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Predigt über den 84. Psalm

Sonntag 28. Oktober 2007 von Pfr. Wolfgang Sickinger


Pfr. Wolfgang Sickinger

Predigt über den 84. Psalm

Liebe Gemeinde,

der Mann war lange unterwegs. Es war eine mühselige Reise, zu Fuß, mit einer ganzen Gruppe, Tage und Wochen durch die Hitze des Landes. Ab und zu nur konnte er seinen Beutel mit dem Allernötigsten auf einem Maultier abladen – meist schleppte er ihn auf dem Rücken. Es gab gefährliche Momente – Beduinenkarawanen waren unterwegs: schnell, bewaffnet, räuberisch – in der Entfernung war zu spüren, wie sie die Reisegruppe abschätzten. An Stadtfürsten mit ihren Söldnern mußten sie vorbei und Wegezoll bezahlen. Nachts galt Vorsicht vor wilden Tieren: vor Wölfen, Bären, Löwen, Giftschlangen und Skorpionen. Tagsüber hatten sie manchen Spott anzuhören: Nach Jerusalem wollt ihr? Zu dem einzigen Gott? Anbeten im Tempel? Bleibt doch lieber hier bei uns – hier ist es viel lustiger, wir feiern, essen und trinken, an unseren Altären gibt es junge Tempeldienerinnen, die die Zeit vertreiben… Aber der Pilger hält durch – er kommt an in Jerusalem, steht vor den Toren, sieht den gewaltigen Tempel Salomos und bricht in Jubel aus:

Psalm 84

84,1 EIN PSALM DER SÖHNE KORACH, VORZUSINGEN, AUF DER GITTIT. 84,2 Wie lieb sind mir deine Wohnungen, HERR Zebaoth! 84,3 Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. 84,4 Der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen – deine Altäre, HERR Zebaoth, mein König und mein Gott. 84,5 Wohl denen, die in deinem Hause wohnen; die loben dich immerdar. SELA. 84,6 Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten und von Herzen dir nachwandeln! 84,7 Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, wird es ihnen zum Quellgrund, und Frühregen hüllt es in Segen. 84,8 Sie gehen von einer Kraft zur andern und schauen den wahren Gott in Zion. 84,9 HERR, Gott Zebaoth, höre mein Gebet; vernimm es, Gott Jakobs! SELA. 84,10 Gott, unser Schild, schaue doch; sieh doch an das Antlitz deines Gesalbten! 84,11 Denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend. Ich will lieber die Tür hüten in meines Gottes Hause als wohnen in der Gottlosen Hütten. 84,12 Denn Gott der HERR ist Sonne und Schild; der HERR gibt Gnade und Ehre. Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen. 84,13 HERR Zebaoth, wohl dem Menschen, der sich auf dich verläßt!

Wir sind heute ganz anders zum Gottesdienst gekommen….ohne eine beschwerliche lange Reise. Ich frage mich, ob ich noch zu solchem Jubel über den Gottesdienst fähig bin? Würde ich auch besondere Schwierigkeiten und Entbehrungen auf mich nehmen, um zur Kirche zu kommen? Oder bewege ich mich nur aus Tradition und Pflicht hierhin? Würde ich eigentlich lieber etwas ganz anderes tun? Ist der Gottesdienst mein elementares Bedürfnis?

Zunächst muß ich einen Zweifel aussprechen. Eigentlich gehört das nicht in eine Predigt! Ein Pastor soll nicht seine eigenen Zweifel verkünden, wie es vor einiger Zeit ein Geistlicher in Hamburg tat: Er könne nicht mehr die Aussagen des Glaubensbekenntnisses nachvollziehen und vertreten. Mit dieser Einstellung wäre er im falschen Beruf und sollte selbst die Konsequenzen ziehen. Mein Zweifel ist ein anderer: Ob das wohl zusammenpaßt – Gottes Wille und meine Bedürfnisse? Meine Bedürfnisse und die vieler anderer Menschen sind schnell formuliert: Gesundheit, Frieden, Wohlstand, Familie, Freunde, Hobbys….Umfragen unter jungen Leuten bestätigen diese Wertvorstellungen und Wünsche. Es gibt eine Sehnsucht nach Glück nach unseren eigenen Vorstellungen. Manche Eltern sagen: Unsere Kinder sollen es besser haben! Viele Jahre haben sie geschuftet – für ein Haus, ein Erbe, einen gewissen Wohlstand zugunsten ihrer Kinder und ihrer eigenen Bedürfnisse. Heute denken viele Menschen: Ich glaube nicht an Gott und den Himmel, deshalb will ich ein glückliches Leben hier auf dieser Erde führen, meine Zeit ausnutzen und genießen. Wie schön wäre das, wenn Gott diese Art von Bedürfnissen erfüllen würde! Könnte ich so beten und Gott darum bitten? „Du siehst doch, Gott, was ich brauche und mir wünsche…“

