich mich eben. Ich sage nicht mehr, „Wer an mich glaubt…“, sondern „Wer ein bisschen an mich glaubt…“ oder „Wer gar nicht an mich glaubt… aber wer von sich glaubt, ein guter Mensch zu sein, der hat auch das Ewige Leben.“ – Nein, das sagt Jesus nicht. Im Gegenteil. Da steht hier: „Als Jesus merkte, dass sie sich entrüsteten, da sagt er zu ihnen: Was, das ärgert euch wohl?“ Das heißt, statt sie zu besänftigen, gießt er noch Öl ins Feuer. Der predigt absichtlich immer schärfer, weil er weiß: Nur eine kompromisslose Verkündigung führt auch zu einer radikalen Bekehrung und Umkehr. Und er will ja nicht irgendwelche Verehrer züchten. Er will Menschen als Nachfolger haben, die ohne Rücksicht auf Verluste und auf andere Menschen und andere Mächte ihm allein gehorchen, egal was andere Leute dann darüber denken, und auch wenn es schwer wird und wenn die Nachfolge Nachteile bringt. Und als das die Massen kapierten, da standen sie auf einmal nicht mehr auf Jesus. Als das Kreuz die ersten Schatten vorauswarf, da warfen die Meisten schon das Handtuch. Da begann die große Abwanderung. Vers 66: „Von da aus wandten sich viele seiner Jünger ab und gingen nicht mehr mit ihm.

Wenn einem Parteichef die Gefolgschaft verweigert wird, da wird er versuchen, sie irgendwie festzuhalten – Kurs ändern, kürzer treten, Kompromisse machen. Diesen Versuch hat Jesus nie gemacht. Der ist ja kein Parteichef, der um die Gunst seiner Genossen feilschen muss, sondern der ist der Sohn Gottes. Der ist die Wahrheit in Person. Der hat ja nicht gesagt, wie heute so viele Theologen sagen würden, „ich weiß um die Wahrheit“, oder etwa „ich habe die Wahrheit“, sondern er hat gesagt „Ich bin die Wahrheit“. Und die Wahrheit ist nicht heute so und morgen so, sondern die ist heute so und die ist morgen so und die ist immer in alle Ewigkeit die Gleiche. Und wenn Jesus einmal gesagt hat: „Ich will euch ganz, mit Leib und Seele“, da kann man nicht mit einem Mal sagen: „Na ja gut, ich bin ja zufrieden, wenn ihr mal so ein bisschen fromm seid und immer mal mich besucht, und mal ein kleiner Seitensprung und eine Notlüge, da bin ich nicht so kleinlich, und meine Worte, die braucht ihr auch nicht so genau nehmen.“

So hat Jesus nie gesülzt. Der hat oft scharfe Worte gesagt. Der hat aber nie auch nur ein einziges seiner scharfen Worte zurückgenommen. Und er hat nicht eine einzige seiner radikalen Forderungen zurückgenommen. Und lieber hat er die Massen abwandern lassen, die zurückschraken vor seinen Forderungen. Und wenn einer so radikal ist, da ist es natürlich kein Wunder, wenn er eines Tages plötzlich alleine dasteht. Und das ist Jesus passiert. Plötzlich stand er ganz alleine da mit seinen 12 Jüngern. Und da hat er nicht pussiert und gebettelt: „Meine Freunde, bleibt doch wenigstens ihr noch bei mir.“ Nein, in dem Augenblick, als die alle abgehauen sind, da hat er sich zu seinen Jüngern umgedreht, die ihm nachfolgten, und hat ihnen ins Gesicht gesehen und gesagt: „Und ihr, was habt ihr vor? Wollt ihr auch weggehen?“ Er hat es den Zwölfen freigestellt, ihn zu verlassen. Und er stellt es auch uns frei.