So kann ich nicht beten. Ich denke, es geht mir so gut, daß ich immer nur danken kann. Danken für ein Leben in einem der reichsten Länder der Welt, danken für Frieden seit 1945, für soziale Sicherheit und ein mehr als ausreichendes Auskommen. Das finde ich so wenig selbstverständlich, daß ich dafür Gott nur danken kann. Es gibt kein Recht dazu, vor Gott umfassende Bedürfnisse anzumelden!

Gottes Wille und sein Wort haben einen anderen Ansatzpunkt als meine Bedürfnisse: Er ist der souveräne Schöpfer und Herr dieser Welt. Er hat uns Menschen die Erde und die Welt geliehen zum Bebauen und zum Bewahren (1. Mose 2). Er hat uns mit einem Auftrag in diese Welt gerufen. Er möchte mit uns in Verbindung stehen, weil er uns liebt und aus Liebe seinen Sohn Jesus Christus zu uns gesandt hat.

Unter dieser Voraussetzung des souveränen und liebenden Gottes werden unsere menschlichen Bedürfnisse andere. Sie haben zu tun mit Nähe zu Gott: Ps. 84,3 Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des HERRN; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. Sie haben damit zu tun, Kraft von ihm erbitten: Ps. 84,6 Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten und von Herzen dir nachwandeln! Damit verbindet sich die Erkenntnis, daß Gottes Wort in mir Bedürfnisse weckt: Ps. 84,12 Denn Gott der HERR ist Sonne und Schild; der HERR gibt Gnade und Ehre. Er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen. 84,13 HERR Zebaoth, wohl dem Menschen, der sich auf dich verläßt! Laßt uns nicht beten: Gott, erfülle meine Bedürfnisse nach Gesundheit und Freizeit! Sondern laßt uns beten: Herr, wir wollen mit dir verbunden sein!

Aus dem Vertrauen auf Gott wird uns Kraft und Orientierung für unser Leben geschenkt. Dies gilt gerade auch in den Zeiten, wo Schwierigkeiten auftreten. Zum Beispiel: Wir werden nicht alle kerngesund und wohlhabend 100 Jahre alt werden. Wir werden nicht alle erleben, daß unsere Nachkommen ihr Leben so gestalten, wie wir es für gut und richtig halten. Wir werden nicht alle erleben, daß das, was wir aufgebaut und erarbeitet haben, von anderen hochgeschätzt und weitergeführt wird. Kurz: Wir werden nicht alle unsere menschlichen Bedürfnisse erfüllt sehen. Aber wir können alle durch Gebet zu Gott und die Gemeinschaft im Gottesdienst und durch das Hören und Tun seines Wortes Gottes Gnade und Gottes Zuspruch erfahren. Ps. 84,6 Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten und von Herzen dir nachwandeln! 84,7 Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, wird es ihnen zum Quellgrund, und Frühregen hüllt es in Segen. 84,8 Sie gehen von einer Kraft zur andern und schauen den wahren Gott in Zion. 84,9 HERR, Gott Zebaoth, höre mein Gebet; vernimm es, Gott Jakobs!

Welchen Weg uns Gott in unserem Leben gehen läßt, wissen wir nicht. Entscheidend bleibt für uns, mit ihm verbunden zu sein und auf sein Wort zu hören. Das soll unser größtes und wichtigstes Bedürfnis sein! Deshalb feiern wir Gottesdienst, für den manche Christen einen langen und beschwerlichen Weg auf sich nehmen.

Ps. 84 weist an einer Stelle über sich selbst hinaus: 84,10 Gott, unser Schild, schaue doch; sieh doch an das Antlitz deines Gesalbten! Ursprünglich war damit der König von Israel gemeint. Als Christen beziehen wir diese Bitte auf den König und Retter und Messias für alle Menschen, Jesus Christus. Gott schaut auf ihn, seinen Sohn – wir schauen auf Christus und sehen in ihm das Angesicht Gottes. In Jesus Christus sehen wir, daß Gott unsere Bedürfnisse kennt: unser Bedürfnis nach Vergebung, Erlösung, Hoffnung über den Tod hinaus. Deshalb gilt: Ps. 84,6 Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten und von Herzen dir nachwandeln!

Amen.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Sonntag 28. Oktober 2007 um 10:16 und abgelegt unter Predigten / Andachten.