Jesus ist wirklich ein König. Das ist ein Herr. Der rennt uns nicht so nach wie ein Bettler, ob wir vielleicht so lieb sein wollen ihm ein bisschen zu folgen. Wer nicht an Jesus glauben will, kann sein Leben selbst gestalten. Da wird ihm Jesus keine Vorschriften mehr machen. Es kann jeder gehen, der nicht will. „Und ihr“, sagt er zu seinen eigenen Jüngern, zu den Zwölfen, „wollt ihr auch weggehen?“ Hier an diesem Tiefpunkt seiner Biographie, da gibt der Petrus seine Antwort und da geht die Sonne auf, und der Petrus sagt: „Herr, wohin sollen wir denn gehen? Du hast Worte des Ewigen Lebens, und wir haben erkannt und geglaubt, dass du der Heilige Gottes bist.“

Das ist ja eigenartig. Die Jünger, die von Jesus weggehen, begründen das mit dem Argument: „Was der sagt ist unerträglich. Seine Worte kann man nicht hören.“ Und die Jünger, die bei Jesus bleiben, begründen das mit dem Argument: „Du hast Worte des Ewigen Lebens.“ Also so verschieden wird das gleiche Wort gehört, je nachdem, ob einer zum Gehorsam bereit ist oder nicht. Denn nur wer Jesus gehorcht, der erfährt, dass er die Wahrheit sagt. Und deshalb sagt er damals zu seinen Jüngern und zu uns heute: „Wenn ihr nicht wollt, wollt ihr auch weggehen?“ Die 12 Jünger, die wollen nicht und die können auch nicht. Wer einmal erkannt hat, dass Jesus der Sohn Gottes ist, der kommt nicht wieder von ihm los. Petrus erkennt ganz klar: Ein Leben ohne Jesus wäre total sinnlos: „Herr, wohin sollen wir denn ohne dich gehen?“

Und jetzt ist die Frage für uns, ob wir diesen Worten, die das Neue Testament überliefert, genauso glauben können und genauso das sagen können, was der Apostel Paulus von den Worten des Alten Testamentes gesagt hat. In der Apostelgeschichte 24 wird beschrieben, wie er bei dem Felix zum Verhör ist und ausgefragt wird. Und in der Rede, die er da hält, da fällt der Satz (Vers 14): „Ich bekenne, dass ich allem glaube, was geschrieben steht im Gesetz und in den Propheten.“ Und diesen Satz, den können heute viele nicht mehr nachsprechen. Es glauben keineswegs alle alles, was in der Bibel steht. Selbst unser Landesbischof hat in einer überfüllten Kirche hier in dieser Stadt laut gerufen: „Es steht auch Falsches in der Bibel!“ Und als nachgefragt wurde, was er damit meint, hat er sich auf 3. Mose berufen, wo der Hase als Wiederkäuer bezeichnet wird. Das ist nach der Meinung des Bischofs falsch. Aber wenn er „Brehms Tierleben“ nicht nur die ersten beiden Bände gelesen hätte, sondern bis Band 12 sich durchgeackert hätte, da hätte er auf Seite 421 lesen können, dass schon im Jahre 1882 die Biologie festgestellt hat, dass der Hase ein Wiederkäuer ist. Die Bibel ist fehlerfrei! Auch in diesen Dingen.

Na gut, solange unsere bibelkritischen Brüder – also ich bin für den Bischof kein Bruder mehr, mich redet er weder mit „Bruder“, noch mit meiner Berufsbezeichnung „Pfarrer“ oder mit meinem Titel an, sondern schlicht mit „Herr Lehmann“ – also, solange unsere bibelkritischen Brüder ihre Argumente aus der Mottenkiste freidenkerischer Gottloser aus dem 19. Jahrhundert beziehen, da können und dürfen wir das gar nicht weiter ernst nehmen. Da können wir nur noch den Bleistift nehmen und die Namen dieser Brüder auf die Gebetsfürbittenliste schreiben.

Aber so ist das eben: vom Konfirmanden bis zum Bischof, vom Pfarrer bis zum Theologieprofessor, vom Kirchenvorstand bis zum Weltkirchenrat hat jeder irgendwo irgendwelche Bedenken gegen irgendwas, was in der Bibel steht, weil es seiner Erfahrung, seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen, seiner Vernunft oder was weiß ich widerspricht.

Paulus war einer der größten Geister der Menschheit, dem das ganze Heer der modernen Meckerer und Meckerinnen nicht das Wasser reichen kann. Dieser Geistesriese war sich nicht zu schade, vor seinen weltlichen und geistlichen Richtern den geradezu kindlichen Satz zu sagen: „Ich glaube allem, was im Gesetz und in den Propheten geschrieben steht.“

Da ist mir gleich Karl Barth eingefallen, obwohl ich kein Barthianer bin, aber als der seine Abschiedsvorlesung gehalten hat in Chicago, da waren sie alle gespannt: Was ist die Quintessenz im Leben dieses großen Theologen? Da hat Karl Barth mit einem Vers aus der Christenlehre geantwortet und hat gesagt: „Meine Theologie kann zusammengefasst werden in dem Vers „Jesus loves me, that I know, for the Bible tells me so…“ Das heißt, Jesus liebt mich ganz gewiss. Meine Bibel sagt mir dies.“ Das ist genau in diesem naiven kindlichen Geist ausgesprochen von zwei großen Männern, die am Ende ihrer Tätigkeit gesagt haben: „Ich glaube allem, was in der Bibel steht.“ Und zu diesem Satz möchte ich mich auch bekennen. Und ich weigere mich, mich an dem modernen Schwindel zu beteiligen, der eine Aussage nach der anderen aus der Bibel streicht, von der Jungfrauengeburt bis zur Auferstehung. Gerade auf die Auferstehung hat der Paulus den allergrößten Wert gelegt. Und deshalb hat er nämlich auch, nachdem er sich zu Autorität der Bibel bekannt hat, im nächsten Vers gesagt: „Ich habe die Hoffnung, dass es auch eine Auferstehung der Gerechten und der Ungerechten geben wird.“ Das ist seine Botschaft. Das ist das, was die Juden nicht hören wollten. Und das ist der wahre Grund für seine Verhaftung. Offiziell kam das Wort „Auferstehung“ in der Anklageschrift überhaupt nicht vor. Aber der Paulus behauptet in seinem Schlusswort in der Verteidigungsrede, dass genau das der springende Punkt ist: „Um der Auferstehung der Toten willen werde ich von euch heute angeklagt.“ Damit ist die Verhandlung zu Ende. Felix verschiebt den Prozess. Paulus wird wieder in die Zelle abgeschoben.

Und nun steht hier in Vers 22, Felix wusste sehr genau über diese Lehre Bescheid. Der hatte nicht zum ersten Mal von der Auferstehung gehört. Aber er war vielleicht zum ersten Mal einem Menschen begegnet, der voll an die Auferstehung glaubte. Und jeden Abend, wenn Felix vor seinem Kaminfeuer saß und seine Salzstangen knabberte, da knabberte er an einer schwierigen Frage. Und die Frage lautete: Wenn das wahr ist, was dieser Häftling Paulus erzählt, was mache ich dann? Denn das ist ihm klar: Wenn das mit der Auferstehung stimmt, dann stimmt ja mein ganzes Leben nicht mehr. Dann kann ich nicht mehr so leben wie bisher. Dann muss ich ja alles ändern. Und nach ein paar Tagen hält er es einfach nicht mehr aus. Er muss mehr wissen über den Glauben an Jesus. Und da lässt er sich den Paulus noch mal kommen.

Anwesend bei dem Treffen ist noch seine Lebensabschnittsgefährtin, seine derzeitige ständige Begleiterin, die Frau Drusilla. Die beiden, Felix und Drusilla, waren ein ganz besonderes Pärchen. Felix heißt auf Deutsch „der Glückliche“. Ob der wirklich glücklich war, das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass er Schwein gehabt hat. Von Geburt war er nämlich ein Sklave. Er wurde dann später freigelassen und stieg als Günstling des Kaisers immer höher. Aber Felix war ein skrupelloser Mensch, Emporkömmling, geizig, ungerecht, unbeliebt, der seine Regierungszeit dazu benutzte, sich selbst zu bereichern. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus hat über ihn geschrieben: „Die Macht eines Königs hat er mit der Gesinnung eines Sklaven ausgelebt.“ Übrigens fiel er später in Ungnade und starb in der Verbannung. Aber hier ist er noch dicke da mit seiner dritten Frau Drusilla, die gar nicht seine Ehefrau war. Die Drusilla war von Geburt an eine Prinzessin, Tochter des Königs Agrippa, und die war schon als Kind mit einem Prinzen verlobt. Die Ehe kam aber nicht zustande. Und als Felix sich in die Drusilla verknallte, da war sie gerade mit dem König von Odessa verheiratet. Von einem Magier ließ sie sich dazu überreden, ihren Mann zu verlassen und zu ihm zu ziehen. Die beiden waren alle beide mal verheiratet, hatten sich von ihren Ehepartnern getrennt und sich nun wieder zusammengeschmissen. Wie gesagt, ein sauberes Pärchen.

Die beiden lassen sich jetzt den Paulus kommen und wollen ihn hören über den Glauben an Jesus Christus. Unaustilgbar fest sitzen die Frage nach Gott und die Sehnsucht nach Frieden mit Gott auch im Herzen eines brutalen Machthabers und einer ausgekochten Ehebrecherin. Da sitzen sie nun da, der Herr Glücklich und die Frau Drusilla, geschminkt, gepudert und geliftet, aber niedergedrückt vom schlechten Gewissen. Behängt mit Gold und Diamanten, aber beladen mit Schuld. Ausgestattet mit Vollmacht über Leben und Tod, aber angekettet an die Macht der Sünde. Vollgestopft mit Leckerbissen, aber mit einem leeren, unbefriedigten Herzen.

Und da wird der Häftling Paulus hereingeführt und man sagt ihm, er soll über den Glauben an Jesus sprechen. Jeder andere hätte in dieser Situation gesagt: „Das ist die von Gott gegebene Chance, dass ich vielleicht frei komme. Dieser Mann hat meine Zukunft in der Hand, und wenn ich den für mich gewinne, dann lässt er mich vielleicht laufen. Also heute schön diplomatisch leise treten, damit ich morgen wieder das Evangelium frei verkündigen kann. Meine Ankläger, die sind ja nicht hier. Nur dieses Weibsbild in der gestylten Wespentaille, die darf ich auf keinen Fall verschnupfen, sonst ist es gleich Essig. Aber wenn ich der eine Nettigkeit sage, legt die vielleicht ein gutes Wort für mich ein bei Felix. Auf alle Fälle hat ja Gott an ihren Herzen schon gearbeitet. Die wollen von Jesus hören! Die dürfen auf keinen Fall abgestoßen werden, also, da darf ich die jetzt nicht hart anpredigen. Da muss ich alle anstößigen Themen vermeiden. Am besten ich predige über Nächstenliebe, und dann noch so ein paar Bemerkungen über das soziale Handeln der Kirche. Das hören die von der Regierung immer gerne.“

So ungefähr hätte jeder andere gedacht. Und was hat mein Paule gemacht? Der predigt von der Gerechtigkeit, von der Enthaltsamkeit und vom jüngsten Gericht. Ausgerechnet! In mehr Fettnäpfchen konnte man ja gar nicht treten. Bei dieser Themenwahl ist jede Chance, dass er diese Hörer für sich gewinnen könnte, vorbei. Aber Paulus will die ja nicht für sich gewinnen, sondern er will sie für Jesus gewinnen. Der will nicht seine Haut retten, sondern er will dass diese Menschen gerettet werden. Selbstverständlich weiß er ganz genau, was das für Typen sind. Aber der lässt sich weder durch ihr großkotziges Auftreten noch durch ihr großartiges Aussehen irgendwie beeindrucken. Der riecht förmlich durch die Wolke Chanel No. 5, die die umgibt, dass das nach Sünde stinkt. Das sind zwei sündige Menschen, die sich parfümiert haben, aber die in Ewigkeit verloren gehen, wenn sie Jesus nicht annehmen.

Die wollen vom Glauben hören? Gut. Dann sollen sie auch vom Glauben hören. Aber dann müssen sie auch hören, dass sie sich ändern müssen. Paulus hält keine Evangelisationspredigt, wie sie heute üblich ist: „Du bist wertvoll. Du bist wertvoll. Du bist wertvoll. Jesus liebt dich wie du bist. Du kannst zu Jesus kommen, wie du bist. Du bist wertvoll…“ Da muss doch noch mal dazu gesagt werden, nicht nur, „du kannst zu Jesus kommen wie du bist“, sondern „du kannst nicht so bleiben wie du bist“. Das ist doch das eigentliche Thema der Bibel. Du sollst verändert werden. Es soll ja eine neue Schöpfung passieren. Der hat nicht vorher sich ein lateinisches Konzept gemacht. Der hat gleich Deutsch gesprochen. Und er spricht als erstes von der Gerechtigkeit. Das ist ja ein Reizwort bis heute.

Die Bibel erwähnt gar nicht, was er im Einzelnen gesagt hat, obwohl ich das gerne wüsste. Aber es steht nicht da. Sie erwähnt nur die Reaktion des Felix, und zwar, dass er einen großen Schreck bekommen hat. Das kam ja schließlich nicht alle Tage vor, dass diesem Staatsbeamten, der sich auf Kosten seiner Bevölkerung einen Fetten machte, ein Untersuchungshäftling eine Predigt über Gerechtigkeit hält. Der Felix weiß vor Schreck gar nicht, wo er hinschauen soll und was er sagen soll, und ehe ihm etwas einfällt, kommt Madame Drusilla an die Reihe. Paulus behandelt einen neuen Punkt: Enthaltsamkeit. Und das vor den Ohren einer Ehebrecherin.

Stellt euch einmal vor, irgendeiner unserer Bischöfe wäre mal vom Bundeskanzler Schröder eingeladen worden, um vor ihm und seiner Doris über Enthaltsamkeit zu reden, über Ehebruch und Ehescheidung. Was denkt ihr hätte der denen erzählt? Gar nichts wahrscheinlich. Ich sehne mich nach Christen, nach Pfarrern, nach Bischöfen, die unerschrocken und kompromisslos zur biblischen Wahrheit stehen, und die zum Beispiel den gottlosen Genderwahnsinn genauso beim Namen nennen wie den tausendfachen Mord an ungeborenen Kindern, und die bereit sind, mit den höchsten Vertretern unseres Staates nicht nur bei Empfängen Sekt zu schlürfen, sondern denen reinen Wein einzuschenken.

Für Madame Doris – nein, Verzeihung, für Madame Drusilla war das wahrscheinlich starker Tobak, aber eigentlich nichts Neues. Die war Jüdin. Die kannte die Zehn Gebote, auch das sechste. Neu war der nur, dass es Menschen wie diesen Paulus gab, die die Gebote ernst nahmen. Und die Drusilla besitzt nicht die Frechheit, den Paulus als verkalkt abzuqualifizieren, als ob er nicht auf der Höhe der Zeit wäre, weil er die Gebote der Bibel ernster nimmt als die Zoten der Bravo und das Geschreibsel von Pfarrer Fliege. Die hält die Klappe und schlägt die Augen nieder, weil sie sich von dem Anspruch Gottes auf ein reines Geschlechtsleben getroffen fühlt.

Aber Paulus ist noch nicht fertig. Jetzt kommt er zum dritten Punkt seiner Rede, zum zukünftigen Gericht. Es wagen sich ja viele Pfarrer nicht einmal mehr, vor der eigenen Gemeinde darüber zu reden. Der Bonhoeffer hat gesagt, die Frage des Gerichts ist die wichtigste Frage des Lebens. Der Luther hat das auch gemeint. Der hat es nur anders formuliert. Der hat gesagt: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ Das heißt, wie bekomme ich denn mein sündiges Leben so hin, dass ich mal vor Gott bestehen kann, vor dem Reinen, Heiligen. Es kommt doch das letzte Gericht für jeden, auch für jeden Regierenden. Auch alle, die auf irgendwelchen hohen Posten sitzen, müssen sich am Schluss vor Gott verantworten.

Als Felix diese Gerichtsbotschaft hört, da erschrickt er noch einmal. Ihn hat das Wort Gottes getroffen. Und er hat genau begriffen, es ist Zeit, ich müsste mich eigentlich entscheiden. Ich müsste eine Glaubensentscheidung treffen. Aber dann schiebt er alles von sich weg. „Für dieses Mal“, sagt er zu Paulus, „bist du entlassen. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, dann will ich dich mal wieder rufen lassen.“

Und was ist, wenn sich diese Gelegenheit nicht mehr ergibt? Wenn es einmal zu spät ist? Der Felix, der liebt das Verschieben. Das Verschieben des Prozesses von Paulus, auch im Prozess seines Lebens im Verhältnis zu Gott. Verschiebetaktik – Das war das Unglück des Herrn Glücklich. Der sagt kein klares Nein. Der sagt kein klares Ja. Der lässt alles in der Schwebe. Und so gehen Menschen verloren. Und ich befürchte, dass auch diese Menschen verloren gehen, die sagen, ich glaube zwar an die Bibel, aber ich glaube nicht alles. Da halte ich es mit Luther, der gesagt hat: „Die Schrift ist Gottes Wort, nicht Menschenwort, welches lügt. Kein Jota ist umsonst. Darum heißt es rund und rein alles ganz geglaubt oder gar nichts geglaubt.“

Wenn wir als Leute der Bekenntnisinitiative an den Käßmann-Spielen 2017 teilnehmen wollen, dann hat das nur Sinn, wenn wir konsequent bei dem „Sola scriptura – die Schrift allein“ bleiben und mit Paulus sagen können: „Ich glaube allem, was geschrieben steht!“

Amen

Predigt auf dem SBI-Tag der Sächsischen Bekenntnis-Initiative am 4.10.2014